Urteil des BGH vom 17.05.2010

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
II ZB 5/10
vom
17. Mai 2010
in der Handelsregistersache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
HGB §§ 13 e Abs. 3, 13 g Abs. 2; GmbHG §§ 8 Abs. 3, 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3;
§ 28 Abs. 2 FGG a.F.
Die vom Geschäftsführer in der Anmeldung zum Handelsregister gemäß § 8
Abs. 3 GmbHG abgegebene Versicherung, er sei "noch nie, weder im Inland noch
im Ausland, wegen einer Straftat verurteilt worden", genügt den gesetzlichen An-
forderungen. Es ist weder erforderlich, die in § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 GmbHG ge-
nannten Straftatbestände noch die in Rede stehenden vergleichbaren Bestim-
mungen des ausländischen Rechts in der Versicherung im Einzelnen aufzuführen.
BGH, Beschluss vom 17. Mai 2010 - II ZB 5/10 - OLG Karlsruhe
LG Mannheim
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Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat am 17. Mai 2010 durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Goette und die Richter Dr. Strohn, Caliebe,
Dr. Reichart und Dr. Löffler
beschlossen:
Auf die weitere Beschwerde der Beteiligten werden der Beschluss
der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Mannheim
vom 16. November 2009 und die Verfügungen des Amtsgerichts
Mannheim vom 11. Mai 2009 und 18. Mai 2009 aufgehoben.
Das Amtsgericht Mannheim - Registergericht - wird angewiesen,
über den Antrag der Beteiligten über die Eintragung der Errichtung
der Zweigniederlassung Karlsruhe/Baden in das Handelsregister
vom 7. April 2009 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Se-
nats neu zu entscheiden.
Gründe:
I. Die Beteiligte, eine im Handelsregister des Kantons Basel-Stadt einge-
tragene Schweizer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, meldete am 8. Mai
2009 bei dem zuständigen Registergericht eine Zweigniederlassung mit Sitz in
Karlsruhe zur Eintragung ins Handelsregister an. Der Geschäftsführer der Be-
teiligten versicherte in der notariell beglaubigten Anmeldung für sich:
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Das Registergericht hat diese Versicherung nicht für ausreichend gehal-
ten, weil nach seiner Ansicht in der Eignungsversicherung gemäß §§ 13 e
Abs. 3, 13 g Abs. 2 HGB i.V.m. §§ 8 Abs. 3, 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 GmbHG die
dort genannten Straftatbestände zu nennen und einzeln zu verneinen seien. Die
Beschwerde der Beteiligten vom 1. Oktober 2009, welche sich gegen entspre-
chend begründete Zwischenverfügungen des Registergerichts vom 11. Mai
2009 und 18. Mai 2009 richtete, hat das Landgericht Mannheim mit Beschluss
vom 16. November 2009 zurückgewiesen.
Das Oberlandesgericht möchte auf die dagegen von der Beteiligten ein-
gelegte weitere Beschwerde den Beschluss des Landgerichts sowie die Verfü-
gungen des Registergerichts aufheben, sieht sich hieran aber durch den Be-
schluss des Oberlandesgerichts München vom 27. April 2009 (31 Wx 42/09,
GmbHR 2009, 831) gehindert und hat die Sache daher dem Bundesgerichtshof
zur Entscheidung vorgelegt.
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II. Die Voraussetzungen für die Vorlage gemäß § 28 Abs. 2 FGG a.F.
sind gegeben. Das Oberlandesgericht München hat in dem angeführten Be-
schluss die Ansicht vertreten, bei Anmeldung eines Liquidators gemäß §§ 67
Abs. 3 Satz 1, 66 Abs. 4, 6 Abs. 2 Satz 2 GmbHG reiche die Versicherung nicht
aus, der Liquidator sei "nicht wegen einer oder mehrerer vorsätzlich begange-
ner Straftaten verurteilt worden". Von dieser obergerichtlichen Rechtsprechung,
die - wie das vorlegende Oberlandesgericht zutreffend ausführt - die gleiche
Rechtsfrage betrifft, würde das vorlegende Oberlandesgericht mit seiner beab-
sichtigten Entscheidung abweichen.
