Urteil des BGH vom 09.10.2006
BGH: vertragsschluss, haustürgeschäft, wohnung, unterzeichnung, auszahlung, widerrufsrecht, anfang, fortdauer, dokumentation, darlehen
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Gericht:
OLG Frankfurt 9.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
9 U 45/06
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 1 HTürGG, § 320 BGB, §§
320ff BGB
Haustürgeschäft: Widerruf einer Zweckerklärung
Leitsatz
§ 1 HWiG ist auf die Zweckerklärung anwendbar. Soweit in dieser Vorschrift die
Widerruflichkeit auf „Verträge über eine entgeltliche Leistung“ beschränkt ist, fallen
Sicherungsabreden hierunter. § 1 HWiG erfordert keinen gegenseitigen Vertrag i.S.d. §§
320 ff. BGB.
Tenor
[Anmerkung der Dokumentationsstelle des Bundesgerichtshofs: Der Tenor wurde
vom Gericht nicht mitgeteilt.]
Gründe
In dem Rechtsstreit … weist der Senat darauf hin, dass beabsichtigt ist, die
Berufung durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen. Die Klägerin verlangt von
der Beklagten Rückerstattung derjenigen Beträge, die diese aus dem Erlös aus
einer Grundschuld erlangt hat. Die Klägerin hatte eine Grundschuld in Höhe von
300.000,- an einem eigenen Grundstück bestellt und der Beklagten gegenüber
unter dem 2.11.1994 erklärt, diese diene zur Sicherheit für alle bestehenden und
künftigen Forderungen der Beklagten gegen sie – die Klägerin, sowie gegen die
Eheleute ... und ... A. Bei Verkauf des Grundstücks erhielt die Beklagte 634.000,-
DM, die Forderung gegen die Klägerin belief sich zu diesem Zeitpunkt lediglich auf
215.366,83 DM. Die Klägerin hat ihre Zweckerklärung vom 2.11.1994 als
Haustürgeschäft widerrufen. Das Landgericht hat der auf Zahlung und
Auskunftserteilung über die gezogenen Nutzungen gerichteten Klage mit Urteil
vom 3.8.2005 überwiegend stattgegeben, hiergegen richtet sich die Berufung der
Beklagten.
Die Berufung ist zwar zulässig, insbesondere an sich statthaft sowie form- und
fristgerecht eingelegt und begründet worden, hat in der Sache indes keine
Aussicht auf Erfolg. Sie hat auch weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung
eine Entscheidung des Berufungsgerichts (§ 522 II ZPO).
Das Landgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Zweckerklärung der
Klägerin vom 2.11.1994 wirksam nach § 1 HTWG widerrufen wurde. § 1 HTWG ist
auf die Zweckerklärung anwendbar. Soweit in dieser Vorschrift die Widerruflichkeit
auf „Verträge über eine entgeltliche Leistung“ beschränkt ist, fallen
Sicherungsabreden hierunter. § 1 HTWG erfordert keinen gegenseitigen Vertrag
i.S.d. §§ 320 ff. BGB und wird sowohl vom Bundesgerichtshof (Urteil vom 9.3.1993,
NJW 1993, 1594; Urteil vom 26.9.1995, NJW 1996, 55, 56) als auch vom
Europäischen Gerichtshof (Urteil vom 17.3.1998, NJW 1998, 1295) auf einseitige
Kreditsicherungen angewandt. Dem hat sich die Lehre ganz überwiegend
angeschlossen (Clemente, Recht der Sicherungsgrundschuld, 3. Aufl., Rn. 262 a ff.
