Urteil des BGH vom 10.11.2010
Berichtigungsbeschluss
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
XII ZB 403/12
vom
21. November 2013
in der Familiensache
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
VersAusglG § 19
Zur Ausgleichsreife eines durch Hofübergabevertrag begründeten Rentenan-
spruchs, dessen Abänderung bei einer wesentlichen Veränderung der Verhält-
nisse gemäß § 323 ZPO vorbehalten ist.
BGH, Beschluss vom 21. November 2013 - XII ZB 403/12 - OLG Koblenz
AG Alzey
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Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. November 2013 durch
den Vorsitzenden Richter Dose, die Richterin Weber-Monecke und die Richter
Schilling, Dr. Nedden-Boeger und Guhling
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Antragstellers wird unter Zurück-
weisung der Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin der Be-
schluss des 11. Zivilsenats - 3. Senat für Familiensachen - des
Oberlandesgerichts Koblenz vom 14. Juni 2012 aufgehoben.
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des
Amtsgerichts Alzey vom 18. Oktober 2011 in der Fassung des Be-
richtigungsbeschlusses vom 30. Dezember 2011 wird zurückge-
wiesen.
Die Kosten der Rechtsmittel werden der Antragsgegnerin aufer-
legt.
Beschwerdewert: 1.000
€
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten um die Einbeziehung eines durch Hofübernahme-
vertrag begründeten Rentenanspruchs in den Versorgungsausgleich.
Auf den am 6. Dezember 2008 zugestellten Antrag hat das Familienge-
richt die am 16. November 1982 geschlossene Ehe der Antraggegnerin (Ehe-
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frau) und des Antragstellers (Ehemann) unter Abtrennung der Folgesache Ver-
sorgungsausgleich rechtskräftig geschieden.
Während der Ehezeit (1. November 1982 bis 30. November 2008; § 3
Abs. 1 VersAusglG) erwarb der Ehemann Anrechte auf eine berufsständische
Versorgung in der landwirtschaftlichen Sozialversicherung, die Ehefrau erwarb
Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung und bei einer kommu-
nalen Zusatzversorgungskasse. Beide Ehegatten erwarben außerdem Anrechte
aus privaten Lebensversicherungen.
Durch Beschluss vom 18. Oktober 2011 hat das Familiengericht den
Versorgungsausgleich durchgeführt, indem es diese Anrechte intern geteilt hat
mit Ausnahme des von der Ehefrau bei der kommunalen Zusatzversorgungs-
kasse erworbenen Anrechts, von dessen Teilung es wegen Geringfügigkeit
(§ 18 Abs. 2 VersAusglG) abgesehen hat.
Mit ihrer Beschwerde hat die Ehefrau beantragt, ein weiteres Anrecht in
den Versorgungsausgleich einzubeziehen, welches darin bestehe, dass der
jüngere Sohn als Hofübernehmer des vormals von den Ehegatten geführten
landwirtschaftlichen Betriebes dem Ehemann eine monatliche, durch Indexklau-
sel wertgesicherte Rente von anfänglich
2.000 € als Gegenleistung für den von
ihm übertragenen Grundbesitz versprochen hatte. Nach den Vertragsbestim-
mungen (§ 4 des notariellen Übergabevertrages vom 5. März 2008) entsteht die
Zahlungspflicht aufschiebend bedingt mit Ausscheiden des Ehemanns aus dem
von ihm und dem Hofübernehmer in Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR)
betriebenen landwirtschaft- bzw. weinbaulichen Betrieb. Weiter heißt es in dem
Vertrag:
„Rein schuldrechtlich vereinbaren die beiden Beteiligten, dass bei
einer wesentlichen Veränderung der heutigen Verhältnisse jeder Ver-
tragsteil berechtigt ist, eine entsprechende Anpassung der vorstehend
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vereinbarten wertgesicherten monatlichen Zahlung bei Bedingungseintritt
gemäß § 323 ZPO zu verlangen. Dabei sind insbesondere der sich än-
dernde Bedarf des Berechtigten und die Leistungsfähigkeit des Verpflich-
teten zu berücksichtigen. Eine Änderung in diesem Sinne ist aus einem
Mehrbedarf des Berechtigten, der sich durch eine Übersiedlung in ein Al-
ten- oder Pflegeheim oder der sich infolge seiner dauernden Pflegebe-
dürftigkeit ergibt, nur insoweit abzuleiten, als die Eigenmittel des Berech-
tigten hierzu nicht ausreichen.
“
Das Oberlandesgericht hat den Beschluss des Familiengerichts abgeän-
dert und zusätzlich im Wege der internen Teilung zu Lasten des Anrechts des
Ehemanns bei dem Hofübernehmer zugunsten der Ehefrau ein Anrecht in Höhe
von 582 € monatlich nach Maßgabe von § 4 des notariellen Übergabevertrages
vom 5. März 2008, bezogen auf den 6. Dezember 2008, übertragen und weiter
angeordnet, dass der Leistungsfall eintrete, wenn die Ehefrau von der Deut-
schen Rentenversicherung Bund volle Rente wegen Alters oder Erwerbsminde-
rung erhalte. Hiergegen haben beide Ehegatten die zugelassene Rechtsbe-
schwerde eingelegt, wobei die Ehefrau die Übertragung eines Anrechts von
monatlich
1.000 € verfolgt, der Ehemann die Wiederherstellung der familienge-
richtlichen Entscheidung.
