Urteil des BGH vom 09.07.2014
Leitsatzentscheidung
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
X I I Z B 7 / 1 4
vom
9. Juli 2014
in der Betreuungssache
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
FamFG §§ 39, 42, 43, 70
a) Ist das Beschwerdegericht versehentlich davon ausgegangen, dass die
Rechtsbeschwerde gegen seine Entscheidung statthaft ist (hier: Vergütung in
einer Betreuungssache), und hat es deshalb die Rechtsbeschwerde nicht
zugelassen, kann es ihre Zulassung weder durch einen Berichtigungsbe-
schluss noch durch eine nachträgliche Zulassung bewirken (im Anschluss an
BGH Beschluss vom 12. März 2009 - IX ZB 193/08 - NJW-RR 2009, 1349).
b) Ebenso wenig kann das Rechtsbeschwerdegericht selbst über die Zulassung
der unstatthaften Rechtsbeschwerde befinden (im Anschluss an BGH Be-
schluss vom 10. Mai 2012 - IX ZB 295/11 - NJW-RR 2012, 1509).
BGH, Beschluss vom 9. Juli 2014 - XII ZB 7/14 - LG Trier
AG Bitburg
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Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. Juli 2014 durch den Vor-
sitzenden Richter Dose, die Richterin Weber-Monecke und die Richter Schilling,
Dr. Nedden-Boeger und Guhling
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 11. Zivilkammer
des Landgerichts Trier vom 12. November 2013 wird auf Kosten
des weiteren Beteiligten zu 1 verworfen.
Beschwerdewert: 7.961 €
Gründe:
I.
Der Beteiligte zu 1 (im Folgenden: Betreuer) wendet sich mit seiner
Rechtsbeschwerde gegen die Festsetzung von Vergütungen aus dem Vermö-
gen des von ihm betreuten Betroffenen zugunsten eines früher für diesen tätig
gewesenen anwaltlichen Ergänzungsbetreuers.
Das Amtsgericht hat dessen Vergütung nach dem Gesetz über die Ver-
gütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (RVG) auf 2.440,69
€ und
5.520,47
€ festgesetzt. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Betreuers hat
das Landgericht mit Beschluss vom 12. November 2013 zurückgewiesen, ohne
die Rechtsbeschwerde zuzulassen. In der von dem Einzelrichter unterschriebe-
nen Rechtsbehelfsbelehrung heißt es, dass gegen "
diesen Beschluss (…) die
Rechtsbeschwerde nach §§ 70 ff. FamFG statthaft" sei. Nach entsprechenden
Anregungen des Betreuers und des jetzigen Ergänzungsbetreuers des Be-
troffenen hat das Landgericht am 19. Dezember 2013 beschlossen, dass die
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Rechtsbeschwerde zuzulassen sei. Anschließend hat der Betreuer Rechtsbe-
schwerde gegen die Entscheidung des Landgerichts eingelegt.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist unstatthaft und damit unzulässig.
1. Gemäß § 70 Abs. 1 FamFG ist die Rechtsbeschwerde eines
Beteiligten
statthaft,
wenn
sie
das
Beschwerdegericht
oder
das
Oberlandesgericht im ersten Rechtszug in dem Beschluss zugelassen hat.
Nach § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FamFG ist die Rechtsbeschwerde gegen einen
Beschluss des Beschwerdegerichts ohne Zulassung in Betreuungssachen zur
Bestellung eines Betreuers, zur Aufhebung einer Betreuung, zur Anordnung
oder Aufhebung eines Einwilligungsvorbehalts statthaft. Vergütungssachen
werden von dieser Norm nicht erfasst.
