Urteil des BGH vom 16.12.2005
Leitsatzentscheidung
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 195/04 Verkündet
am:
16. Dezember 2005
K a n i k,
Justizamtsinspektorin
als
Urkundsbeamtin
der
Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
VermG §§ 3 Abs. 3, 16 Abs. 5, Abs. 10 Satz 3
a)
Der Verfügungsberechtigte darf das Grundstück zur Finanzierung von
außergewöhnlichen Instandsetzungen mit Grundpfandrechten belasten. Dazu
braucht er sich nicht zu vergewissern, ob Anmeldungen vermögensrechtlicher An-
sprüche vorliegen.
b) Eine der Kreditaufnahme entsprechende Baumaßnahme an dem Grundstück ist
im Sinne von § 16 Abs. 5 Satz 4 VermG nicht durchgeführt, wenn die Mittel des
aufgenommenen Kredits dem Grundstück nicht oder nur zu einem vernachlässi-
genswerten Teil zugute gekommen sind. Darauf, ob sich die Maßnahmen im Wert
des Grundstücks niedergeschlagen haben, kommt es nicht an.
c) Eine Tilgung nach § 16 Abs. 5 Satz 2 VermG liegt auch vor, wenn das ursprüngli-
che Darlehen im Rahmen einer Umschuldung reduziert wird.
(Fortführung von Senatsurt. v. 11. März 2005, V ZR 153/04, NJW-RR 2005, 887)
BGH, Urt. v. 16. Dezember 2005 - V ZR 195/04 - OLG Naumburg
LG Halle/Saale
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Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 16. Dezember 2005 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, die
Richter Dr. Lemke und Dr. Schmidt-Räntsch, die Richterin Dr. Stresemann und
den Richter Dr. Czub
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 11. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts Naumburg vom 14. September 2004 im
Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als über die Klage gegen
die Beklagten zu 1 bis 3 und deren Widerklage gegen den Kläger
entschieden worden ist.
Die Klage gegen die Beklagten zu 1 bis 3 ist dem Grunde nach
gerechtfertigt.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens,
an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Rechtsvorgänger des Klägers erwarb 1932 das Grundstück
F. straße 29/31 in Halle/Saale und bebaute es mit einem Bürogebäude im
Bauhausstil. 1936 verlor er es verfolgungsbedingt an die F. und R.
GbR, die 1973 ihrerseits enteignet wurde. 1991 erhielt die aus der GbR hervor-
gegangene, inzwischen aufgelöste F. und R. oHG, deren Gesellschaf-
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ter bis zu deren Auflösung die Beklagten waren, das Grundstück in einer Unter-
nehmensrestitution wieder zurück, nahm zwei Darlehen über zusammen
900.000 DM auf, sicherte sie durch eine entsprechend hohe Grundschuld ab
und ließ das Haus instand setzen. Die Darlehen wurden aus den Mieterträgen
bedient. Das Grundstück wurde dem Kläger durch das Amt zur Regelung offe-
ner Vermögensfragen übertragen und ihm von den Beklagten im Mai 1999
übergeben.
Der Kläger verlangt von den Beklagten vollständige Freistellung von der
eingetragenen Grundschuld in dem auf Euro umgestellten Umfang von
460.162,69 €. Diese lehnen eine Freistellung ab und verlangen widerklagend
von dem Kläger Zahlung von 154.160,26 € nebst Zinsen für Instandsetzungs-
maßnahmen.
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Das Landgericht hat die Beklagten zur Freistellung des Klägers von der
Grundschuld in Höhe von 209.629,67 € verurteilt sowie die Klage gegen die
frühere Beklagte zu 4 und die Widerklage der Beklagten gegen den Kläger
abgewiesen. Auf die Berufungen des Klägers und der Beklagten hat das Ober-
landesgericht unter Zurückweisung der weitergehenden Rechtsmittel die Klage
insgesamt und, auf Grund einer Hilfsaufrechnung des Klägers mit Ansprüchen
auf Herausgabe von Mietzinsen, auch die Widerklage abgewiesen. Dagegen
richtet sich die von dem Senat zugelassene Revision des Klägers.
