Urteil des BGH vom 08.01.2014
BGH: wiedereinsetzung in den vorigen stand, könig, mitgliedschaft, auflage, fristverlängerung, diagnose, fristwahrung, umdeutung, unvereinbarkeit, fax
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
AnwZ (Brfg) 60/13
vom
8. Januar 2014
in der verwaltungsrechtlichen Anwaltssache
wegen Feststellung
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Der Bundesgerichtshof, Senat für Anwaltssachen, hat durch den Vorsitzenden
Richter Prof. Dr. Kayser, den Richter Prof. Dr. König, die Richterin Dr. Fetzer
sowie die Rechtsanwälte Dr. Martini und Prof. Dr. Quaas
am 8. Januar 2014
beschlossen:
Der Antrag des Klägers auf Wiedereinsetzung in den vorigen
Stand wird abgelehnt.
Der Rechtsbehelf gegen das Urteil des 1. Senats des Branden-
burgischen Anwaltsgerichtshofs vom 15. Juli 2013 wird auf Kosten
des Klägers als unzulässig verworfen.
Der Wert des Verfahrens wird auf 5.000
€ festgesetzt.
Gründe:
I.
Der Anwaltsgerichtshof hat die auf Feststellung der Unvereinbarkeit der
Mitgliedschaft des Chefs einer Landtagsfraktion im Richterwahlausschuss des
Landes sowie der Funktion als Fraktionschef mit der gleichzeitigen Mitglied-
schaft im Vorstand der nunmehr nur noch allein beklagten Rechtsanwaltskam-
mer des Landes gerichtete Klage abgewiesen und die Berufung nicht zugelas-
sen. Der Kläger hat am 20. August 2013 beim Anwaltsgerichtshof "gegen das
[...] Urteil, zugestellt am 20. Juli 2013, Berufung” eingelegt. Mit am 20. Septem-
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ber 2013 um 10.51 Uhr per Fax beim Bundesgerichtshof eingegangenem
Schreiben hat der Kläger beantragt, die Frist zur Berufungsbegründung wegen
Urlaubs und Arbeitsüberlastung um einen Monat zu verlängern. Er ist am sel-
ben Tag um 13.57 Uhr per Telekopie darauf hingewiesen worden, dass dem
nicht entsprochen werden könne, weil mangels Zulassung durch den Anwalts-
gerichtshof eine Berufung nicht statthaft und, sollte der Rechtsbehelf des Klä-
gers als Antrag auf Zulassung der Berufung zu behandeln sein, die Frist zu sei-
ner Begründung nicht verlängerbar sei. Mit am 10. Oktober 2013 eingegange-
nem Schriftsatz hat der Kläger unter anderem Wiedereinsetzung in den vorigen
Stand wegen Arbeitsunfähigkeit vom 20. bis zum 27. September 2013 bean-
tragt und eine Begründung für die Zulassung der Berufung vorgetragen.
II.
Der vom Kläger als "Berufung" bezeichnete Rechtsbehelf ist unzulässig.
Eine Berufung ist mangels Zulassung nicht statthaft (§ 112e Satz 1
BRAO). Ob die Eingabe des - durch den Anwaltsgerichtshof ordnungsgemäß
belehrten - Klägers nach Auslegung oder Umdeutung als Antrag auf Zulassung
der Berufung behandelt werden könnte (vgl. hierzu BVerwG, NVwZ 1999, 641,
642; Beschluss vom 9. Februar 2005 - 6 B 75.04, juris; vom 10. Januar 2013
- 4 B 30.12, juris), bedarf keiner Entscheidung. Denn jedenfalls wäre die Frist
zur Begründung des Zulassungsantrags abgelaufen. Sie beträgt nach § 112e
Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO zwei Monate und beginnt mit der
Zustellung des vollständigen Urteils. Die Begründungsfrist lief danach am
20. September 2013 ab. Der Kläger hat bis dahin lediglich einen Fristverlänge-
rungsantrag eingereicht. Die Frist zur Begründung eines Zulassungsantrags ist
aber nach § 112e Satz 2 BRAO, § 125 Abs. 1 Satz 1, § 57 Abs. 2 VwGO und
§ 224 Abs. 2 ZPO einer Verlängerung nicht zugänglich (vgl. BGH, Beschluss
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vom 12. Oktober 2010 - AnwZ (Brfg) 3/10, juris). Folglich wäre auch ein Antrag
auf Zulassung der Berufung unzulässig.
III.
Wiedereinsetzung in den Stand vor Versäumung der Frist zur Begrün-
dung eines Zulassungsantrags könnte dem Kläger nicht gewährt werden, weil
er nicht glaubhaft gemacht hat, diese Frist unverschuldet nicht eingehalten zu
haben (§ 60 Abs. 1, 2 Satz 2 VwGO). Eine Erkrankung greift als Entschuldi-
gungsgrund für eine Fristversäumung nur dann durch, wenn sie so schwer war,
dass der von ihr Betroffene zu eigenem Handeln unfähig und auch außerstande
war, einen Bevollmächtigten mit der Wahrnehmung seiner Interessen zu beauf-
tragen und im gebotenen Umfang zu informieren (vgl. BVerwG, Beschlüsse
vom 27. September 1993 - 4 NB 35.93, Buchholz 310 § 60 VwGO Nr. 185; vom
22. Juli 2008 - 5 B 50.08, juris Rn. 7). Das Vorbringen des Klägers genügt nicht,
um eine der Fristwahrung entgegenstehende oder diese zumindest unzumutbar
machende Erkrankung am 20. September 2013 als überwiegend wahrschein-
lich (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Mai 2004 - II ZB 14/03, NJW-RR 2004, 1500,
1501 f.; Schmidt in Eyermann, VwGO, 13. Auflage 2010, § 60 Rn. 24) und da-
mit als glaubhaft anzusehen. Der vorgelegten, zumal erst am 23. September
2013 und damit drei Tage nach Beginn der geltend gemachten Erkrankung er-
stellten ärztlichen Bescheinigung lässt sich kein Beleg für ein hinreichend
schwerwiegendes Krankheitsbild entnehmen (vgl. auch BGH, Beschluss vom
5. April 1989 - VIII ZB 4/89, juris Rn. 6 m.w.N.). Denn der Kläger hat die durch
den Arzt gestellte Diagnose geschwärzt, womit dem Senat keine Beurteilung
möglich ist. Schon im Hinblick darauf kommt auch seiner eigenen Erklärung, an
einer "fiebrigen Erkältung" gelitten zu haben, kein Gewicht zu (vgl. auch
BayVGH, NJW 2011, 3177, 3178 m.w.N.). Einer Bewertung des Umstandes,
dass der Kläger mit am 20. September 2013, also am Tag des von ihm nun-
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mehr angegebenen Beginns seiner Erkrankung per Telekopie übermitteltem
Schriftsatz vom selben Tag eine Fristverlängerung "wegen Urlaubs und Ar-
beitsüberlastung" beantragt hatte, und seines diesbezüglichen Vortrags im
Wiedereinsetzungsantrag bedarf es demnach nicht mehr.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154
Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 1 BRAO, § 52 Abs. 2
GKG.
Kayser
König
Fetzer
Martini
Quaas
Vorinstanz:
AGH Brandenburg, Entscheidung vom 15.07.2013 - AGH I 1/11 -
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