Urteil des BGH vom 03.04.2003

BGH (freiheitsstrafe, stpo, rechtsmittel, verletzung, kind, stgb, strafe, reue, strafkammer, umfang)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 StR 259/09
vom
16. September 2009
in der Strafsache
gegen
wegen räuberischer Erpressung mit Todesfolge
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundes-
anwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 16. September 2009
gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Koblenz vom 19. Januar 2009, soweit es ihn betrifft, mit den Fest-
stellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurge-
richt zuständige Strafkammer des Landgerichts Koblenz zurück-
verwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen "gemeinschaftlicher schwe-
rer räuberischer Erpressung mit Todesfolge" zu einer Freiheitsstrafe von zwölf
Jahren verurteilt. Die hiergegen gerichtete, auf die Verletzung formellen und
materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge
Erfolg.
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1. Nach den Feststellungen des Landgerichts überfielen der Angeklagte
K. und der - tateinheitlich auch wegen Mordes verurteilte - Mitangeklagte
E. , dessen Revision der Senat mit Beschluss vom heutigen Tage gemäß
§ 349 Abs. 2 StPO verworfen hat, den später Getöteten F. in
den Räumlichkeiten der von diesem betriebenen Lkw-Vermietung. Sie forderten
von F. die Herausgabe von Bargeld; E. bedrohte das Opfer mit ei-
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nem Messer, woraufhin dieses ihm Geldscheine, etwa 200 bis 400 Euro, aus-
händigte. E. nahm F. sodann in den "Schwitzkasten", zog seinen
um den Hals gelegten Arm fest an und stach und schnitt mehrfach in den
Mundbodenbereich und Hals des Opfers. Dieses kam gleichwohl der Aufforde-
rung, den Tresor zu öffnen, nicht nach. Der den Einsatz des Messers billigende
Angeklagte K. folgte den beiden in das Büro, um dort nach Bargeld zu su-
chen. Als er jedoch nichts fand, entschlossen die Angeklagten sich zur Flucht.
Der Mitangeklagte E. "entschloss sich nun, F. zu töten". Er
versetzte ihm mit dem Messer einen gezielten Stich in die linke Brustseite, der
bis in das Herz drang. Das Opfer verstarb unmittelbar darauf an innerem Ver-
bluten. Um den Eintritt des Todes sicher zu stellen, schnitt E. dem am Bo-
den liegenden, sterbenden Opfer noch mehrmals durch die Kehle. Die Ange-
klagten verließen das Büro und das Betriebsgelände, ohne weiter nach Bargeld
zu suchen.
2. Diese Feststellungen tragen die Verurteilung wegen räuberischer Er-
pressung mit Todesfolge gemäß § 255 i.V.m. § 251 StGB nicht ohne weiteres.
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Hat einer von mehreren Tatbeteiligten den qualifizierenden Erfolg verur-
sacht, so sind die übrigen nach § 251 StGB strafbar, wenn sich ihr zumindest
bedingter Vorsatz auf die Gewaltanwendungen oder die Drohungen erstreckt,
durch welche der qualifizierende Erfolg herbeigeführt worden ist, und wenn
auch ihnen in Bezug auf die Todesfolge wenigstens Leichtfertigkeit vorzuwerfen
ist. Ein Beteiligter haftet somit gemäß § 251 StGB als Mittäter nur für die Folgen
derjenigen Handlungen des den Tod des Opfers unmittelbar herbeiführenden
Täters, die er in seine Vorstellungen von dem Tatgeschehen einbezogen hatte.
Die dem Opfer mit Tötungsvorsatz zugefügten Körperverletzungen dürfen also
nicht von wesentlich anderer Art und Beschaffenheit sein, als der Mittäter es
wollte und sich vorstellte. Jedoch begründet nicht jede Abweichung des tatsäch-
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lichen Geschehens von dem vereinbarten Tatplan bzw. den Vorstellungen des
Mittäters die Annahme eines Exzesses. Differenzen, mit denen nach den Um-
ständen des Falles gerechnet werden muss, und solche, bei denen die verab-
redete Tatausführung durch eine in ihrer Schwere und Gefährlichkeit gleichwer-
tige ersetzt wird, werden in der Regel vom Willen des Beteiligten umfasst, auch
wenn er sie sich nicht so vorgestellt hat. Ebenso ist der Beteiligte für jede Aus-
führungsart einer von ihm gebilligten Straftat verantwortlich, wenn ihm die
Handlungsweise seiner Tatgenossen gleichgültig ist und deswegen auf deren
Billigung geschlossen werden kann (vgl. BGH NStZ 1998, 511, 512 f. m.w.N.).
Nach den bisher getroffenen Feststellungen war der Todeserfolg nicht
Folge der vom Angeklagten K. gebilligten oberflächlichen Schnitte und Sti-
che in den Mundboden und Hals des Opfers. Vielmehr trat eine Zäsur im Ge-
schehen ein, als sich die Angeklagten, nachdem sie im Büro kein Bargeld ge-
funden hatten, zur Flucht entschlossen hatten. Erst daraufhin entschloss sich
der Mitangeklagte E. , F. zu töten. E. brachte dem
Opfer somit den tödlichen Messerstich ins Herz nicht mehr im Rahmen verab-
redeter Gewaltausübung bei (vgl. BGH aaO). Der Angeklagte K. nutzte die
Tötung des Opfers auch nicht dazu aus, sich in den Besitz von Vermögenswer-
ten zu bringen oder jedenfalls danach weiter zu suchen (vgl. zu dieser Konstel-
lation BGH NStZ 2008, 280, 281). Ob K. das sich an den gemeinsamen Ent-
schluss zur Flucht anschließende Geschehen überhaupt mitverfolgen konnte,
kann den Feststellungen des Landgerichts nicht entnommen werden.
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Zwar hat das Landgericht die Feststellung, dass die Angeklagten das Bü-
ro verließen, der Beschreibung des Tötungsaktes angeschlossen. Allein hieraus
kann aber – anders als in dem dem zitierten Urteil des 1. Strafsenats des Bun-
desgerichtshofs vom 18. Dezember 2007 zugrunde liegenden Fall (NStZ 2008,
280) - nicht geschlossen werden, dass der Angeklagte K. die weitere Ge-
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waltausübung durch den Mitangeklagten E. gebilligt oder jedenfalls leicht-
fertig gefahrerhöhend hierzu beigetragen hat.
3. Die Verurteilung des Angeklagten K. wegen räuberischer Erpres-
sung mit Todesfolge war daher aufzuheben. Da nicht ausgeschlossen werden
kann, dass zur Tatsituation während der Tötung F s. noch genau-
ere Feststellungen getroffen werden können, war die Sache zur erneuten Ver-
handlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen.
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Rissing-van Saan Maatz Rothfuß
Appl Cierniak