Urteil des BGH vom 09.11.2001

BGH: grobes verschulden, rechtsnachfolge, umwandlung, rückzahlung, auflösung, abweisung, genossenschaft, vollversammlung, beteiligter, bestimmbarkeit

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
BLw 10/01
vom
9. November 2001
in der Landwirtschaftssache
betreffend einen Anspruch auf bare Zuzahlung
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Der Bundesgerichtshof, Senat für Landwirtschaftssachen, hat am 9. November
2001 durch die Richter Prof. Dr. Krüger, Dr. Klein und Dr. Gaier sowie die eh-
renamtlichen Richter Andreae und Kreye
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde des Antragstellers sowie die Anschluß-
rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluß des
Landwirtschaftssenats des Oberlandesgerichts Dresden vom
26. Februar 2001 werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens trägt der Antrag-
steller, der der Antragsgegnerin auch die außergerichtlichen Ko-
sten zu erstatten hat.
Der Geschäftswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren beträgt
250.978,53 DM.
Gründe:
I.
Der Antragsteller war Mitglied der LPG (T) "E. T." S. (nachfolgend: LPG
S.), in die er einen Inventarbeitrag einbrachte. Am 21. Februar 1990 beschloß
die Vollversammlung der LPG S., die Produktion durch Zusammenschluß in
einer einheitlichen LPG mit Pflanzen- und Tierproduktion fortzuführen. Hierzu
kam es aber nicht, da sich zunächst keine Genossenschaft mit Pflanzenpro-
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duktion fand, die zu einem Zusammenschluß bereit war. Daher beschloß die
Vollversammlung der LPG S. am 18. Juli 1990 die Auflösung der Genossen-
schaft.
Am 20. September 1990 kamen die Landeinbringer der LPG S. in einer
Versammlung zu dem Ergebnis, die Auflösung der LPG zu stoppen und die
Pläne des Zusammenschlusses weiterzuverfolgen. Dazu fanden sich schließ-
lich zwei weitere Genossenschaften bereit, deren Vollversammlungen einem
Zusammenschluß zustimmten. Ein entsprechender Vollversammlungsbeschluß
der LPG S. fehlt indes. Am 1. Januar 1991 wurde die LPG Sch. als aus einem
Zusammenschluß der drei beteiligten Genossenschaften hervorgegangene
LPG in das LPG-Register eingetragen.
Am 21. Mai 1991 beschloß die LPG Sch. eine formwechselnde Um-
wandlung in die Antragsgegnerin, die am 6. Februar 1992 in das Handelsregi-
ster eingetragen wurde. Der Antragsteller erhielt einen Kommanditanteil im
Wert von 2.027 DM. Die Antragsgegnerin zahlte in den folgenden Jahren ins-
gesamt 17.082,48 DM als Pflichtinventar nebst Zinsen an den Antragsteller.
Der Antragsteller ist der Auffassung, ihm stehe ein Anspruch auf bare
Zuzahlung in Höhe von 234.336,41 DM nebst Zinsen zu. Das Landwirtschafts-
gericht hat seinem auf Zahlung dieses Betrages gerichteten Antrag in Höhe
von 233.896,05 DM stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat diesen Antrag
sowie den in der Beschwerdeinstanz gestellten Feststellungsantrag, daß die
Antragsgegnerin Rechtsnachfolgerin der durch Zusammenschluß der LPG S.
mit den beiden anderen Genossenschaften entstandenen LPG Sch. ist, abge-
wiesen. Es hat ferner - auf Antrag der Antragsgegnerin - dem Antragsteller die
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Rückzahlung der erhaltenen 17.082,48 DM (Pflichtinventar), ohne die bean-
tragten Zinsen, aufgegeben und - ohne einen dahingehenden Antrag - festge-
stellt, daß die Antragsgegnerin nicht Rechtsnachfolgerin der durch Zusammen-
schluß u.a. der LPG S. entstandenen LPG ist.
Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Antragsteller sei-
nen Zahlungsantrag, soweit ihm das Landwirtschaftsgericht stattgegeben hat,
und seinen Feststellungsantrag weiter und begehrt die Abweisung des Gegen-
antrags der Antragsgegnerin auf Rückzahlung des Pflichtinventarbetrages. Die
Antragsgegnerin hat Anschlußrechtsbeschwerde eingelegt, mit der sie Zinsen
auf die Pflichtinventarleistung beansprucht, eine Vervollständigung des negati-
ven Feststellungsanspruchs und eine Abänderung der Kostenentscheidung
begehrt.
II.
1. Zur Rechtsbeschwerde
Die Rechtsbeschwerde ist nicht begründet.
a) Der Antragsteller verkennt nicht, daß der Zusammenschluß der LPG
S. mit den beiden anderen Genossenschaften zur LPG Sch. unwirksam ist, weil
es an einem Vollversammlungsbeschluß der LPG S. fehlt. Er sieht auch, daß
die Antragsgegnerin infolgedessen nicht Rechtsnachfolgerin der LPG S. und
der beiden anderen Genossenschaften geworden ist. Damit fehlt es jedoch
- wie das Beschwerdegericht zutreffend dargelegt hat - an der Passivlegitimati-
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on der Antragsgegnerin für den geltend gemachten Anspruch auf bare Zuzah-
lung nach § 28 Abs. 2 LwAnpG. Der Umstand, daß sich - worauf der Antrag-
steller hinweist - die Antragsgegnerin immer wie eine Rechtsnachfolgerin ver-
halten hat, vermag daran nichts zu ändern. Das begründet keine Beteiligung
des Antragstellers an der Antragsgegnerin, die für den Anspruch auf Ausgleich
eines möglicherweise zu niedrig bemessenen Anteils Voraussetzung ist.