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Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht meint, der Kläger könne Freistellung von der
Grundschuld nicht verlangen, weil er weder dargelegt noch bewiesen habe,
dass der Kreditaufnahme entsprechende Baumaßnahmen nicht durchgeführt
worden seien. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus dem Gesichtspunkt
der Verletzung der Erkundigungspflicht nach § 3 Abs. 5 VermG. Die Beklagten
hätten diese Pflicht nicht verletzt, weil sie nach der Rückübertragung auf sie von
dem Fehlen weiterer Anmeldungen hätten ausgehen dürfen. Den Beklagten
stehe der widerklagend geltend gemachte Anspruch auf Ersatz der Aufwendun-
gen teils aus ungerechtfertigter Bereicherung teils aus § 3 Abs. 3 VermG zu.
Gegen ihn habe der Kläger aber mit einem Anspruch auf Auskehrung der Miet-
einnahmen wirksam aufgerechnet.
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II.
Diese Erwägungen halten einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand.
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1. Einen Anspruch des Klägers auf vollständige Freistellung von der auf
dem ihm restituierten Grundstück lastenden Grundschuld hat das Berufungsge-
richt allerdings zu Recht verneint.
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a) Nach § 16 Abs. 10 Satz 3 iVm Abs. 5 Satz 4 VermG kann der Kläger
vollständige Freistellung von der Grundschuld nur verlangen, wenn der Kredit-
aufnahme entsprechende Baumaßnahmen nicht durchgeführt worden sind. Das
hat der Kläger jedoch nicht hinreichend substantiiert vorgetragen.
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aa) Die Beklagten haben im Einzelnen und unter Vorlage von entspre-
chenden Unterlagen und Belegen erläutert, dass sich das Anwesen bei seiner
Rückübertragung an die F. und R. oHG, deren Gesellschafter die
Beklagten waren, in einem nicht vermietbaren Zustand befunden habe und von
dieser umfassend instand gesetzt worden sei. Dass und in welchen Punkten
diese Darstellung unzutreffend ist, hat der Kläger nicht vorgetragen. Er stützt
den Anspruch auf (vollständige) Freistellung vielmehr im Kern darauf, dass sich
die von den Beklagten behaupteten Instandsetzungsmaßnahmen nach dem
gerichtlichen Sachverständigengutachten nicht im Wert des Anwesens nieder-
geschlagen hätten. Darauf kommt es nach § 16 Abs. 10 Satz 3, Abs. 5 Satz 4
VermG aber nicht an. Die Vorschrift spricht zwar von einer der Kreditaufnahme
"entsprechenden" Baumaßnahme. Dieser Formulierung kann - rein sprachlich -
eine Anspielung auf den Wert der Maßnahmen entnommen werden. Der Revi-
sion ist auch einzuräumen, dass der Entwurf der Vorschrift eine Pflicht zur Ü-
bernahme von Pfandrechten nur vorsah, "wenn und soweit" eine der Kreditauf-
nahme entsprechende Baumaßnahme an dem Grundstück durchgeführt wurde
(BT-Drucks. 12/2480 S. 8). Dieser Vorschlag ist aber nicht Gesetz geworden. Er
stieß nämlich auf den Widerstand des Bundesrats. Dieser hielt den Aufwand
einer Prüfung, inwieweit sich Maßnahmen des Verfügungsberechtigten wert-
steigernd oder wertmindernd auswirken, für unvertretbar und wollte den Berech-
tigten allein auf die Abschläge nach § 18 Abs. 2 Satz 2 VermG verweisen; ihm
sollte nur der Einwand bleiben, "es sei nichts an seinem Anwesen ausgeführt
worden" (BT-Drucks. 12/2695 S. 12). Dieser Überlegung ist der Bundesgesetz-
geber uneingeschränkt und unter im Wesentlichen wörtlicher Übernahme des
Textvorschlags des Bundesrats gefolgt (Beschlussempfehlung der Ausschüsse
in BT-Drucks. 12/2944 S. 53). Der Einwand nach § 16 Abs. 5 Satz 4 VermG
besteht deshalb nur, wenn das Grundstück als Sicherungsobjekt für Kredite
missbraucht worden ist, die dem Grundstück nicht oder nur zu einem vernach-
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lässigenswerten Teil zugute gekommen sind. Dass das nach allgemeiner Mei-
nung auch dann gilt, wenn ein Teil des mit dem Grundpfandrecht gesicherten
Darlehens nicht der Finanzierung von Baumaßnahmen oder, was diesen gleich
gestellt ist (BVerwG, VIZ 2001, 208 f.; 2001, 261, 263), der Ablösung von Bau-
finanzierungspfandrechten, sondern anderen Zwecken diente (Fie-
berg/Reichenbach/Messerschmidt/Neuhaus/Impelmann, VermG, § 16 Rdn. 60;
Kimme/Petter, Offene Vermögensfragen, § 16 VermG Rdn. 24; RVI/Kiethe, § 16
VermG Rdn. 88), hilft dem Kläger nicht. Hier geht es allein darum, ob mit dem
Darlehen finanzierte Baumaßnahmen im Wert des Grundstücks einen Nieder-
schlag gefunden haben. Dieser Gesichtspunkt kann nach dem Wortlaut und
dem Zweck der Vorschrift, wie sie sich im Gesetzgebungsverfahren entwickelt
haben, nicht im Rahmen von § 16 Abs. 5 Satz 4 VermG, sondern allein in Ges-
talt der Abschreibungssätze nach § 16 Abs. 5 Satz 1 iVm 18 Abs. 2 VermG
Berücksichtigung finden.