II.
Die Rechtsbeschwerde des Ehemanns hat Erfolg und führt zur Wieder-
herstellung der familiengerichtlichen Entscheidung. Die Rechtsbeschwerde der
Ehefrau ist unbegründet.
Das Verfahren richtet sich gemäß Art. 111 Abs. 5 FGG-RG, § 48 Abs. 3
VersAusglG nach dem ab 1. September 2009 geltenden Recht, weil am
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31. August 2010 über das Verfahren über den Versorgungsausgleich im ersten
Rechtszug noch keine Endentscheidung erlassen wurde.
1. Das Oberlandesgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie
folgt begründet:
Das Anrecht des Ehemanns aus dem Übergabevertrag sei durch Arbeit
oder Vermögen geschaffen worden. Auszugleichen seien auch solche Versor-
gungsanrechte, die mit dem Anfangsvermögen eines Ehegatten nach der Ehe-
schließung erworben wurden. Leibgedinge, die durch Hofübergabeverträge be-
gründet würden, seien daher in den Versorgungsausgleich einzubeziehen.
Das Anrecht diene auch der Absicherung des Ehemanns im Alter oder
bei Invalidität und stelle keine Kaufpreisraten aus einer Vermögens- oder Un-
ternehmensveräußerung dar. Die Rente werde nämlich fällig mit Ausscheiden
des Ehemanns aus der mit dem Sohn betriebenen GbR und solle von da an bis
zum Ableben des Ehemanns gezahlt werden. Dadurch habe sie Versorgungs-
charakter.
Auch sei das auszugleichende Anrecht noch vorhanden. Der vom Ehe-
mann inzwischen erklärte Verzicht auf die Rentenzahlung sei unwirksam, weil
es sich hierbei um einen Vertrag zu Lasten Dritter, nämlich der Ehefrau, hande-
le. Die Einbeziehung des Anrechts in den Versorgungsausglich sei auch nicht
grob unbillig.
Der Ausgleichswert sei entsprechend § 40 VersAusglG zeitratierlich in
der Weise zu ermitteln, dass die Zeitdauer der Mitarbeit der Ehefrau in dem
Weingut des Ehemanns ins Verhältnis gesetzt werde zu der Zeit, für die der
Ehemann trotz der zunächst gemeinsamen Tätigkeit in dem Weingut allein die
vereinbarte Rente erhalte. Auf diese Weise könne die Ehefrau einen Ausgleich
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für die von ihr geleistete Mitarbeit in dem Weinbaubetrieb des Ehemanns erhal-
ten. Zwar hänge der Beginn der Rentenzahlung vom Ausscheiden des Ehe-
manns aus der GbR ab. Im Falle eines unbestimmten und allein in der Hand
des Berechtigten liegenden Zeitpunkts des Eintritts des Versorgungsfalls sei es
aber sachgerecht, an die Regelaltersgrenze anzuknüpfen, die für den Ehemann
66 Jahre und 4 Monate betrage. Der bis zur Altersgrenze benötigte Gesamtzeit-
raum betrage 502 Monate, darauf entfalle ein auszugleichender Zeitraum von
292 Monaten. Daraus errechne sich ein Wert des Anr
echts von (2.000 € x 292 /
502 =) 1.163,35 €. Das führe nach dem Halbteilungsgrundsatz zu einem Aus-
gleichswert von gerundet 582 €.
Dieser zeitratierlichen Bewertung stehe auch nicht entgegen, dass der
Ehemann weiterhin in der gemeinsam mit dem Sohn betriebenen GbR tätig sei
und dort gewinnanteilsberechtigt bleibe. Sollte der Ehemann über die Regelal-
tersgrenze hinaus in dem Weinbaubetrieb arbeiten, könnten er und der Sohn
die Rentenzahlung an die Ehefrau bei der Höhe des zu leistenden Gewinnan-
teils berücksichtigen und eine Doppelbelastung vermeiden.
2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht in al-
len Punkten stand.
a) Im Ausgangspunkt zutreffend hat das Oberlandesgericht allerdings er-
kannt, dass es sich bei der vom Hofübernehmer versprochenen Rente um ein
auszugleichendes Versorgungsanrecht handelt.
Gemäß § 2 Abs. 2 VersAusglG ist ein Anrecht auszugleichen, sofern es
durch Arbeit oder Vermögen geschaffen oder aufrechterhalten worden ist, der
Absicherung im Alter oder bei Invalidität, insbesondere wegen verminderter Er-
werbsfähigkeit, Berufsunfähigkeit oder Dienstunfähigkeit, dient und auf eine
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Rente gerichtet ist. Diese Voraussetzungen sind für das hier streitige Anrecht
erfüllt.
