Urteil des BGH vom 13.01.2010

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
XII ZB 108/09
vom
13. Januar 2010
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
ZPO §§ 233 Hc, 236
Einer Prozesspartei, die vor Ablauf einer Rechtsmittel- oder Rechtsmittelbe-
gründungsfrist lediglich Prozesskostenhilfe beantragt hat, ist Wiedereinsetzung
in den vorigen Stand wegen schuldloser Fristversäumung nur dann zu bewilli-
gen, wenn sie vernünftigerweise nicht mit einer Verweigerung der Prozesskos-
tenhilfe mangels Bedürftigkeit rechnen musste. Mit der Verweigerung der Pro-
zesskostenhilfe ist bereits dann zu rechnen, wenn das Rechtsmittelgericht auf
Zweifel hinsichtlich der Bedürftigkeit der Prozesspartei hingewiesen hat und
diese vernünftigerweise davon ausgehen muss, dass sie die Zweifel nicht aus-
räumen kann.
BGH, Beschluss vom 13. Januar 2010 - XII ZB 108/09 - OLG Bamberg
AG Kulmbach
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Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 13. Januar 2010 durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Hahne, die Richterin Dr. Vézina und die Richter Dose,
Dr. Klinkhammer und Schilling
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 2. Zivilsenats
- Familiensenat - des Oberlandesgerichts Bamberg vom 18. Mai
2009 wird auf Kosten der Klägerin verworfen.
Wert: 12.644 €
Gründe:
I.
Die Parteien streiten um nachehelichen Unterhalt. Das Amtsgericht hat
die Klage abgewiesen. Die Klägerin hat beim Berufungsgericht am letzten Tag
der Berufungsfrist Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Berufung bean-
tragt. Der Senatsvorsitzende des Berufungsgerichts hat in der Folgezeit mehr-
fach auf klärungsbedürftige Punkte des Prozesskostenhilfegesuchs hingewie-
sen, u.a. hinsichtlich des einsetzbaren Vermögens und des Verbleibs der von
der Klägerin erhaltenen Zugewinnausgleichszahlungen, verbunden mit der An-
frage, ob der Prozesskostenhilfeantrag aufrechterhalten bleibe. Das Berufungs-
gericht hat anschließend den Prozesskostenhilfeantrag mit einem der Klägerin
am 25. März 2009 zugestellten Beschluss zurückgewiesen. Daraufhin hat die
Klägerin am 8. April 2009 Berufung eingelegt, diese begründet und zugleich
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.
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Das Berufungsgericht hat die Berufung als unzulässig verworfen und - in
den Gründen des angefochtenen Beschlusses - die beantragte Wiedereinset-
zung versagt. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Klägerin.
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II.
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Die Rechtsbeschwerde ist nach Art. 111 Abs. 1 FGG-RG, §§ 574 Abs. 1
Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 ZPO statthaft. Sie ist jedoch nicht zulässig,
da es an den Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO fehlt. Denn eine Ent-
scheidung des Bundesgerichtshofs ist weder zur Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung noch wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache oder
zur Fortbildung des Rechts erforderlich. Die Entscheidung des Berufungsge-
richts steht mit der Rechtsprechung des Senats im Einklang.
Das Berufungsgericht hat die Berufung verworfen, weil diese verspätet
eingelegt worden sei. Die beantragte Wiedereinsetzung sei der Klägerin zu ver-
sagen, weil sie die Wiedereinsetzungsfrist versäumt habe. Die Frist habe nicht
erst mit der Zustellung des die Prozesskostenhilfe versagenden Beschlusses zu
laufen begonnen, sondern aufgrund der Hinweise des Senatsvorsitzenden
schon vorher, weil sie schon deswegen nicht mehr mit der Bewilligung von Pro-
zesskostenhilfe habe rechnen können. Das ist nicht zu beanstanden.
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Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist einer
Prozesspartei, die vor Ablauf einer Rechtsmittel- oder Rechtsmittelbegrün-
dungsfrist lediglich Prozesskostenhilfe beantragt hat, Wiedereinsetzung in den
vorigen Stand wegen schuldloser Fristversäumung nur dann zu bewilligen,
wenn sie vernünftigerweise nicht mit einer Verweigerung der Prozesskostenhilfe
mangels Bedürftigkeit rechnen musste (Senatsbeschlüsse vom 11. Juni 2008
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- XII ZB 184/05 - NJW-RR 2008, 1313; vom 31. August 2005 - XII ZB 116/05 -
FamRZ 2005, 1901 und vom 19. Mai 2004 - XII ZA 11/03 - FamRZ 2004, 1648).
Das war hier nicht der Fall. Jedenfalls nachdem ihr der Hinweis des Senatsvor-
sitzenden des Berufungsgerichts vom 2. März 2009 zugegangen war, musste
die Klägerin damit rechnen, dass ihr die beantragte Prozesskostenhilfe mangels
Bedürftigkeit versagt werden würde. Nach dem Hinweis war der Verbleib des in
den Jahren 2003 und 2005 erhaltenen Vermögens in einer Größenordnung von
58.000 € ungeklärt. Da eine weitere Aufklärung von ihr nicht geleistet und auch
in ihrem nachfolgenden Schriftsatz vom 12. März 2009 - abgesehen von der
pauschalen Aussage, dass keine Rücklagen hätten gebildet werden können -
nicht versucht worden ist, konnte sie aufgrund des ihr spätestens am 12. März
2009 bekannten Hinweises nicht mehr mit der Bewilligung von Prozesskosten-
hilfe rechnen.
Dass die Hinweise mit der Frage abschlossen, ob der Prozesskostenhil-
feantrag aufrechterhalten bleibe, schließt ihre Eindeutigkeit nicht aus. Denn
auch aus den mit dieser Frage versehenen Hinweisen folgte bereits, dass die
Voraussetzungen vorbehaltlich einer weiteren Aufklärung durch die Klägerin
nicht gegeben waren. Da eine solche allerdings ausgeblieben ist, war der Hin-
weis nicht - wie die Rechtsbeschwerde meint - unzutreffend, sondern ange-
bracht und aus den für die Klägerin erkennbaren Umständen spätestens am
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12. März 2009 auch abschließend. Durch die am 8. April 2009 eingegangene
Berufung konnte die Wiedereinsetzungsfrist somit nicht mehr gewahrt werden.
Hahne
Vézina
Dose
Klinkhammer Schilling
Vorinstanzen:
AG Kulmbach, Entscheidung vom 19.11.2008 - 1 F 129/99 -
OLG Bamberg, Entscheidung vom 18.05.2009 - 2 UF 3/09 -