bb) Etwas anderes könnte allenfalls dann angenommen werden, wenn
der von dem Landgericht zur Ermittlung seines Werts festgestellte Zustand des
Grundstücks die Vornahme der behaupteten Instandsetzungsmaßnahmen
ausgeschlossen erscheinen ließe. So liegt es hier indessen nicht. Der gerichtli-
che Sachverständige hat festgestellt, dass sich das Grundstück jetzt in einem
vermietbaren Zustand befindet. Das setzt Instandsetzungsmaßnahmen voraus,
lässt jedenfalls nicht ausgeschlossen erscheinen, dass die behaupteten In-
standsetzungsmaßnahmen vorgenommen worden sind. Unter diesen Umstän-
den kann der Kläger Vollfreistellung nach § 16 Abs. 10 iVm Abs. 5 VermG nur
verlangen, wenn er den Behauptungen der Beklagten im Einzelnen und unter
Auseinandersetzung mit den vorgelegten Belegen entgegentritt. Das ist nicht
geschehen.
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b) Ein auf Naturalrestitution gerichteter Anspruch auf Schadensersatz
aus § 678 BGB oder aus § 823 Abs. 2 BGB iVm § 3 Abs. 5 VermG wegen Ver-
letzung der Vergewisserungspflicht steht dem Kläger ebenfalls nicht zu.
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aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann der
Berechtigte von dem Verfügungsberechtigten zwar Ersatz des ihm aus der
Nichtbeachtung von § 3 VermG entstandenen Schadens verlangen, und zwar
entweder wegen Verletzung seiner Pflichten aus dem mit § 3 VermG begründe-
ten gesetzlichen Schuldverhältnis oder nach § 823 Abs. 2 BGB iVm § 3 Abs. 3
Satz 1 VermG als Schutzgesetz zugunsten des Berechtigten (Senat, BGHZ
128, 210, 215; BGH, Urt. v. 4. März 1999, III ZR 29/98, VIZ 1999, 346, 347; Urt.
v. 17. Juni 2004, III ZR 335/03, VIZ 2004, 452, 454). Anknüpfungspunkt einer
solchen Haftung ist aber entgegen der Annahme der Revision nicht ein Verstoß
gegen die Vergewisserungspflicht des § 3 Abs. 5 VermG, sondern ein Verstoß
gegen das Unterlassungsgebot des § 3 Abs. 3 VermG (BGH, Urt. v. 17. Juni
2004, III ZR 335/03, VIZ 2004, 452, 454). Die Vergewisserungspflicht nach § 3
Abs. 5 VermG ist keine eigenständige gesetzliche Verpflichtung des gegenwär-
tig Verfügungsberechtigten. Sie bestimmt lediglich den Sorgfaltsmaßstab, den
der Verfügungsberechtigte entweder nach § 276 Abs. 1 Satz 2 BGB a. F. (ent-
spricht § 276 Abs. 2 BGB) oder nach § 823 Abs. 2 BGB anzulegen hat, wenn er
über das Grundstück verfügen will, ohne gegen seine gesetzliche Verpflichtung
zu verstoßen, solche Verfügungen bei Vorhandensein vermögensrechtlicher
Anmeldungen zu unterlassen. Greift das Unterlassungsgebot nach § 3 Abs. 3
VermG aber trotz Vorliegens vermögensrechtlicher Anmeldungen ausnahms-
weise nicht ein, braucht sich der Verfügungsberechtigte auch nicht nach dem
Vorhandensein solcher Anmeldungen zu erkundigen.