Auch die Befürchtung des Antragstellers, die Antragsgegnerin könnte
der LPG S. die wesentlichen Vermögenswerte entzogen und damit Ansprüche
der Mitglieder gegen die in Liquidation fortbestehende LPG wertlos gemacht
haben, führt zu keinem direkten Anspruch des Antragstellers gegen die An-
tragsgegnerin. Denkbar wäre dies nur unter den - hier nicht ersichtlichen - Vor-
aussetzungen des § 826 BGB.
b) Folge des unwirksamen Zusammenschlusses und - darauf beruhend -
der mißglückten Umwandlung in die Antragsgegnerin ist, daß der Antragsteller
die erhaltene Zahlung von 17.082,48 DM nach § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB zu-
rückzuzahlen hat. Denn ihm standen Ansprüche gegen die Antragsgegnerin
nicht zu. Die Zahlung erfolgte daher an ihn ohne Rechtsgrund. Ob die Leistung
aus dem Vermögen der LPG S. vorgenommen wurde, ist für die Frage der be-
reicherungsrechtlichen Rückabwicklung unerheblich. Das löst lediglich Rück-
forderungsansprüche der LPG S. gegen die Antragsgegnerin aus, verhilft dem
Antragsteller aber - wie das Beschwerdegericht zutreffend dargelegt hat - nicht
zu einem Gegenrecht, das ihn zur Aufrechnung oder zur Geltendmachung ei-
nes Zurückbehaltungsrechts legitimierte. Anders wäre es nur, wenn die LPG S.
die Antragsgegnerin angewiesen hätte, Zahlungen aus ihrem Vermögen an
den Antragsteller zu erbringen. Dann fehlte es an einem Bereicherungsverhält-
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nis zwischen den Beteiligten des vorliegenden Verfahrens. Dafür gibt es aber
keinen Anhaltspunkt, gingen doch alle davon aus, daß die LPG S. in der LPG
Sch. aufgegangen und in die Antragsgegnerin umgewandelt worden war.
2. Zur Anschlußrechtsbeschwerde
Die Anschlußrechtsbeschwerde ist unbegründet.
a) Soweit sich die Antragsgegnerin dagegen wendet, daß das Be-
schwerdegericht den geltend gemachten Rückzahlungsanspruch ohne Zinsen
zugesprochen hat, trifft es zwar zu, daß das Zinseszinsverbot des § 289 Satz 1
BGB nur den Zinsanteil des Rückzahlungsanspruchs betrifft. Das hat das Be-
schwerdegericht aber auch nicht verkannt. Die Antragsgegnerin hatte indes
- wie das Beschwerdegericht festgestellt hat - den Zinsanteil nicht ausgewie-
sen, so daß eine teilweise Verzinsung wegen fehlender Bestimmbarkeit des
verzinsbaren Betrages nicht ausgesprochen werden konnte. In der Rechtsbe-
schwerdeinstanz kann dieser fehlende Tatsachenvortrag nicht nachgeholt wer-
den.
b) Soweit die Antragsgegnerin rügt, daß der Tenor hinsichtlich der Fest-
stellung der fehlenden Rechtsnachfolge unvollständig sei, bleibt das Rechts-
mittel ebenfalls ohne Erfolg. Zum einen ist die Antragsgegnerin durch diesen
Feststellungsausspruch nicht beschwert; denn das Beschwerdegericht hat in-
soweit nicht einen Antrag der Antragsgegnerin unvollständig oder einschrän-
kend beschieden, sondern verfahrensordnungswidrig von sich aus die Fest-
stellung getroffen. Veranlaßt war lediglich die Abweisung des Antrags des An-
tragstellers, der die Rechtsnachfolge festgestellt wissen wollte, nicht die nega-
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tive Rechtsfolge, daß keine Rechtsnachfolge eingetreten ist. Zum anderen er-
gibt sich aus dem Sinnzusammenhang, was gemeint ist.
c) Schließlich ist auch die Kostenentscheidung nicht zu beanstanden.
Nach § 45 Abs. 1 Satz 2 LwVG muß die Erstattung außergerichtlicher Kosten
nur dann angeordnet werden, wenn ein Beteiligter diese Kosten bei einem an-
deren Beteiligten durch ein unbegründetes Rechtsmittel oder durch grobes
Verschulden veranlaßt hat. Beide Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Es
stand daher im freien Ermessen des Beschwerdegerichts, eine Erstattungs-
pflicht entsprechend dem allgemeinen Grundsatz der freiwilligen Gerichtsbar-
keit, daß jeder Beteiligte die eigenen außergerichtlichen Kosten trägt, nicht an-
zuordnen (vgl. nur Barnstedt/Steffen, LwVG, 6. Aufl., § 45 Rdn. 4, 17 m.w.N.).
Ein Ermessensfehler liegt hier ersichtlich nicht vor. Die Antragsgegnerin, die
sich zunächst selbst jahrelang als Rechtsnachfolgerin der durch Zusammen-
schluß gebildeten LPG Sch. begriffen hat, hat zu dem Verfahren in erheblichem
Maße beigetragen. Die Anträge des Antragstellers waren weder offensichtlich
unbegründet noch gar mutwillig. Angesichts dessen entspricht die Kostenent-
scheidung des Beschwerdegerichts der Rechtslage.
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III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 44, 45 Abs. 1 Satz 2 LwVG.
Krüger Klein Gaier