Urteil des BGH vom 11.02.2014

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
II ZR 276/12
Verkündet am:
11. Februar 2014
Vondrasek
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
ja
BGHR:
ja
EStG §§ 21, 9; FördG § 1; HGB § 255
a) Auf einen Schadensersatzanspruch eines Anlegers gegen die Gründungsgesell-
schafter eines Immobilienfonds sind Steuervorteile des Anlegers, die sich aus der
Berücksichtigung von Werbungskosten ergeben, grundsätzlich nicht schadens-
mindernd anzurechnen, weil die Ersatzleistung im Umfang der zuvor geltend ge-
machten Werbungskosten zu versteuern ist.
b) Das gilt auch für Sonderabschreibungen nach dem Fördergebietsgesetz.
BGH, Urteil vom 11. Februar 2014 - II ZR 276/12 - OLG München
LG München I
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Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 15. Oktober 2013 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Bergmann, den
Richter Prof. Dr. Strohn, die Richterinnen Caliebe und Dr. Reichart sowie den
Richter Sunder
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 15. Zivilsenats des Oberlan-
desgerichts München vom 1. August 2012 wird auf Kosten der
Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger verlangt Schadensersatz aus Prospekthaftung im weiteren
Sinne. Er beteiligte sich im Jahr 1997 mit 100.000 DM nebst 5 % Agio über ei-
nen Treuhandkommanditisten an dem geschlossenen Immobilienfonds D.
GmbH & Co.
KG (im Folgenden: Fonds). Unter Berufung auf verschiedene Prospekt-
mängel begehrt er von der Beklagten zu 1) als Gründungskomplementärin und
der Beklagten zu 2) als Gründungskommanditistin des Fonds im Wege des
Schadensersatzes die Rückabwicklung der Beteiligung.
Mit seiner Klage hat der Kläger Zahlung von 60.283,37 € nebst Zinsen
verlangt Zug um Zug gegen Übertragung der Beteiligungsrechte an dem Fonds.
Weiter hat er beantragt festzustellen, dass die Beklagten im Annahmeverzug
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seien und dass sie verpflichtet seien, dem Kläger allen zukünftigen Schaden zu
ersetzen, der ihm aufgrund der Beteiligung entstehen werde.
Das Landgericht hat dem ersten Feststellungsantrag in vollem Umfang,
dem zweiten Feststellungsantrag Zug um Zug gegen Übertragung der Rechte
aus der Beteiligung und schließlich der Zahlungsklage mit einem Teilbetrag von
34.070,79 € nebst Zinsen, ebenfalls Zug um Zug gegen Übertragung der Rech-
te, stattgegeben. Das Berufungsgericht hat die Zahlungspflicht der Beklagten
auf 39.937,65 € erhöht und im Übrigen die Berufungen der Parteien zurückge-
wiesen. Dabei hat es entgegen dem Begehren der Beklagten und anders als
das Landgericht die mit der Beteiligung verbundenen Steuervorteile in Höhe
von 16.894,79 € nicht schadensmindernd angerechnet.
Gegen die Nichtberücksichtigung der Steuervorteile richtet sich die inso-
weit vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Beklagten.
Entscheidungsgründe:
Die Revision bleibt ohne Erfolg. Das Berufungsgericht hat den geltend
gemachten Schadensersatzanspruch im Ergebnis zu Recht ohne Anrechnung
von Steuervorteilen zugesprochen.
Infolge der Beschränkung der Revision steht fest, dass die Beklagten
verpflichtet sind, den Schaden, den der Kläger durch den Beitritt zu dem Fonds
erlitten hat, zu ersetzen. Auf diesen Schaden sind etwaige Steuervorteile des
Klägers nicht anzurechnen.
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I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung insoweit im Wesentli-
chen wie folgt begründet:
Die im Jahr 1997 erzielten Steuervorteile müsse sich der Kläger grund-
sätzlich nur hinsichtlich eines
Teilbetrages von 6.082,12 €, der auf die Son-
derabschreibung nach dem Fördergebietsgesetz (FördG) entfalle, schadens-
mindernd anrechnen lassen. Dieser Vorteil werde aber durch die Steuerzahlun-
gen auf die Entnahmen ausgeglichen.