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bb) Ein Verstoß gegen das Unterlassungsgebot liegt nicht vor. Zu den
Verfügungen über den Restitutionsgegenstand, die der Verfügungsberechtigte
nach § 3 Abs. 3 Satz 1 VermG zu unterlassen hat, gehört grundsätzlich aller-
dings die Bestellung von Grundpfandrechten. Dieses Gebot gilt aber nicht un-
eingeschränkt. Nach § 3 Abs. 3 Satz 2 Buchstabe b VermG ist der Verfügungs-
berechtigte zur Vornahme von Rechtsgeschäften zur Erhaltung und Bewirt-
schaftung des Grundstücks befugt. Das schließt außergewöhnliche Erhal-
tungsmaßnahmen mit ein (Senatsurt. v. 11. März 2005, V ZR 153/04, NJW-RR
2005, 887, 889). Nach § 3 Abs. 3 Satz 2 Buchstabe b VermG ist der Verfü-
gungsberechtigte nicht nur zur Vornahme der dazu nötigen tatsächlichen Maß-
nahmen berechtigt (Senat, BGHZ 126, 1, 7). Ihm sind auch alle dazu erforderli-
chen Rechtsgeschäfte erlaubt (BGHZ 136, 57, 61). Zu diesen Rechtsgeschäf-
ten gehört, wie der Senat im Zusammenhang mit der Erstattungsfähigkeit der
Kosten hierfür bereits entschieden hat, die Aufnahme von Darlehen zur Finan-
zierung solcher Maßnahmen (Urt. v. 11. März 2005, V ZR 153/04, NJW-RR
2005, 887, 890). Nichts anderes gilt für die Bestellung von Grundpfandrechten
zur Sicherung solcher Darlehen. Sie könnten nämlich ohne die Bestellung eines
Grundpfandrechts nicht aufgenommen werden. Dieser Fall liegt hier vor. Das
Anwesen war nach dem Vortrag der Beklagten völlig heruntergekommen und
bedurfte einer grundlegenden Sanierung. Zu diesem Zweck ist der zudem als
Aufbaudarlehen öffentlich geförderte Kredit aufgenommen und nach dem Vor-
trag der Beklagten auch verwendet worden. Diesen im Einzelnen konkretisier-
ten Vortrag hat der Kläger nicht substantiiert bestritten. Dazu wäre es erforder-
lich gewesen, sich mit den behaupteten Maßnahmen auseinanderzusetzen. Im
Wesentlichen nur darauf zu verweisen, die Maßnahmen schlügen sich nicht im
Wert des Grundstücks nieder, genügt demgegenüber nicht.
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cc) Es kommt deshalb nicht darauf an, auf welcher Grundlage der
Rechtsvorgängerin der Beklagten das Grundstück übertragen worden ist und ob
die Beklagten angesichts der dabei obwaltenden Umstände von der Möglichkeit
einer Anmeldung des Klägers ausgehen mussten. Der für eine Haftung der
Beklagten ausschlaggebende Verstoß gegen das Unterlassungsgebot scheidet
in jedem Fall aus.
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c) Schließlich steht dem Kläger auch kein Anspruch auf Schadensersatz
nach § 3 Abs. 3 Satz 6 VermG iVm § 678 BGB wegen Verletzung der Interes-
sen des Klägers bei der Durchführung der Instandsetzung zu. Nach § 3 Abs. 3
Satz 6 VermG mussten die Beklagten als Verfügungsberechtigte zwar auch
eine an sich erlaubte außergewöhnliche Instandsetzung so ausführen, wie das
Interesse des Klägers mit Rücksicht auf seinen wirklichen oder mutmaßlichen
Willen es erforderte. Eine Verletzung dieser Pflicht folgt aber nicht schon dar-
aus, dass sich die mit einem Darlehen finanzierten Maßnahmen zur Instandset-
zung im Wert des Grundstücks nur teilweise oder gar nicht niederschlagen. Sie
setzt vielmehr Vortrag dazu voraus, dass und aus welchen Gründen die Beklag-
ten bei der Auswahl und Durchführung der Maßnahmen oder bei der Aufnahme
des Kredits den mutmaßlichen Willen des Klägers missachtet haben. Daran
fehlt es.