2. Das Beschwerdegericht hat die Rechtsbeschwerde in seinem Aus-
gangsbeschluss nicht zugelassen.
a) Zwar heißt es in der vom Einzelrichter unterschriebenen Rechts-
behelfsbelehrung des Ausgangsbeschlusses, dass gegen den Beschluss die
Rechtsbeschwerde nach §§ 70 ff. FamFG statthaft sei. Eine unzutreffend erteil-
te Rechtsbehelfsbelehrung kann - auch wenn sie von dem Richter unterschrie-
ben ist - die Zulassung der Rechtsbeschwerde indes nicht ersetzen. Sie dient
nicht der Ergänzung oder Interpretation der Entscheidung, sondern allein der
Information der Beteiligten über bestehende Rechtsmittel (vgl. § 39 FamFG).
Durch eine insofern unrichtige Angabe wird deshalb ein unstatthaftes Rechts-
mittel nicht statthaft (Senatsbeschluss vom 20. Juli 2011 - XII ZB 445/10 -
FamRZ 2011, 1728 Rn. 16 mwN).
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b) Eine Zulassung der Rechtsbeschwerde kann auch nicht in Form einer
Berichtigung des Beschlusses gemäß § 42 FamFG herbeigeführt werden.
aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann zwar eine
Berichtigung des Beschlusses, in den eine beschlossene Zulassung versehent-
lich nicht aufgenommen wurde, erfolgen. Dass die Zulassung der Rechts-
beschwerde beschlossen und nur versehentlich nicht im Beschluss
ausgesprochen war, muss sich aber aus dem Zusammenhang des Beschlusses
selbst oder mindestens aus den Vorgängen bei seinem Erlass oder seiner
Verkündung ergeben, weil nur dann eine offenbare Unrichtigkeit vorliegen kann
(vgl. BGH Beschluss vom 12. März 2009 - IX ZB 193/08 - NJW-RR 2009, 1349
Rn. 8 zu § 319 ZPO).
bb) Die Voraussetzungen für eine solche Berichtigung liegen hier nicht
vor. Dass der Einzelrichter die Zulassung der Rechtsbeschwerde beschlossen
und nur versehentlich nicht im Beschluss ausgesprochen hat, lässt sich weder
aus dem Zusammenhang des Beschlusses selbst noch aus den Vorgängen bei
seinem Erlass entnehmen. Ersichtlich ist das Landgericht entsprechend der von
ihm erteilten - unzutreffenden - Rechtsbehelfsbelehrung von der Statthaftigkeit
der Rechtsbeschwerde gegen seinen Beschluss ausgegangen. Erst nachdem
es von dem Betreuer auf den Fehler hingewiesen worden ist, hat es auf dessen
und auf Anregung des Ergänzungsbetreuers Veranlassung gesehen, den Be-
schluss zu ändern.
3. Ebenso wenig enthält der Beschluss des Beschwerdegerichts vom
19. Dezember 2013 eine wirksame Zulassung der Rechtsbeschwerde.
a) Soweit man dem Passus, wonach in Abänderung der Rechtsbehelfs-
belehrung die Rechtsbeschwerde gemäß § 70 Abs. 2 FamFG statthaft und so-
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mit zuzulassen sei, eine Zulassung entnehmen wollte, läge darin eine unzu-
lässige nachträgliche Zulassung der Rechtsbeschwerde.
Eine im Beschwerdebeschluss unterbliebene Zulassung der Rechtsbe-
schwerde kann nicht durch einen Ergänzungsbeschluss nachgeholt werden.
Verhält sich der Beschluss nicht über die Zulassung, so bedeutet das, dass die
Rechtsbeschwerde nicht zugelassen ist. Eine nachträgliche Zulassung holt
nicht eine unterbliebene Entscheidung i.S.d. § 41 FamFG nach, sondern
widerspricht der bereits getroffenen Entscheidung und ändert sie ab (vgl. BGH
Beschluss vom 12. März 2009 - IX ZB 193/08 - NJW-RR 2009, 1349 Rn. 7).