Die Finanzverwaltung könne weder die Sonderabschreibungen nach § 4
FördG gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO rückgängig machen noch die
Schadensersatzleistung insoweit als Zufluss negativer Werbungskosten be-
rücksichtigen. Das folge schon aus dem Wortlaut des § 1 Abs. 1 Satz 2 FördG,
der insoweit eine Sperrwirkung entfalte.
Das gelte jedoch nicht für die übrigen Werbungskosten in Höhe von
10.812,67 €. Der Ersatz derartiger Aufwendungen im Rahmen der Rückabwick-
lung des Beitritts sei eine Einnahme, die der Kläger nach § 21 EStG versteuern
müsse und die deshalb seinen Schaden nicht mindere.
Die dem Kläger somit nur verbleibenden Steuerersparnisse in Höhe von
6.082,12 € nach § 4 FördG würden jedoch durch die Besteuerung seiner Ent-
nahmen in den Jahren 1998 bis 2008, die sich auf 10.600,04 € beliefen, aufge-
wogen. Das sei im Rahmen der Schadensschätzung bei der gebotenen Ge-
samtbetrachtung zu berücksichtigen, so dass eine Anrechnung von Steuervor-
teilen im Ergebnis ganz ausscheide.
II. Diese Ausführungen halten - teilweise nur im Ergebnis - revisionsge-
richtlicher Überprüfung stand.
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1. Im Rahmen der Schadensberechnung sind vorteilhafte Umstände, die
mit dem schädigenden Ereignis in einem qualifizierten Zusammenhang stehen,
zu berücksichtigen, soweit ihre Anrechnung dem Sinn und Zweck des Scha-
densersatzes entspricht und weder den Geschädigten unzumutbar belastet
noch den Schädiger unbillig entlastet. Der Geschädigte darf nicht besser ge-
stellt werden, als er ohne das schädigende Ereignis stünde. Andererseits sind
nicht alle durch das Schadensereignis begründeten Vorteile auf den Schadens-
ersatzanspruch anzurechnen, sondern nur solche, deren Anrechnung mit dem
jeweiligen Zweck des Ersatzanspruchs übereinstimmt (BGH, Urteil vom
14. Januar 2002 - II ZR 40/00, WM 2002, 813, 815; Urteil vom 17. November
2005 - III ZR 350/04, ZIP 2006, 573 Rn. 7). Dazu können auch steuerliche Vor-
teile gehören, die der Anleger aus seiner Beteiligung an einem Immobilienfonds
erlangt hat.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs scheidet
aber im Rahmen der Schätzung des Schadens (§ 287 ZPO) eine Vorteilsan-
rechnung bezogen auf Steuervorteile grundsätzlich dann aus, wenn die ent-
sprechende Schadensersatzleistung ihrerseits der Besteuerung unterworfen ist.
Soweit die Schadensersatzleistung - als Rückfluss der zuvor angefallenen Be-
triebsausgaben oder Werbungskosten - vom Anleger zu versteuern ist, ohne
dass es bei der gebotenen typisierenden Betrachtungsweise darauf ankommt,
ob der Anleger die Schadensersatzleistung tatsächlich versteuert, sind die er-
zielten Steuervorteile nur dann anzurechnen, wenn Anhaltspunkte dafür beste-
hen, dass der Anleger derart außergewöhnliche Steuervorteile erzielt hat, dass
es unbillig wäre, ihm diese zu belassen (siehe nur BGH, Urteil vom
18. Dezember 2012 - II ZR 259/11, ZIP 2013, 311 Rn. 10; Urteil vom 23. April
2012 - II ZR 75/10, ZIP 2012, 1342 Rn. 43 f.; Urteil vom 1. März 2011
- XI ZR 96/09, ZIP 2011, 868 Rn. 8 f., 13; Urteil vom 15. Juli 2010
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- III ZR 336/08, BGHZ 186, 205 Rn. 36 ff.; Urteil vom 31. Mai 2010
- II ZR 30/09, ZIP 2010, 1397 Rn. 25).