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2. Das Berufungsgericht hat aber nicht erkannt, dass dem Kläger ein An-
spruch auf teilweise Freistellung von der Grundschuld auf dem restituierten
Grundstück zusteht.
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a) Dieser Anspruch folgt aus § 16 Abs. 10 Satz 3, Abs. 5 Sätze 1 und 2
VermG. Danach kann der Berechtigte, der bei der Restitution seines Grund-
stücks ein Grundpfandrecht ungekürzt zu übernehmen hat, von demjenigen, der
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es bestellt hat, Freistellung in dem Umfang verlangen, in dem es nach § 16
Abs. 5 bis 9 VermG nicht zu übernehmen wäre. Eine solche Pflicht besteht
nach § 16 Abs. 10 Satz 2 VermG bei Grundpfandrechten, die, wie hier, nach
dem 30. Juni 1990 bestellt wurden. Sie werden bei der Restitution des Grund-
stücks nicht aufgehoben oder gekürzt, sondern vollständig erhalten, um das
Vertrauen der Kreditinstitute in den Bestand dieser Rechte zu schützen (BT-
Drucks. 12/2480 S. 49). Das hat nach § 16 Abs. 2 Sätze 1 und 2, Abs. 10 Satz
1 VermG zur Folge, dass der Berechtigte mit dem Wirksamwerden des Restitu-
tionsbescheids auch in den Darlehensvertrag eintritt, der durch ein solches
Grundpfandrecht gesichert wird. Damit würde der Berechtigte aber schlechter
gestellt als bei einem Darlehensvertrag, der durch ein vor dem 30. Juni 1990
bestelltes Grundpfandrecht gesichert wird. Ein solches Grundpfandrecht wird
mit der Restitution in dem in § 16 Abs. 5 bis 9 VermG bestimmten Umfang
gekürzt; insoweit erlischt nach § 16 Abs. 2 Satz 2 VermG auch die Darlehens-
verpflichtung. Diese gegenüber dem Berechtigten nicht zu rechtfertigende
Schlechterstellung soll § 16 Abs. 10 Satz 3 VermG ausgleichen, indem die
Norm dem Berechtigten gegen denjenigen, der das Pfandrecht bestellt hat,
einen Freistellungsanspruch einräumt. Freizustellen ist der Berechtigte dabei
nicht nur von dem Grundpfandrecht, sondern auch von dem durch dieses gesi-
cherten Darlehen (Senatsurt. v. 11. März 2005, V ZR 153/04, NJW-RR 2005,
887, 891). Das ist entgegen der Annahme der Revisionserwiderung unbestritten
(Fieberg/Reichenbach/Messerschmidt/Neuhaus, aaO § 16 VermG Rdn. 121-
123; Rädler/Raupach/Bezzenberger/Kinne, Vermögen in der ehemaligen DDR,
§ 16 VermG Rdn. 102; RVI/Kiethe, aaO, § 16 Rdn. 113, 115, 117) und auch
interessengerecht. Der Berechtigte tritt in den Darlehensvertrag und die bestell-
ten Grundpfandrechte ein, soweit keine Tilgungen erfolgt sind und soweit kein
Wertverlust eingetreten ist, der sich nach den pauschalierten Abschreibungs-
sätzen des § 16 Abs. 5 Satz 2 iVm § 18 Abs. 2 Satz 2 VermG berechnet.
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b) Schuldner des Freistellungsanspruchs ist derjenige, der das Grund-
pfandrecht bestellt hat. Das ist gewöhnlich der gegenwärtig Verfügungsberech-
tigte, weil die Übertragung des Eigentums an einem Grundstück vor dem
rechtskräftigen Abschluss der wegen des Grundstücks anhängigen Restituti-
onsverfahren an der Versagung der Grundstücksverkehrsgenehmigung schei-
tert. Ob das hier mit Rücksicht darauf anders ist, dass das Grundpfandrecht von
der damals aus den Beklagten bestehenden oHG bestellt worden ist und diese
das Grundstück im Rahmen ihrer Liquidation auf die Beklagten übertragen hat,
bedarf keiner Entscheidung. Selbst wenn sich der Anspruch gegen die oHG
richtete, hafteten dennoch auch die Beklagten als ihre Gesellschafter, § 128
HGB.
