Urteil des BGH vom 19.11.2002
BGH (zpo, wiedereinsetzung, partei, tag, rufnummer, verwechslungsgefahr, stellungnahme, literatur, vertreter, stein)
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
X ZB 19/02
vom
19. November 2002
in dem Rechtsbeschwerdeverfahren
- 2 -
Der  X. Zivilsenat  des  Bundesgerichtshofs  hat  am  19. November  2002
durch den Vorsitzenden Richter Dr. Melullis und die Richter Prof. Dr. Jestaedt,
Scharen, Keukenschrijver und Asendorf
beschlossen:
Die  Rechtsbeschwerde  gegen  den  Beschluß  der  8. Zivilkammer
des  Landgerichts  München II  vom  19. April  2002  wird  auf  Kosten
des Beklagten als unzulässig verworfen.
Der  Wert  des  Gegenstandes  des  Rechtsbeschwerdeverfahrens
wird auf 3.558,59 Euro festgesetzt.
Gründe:
I.  Der  Beklagte  ist  vom  Amtsgericht  Starnberg  zur  Zahlung  eines  Geld-
betrags  verurteilt  worden.  Nach  fristgerechter  Berufungseinlegung  ist  die  an
das für das Berufungsverfahren zuständige Landgericht München II adressierte
Berufungsbegründungsschrift  am  letzten  Tag  der  verlängerten  Berufungsbe-
gründungsfrist  um  16.23 Uhr  per  Telefax  beim  Landgericht  München I  einge-
gangen;  sie  wurde  am  folgenden  Tag  an  das  Landgericht  München II  weiter-
geleitet. Das Landgericht München II hat die beantragte Wiedereinsetzung ver-
sagt  und  die  Berufung  als  unzulässig  verworfen.  Hiergegen  wendet  sich  der
- 3 -
Beklagte  mit  seiner  vom  Berufungsgericht  nicht  zugelassenen  Rechtsbe-
schwerde.
II.  Die  ansonsten  statthafte  Rechtsbeschwerde  ist  unzulässig,  weil  die
Rechtssache  weder  grundsätzliche  Bedeutung  hat  noch  die  Fortbildung  des
Rechts  oder  die  Sicherung  einer  einheitlichen  Rechtsprechung  eine  Entschei-
dung des Bundesgerichtshofs erfordert (§§ 574 Abs. 2, Abs. 1 Nr. 1, 522 Abs. 1
Satz 4 ZPO in der seit 1.1.2002 geltenden Fassung).
Das Berufungsgericht ist auf Grund des Vortrags der zweitinstanzlichen
Prozeßbevollmächtigten  des  Beklagten  davon  ausgegangen,  daß  die  Fehllei-
tung  der  Berufungsbegründungsschrift  an  das  Landgericht  München I  anstatt
an  das  zuständige  Landgericht  München II  darauf  zurückzuführen  sei,  daß  im
Faxgerät  dieser  Prozeßbevollmächtigten  seit  mehr  als  einem  Jahr  unter  der
Kurzwahlbezeichnung "Landgericht München II" eine Faxnummer des Landge-
richts München I eingegeben gewesen sei. Es hat hierin letztlich ein Organisa-
tions-  oder  Überwachungsverschulden  der  Prozeßbevollmächtigten  gesehen,
das die Partei sich zurechnen lassen müsse. Damit ist es von einem zutreffen-
den rechtlichen Beurteilungsmaßstab ausgegangen (§ 233 ZPO).
Welche  Sorgfaltsanforderungen  an  die  Partei  und  ihre  Vertreter  jeweils
zu  stellen  sind,  kann  nur  fallbezogen  beantwortet  werden.  Dabei  kann  es
durchaus  von  Bedeutung  sein,  ob  hinsichtlich  der  Faxnummern  - wie  bei  der
Vielzahl der Münchener Gerichte, die, wie gerichtsbekannt und auch aktenkun-
dig  ist,  großenteils  über  Nebenstellen  der  Rufnummer 5597  erreicht  werden -
eine  gesteigerte  Verwechslungsgefahr  besteht.  Der  der  Rechtsbeschwerde
- 4 -
zugrundeliegende Sachverhalt betrifft daher auch nur einen Einzelfall und nicht
eine allgemein klärungsbedürftige Frage.
Entgegen  der  Auffassung  der  Rechtsbeschwerde  liegt  auch  ein  Diver-
genzfall nicht vor. Die Rechtsbeschwerde verweist selbst  darauf,  daß  die  Auf-
fassung des Berufungsgerichts in seinem von ihr angegriffenen Beschluß vom
Landgericht Frankfurt am Main geteilt werde (NJW 1992, 3043 f.). Die von der
Rechtsbeschwerde  gesehene  Divergenz  zu  der  Literaturstelle  Stein/Jonas/
Roth,  ZPO,  21. Aufl.,  § 233  Rdn. 80  (nicht:  Rdn. 82),  besteht  nicht.  Dort  wird
(unter Hinweis auf  entsprechende  Gerichtsentscheidungen)  Wiedereinsetzung
nämlich nur für die Fälle bejaht, in denen die unrichtige Telefaxnummer von der
Telefonvermittlung des Berufungsgerichts angegeben  wurde  oder  im  Briefkopf
des  Gerichts  genannt  war.  Solche  Fälle  liegen  hier  nicht  vor.  Im  übrigen  wird
dort die genannte Entscheidung des Landgerichts Frankfurt am Main ohne kri-
tische Stellungnahme zitiert. Daß im übrigen eine Divergenz in der Rechtspre-
chung  oder  zu  in  der  Literatur  vertretenen  Auffassungen  bestehe,  zeigt  die
Rechtsbeschwerde nicht auf.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
Melullis
Jestaedt
Scharen
Keukenschrijver
Asendorf