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III. Die in formeller Hinsicht nicht zu beanstandende weitere Beschwerde
der Beteiligten ist begründet. Sie führt - unter Aufhebung der die Ablehnung der
Eintragung der inländischen Zweigniederlassung der Beteiligten zu Unrecht
(§ 27 Abs. 1 Satz 1 FGG a.F., § 546 Abs. 1 ZPO) bestätigenden Beschwerde-
entscheidung des Landgerichts - zur Anweisung an das Amtsgericht, über den
Antrag der Beteiligten über die Eintragung der Errichtung der Zweigniederlas-
sung Karlsruhe/Baden in das Handelsregister vom 7. April 2009 unter Beach-
tung der Rechtsauffassung des Senats neu zu entscheiden.
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Das Registergericht hat mit seinen Zwischenverfügungen vom 11. Mai
2009 und 18. Mai 2009 die begehrte Eintragung der Zweigniederlassung zu
Unrecht davon abhängig gemacht, dass der Geschäftsführer der Beteiligten in
seiner Versicherung die in § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 GmbHG genannten Straftat-
bestände zu nennen und einzeln zu verneinen habe.
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1. Gemäß § 13 e Abs. 2 HGB ist die Errichtung einer Zweigniederlassung
einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit Sitz im Ausland zur Eintragung
in das Handelsregister anzumelden. In der Anmeldung sind die Personen an-
zugeben, die befugt sind, als ständiger Vertreter für die Tätigkeit der Zweignie-
derlassung die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich zu vertreten. Nach
Abs. 3 dieser Vorschrift gilt für die gesetzlichen Vertreter der Gesellschaft in
Bezug auf die Zweigniederlassung § 6 Abs. 2 Satz 2 und 3 GmbHG entspre-
chend. Gemäß § 13 g Abs. 2 HGB ist auf die Anmeldung die Vorschrift des § 8
Abs. 3 GmbHG anzuwenden, wonach die Geschäftsführer in der Anmeldung zu
versichern haben, dass keine Umstände vorliegen, die ihrer Bestellung nach § 6
Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 und Satz 3 GmbHG entgegenstehen. Danach wiederum
kann Geschäftsführer nicht sein, wer innerhalb der letzten fünf Jahre wegen
einer oder mehrerer vorsätzlich begangener Straftaten
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- des Unterlassens der Stellung des Antrags auf Eröffnung des
Insolvenzverfahrens (Insolvenzverschleppung),
- nach den §§ 283 bis 283 d StGB (Insolvenzstraftaten),
- der falschen Angaben nach § 82 GmbHG oder § 399 AktG,
- der unrichtigen Darstellung nach § 400 des AktG, § 331 HGB,
§ 313 des UmwG oder § 17 des Publizitätsgesetzes oder
- nach den §§ 263 bis 264 a oder den §§ 265 b bis 266 a StGB
zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist. Dies
gilt entsprechend bei einer Verurteilung im Ausland wegen einer Tat, die mit
den genannten Taten vergleichbar ist.
2. Die vom Geschäftsführer der Beteiligten in der Anmeldung abgegebe-
ne Versicherung, er sei "noch nie, weder im Inland noch im Ausland, wegen
einer Straftat verurteilt worden", genügt diesen gesetzlichen Anforderungen. Es
ist weder erforderlich, die in § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 GmbHG genannten Straf-
tatbestände noch die in Rede stehenden vergleichbaren Bestimmungen des
ausländischen Rechts in der Versicherung im Einzelnen aufzuführen.