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c) Nach § 16 Abs. 5 Sätze 1 und 2 VermG braucht der Berechtigte ein
Grundpfandrecht nur in dem in § 18 Abs. 2 Satz 2 VermG bestimmten Umfang
und auch nur soweit zu übernehmen, als das Darlehen nicht getilgt ist. Deshalb
ist der Berechtigte von dem Grundpfandrecht und dem Darlehen im Umfang der
Abschreibung nach § 18 Abs. 2 Satz 2 VermG und der Tilgungen freizustellen.
Diese Voraussetzungen liegen hier in einem noch näher aufzuklärenden Um-
fang vor.
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aa) Die Höhe der Freistellung wegen Abschreibungen hängt nach § 18
Abs. 2 Satz 2 VermG von der Zahl der Wohn- oder Gewerbeeinheiten in dem
Gebäude auf dem Grundstück ab. Feststellungen dazu hat das Berufungsge-
richt nicht getroffen. Nach dem von dem Landgericht zu dem Wert des Grund-
stücks eingeholten gerichtlichen Sachverständigengutachten hat das Gebäude
vier selbständig vermietbare Gewerbeeinheiten. Sollte sich das bestätigen,
ergäbe sich ein Teilfreistellungsbetrag von 2,5 % des Nennwerts der Grund-
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schuld für 7 Jahre. Das entspräche einer Teilfreistellung von 80.528,47 €. An-
ders wäre es nach § 18 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 VermG, wenn das Gebäude weni-
ger als drei vermietbare Einheiten haben sollte. Dann wären es 2% des Nenn-
werts der Grundschuld für 7 Jahre, mithin 64.422,78 €.
bb) Nähere Feststellungen dazu, in welchem Umfang das gesicherte
Darlehen getilgt ist, hat das Berufungsgericht nicht getroffen. Sie sind aber
geboten. Die Grundschuld sichert nach dem unstreitigem Vortrag jetzt nicht
mehr die beiden ursprünglichen, zu einem erheblichen Teil zurückgeführten
Darlehen an die Rechtsvorgängerin der Beklagten über zusammen 900.000
DM, sondern ein im November 1997 bei der Liquidation der aus den Beklagten
bestehenden oHG von diesen persönlich aufgenommenes Ablösungsdarlehen
über 550.000 DM. Darin liegt eine Teilrückführung des Darlehens und damit
eine Tilgung um 350.000 DM (= 178.952,16 €). Zu diesem Aspekt, der bislang
übersehen wurde, besteht in der neuen Verhandlung Gelegenheit zur Stellung-
nahme. Sollten sich keine neue Erkenntnisse zum Umfang der Tilgung ergeben,
wäre die Klage in Höhe weiterer 178.952,16 € begründet.
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3. Die Widerklage hat das Berufungsgericht zu Unrecht in vollem Umfang
wegen der von dem Kläger hilfsweise erklärten Aufrechnung mit einem An-
spruch auf Auskehrung vereinnahmter Mieten gemäß § 7 Abs. 7 Satz 2 VermG
abgewiesen.
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a) Das Berufungsgericht geht im Ergebnis zutreffend davon aus, dass
der F. und R. oHG und nach ihrer Liquidation den Beklagten ein Auf-
wendungsersatzanspruch gegen den Kläger zusteht. Dieser folgt aber nicht aus
§ 812 BGB, weil zwischen den Parteien ein durch § 3 VermG ausgeformtes
gesetzliches Schuldverhältnis besteht. Die Beklagten können vielmehr analog
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§ 3 Abs. 3 Satz 4 VermG Ersatz aller ihnen aus dem Darlehen für die Instand-
setzung des Anwesens entstandenen Kosten (Zinsen und Tilgung) sowie dar-
über hinaus Ersatz für die Instandsetzung etwa aufgewendeter zusätzlicher
eigener Mittel verlangen. Der Verfügungsberechtigte muss zwar die gewöhnli-
chen Instandsetzungen aus den laufenden Einnahmen bestreiten (Senat, BGHZ
128, 210, 213 f.). Das gilt aber nicht für außergewöhnliche Instandsetzungen,
um die es hier geht. Den für solche Maßnahmen entstehenden Aufwand (Dar-
lehenszinsen und -kosten sowie eigene Mittel) muss der Berechtigte dem Ver-
fügungsberechtigten ersetzen (Senatsurt. v. 11. März 2005, V ZR 153/04, NJW-
RR 2005, 887, 889).