Auf diese Ausnahme beruft sich die Revision nicht. Sie meint vielmehr,
dass der Kläger die Schadensersatzleistung der Beklagten im Umfang der hier
streitigen Werbungskosten schon grundsätzlich nicht zu versteuern habe, dass
also die Steuervorteile dem Kläger erhalten blieben und deshalb auf den Scha-
densersatzanspruch anzurechnen seien. Dem kann nicht gefolgt werden.
2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs und des
Bundesgerichtshofs sind Erstattungsbeträge, die Werbungskosten ersetzen, im
Jahr ihres Zuflusses (§ 11 Abs. 1 Satz 1 EStG) steuerpflichtige Einnahmen der
Einkunftsart, bei der die Aufwendungen vorher als Werbungskosten abgezogen
worden sind (BFH, NV 2005, 188, juris Rn. 19; BStBl II 2002, 796, juris Rn. 14;
BStBl II 2000, 197, juris Rn. 13; BFH, NV 1995, 499, juris Rn. 14; BStBl II 1993,
748, juris Rn. 8; BGH, Urteil vom 18. Dezember 2012 - II ZR 259/11, ZIP 2013,
313 Rn. 10; Urteil vom 26. Januar 2012 - VII ZR 154/10, WM 2012, 1790
Rn. 11, 16; Urteil vom 1. März 2011 - XI ZR 96/09, ZIP 2011, 868 Rn. 13; Urteil
vom 19. Juni 2008 - VII ZR 215/06, WM 2008, 1757 Rn. 8, 11; Urteil vom
30. November 2007 - V ZR 284/06, WM 2008, 350 Rn. 12; ebenso Podewils,
DStR 2009, 752, 754 f.; Kulosa in Schmidt, Einkommensteuergesetz, 32. Aufl.,
§ 21 Rn. 65 "Rückabwicklung"; a.A. Loritz/Wagner, ZfIR 2003, 753 ff.; zur
Rückabwicklung von Grundstückskaufverträgen s. Verfügung des Bayerischen
Landesamts für Steuern vom 16. Juli 2008, DB 2008, 2110), hier also der Ein-
künfte des Klägers aus Vermietung und Verpachtung im Sinne des § 21 Abs. 1
Satz 1 Nr. 1 EStG. Dass der Kläger die Fondsbeteiligung in seinem Betriebs-
vermögen gehalten hätte, hat die Revision nicht dargelegt und ist auch sonst
nicht ersichtlich.
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a) Zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung i.S. des § 21
EStG zählen nicht nur die Miet- oder Pachtzinsen, sondern auch alle sonstigen
Entgelte, die in einem objektiven wirtschaftlichen oder tatsächlichen Zusam-
menhang mit der Einkunftsart stehen und damit durch sie veranlasst sind.
Demzufolge sind Einnahmen der Einkunftsart auch die Rückflüsse von Aufwen-
dungen, die zuvor bei der Ermittlung der Einkünfte dieser Einkunftsart als Wer-
bungskosten abgezogen worden sind (BFH, BStBl II 2002, 796, juris Rn. 14).
Steuervorteile, die sich durch den Ansatz von sofort abziehbaren Werbungskos-
ten zunächst ergeben haben, werden danach bei einer Rückabwicklung im We-
ge des Schadensersatzes durch die Besteuerung der Schadensersatzleistung
im Veranlagungszeitraum ihres Zuflusses regelmäßig wieder ausgeglichen.
Werden als Werbungskosten geltend gemachte Aufwendungen zurückgezahlt,
hat der Erwerber diese als Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung der
Besteuerung zu unterwerfen (BGH, Urteil vom 1. März 2011 - XI ZR 96/09, WM
2011, 740 Rn.13; Loschelder in Schmidt, Einkommensteuergesetz, 32. Aufl.,
§ 9 Rn. 65 f.).