Dass es sich vorliegend nicht um eine Ergänzung des Beschlusses im
Sinne von § 43 FamFG handelt, also etwas ursprünglich Unterbliebenes und
damit Offengebliebenes nachgeholt werden soll, ergibt sich nicht zuletzt aus der
Tatsache, dass das Beschwerdegericht selbst von einer "Abänderung"
ausgegangen ist.
b) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist vorliegend auch
keine ausnahmsweise wirksame Nachholung der Zulassung aufgrund einer
Anhörungsrüge erfolgt.
aa) Eine nachträgliche Zulassung der Rechtsbeschwerde ist grundsätz-
lich nicht möglich. Sie kann auf eine Anhörungsrüge ausnahmsweise
nachgeholt werden, wenn die Nichtzulassung eine willkürliche Verletzung von
Verfahrensgrundrechten des Beschwerdeführers darstellt (BGH Beschluss vom
12. Dezember 2012 - IV ZB 26/12 - NJW-RR 2013, 256 Rn. 6 mwN).
bb) Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
(1) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde fehlt es hier schon
an einer entsprechenden Rüge im instanzgerichtlichen Verfahren. Zwar hat der
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Betreuer eine Gehörsrüge erhoben. Damit hat er aber nicht gerügt, dass ihn die
Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde in seinen Verfahrensgrundrechten
verletze.
Vielmehr
hat
der
Betreuer
die
Aufhebung
der
Beschwerdeentscheidung mit der Begründung beantragt, dass die Sachent-
scheidung selbst auf einer Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör
beruhe.
(2) Dass die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde willkürlich
geschehen ist, ist auch sonst nicht ersichtlich. Die Entscheidung des
Landgerichts enthält entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde keine
rechtsgrundsätzlichen Fragestellungen (vgl. Senatsbeschluss vom 14. Mai 2014
- XII ZB 683/11 - zur Veröffentlichung bestimmt).
4. Schließlich kann die Zulassung der Rechtsbeschwerde auch nicht vom
Rechtsbeschwerdegericht nachgeholt werden.
Bedarf die Rechtsbeschwerde der Zulassung durch das Beschwer-
degericht, so findet dieses Rechtsmittel nur statt, wenn es in der Beschwer-
deentscheidung ausdrücklich zugelassen worden ist. Enthält eine Beschwer-
deentscheidung
keine
Ausführungen
über
die
Zulassung
der
Rechtsbeschwerde, ist der Rechtsweg erschöpft. Der Bundesgerichtshof kann
mit der Sache nicht mehr in statthafter Weise befasst werden. Das gilt
unabhängig
davon,
welche
Erwägungen
der
Entscheidung
des
Beschwerdegerichts zugrunde lagen, die Rechtsbeschwerde nicht zuzulassen.
An einer Zulassung fehlt es auch, wenn das Beschwerdegericht sich über sie
keine Gedanken gemacht hat, weil es - wie hier - rechtsirrig davon
ausgegangen ist, die Rechtsbeschwerde sei kraft Gesetzes statthaft (BGH
Beschluss vom 10. Mai 2012 - IX ZB 295/11 - NJW-RR 2012, 1509 Rn. 15
mwN). Der Gesetzgeber hat bewusst von der Möglichkeit einer Beschwerde
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gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde abgesehen. Es widerspräche
der gesetzlichen Unanfechtbarkeit auch der Entscheidung über die Zulassung,
wenn diese im Rechtsmittelweg daraufhin überprüft werden könnte, ob das
Beschwerdegericht
die
ihm
obliegende
Verantwortung
für
die
Zulassungsentscheidung erkannt hat (BGH Beschluss vom 10. Mai 2012
- IX ZB 295/11 - NJW-RR 2012, 1509 Rn. 16 mwN).
Dose Weber-Monecke Schilling
Nedden-Boeger Guhling
Vorinstanzen:
AG Bitburg, Entscheidung vom 18.06.2013 - 1b XVII 65/06 -
LG Trier, Entscheidung vom 12.11.2013 - 11 T 65/13 -