b) Der Verfügungsberechtigte kann von dem Berechtigten aber nicht un-
eingeschränkt Ersatz der Kosten für solche außergewöhnlichen Instandsetzun-
gen verlangen. Sein Anspruch beschränkt sich vielmehr auf Ersatz für den
Aufwand, der sich nicht durch Mieteinnahmen und eigene Nutzungsvorteile
amortisiert hat (BGHZ 150, 237, 241 f.; Senatsurt. v. 11. März 2005, V ZR
153/04, NJW-RR 2005, 887, 889). Ob und in welchem Unfang es zu einer sol-
chen Amortisation gekommen ist, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt.
Dazu besteht aber Veranlassung. Die Beklagten haben nämlich eingeräumt,
dass sie und ihre Rechtsvorgängerin das Anwesen vermietet und die ursprüng-
lichen Darlehen wie auch das Ablösungsdarlehen aus den Mieteinnahmen
bedient haben. Deren Umfang wird das Berufungsgericht festzustellen haben.
Von den sich dabei ergebenden Einnahmen in der Zeit von Mai 1991 bis Ende
Juni 1994 wären abzuziehen die nicht durch den Mieter zu tragenden Neben-
kosten und der noch zu ermittelnde Betrag einer Freistellung wegen Abschrei-
bungen nach § 16 Abs. 10 Satz 3, Abs. 5 Satz 1 VermG iVm § 18 Abs. 2 Satz 2
VermG (Senatsurt. v. 11. März 2005, V ZR 153/04, NJW-RR 2005, 887, 891),
weil es insoweit zu einer Amortisation nicht kommen kann. Ersatzfähig ist nur
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der Betrag der Aufwendungen abzüglich der so zu berechenden Nettomieter-
träge.
III.
Danach kann das Berufungsurteil keinen Bestand haben. Das Beru-
fungsgericht wird in der neuen Verhandlung folgendes zu klären haben:
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1. Zur Klage ist zunächst zu prüfen, ob das Gebäude weniger als drei
vermietbare Einheiten hat. Sollte sich das bestätigen, wäre die Klage im Um-
fang von 64.422,78 €, sonst im Umfang von 80.528,47 € begründet. Sodann ist
festzustellen, ob die ursprünglichen Darlehen der oHG durch das Darlehen der
Beklagten persönlich von November 1997 abgelöst worden sind. Sollte sich das
bestätigen, wäre die Klage in Höhe weiterer 178.952,16 € begründet. Dieser
Betrag würde sich bei weiteren Tilgungen entsprechend erhöhen.
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2. Zur Widerklage ist zunächst festzustellen, welche Darlehenkosten den
Beklagten entstanden sind und welche zusätzlichen eigenen Mittel sie etwa
aufgewandt haben. Sodann ist festzustellen, welche Mieteinnahmen die Beklag-
ten und ihre Rechtsvorgängerin von Mai 1991 bis Ende Juni 1994 erzielt haben.
Davon wären die von dem Mieter nicht zu tragenden Nebenkosten und der
festzustellende Abschreibungsbetrag nach § 16 Abs. 10, 5 iVm § 18 Abs. 2
Satz 2 VermG abzuziehen. Nur wegen des sich hierbei ergebenden Über-
schusses könnte die Widerklage wegen der hilfsweise erklärten Aufrechnung
abgewiesen werden.
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3. Die rechtskräftige Abweisung der gegen die frühere Beklagte zu 4 ge-
richteten Klage steht nur der inhaltlichen Änderung der zu deren Gunsten er-
gangenen Kostenentscheidung, nicht aber deren förmlichen Aufhebung entge-
gen, damit eine neue einheitliche Kostenentscheidung unter Berücksichtigung
des bisherigen Kostenausspruchs zugunsten der früheren Beklagten zu 4 ge-
troffen werden kann.
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Krüger Lemke Schmidt-Räntsch
Stresemann Czub
Vorinstanzen:
LG Halle, Entscheidung vom 27.11.2003 - 4 O 244/01 -
OLG Naumburg, Entscheidung vom 14.09.2004 - 11 U 115/03 -