b) Die von der Revision gegen diese Rechtsprechung aufgezeigten Ge-
sichtspunkte können allenfalls zu der Annahme führen, dass die steuerrechtli-
che Lage bei Rückabwicklung der Vermögensbeteiligung unklar sei. Dann aber
erscheint es angemessen, das Risiko, ob eine Besteuerung der Schadenser-
satzleistung rechtlich möglich ist und tatsächlich erfolgt, dem Schädiger aufzu-
erlegen. Der Geschädigte müsste ansonsten bereits im anhängigen Verfahren
die Übertragung seiner Beteiligung gegen eine möglicherweise nicht vollständi-
ge Schadensersatzleistung anbieten, ohne den vollen, ihm gebührenden Ersatz
zu erhalten; ihm würde zugemutet, wegen eines rechtlich nicht gesicherten
möglichen Vorteils über einen weiteren Zeitraum das Risiko zu tragen, dass der
Schädiger die noch ausstehende Ersatzleistung nicht mehr erbringen kann. Tritt
dieser Fall ein, würde im Vermögen des Geschädigten ein dauerhafter Schaden
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verbleiben, beim Schädiger hingegen ein dauerhafter Vorteil. Dass dem Ge-
schädigten im Rahmen der Vorteilsausgleichung eine Anrechnung unter diesen
Voraussetzungen unzumutbar ist, entspricht der Rechtsprechung des Bundes-
gerichtshofs (BGH, Urteil vom 1. März 2011 - XI ZR 96/09, ZIP 2011, 868
Rn. 11). Im Übrigen müssen die Zivilgerichte in die Lage versetzt werden, über
Schadensersatzansprüche abschließend zu erkennen, ohne sich mit steuer-
rechtlich außerordentlich komplexen Gestaltungen im Detail auseinandersetzen
und die nur schwer abzusehende künftige Besteuerung der Ersatzleistung vor-
wegnehmen zu müssen (BGH, Urteil vom 15. Juli 2010 - III ZR 336/08, BGHZ
186, 205 Rn. 37).
c) Nach diesen Maßgaben scheidet eine Anrechnung der dem Kläger
unstreitig in Höhe von 10.812,67 € aus dem Abzug von Werbungskosten ent-
standenen Steuervorteile aus.
aa) Das gilt jedenfalls für die sofort abzugsfähigen Werbungskosten.
In deren Höhe führt die Rückabwicklung der Beteiligung des Klägers
nach den oben aufgezeigten Grundsätzen zu einer Besteuerung der Schadens-
ersatzleistung, die ihm die erzielten Steuervorteile wieder nimmt.
(1) Unbegründet ist der Einwand der Revision, der an den Beklagten zu
leistende Schadensersatz unterliege deshalb nicht der Besteuerung, weil die
Rückabwicklung des Beteiligungserwerbs im Streitfall nicht zwischen den Par-
teien des Beitrittsvertrages erfolgt, sondern zwischen dem Kläger und den
Gründungsgesellschaftern des Fonds. Nach der Rechtsprechung sowohl des
Bundesfinanzhofs als auch des Bundesgerichtshofs macht es für die steuerliche
Behandlung keinen Unterschied, ob die früheren Werbungskosten von dem
Vertragspartner zurückgezahlt oder von einem Dritten erstattet werden (BFH,
NV 2000, 1470, juris Rn. 3; BFH, NV 2005, 188, juris Rn. 19; BGH, Urteil vom
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1. März 2011 - XI ZR 96/09, ZIP 2011, 868 Rn. 13). Erforderlich ist nur, dass ein
innerer Zusammenhang zwischen der Zahlung und den Einnahmen besteht
(BFH, NV 2005, 188, juris Rn. 20). Dieser liegt hier vor, da dem Kläger sämtli-
che Schäden aus dem finanzierten Erwerb und damit auch sämtliche Wer-
bungskosten anteilig zu ersetzen sind. Die von der Revision angeführte Ent-
scheidung des Bundesfinanzhofs (BFH, BStBl II 2000, 197, juris Rn. 18) betrifft
eine andere Fallgestaltung und ist daher hier nicht einschlägig.