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a) Der Wortlaut des § 8 Abs. 3 GmbHG verlangt die ausdrückliche Be-
nennung der einzelnen Straftatbestände des Katalogs gemäß § 6 Abs. 2 Satz 2
Nr. 3 GmbHG in der Versicherung des Geschäftsführers nicht. Auch der Sinn
und Zweck dieser Vorschrift gebieten dies nicht. Die Vorschrift dient der Erleich-
terung des Anmeldungs- und Prüfverfahrens. Mit der Einführung der Versiche-
rung gemäß § 8 Abs. 3 GmbHG wollte der Gesetzgeber verhindern, dass das
Registergericht zur Überprüfung der Umstände, die gemäß § 6 Abs. 2 Satz 2
und 3 GmbHG einer Stellung als Geschäftsführer entgegenstehen, selbst Aus-
kunft aus dem Zentralregister einholen muss. Die Versicherung des Geschäfts-
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führers hat mithin den Zweck, dem Registergericht auf schnelle und einfache
Art diejenigen Informationen zu vermitteln, die es sich ansonsten - unter erhöh-
tem Verwaltungsaufwand - durch ein Auskunftsersuchen gemäß § 41 Abs. 1
Nr. 1 BZRG selbst verschaffen müsste (BT-Drucks. 8/1347, Seite 34). Eine Ver-
sicherung, in der ein Geschäftsführer - wie hier - weitergehend erklärt, er sei
"noch nie, weder im Inland noch im Ausland, wegen einer Straftat verurteilt
worden", beinhaltet selbstverständlich die Information, dass er (auch) nicht we-
gen einer vorsätzlich begangenen Straftat im Sinne des Katalogs des § 6 Abs. 2
Satz 2 Nr. 3 GmbHG bzw. einer vergleichbaren Auslandstat verurteilt wurde.
Damit hat das Registergericht die für die Eintragungsentscheidung erforderliche
tatsächliche Information erhalten, der Gesetzeszweck ist vollständig erreicht.
b) Soweit im Anschluss an die herrschende Meinung, wonach die Erklä-
rung des Geschäftsführers im Sinne des § 8 Abs. 3 Satz 1 GmbHG jedes ein-
zelne Bestellungshindernis aufführen und dessen Fehlen versichern müsse
(vgl. auch BayObLGZ 1981, 396, 398 f.; BayObLG, DB 1983, 2408 f.;
H. Winter/Veil in Scholz, GmbHG 10. Aufl. § 8 Rdn. 26; Hueck/Fastrich in
Baumbach/Hueck, GmbHG 19. Aufl. § 8 Rdn. 16; Roth in Roth/Altmeppen,
GmbHG 6. Aufl. § 8 Rdn. 17; Lutter/Hommelhoff/Bayer, GmbHG 17. Aufl. § 8
Rdn. 16; Schmidt-Leithoff in Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG 4. Aufl. § 8
Rdn. 23; Michalski/Heyder, GmbHG § 8 Rdn. 36; Wicke, GmbHG § 8 Rdn. 15;
BeckOK GmbHG/C. Jaeger, Stand
15.10.2009 §
8 Rdn.
19; Schaal in
Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze 176. Aufl. § 8 GmbHG Rdn. 5;
Sudhoff/Sudhoff, Der Gesellschaftsvertrag der GmbH, 1992 S.
34;
MünchHdbGesR III/Riemenschneider/Freitag 3. Aufl. § 8 Rdn. 11;
Karsten,
GmbH-Recht § 1 Rdn. 75), vertreten wird, dass auch die Straftatbestände, die
ein Bestellungshindernis bilden können, im Einzelnen aufgeführt werden müs-
sen (OLG München, Beschl. vom 27. April 2009 - 31 Wx 42/09, NZG 2009, 717;
vgl. auch Wachter, GmbHR 2009, 785, 786 f.; Leitzen, GmbHR 2009, 1289,
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1291; Kilian, Notar 2010, 13, 19) folgt dem der Senat nicht (ebenso Tebben,
RNotZ 2008, 441, 449;
Keidel/Krafka/Willer, Registerrecht 8. Aufl. Rdn. 956
Fn. 4; vgl. auch Groß, Rpfleger 1982, 151 f.).
