Urteil des BGH vom 07.02.2006
BGH (stpo, verletzung, angriff, opfer, rechtsbehelf, wohnung, zeitpunkt, beginn, annahme, treffen)
5 StR 481/05
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
vom 7. Februar 2006
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
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Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 7. Februar 2006
beschlossen:
Die Gegenvorstellung des Angeklagten gegen den Be-
schluss des Senats vom 14. Dezember 2005 wird zurückge-
wiesen.
G r ü n d e
Der Senat hat mit Beschluss vom 14. Dezember 2005 auf die Revision
des Angeklagten das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 3. Juni 2005
nach § 349 Abs. 4 StPO im Strafausspruch aufgehoben und die Sache inso-
weit an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwie-
sen; die weitergehende Revision, den Schuldspruch wegen Totschlags
betreffend, wurde nach § 349 Abs. 2 StPO verworfen. Gegen diesen am
28. Dezember 2005 zugegangenen Beschluss hat die Verteidigerin mit am
selben Tag eingegangenem Schriftsatz vom 30. Januar 2006 Gegenvorstel-
lung erhoben, mit der sie die Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2, Art. 3
Abs. 1 und Art. 19 Abs. 4 GG geltend macht und in Abänderung des Be-
schlusses die umfassende Aufhebung des angefochtenen Urteils begehrt.
Der Rechtsbehelf hat keinen Erfolg.
Eine Gegenvorstellung gegen einen nach § 349 Abs. 2 StPO – auch in
Verbindung mit § 349 Abs. 4 StPO – ergangenen Beschluss ist als solche
nicht statthaft; ein derartiger Beschluss kann grundsätzlich weder aufgeho-
ben noch abgeändert oder ergänzt werden (st. Rspr.; vgl. BGHR StPO § 349
Abs. 2 Beschluss 2; vgl. auch Kuckein in KK-StPO 5. Aufl. § 349 Rdn. 35, 47
m.w.N.). Als Antrag nach § 356a StPO (i.V.m. Art. 103 Abs. 1 GG) ist der
Rechtsbehelf wegen Verfristung gemäß § 356a Satz 2 StPO unzulässig. So-
fern bei Verletzung anderer grundrechtsgleicher Verfahrensrechte, ein-
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schließlich des Willkürverbots, ein entsprechender Eingriff in die Rechtskraft
der revisionsgerichtlichen Sachentscheidung zu erwägen wäre, liegt die ent-
sprechende Anwendbarkeit dieser Fristenschranke auf der Hand. Dies bedarf
indes ebenso wie die Frage einer Abänderbarkeit des Senatsbeschlusses für
den Fall eines solchen Verstoßes keiner Entscheidung. Der Rechtsbehelf ist
jedenfalls unbegründet.
Der Senat hat einen sachlichrechtlichen Beweiswürdigungsfehler in
dem angefochtenen Urteil angenommen, wonach ein Beginn der dem Opfer
mit Angriffs-, nicht mit Verteidigungswillen beigebrachten insgesamt 14 tödli-
chen Messerstiche nicht bereits für die erste Phase des Streits unmittelbar
vor der Wohnungstür des Angeklagten – nach einem vorangegangenen ver-
hältnismäßig geringen Angriff durch das Opfer – festzustellen war, sondern
erst zu dem Zeitpunkt, als sich die Kontrahenten auf dem ersten Treppenab-
satz unterhalb der Wohnung des Angeklagten befanden, wo sie nach einer
dem ersten Angriff durch das Opfer folgenden Rangelei zu Fall gekommen
waren; dies hat der Senat als „vorangegangenen intensiveren Angriff des
Tatopfers auf den Angeklagten als Tatanlass“ bewertet. Der Senat hat indes
angesichts der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zur Stichzahl und
zum Vortatgeschehen ausgeschlossen, dass das Schwurgericht ohne Be-
rücksichtigung der fehlerhaften Feststellungen zum Tatbeginn zu abwei-
chenden Feststellungen hinsichtlich der inneren Tatseite und folglich zur An-
nahme von Notwehr oder auch nur Notwehrüberschreitung gelangt wäre. Der
Senat hat dem Rechtsfehler daher lediglich eine Auswirkung auf den Straf-
ausspruch zugebilligt. Er hat andererseits ausgeschlossen, dass in einer
neuen Hauptverhandlung weitergehende, den Angeklagten belastende Fest-
stellungen rechtsfehlerfrei zu treffen sein würden, die zu einem so weitge-
henden Schuldumfang führen könnten, wie im angefochtenen Urteil ange-
nommen. Der Senat hat daher lediglich den Strafausspruch unter Aufrecht-
erhaltung der eingeschränkten, insoweit rechtsfehlerfrei getroffenen Feststel-
lungen aufgehoben.
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In solcher dem Revisionsgericht obliegenden Prüfung und Entschei-
dung (vgl. dazu Kuckein aaO § 337 Rdn. 29 f., 33, 45, § 353 Rdn. 13, 24 ff.)
liegt keine Verletzung des Willkürverbots oder von grundrechtsgleichen
Rechten des Angeklagten.
Harms Häger Basdorf
Gerhardt Schaal