Urteil des BGH vom 14.05.1998
Leitsatzentscheidung
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
VERSÄUMNIS-URTEIL
VII ZR 295/00
Verkündet am:
4. April 2002
Heinzelmann,
Justizangestellte
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGB §§ 276 E, 635
Ein mit der Objektüberwachung beauftragter Architekt ist unter anderem auch ver-
pflichtet, Abschlagsrechnungen des Bauunternehmers daraufhin zu prüfen, ob sie
fachtechnisch und rechnerisch richtig und ob die zugrunde gelegten Leistungen er-
bracht sind und ob diese der vertraglichen Vereinbarung entsprechen (Bestätigung
von BGH, Urteil vom 14. Mai 1998 - VII ZR 320/96).
BGH, Urteil vom 4. April 2002 - VII ZR 295/00 - OLG Dresden
LG Dresden
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Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 4. April 2002 durch den Richter Prof. Dr. Thode als Vorsitzenden und die
Richter Dr. Haß, Dr. Wiebel, Dr. Kuffer und Prof. Dr. Kniffka
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 11. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts Dresden vom 21. Juni 2000 aufgehoben,
soweit die Klage in Höhe von 8.628,10 DM abgewiesen worden
ist.
Insoweit wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Ent-
scheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an
das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin verlangt aus eigenem und aus abgetretenem Recht ihres
früheren Ehemannes Schadensersatz wegen mangelhafter Architektenleistun-
gen. Sie wirft dem Beklagten unterlassene Rechnungsprüfung und Information
vor. Der Beklagte hat für den Neubau ihres Wohnhauses die Architektenlei-
stungen einschließlich Objektüberwachung übernommen. Von den ursprünglich
zahlreichen Streitpunkten geht es jetzt noch um Schadensersatz wegen einer
von der Klägerin an den Bauunternehmer geleisteten Überzahlung.
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Zu der Überzahlung ist es gekommen, weil die Klägerin eine weitere Ab-
schlagsrechnung des Bauunternehmers beglichen hat, obwohl der entspre-
chende Bautenstand noch nicht erreicht war und die bis dahin erbrachten
Bauleistungen mangelhaft waren. Der Vertrag mit dem Bauunternehmer ist vor-
zeitig beendet worden und eine Rückzahlung von dort ist nicht mehr zu errei-
chen.
Das Landgericht hat die im übrigen teilweise erfolgreiche Klage in dem
jetzt noch streitigen Punkt abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat insoweit der
Klägerin 4.314,05 DM zugesprochen. Die Revision der Klägerin macht eine
Überzahlung von insgesamt 87.415,18 DM geltend. Der Senat hat die Revision
nur angenommen, soweit die Klägerin über die zuerkannten 4.314,05 DM hin-
aus weitere 8.628,10 DM verlangt.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist im Umfang der Annahme begründet. Sie führt insoweit
zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an
das Berufungsgericht.
Auf das Schuldverhältnis ist das Bürgerliche Gesetzbuch in der bis zum
31. Dezember 2001 geltenden Fassung anwendbar (Art. 229 § 5 Satz 1
EGBGB).
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I.
Nach Auffassung des Berufungsgerichts liegt eine Überzahlung in Höhe
von 12.942,15 DM vor. Der Beklagte habe die Überzahlung durch eine Pflicht-
verletzung verursacht. Er habe nicht darauf hingewiesen, in welch hohem Ma-
ße der Baufortschritt hinter dem Sollzustand zurückgeblieben und die bis dahin
erbrachten Bauleistungen mangelhaft gewesen seien. Hierüber hätte der Be-
klagte die Klägerin von sich aus informieren müssen, um ihr eine hinreichende
Grundlage für ihre Entscheidung zu bieten, ob weitere Zahlungen zu leisten
oder zurückzubehalten seien.
Das nimmt die Revision als ihr günstig hin und ist rechtlich auch nicht zu
beanstanden.
II.
Die Klägerin muß sich jedoch nach Ansicht des Berufungsgerichts ein
Mitverschulden von zwei Dritteln anrechnen lassen. Sie selbst habe es unter-
lassen, sich vor der Bezahlung der Abschlagsrechnung im Dezember 1994
beim Beklagten zu erkundigen, wie der Zustand der Baustelle sich im Detail
darstelle. Hierzu sei sie verpflichtet gewesen, da ihr bekannt gewesen sei, daß
zahlreiche Mängel einschließlich Wassereinbrüchen im Keller vorgelegen hät-
ten. Auch wenn ihr das ganze Ausmaß der Schäden nicht klar gewesen sei,
habe sie Anlaß gehabt, sich vom Beklagten informieren zu lassen. Das gelte
um so mehr, als sie durchaus Zweifel daran gehabt habe, ob der fragliche Teil-
betrag dem Bauunternehmer zustehe. Wegen ihres Mitverschuldens ständen
der Klägerin im Ergebnis nur 4.314,05 DM zu.