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Begründet wird diese Auffassung damit, dass die Versicherung nur dann
die Grundlage für die Prüfung des Registergerichts darstellen könne, wenn auf
Grund ihres Inhalts mit hinreichender Sicherheit beurteilt werden könne, ob dem
Erklärenden die Bestellungshindernisse im Einzelnen bekannt seien (OLG
München aaO). Der Versicherung wird also eine doppelte Funktion zugewiesen:
Sie soll dem Registergericht nicht nur die für die Eintragungsentscheidung not-
wendigen Informationen übermitteln, sondern auch erkennen lassen, dass dem
Erklärenden Inhalt und Umfang seiner Erklärungspflicht bewusst sind.
Dies entspricht nicht der Systematik und dem Zweck des Gesetzes. Wie
ausgeführt, dient die Versicherung dazu, dem Registergericht die zur Prüfung
von Bestellungshindernissen erforderlichen Informationen zur Verfügung zu
stellen, um eine ansonsten erforderlich werdende eigene Recherche überflüssig
zu machen. Ob die Versicherung richtig und vollständig ist, ist eine davon zu
trennende Frage. Dies wird nach dem Willen des Gesetzgebers systematisch
zum einen dadurch sichergestellt, dass der Geschäftsführer einer strafrechtli-
chen Verantwortung (§
82 Abs.
1 Nr.
5 GmbHG) unterworfen ist (vgl.
BT-Drucks. 8/1347, Seite 34). Zum anderen ist der Erklärende gemäß § 8
Abs. 3 Satz 1 GmbHG über seine unbeschränkte Auskunftspflicht vom Gericht
oder den in Satz 2 dieser Vorschrift genannten rechtskundigen Personen zu
belehren, was er wiederum zu versichern hat. Eventuell verbleibende Unklarhei-
ten über Umfang und Bedeutung der zu versichernden Umstände, etwa zu der
Frage, ob eine Auslandstat im Sinne des § 6 Abs. 2 Satz 3 GmbHG "vergleich-
bar" ist, hat der Geschäftsführer zur Vermeidung von Haftungsrisiken vor Abga-
be der Versicherung durch Inanspruchnahme rechtlicher Beratung zu klären.
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Insoweit gilt für die Versicherung nach § 8 Abs. 3 Satz 1 GmbHG nichts ande-
res als etwa für die - nicht selten von der Klärung schwieriger rechtlicher Vor-
fragen abhängenden - Versicherungen gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 GmbHG.
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Nicht überzeugend ist es deshalb, wenn die Pflicht zur Benennung der
einzelnen Katalogstraftatbestände damit begründet wird, einem juristischen Lai-
en sei möglicherweise nicht bewusst, dass nicht nur solche Straftaten die Be-
stellung als Geschäftsführer hindern, die im Strafgesetzbuch geregelt seien,
sondern auch Straftatbestände, die im Handels- und Gesellschaftsrecht gere-
gelt sind (OLG München aaO). Gerade der juristische Laie wird nicht zwischen
dem gesetzlichen Regelungsort des Straftatbestandes differenzieren und so zu
einem Rechtsirrtum gelangen. Er wird allerdings tatsächlich wissen, ob er über-
haupt jemals wegen einer Straftat verurteilt worden ist oder ob dies - wie hier
versichert - niemals geschehen ist.
Die h.M. ist zudem inkonsequent, wenn sie hinsichtlich der ebenfalls zur
Inhabilität des Geschäftsführers führenden Bestrafung wegen einer ver-
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gleichbaren Straftat im Ausland nicht dieselben formellen - allerdings praktisch
nicht erfüllbaren - Anforderungen stellt.
Goette Strohn Caliebe
Reichart
Löffler
Vorinstanzen:
LG Mannheim, Entscheidung vom 16.11.2009 - 21 T 15/09 -
OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 05.02.2010 - 11 Wx 118/09 -