Urteil des BGH vom 23.02.2000
BGH (stgb, diebstahl, 1995, zusammenwirken, lfg, bande, mitwirkung, gefährlichkeit, stelle, rechnung)
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
1 ARs 2/00
vom
23. Februar 2000
in der Strafsache
gegen
wegen schweren Bandendiebstahls u. a.;
h i e r : Anfrage des 3. Strafsenats vom 22. Dezember 1999 - 3 StR 339/99
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Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 23. Februar 2000 gemäß
§ 132 Abs. 3 Satz 3 GVG beschlossen:
Der beabsichtigten Entscheidung wird nicht entgegengetreten.
Gründe:
Der 3. Strafsenat (Beschluß vom 22. Dezember 1999 - 3 StR 339/99)
beabsichtigt zu entscheiden:
"Ein Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von
Raub oder Diebstahl verbunden hat, ist auch dann Täter eines Bandendieb-
stahls, wenn es zwar nicht am Tatort an der Ausführung des Diebstahls unmit-
telbar beteiligt ist, aber auf eine andere als täterschaftlicher Tatbeitrag zu wer-
tende Weise daran mitwirkt und der Diebstahl von mindestens zwei weiteren
Bandenmitgliedern in zeitlichem und örtlichem Zusammenwirken begangen
wird."
Im Hinblick auf "die bisherige ständige Rechtsprechung des Bundesge-
richtshofs" hat der 3. Strafsenat die Sache den anderen Strafsenaten mit der
Frage vorgelegt, ob sie an ihren entgegenstehenden Entscheidungen festhal-
ten.
Der beabsichtigten Entscheidung steht Rechtsprechung des 1. Strafse-
nats nicht entgegen:
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Allerdings ist der Senat in seinem im Anfragebeschluß angeführten Be-
schluß vom 8. August 1995 - 1 StR 426/95 (StV 1995, 586) - davon ausgegan-
gen, bandenmäßig - nunmehr i. S. v. § 244 Abs. 1 Nr. 2, § 244 a Abs. 1 StGB -
stehle nur, wer mit wenigstens einem weiteren Bandenmitglied bei der Tat ört-
lich und zeitlich - wenn auch nicht notwendig körperlich - zusammenwirkt, was
bedeute, daß jedenfalls zwei Bandenmitglieder sich am Tatort oder in dessen
unmittelbarer Nähe befinden müssen (vgl. auch BGHSt 38, 26, 29). Für diese
Auslegung sprechen - wenn auch nicht zwingend - der Wortlaut des Gesetzes,
das die Begehung des konkreten Diebstahls "unter Mitwirkung eines anderen
Bandenmitglieds" voraussetzt, sowie sein Zweck, der erhöhten Gefahr für das
Tatopfer und der gesteigerten Effizienz der Tatausführung bei arbeitsteiliger
Wegnahmehandlung Rechnung zu tragen.
Es bedarf hier keiner Entscheidung, ob an dem genannten Grundsatz
festzuhalten ist, den auch der anfragende Senat nicht in Frage stellt. Denn ent-
scheidungserheblich ist nur eine Fallgestaltung, bei der ein Bandenmitglied
zwar nicht am Tatort an der Ausführung des Diebstahls unmittelbar beteiligt ist,
aber auf eine andere als täterschaftlicher Tatbeitrag zu wertende Weise daran
mitwirkt u n d der Diebstahl von mindestens z w e i w e i t e r e n Ban-
denmitgliedern in zeitlichem und örtlichem Zusammenwirken begangen wird.
Eine solche besondere Konstellation hat weder in dem erwähnten Fall
(Beschluß vom 8. August 1995) bestanden, in dem es sich lediglich um eine
aus zwei Personen bestehende Diebesbande handelte, noch hat sie - soweit
ersichtlich - anderweit bei einer Entscheidung des Senats tragende Bedeutung
gewonnen. Auch in dem vom Senat entschiedenen Fall BGHR StGB § 244
Abs. 1 Nr. 3 Bande 4 verhielt es sich so, daß die eigentlichen Wegnahme-
handlungen immer nur durch e i n e n Täter erfolgten. Das Senatsurteil vom
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23. Februar 2000 - 1 StR 568/99 - betrifft ebenfalls nicht einen Fall der vorlie-
genden Art.
Sollte Rechtsprechung des Senats ergangen sein, die der beabsichtig-
ten Entscheidung entgegensteht, wird an ihr nicht festgehalten.
Der Senat teilt die Rechtsauffassung des 3. Strafsenats, ein nicht am
Tatort anwesendes Bandenmitglied könne j e d e n f a l l s dann, wenn min-
destens zwei Bandenmitglieder die Tat v o r O r t begehen, Täter des Ban-
dendiebstahls sein.
Diese Auffassung ist, wie der anfragende Senat näher ausgeführt hat,
mit dem Gesetzeswortlaut vereinbar und kriminalpolitisch gerechtfertigt. Zu-
treffend ist insbesondere die von ihm vertretene Ansicht, bei einem Banden-
diebstahl stelle das Merkmal des Stehlens "unter Mitwirkung eines anderen
Bandenmitglieds" wegen der besonderen Gefährlichkeit der Tatausführung ein
t a t b e z o g e n e s Merkmal dar, das jedenfalls dann, wenn zwei weitere
Bandenmitglieder bei Wegnahme des Diebesguts zeitlich und örtlich zusam-
menwirken, unter den allgemeinen Voraussetzungen der Mittäterschaft dem
nicht am Tatort anwesenden Bandenmitglied nach § 25 Abs. 2 StGB zugerech-
net werden kann (ebenso z. B. Eser in Schönke/Schröder, StGB 25. Aufl. § 244
Rdn. 27, 28; Kindhäuser in NK-StGB 5. Lfg. § 244 Rdn. 35, 36; Günther in SK-
StGB 43. Lfg. § 250 Rdn. 40).
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Damit wird es möglich, den Einsatz moderner Methoden bei gemein-
schaftlicher Begehung eines Diebstahls - bei dem die Beteiligten vielfach
Kraftfahrzeuge sowie Mobiltelefone benutzen - und die maßgebliche Rolle des
im Hintergrund agierenden Bandenchefs schon bei der rechtlichen Einordnung
des Verhaltens eines Bandenmitglieds angemessen zu berücksichtigen.
Schäfer Granderath Wahl
Boetticher Schluckebier