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III.
Das hält der rechtlichen Prüfung nicht stand.
1. Das Berufungsgericht hat zwar zu Recht angenommen, daß der Be-
klagte auf den Rückstand des Baus und auf die Mängel hätte hinweisen müs-
sen. Darin erschöpften sich aber seine Vertragspflichten nicht. Ein mit der Ob-
jektüberwachung beauftragter Architekt ist unter anderem auch verpflichtet,
Abschlagsrechnungen des Bauunternehmers daraufhin zu überprüfen, ob sie
fachtechnisch und rechnerisch richtig und ob die zugrundegelegten Leistungen
erbracht sind und ob diese der vertraglichen Vereinbarung entsprechen (BGH
Urteil vom 14. Mai 1998 - VII ZR 320/96, BauR 1998, 869 = VersR 1998,1417
= ZfBR 1998, 248). Bisher ist nicht festgestellt, daß der Beklagte, obwohl er
auch die Objektüberwachung übernommen hatte, die Abschlagsrechnungen
des Bauunternehmers geprüft und die Klägerin vom Ergebnis seiner Prüfung in
Kenntnis gesetzt hätte.
2. Die vom Berufungsgericht angenommene Pflicht der Klägerin, sich
beim Beklagten über den Bautenstand sowie bis dahin etwa aufgetretene Män-
gel zu erkundigen, scheidet als Grundlage eines Mitverschuldens aus. Eine
derartige Erkundigungspflicht bestand nicht. Es war gerade umgekehrt verein-
bart, daß der Beklagte diese Fragen im Auge behalte und die Klägerin entspre-
chend informiere und berate.
3. Danach kommt ein Mitverschulden der Klägerin allenfalls in Betracht
aufgrund ihrer tatsächlich vorhandenen Kenntnisse über Rückstände und Män-
gel. Wenn die Klägerin trotz fehlender eigener Sachkunde erkennen konnte,
daß sie die Abschlagsrechnung wegen Rückständen und Mängeln nicht oder
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nicht vollständig auszugleichen hatte, dann kann sie ein Mitverschulden an
ihrem aus der Zahlung entstandenen Schaden treffen. Die Feststellungen des
Berufungsgerichts hierzu reichen für die Annahme selbst eines geringfügigen
Mitverschuldens nicht aus.
Offengeblieben ist zunächst, ob die Klägerin so genaue, ins einzelne
gehende Kenntnis von Rückständen im Baufortschritt hatte, daß sie auch als
Laie hätte daran denken müssen, die Abschlagszahlung zurückzuhalten. Das
muß gegebenenfalls geklärt werden. Das Berufungsgericht stützt sich allein auf
die Kenntnis von "zahlreichen Mängeln" einschließlich Wassereinbrüchen.
Auch diese Kenntnis rechtfertigt noch nicht die Annahme eines Mitverschul-
dens. Festgestellt ist, daß der Klägerin das ganze Ausmaß der Schäden nicht
deutlich war. Dann muß zunächst ermittelt werden, welche Kenntnis im einzel-
nen zu den Mängeln vorhanden war und ob diese für die Annahme eines Mit-
verschuldens ausreicht.
Im übrigen hat die Klägerin behauptet, der Beklagte habe empfohlen, die
Abschlagsrechnung zu bezahlen. Sollte das Berufungsgericht sich von der
Richtigkeit dieses Vortrags überzeugen, wäre ein Mitverschulden der Klägerin
von vornherein ausgeschlossen.
IV.
Bei seiner erneuten Verhandlung und Entscheidung wird das Beru-
fungsgericht die nötigen Feststellungen nachzuholen und abzuwägen haben,
ob angesichts der über die Feststellung im Berufungsurteil hinausgehenden
Pflichtverletzung des Beklagten ein Mitverschulden der Klägerin überhaupt in
Betracht kommt.
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Bei seiner Kostenentscheidung wird das Berufungsgericht den überwie-
genden Erfolg der Klägerin im selbständigen Beweisverfahren gesondert zu
berücksichtigen haben.
Thode Haß Wiebel
Kuffer Kniffka