(2) Entgegen der Auffassung der Revision bleiben die Steuervorteile dem
Kläger auch nicht in dem Umfang erhalten, in dem die zugrundeliegenden Kos-
ten aus dem Fremdkapital und nicht aus dem Kommanditkapital bezahlt worden
sind. Für die steuerliche Beurteilung, nach der Steuerrechtssubjekt der Anleger
selbst und die Personengesellschaft lediglich Subjekt der Einkünfteermittlung ist
(vgl. Jooß, DStR 2014, 6, 8; Wacker, Festschrift Goette, 2011, S. 561, 564
mwN), macht das keinen Unterschied. Die Zurechnung der Werbungskosten
hängt nicht davon ab, wie die Zahlungen zu Lasten des Eigen- oder des
Fremdkapitals gebucht worden sind. Der Kläger konnte die Werbungskosten
jeweils in voller Höhe zur Reduzierung seiner persönlichen Steuerlast geltend
machen.
(3) Es kommt auch nicht darauf an, ob beim Kläger angesichts der an ihn
gezahlten und vom Berufungsgericht bei der Berechnung der Schadenshöhe
berücksichtigten Ausschüttungen von 29.654,92 € der verbliebene Schadenser-
satzbetrag niedriger ist als die ihm gutgeschriebenen Werbungskosten. Zum
einen ist zu berücksichtigen, dass Gewinnausschüttungen ihrerseits versteuert
werden müssen (vgl. Wacker in Schmidt, Einkommensteuergesetz, 32. Aufl., §
15 Rn. 708). Zum anderen ist im Rahmen der Vorteilsausgleichung eine sche-
matische Betrachtungsweise angezeigt, die auf derartige Sondersituationen
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nicht eingehen kann (vgl. BGH, Urteil vom 15. Juli 2010 - III ZR 336/08,
BGHZ 186, 205 Rn. 36, 48, 53).
bb) Im Ergebnis ohne Erfolg macht die Revision geltend, die vom Fi-
nanzamt als sofort abziehbare Werbungskosten behandelten Kostenpositionen,
nämlich die Eigenkapitalbeschaffungskosten, die Vergütung für die Mietgaran-
tie, die Pre-opening-Kosten, die Erhaltungsaufwendungen, die Kosten der Ver-
mittlung der Endfinanzierung, die Kosten der Fondsverwaltung und die Kom-
plementärvergütung, seien bei richtiger rechtlicher Würdigung keine Werbungs-
kosten, sondern modellbedingte Nebenaufwendungen, die zu den Anschaf-
fungskosten gehörten. Damit sei die Rückzahlung dieser Aufwendun-gen
- unabhängig von der falschen Zuordnung durch das Finanzamt - steuerlich als
Anschaffungskostenminderung im Jahr der Erstattung anzusehen. Insoweit sei
eine Berücksichtigung als Werbungskosten zwar grundsätzlich möglich, aber
nur in Form von Absetzungen für Abnutzung (AfA), die hier nicht geltend ge-
macht worden seien. Die Anschaffungskostenminderung sei dagegen nicht als
Einkunft aus Vermietung und Verpachtung steuerbar, da die Anschaffungskos-
ten nicht steuermindernd geltend gemacht werden könnten.
(1) Dabei legt die Revision schon nicht dar, dass alle der von ihr aufge-
führten Kosten Anschaffungskosten i.S. des § 255 Abs. 1 Satz 1 HGB sind.
Nach dieser auch im Steuerrecht geltenden Norm (BFH, BFHE 198, 425, juris
Rn. 15) sind Anschaffungskosten die Aufwendungen, die geleistet werden, um
einen Vermögensgegenstand zu erwerben und ihn in einen betriebsbereiten
Zustand zu versetzen, soweit sie dem Vermögensgegenstand einzeln zugeord-
net werden können. Jedenfalls bei den von der Revision aufgeführten Erhal-
tungsaufwendungen kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden,
dass es sich dabei um Anschaffungskosten handelt (vgl. Brandt/Crezelius/
Ege/Ott/Spiegelberger, Steuergestaltung und Beratungskonsequenzen, 2003,
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S. 225 ff.). Sie sind auch keine Anschaffungsnebenkosten i.S. des § 255 Abs. 1
Satz 2 HGB (vgl. MünchKommHGB/Ballwieser, 3. Aufl., § 255 Rn. 6; Ellrott/
Brendt in BeBiKo, 8. Aufl., § 255 HGB Rn. 70; Wiedmann in Ebenroth/
Boujong/Joost/Strohn, HGB, 2. Aufl., § 255 Rn. 15).