Die monatlich zu zahlende Rente ist im vorliegenden Fall nicht nur als
Gegenleistung für die Hofübernahme im Sinne einer Bewirtschaftungsmöglich-
keit (wie etwa im Fall des Senatsbeschlusses vom 6. Mai 1982 - IVb ZB 550/80
- FamRZ 1982, 909) oder gar unentgeltlich versprochen, sondern als Gegen-
leistung für den vom Ehemann übertragenen Grundbesitz. Damit ist das An-
recht unzweifelhaft aus dem Vermögen des Ehemanns erworben.
Auszugleichen sind allerdings nur solche Anrechte, deren Zweck die
Versorgung wegen Alters, Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit ist. Ansprüche oder
Aussichten auf Leistungen mit anderer Zweckbestimmung, wie etwa Kaufpreis-
raten, gehören nicht dazu. Außerdem genügt für die Einbeziehung in den Ver-
sorgungsausgleich nicht bereits ein Versorgungszweck im Allgemeinen. Viel-
mehr muss sich dieser auf die in § 2 Abs. 2 Nr. 2 VersAusglG bezeichneten
Versorgungsfälle beziehen. Dabei kommt es jedoch nicht auf die Leitbilder der
öffentlich-rechtlichen Leistungssysteme und damit etwa auf das Erreichen der
dort vorgesehenen Altersgrenzen an. Vielmehr kann es für die Anknüpfung an
den Versorgungsfall des Alters nur darauf ankommen, dass das betreffende
Anrecht der Versorgung im Anschluss an die Beendigung des aktiven Arbeits-
lebens dienen soll (Senatsbeschluss vom 1. Juni 1988 - IVb ZB 132/85 -
FamRZ 1988, 936). Diese Voraussetzung ist hier erfüllt, da der Beginn der zu-
gesagten Rente an das Ausscheiden des Ehemanns aus dem in GbR geführten
landwirtschaftlichen Betrieb und somit an seinen Eintritt in den Ruhestand an-
knüpft.
b) Gemäß § 19 Abs. 1 VersAusglG findet allerdings, wenn ein Anrecht
nicht ausgleichsreif ist, insoweit ein Wertausgleich bei der Scheidung nicht statt.
Nicht ausgleichsreif ist ein Anrecht insbesondere, wenn es dem Grund oder der
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Höhe nach nicht hinreichend verfestigt ist (§ 19 Abs. 2 Nr. 1 VersAusglG). Hin-
reichend verfestigt ist ein Anrecht insoweit, als der Versorgungswert dem Grund
und der Höhe nach durch die künftige, namentlich betriebliche oder berufliche
Entwicklung des Berechtigten nicht mehr beeinträchtigt werden kann und somit
bereits endgültig gesichert ist (vgl. Senatsbeschluss vom 17. April 2013 - XII ZB
371/12
– FamRZ 2013, 1021 Rn. 9 mwN).
An dieser Voraussetzung fehlt es. Denn die Beteiligten haben in § 4 Zif-
fer 5 des Vertrages vereinbart, dass bei einer wesentlichen Veränderung der
Verhältnisse jeder Vertragsteil berechtigt ist, eine entsprechende Anpassung
der wertgesicherten monatlichen Zahlung gemäß § 323 ZPO zu verlangen, wo-
bei insbesondere der sich ändernde Bedarf des Berechtigten und die Leistungs-
fähigkeit des Verpflichteten zu berücksichtigen sind. Diese Vertragsbestimmung
schließt nicht nur die Möglichkeit einer Rentenerhöhung aufgrund Bedarfsstei-
gerung beim Ehemann ein, sondern ebenso eine Herabsetzung der Rente für
den Fall, dass die Leistungsfähigkeit des Hofübernehmers nicht mehr gegeben
ist, was beispielsweise durch aufeinanderfolgende Missernten oder sonstige
Ertragseinbußen eintreten könnte. Da die vertragliche Abänderungsmöglichkeit
nach unten nicht durch eine vertraglich festgelegte, in jedem Fall zu zahlenden
Mindestrente begrenzt ist, existiert kein verfestigter Rentenanspruch, welcher
dem Grund und der Höhe nach durch die künftige Entwicklung nicht mehr be-
einträchtigt werden kann und somit bereits endgültig gesichert wäre.
Der Anspruch aus dem Rentenversprechen könnte deshalb nur schuld-
rechtlich ausgeglichen werden (§§ 20 ff. VersAusglG).
c) Für den Fall eines späteren schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs
weist der Senat vorsorglich darauf hin, dass das Anrecht durch den Abschluss
des notariellen Vertrages vom 5. März 2008 als Gegenleistung für den vom
Ehemann übertragenen Grundbesitz und somit insgesamt während der Ehezeit
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erworben wurde. Es wäre deshalb nicht zeitratierlich zu bewerten, sondern hälf-
tig auszugleichen.
Dose Weber-Monecke Schilling
Nedden-Boeger Guhling
Vorinstanzen:
AG Alzey, Entscheidung vom 18.10.2011 - 1 F 128/08 -
OLG Koblenz, Entscheidung vom 14.06.2012 - 11 UF 1060/11 -