mw.Nw.; Auer, ZBB 1999, 161, 165; beide m.w.Nw.). Vorliegend ist die Erklärung
der Klägerin vom 1.11.1994 Teil des Sicherungsvertrags, dessen Abschluss
Voraussetzung für die Auszahlung der Darlehen war. Das Widerrufsrecht der
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Voraussetzung für die Auszahlung der Darlehen war. Das Widerrufsrecht der
Klägerin ist entgegen der Ansicht der Berufung nicht nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 HTWG
ausgeschlossen. Die der Unterzeichnung der Zweckerklärung vorangegangenen
Verhandlungen fanden nicht aufgrund einer vorhergehenden Bestellung der
Klägerin in deren Wohnung statt. Insoweit nimmt der Senat Bezug auf die
Ausführungen im angefochtenen Urteil und schließt sich diesen an. Zur Recht hat
das Landgericht eine Vergleichbarkeit des vorliegenden Falles mit dem vom BGH
im Urteil vom 29.9.1994 (NJW 1994, 3351) entschiedenen Fall abgelehnt. Keine
ausschlaggebende Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang der Frage zu,
von wem der Anruf ausging oder wer in dem Telefongespräch den Vorschlag eines
Hausbesuchs machte. Insoweit hat das Landgericht auch die Vernehmung des
Zeugen Z1 zu Recht unterlassen. Unstreitig zwischen den Parteien ist, dass die
Klägerin im Rahmen der Darlehensverhandlungen Anfang 1994 zuletzt mit der
Unterzeichnung der Zweckerklärung über 100.000,- DM am 18.3./7.4.1994 befasst
war. Erst am 1.11.1994 trat dann die Beklagte an sie heran und teilte ihr mit, dass
ohne die weitere Zweckerklärung eines Auszahlung des Darlehens nicht möglich
sei. Auch unter Berücksichtigung der mit der Berufung vorgetragenen Umstände
kann hier nicht davon ausgegangen werden, dass der Hausbesuch lediglich im
Rahmen bereits vorher eingeleiteter Verhandlungen stattfand und für den
eigentlichen Vertragsschluss nicht mehr ursächlich war. Den am 1.11.1994
erfolgten Anruf konnte die Klägerin nicht mehr als Fortsetzung der rund sieben
Monate zuvor geführten und aus ihrer Sicht abgeschlossenen
Darlehensverhandlungen ansehen. Er stellte sich vielmehr als eine neue,
überraschende Kontaktaufnahme dar, die eine neue Entscheidung erforderlich
machte, bei deren Findung sie dadurch beeinträchtigt war, dass sie in ihrer
Wohnung damit konfrontiert wurde. Dass die Klägerin zuvor „über Jahre hinweg mit
demselben Sachbearbeiter“ der Beklagten „über ständig wechselnde
Kreditwünsche“ verhandelt und dabei eine „Vielzahl von Urkunden“ unterschrieben
hatte, mag in der Tat ein gewisses Vertrauensverhältnis geschaffen haben; dieses
indes lässt den Schutz des Haustürwiderrufsgesetzes genauso wenig entfallen wie
der Umstand, dass der Beklagten die Anwendbarkeit des
Haustürwiderrufsgesetzes im damaligen Zeitpunkt nicht bewusst war. Eine bloße
Fortdauer der ursprünglichen Vertragsverhandlungen ergibt sich auch nicht
daraus, dass der Klägerin aus den Gesprächen Anfang des Jahres 1994 klar
gewesen sein muss, dass es der Abgabe der Zweckerklärung und der Bestellung
der Grundschuld noch bedürfe. Selbst wenn man mit der Beklagten davon
ausgeht, dass die Notwendigkeit der weiteren Grundschuld bereits zum damaligen
Zeitpunkt eindeutig klargestellt war, liegt es nahe, dass die Klägerin dies nach so
langer Zeit vergessen hatte. Keine Bedeutung kommt schließlich der von der
Beklagten angestellten hypothetischen Betrachtung zu, ob die Klägerin im Falle
einer ordnungsgemäßen Belehrung von ihrem Widerrufsrecht Gebrauch gemacht
hätte oder nicht. Diesen Umstand zieht die Rechtsprechung zur Beurteilung heran,
ob ein dem eigentlichen Vertragsschluss außerhalb einer Haustürsituation
vorangegangener Hausbesuch kausal für diesen gewesen sein kann. Im
vorliegenden Fall indes hat die Klägerin ihre Willenserklärung in der
Haustürsituation unmittelbar abgegeben, auf eine Fortdauer der
Überrumpelungssituation bis zur Vertragsschluss kommt es dabei nicht an.
Die Beklagte erhält Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen. Sie wird
darauf hingewiesen, dass bei Rücknahme der Berufung Gerichtsgebühren in
erheblicher Höhe erspart werden können.
Hinweis: Die Entscheidung wurde von den Dokumentationsstellen der hessischen Gerichte
ausgewählt und dokumentiert. Darüber hinaus ist eine ergänzende Dokumentation durch
die obersten Bundesgerichte erfolgt.