(2) Bei den übrigen von der Revision benannten Kostenpositionen spricht
allerdings viel dafür, dass es sich dabei um Anschaffungskosten i.S. des § 255
Abs. 1 Satz 1 HGB handelt mit der möglichen Folge, dass ihr Rückfluss nicht
als Einkunft aus Vermietung und Verpachtung steuerbar ist.
Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs sind Anleger, die sich
an einem Immobilienfonds der vorliegenden Art beteiligen, regelmäßig nicht als
Bauherrn, sondern als Erwerber des bebauten Grundstücks zu beurteilen.
Dementsprechend werden alle Aufwendungen, die von ihnen getragen werden
und dem Erwerb des bebauten Grundstücks dienen, als Anschaffungskosten
und nicht als sofort abziehbare Werbungskosten behandelt. Davon sind etwa
Provisionen in Bezug auf die Vermittlung des Eigenkapitals betroffen (BFH,
BStBl II 2002, 796, juris Rn. 17; BStBl II 2001, 717, juris Rn. 16 ff.; BStBl II
1995, 166, juris Rn. 8; Heuermann, HFR 2002, 606; im Wesentlichen ebenso
BMF, Erlass vom 20. Oktober 2003, BStBl I 546, 551 ff.).
Ob das auch im vorliegenden Fall gilt, kann jedoch offenbleiben. Denn
jedenfalls hat das Finanzamt diese Kosten sämtlich als sofort abziehbare Wer-
bungskosten behandelt und damit steuermindernd von den Einkünften des Klä-
gers aus Vermietung und Verpachtung abgezogen.
Ohne Erfolg beruft sich die Revision in diesem Zusammenhang auf das
Urteil des Bundesfinanzhofs vom 26. Februar 2002 (BStBl II 2002, 796, juris
Rn. 22 ff.), aus dem sich ergeben soll, dass es für die steuerrechtliche Qualifi-
zierung der Rückflüsse nicht darauf ankommen soll, ob das Finanzamt die be-
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treffenden Aufwendungen als Anschaffungskosten oder als sofort abziehbare
Werbungskosten behandelt hat. Nach Auffassung des Bundesfinanzhofs gibt es
im Steuerrecht kein allgemeines Korrespondenzprinzip, aufgrund dessen die
materiellrechtlich unzutreffende Behandlung von Aufwendungen auf die steuer-
rechtliche Einordnung der Rückflüsse zu übertragen ist (aA Kreft in Herrmann/
Heuer/Raupach, EStG/KStG, Stand: 11.2013, § 9 EStG Rn. 87 aE; Drenseck,
FR 1991, 497).
Ob diese Rechtsprechung auch auf den vorliegenden Fall anzuwenden
ist und ob - falls ja - die Festsetzung der Werbungskosten nicht durch das Fi-
nanzamt in entsprechender Anwendung des § 174 Abs. 4 AO geändert werden
könnte (vgl. dazu Weber-Grellet, FR 2002, 729; Heuermann, HFR 2002, 606),
erscheint zweifelhaft. In dem jener Entscheidung zugrunde liegenden Fall ging
es um eine (teilweise) Rückzahlung einer Vermittlungsprovision. An der Gesell-
schafterstellung des dortigen Klägers änderte sich dadurch nichts. Hier dage-
gen scheidet der Kläger im Rahmen des sogenannten großen Schadensersat-
zes aus der Gesellschaft aus. Er wird so gestellt, als hätte er sich nie beteiligt.
In dem Fall des Bundesfinanzhofs war die Behandlung der Rückflüsse als sofort
abziehbare Werbungskosten zwar falsch. Bei richtiger Behandlung hätte der
dortige Kläger die Anschaffungskosten aber als AfA nach § 9 Abs. 1 Satz 3
Nr. 7 EStG geltend machen können. Damit wären diese Aufwendungen auf je-
den Fall steuermindernd zu berücksichtigen gewesen, wenn auch zeitlich in
unterschiedlicher Höhe. Im vorliegenden Fall kommt dagegen eine Steuermin-
derung durch den Ansatz von AfA nicht in Betracht, weil der Kläger aus dem
Anlegerkreis ausscheidet und deshalb keine AfA mehr geltend machen kann.
Würde die ihm - möglicherweise zu Unrecht - gewährte Steuerersparnis nicht
durch eine Besteuerung der Schadensersatzleistung ausgeglichen, entstünde
für ihn zu Lasten des Fiskus ein dauerhafter Vorteil. Dass der Bundesfinanzhof
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auch bei einer derartigen Sachlage von einer Nichtsteuerbarkeit des Rückflus-
ses ausgehen würde, ergibt sich aus dem zitierten Urteil nicht.
Jedenfalls muss der Kläger damit rechnen, dass die Finanzbehörde auf-
grund der Unterschiede in den Sachverhalten das Urteil des Bundesfinanzhofs
auf den vorliegenden Fall nicht anwendet und stattdessen die Schadensersatz-
leistung in Höhe der als sofort abziehbare Werbungskosten behandelten Auf-
wendungen besteuert. Dem Kläger ist es damit jedenfalls unzumutbar, sich im
Rahmen der Vorteilsausgleichung die derzeitigen Steuervorteile auf seinen
Schadensersatzanspruch anrechnen zu lassen.
d) Nach der Rechtsprechung des Senats gilt, anders als vom Berufungs-
gericht angenommen, für die Sonderabschreibungen nach dem Fördergebiets-
gesetz -
hier in Höhe von 6.082,12 € - nichts anderes als für die sofort abzieh-
baren Werbungskosten (BGH, Urteil vom 18. Dezember 2012 - II ZR 259/11,
ZIP 2013, 311 Rn. 21).
Die Revision beruft sich demgegenüber - ebenso wie das Berufungsge-
richt - auf eine Sperrwirkung des § 1 Abs. 1 Satz 2 FördG und will daraus herlei-
ten, dass bei der Rückabwicklung eines Gesellschaftsbeitritts der Schadenser-
satzanspruch nicht im Umfang der auf den betreffenden Gesellschafter entfal-
lenden Sonderabschreibungen steuerbar ist. Auch dem kann nicht gefolgt wer-
den.
aa) Mit der Möglichkeit von Sonderabschreibungen nach dem Förderge-
bietsgesetz verfolgte der Gesetzgeber den Zweck, die steuerlichen Bedingun-
gen im Beitrittsgebiet zu verbessern und eine auf die Erleichterung und Be-
schleunigung des dort notwendigen Anpassungsprozesses zielende Regelung
zu schaffen (BFH, BFHE 197, 503, juris Rn. 12; BFHE 206, 444, juris Rn. 18).
Dabei hat er, um ein einheitliches Ausüben des Wahlrechts über die Inan-
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spruchnahme der Sonderabschreibung für alle beteiligten Steuerpflichtigen auf
der Ebene der Gesellschaft sicherzustellen, in § 1 Abs. 1 Satz 2 FördG be-
stimmt, dass bei Personengesellschaften an die Stelle des Steuerpflichtigen die
Gesellschaft tritt (Töben, Fördergebietsgesetz, 2. Aufl., § 1 Rn. 89). Insoweit
entfaltet diese Bestimmung eine Sperrwirkung (BFH, BFHE 197, 503, juris
Rn. 9; NV 2007, 2097, juris Rn. 13 f.). Die Sonderabschreibung kann danach
dem Grunde und der Höhe nach nur einheitlich in Anspruch genommen wer-
den. Diese Bestimmung verdrängt den § 7a Abs. 7 Satz 1 EStG, wonach erhöh-
te Absetzungen und Sonderabschreibungen bei mehreren Beteiligten anteilig
vorzunehmen sind, wenn die Voraussetzungen nur bei einzelnen Beteiligten
erfüllt sind (Stuhrmann in Blümich, EStG, KStG, GewStG, Loseblattkommentar,
Stand: März 2010, FördG § 1 Rn. 6; zweifelnd Töben, Fördergebietsgesetz,
2. Aufl. § 1 Rn. 93).
Das bedeutet aber nicht, dass auch bei einer Rückabwicklung des Ge-
sellschaftsbeitritts in Form eines großen Schadensersatzanspruchs dem be-
troffenen Gesellschafter die ihm wirtschaftlich zugeflossenen Sonderabschrei-
bungen verblieben, dass also die Ersatzleistung im Umfang der Sonderab-
schreibungen nicht steuerbar wäre. Auch im Rahmen des § 1 Abs. 1 Satz 2
FördG bleibt es entgegen der Auffassung der Revision dabei, dass steuerpflich-
tig allein die Gesellschafter sind. Auf der Ebene der Gesellschaft werden nur im
Rahmen einer einheitlichen und gesonderten Feststellung die Einkünfte der
Gesamtheit aller Gesellschafter ermittelt und den einzelnen Gesellschaftern
zugerechnet (§ 39 Abs. 2 Nr. 2, §§ 179 ff. AO). Bei der Rückabwicklung der
Gesellschaftsbeteiligung im Rahmen eines Schadensersatzanspruchs kann
damit durchaus der Teil der Schadensersatzleistung, der dem zugerechneten
Teil der Sonderabschreibungen entspricht, besteuert werden.
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Das steht nicht im Widerspruch zu der Auffassung des Bundesfinanz-
hofs, die Sonderabschreibungen nach dem Fördergebietsgesetz seien von ei-
nem Gesellschafterwechsel und einem Ein- oder Austritt eines Gesellschafters
unabhängig (BFH, NV 2007, 2097, juris-Rn. 14). Damit wird nur gesagt, dass es
nicht darauf ankommt, ob der einzelne Gesellschafter die Voraussetzungen für
eine Sonderabschreibung erfüllt. Vielmehr sind insoweit nach § 1 Abs. 1 Satz 2
FördG allein die Verhältnisse der Gesellschaft maßgeblich. Das ändert aber
nichts an der Steuerpflicht des Gesellschafters und damit an der Wirksamkeit
der Sonderabschreibungen allein bei ihm. Im Übrigen ist die Rückabwicklung
eines Gesellschaftsbeitritts im Wege des Schadensersatzes nach der Recht-
sprechung des Senats weder rechtlich noch wirtschaftlich identisch mit der Ver-
äußerung des Gesellschaftsanteils. Die Herausgabe des zuvor angeschafften
Wirtschaftsguts stellt keinen gesonderten "marktoffenbaren Vorgang", sondern
nur einen notwendigen Teilakt im Rahmen der Rückabwicklung dar (BGH, Urteil
vom 18. Dezember 2012 - II ZR 259/11, ZIP 2013, 311 Rn. 15). Dabei ist kein
Grund ersichtlich, warum die Ersatzleistung beim betroffenen Gesellschafter
nicht - wie auch hinsichtlich der sonstigen Werbungskosten - anteilig besteuert
werden kann. Denn als Ergebnis der Rückabwicklung soll er so stehen, als hät-
te er sich nie an der Gesellschaft beteiligt.
bb) Entgegen der Auffassung der Revision steht diesem Ergebnis auch
nicht entgegen, dass die durch die Besteuerung der Schadensersatzleistung
beim Kläger rückabgewickelten Sonderabschreibungen von den Beklagten nicht
mehr geltend gemacht werden können. Die Beklagten schulden dem Kläger
Schadensersatz. In diesem Rahmen fallen Nachteile, die sich aus der Besteue-
rung ergeben, ihnen zur Last. Dem Kläger kann nicht zugemutet werden, eine
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Minderung des Schadensersatzes hinnehmen zu müssen, nur weil die Beklag-
ten die mit einer Fondsbeteiligung verbundenen Abschreibungen für vergange-
ne Zeiträume nicht mehr geltend machen können.
Bergmann Strohn Caliebe
Reichart Sunder
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 10.02.2011 - 22 O 4249/10 -
OLG München, Entscheidung vom 01.08.2012 - 15 U 1222/11 -