Urteil des BGH vom 02.12.2010

BGH (vorsätzlich, forderung, gvg, uvg, beschwerde, betrag, vorfrage, feststellungsklage, gegenstand, gebrauch)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
IX ZB 271/09
vom
2. Dezember 2010
in dem Rechtsstreit
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Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Prof. Dr. Kayser, den Richter Raebel, die Richterin Lohmann, den Richter
Dr. Pape und die Richterin Möhring
am 2. Dezember 2010
beschlossen:
Auf die Rechtsmittel der Klägerin werden der Beschluss der
13. Zivilkammer des Landgerichts Kiel vom 1. Dezember 2009 und
der Beschluss des Amtsgerichts Neumünster vom 23. Oktober
2009 aufgehoben.
Es ist der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gegeben.
Die Kosten des Beschwerde- und des Rechtsbeschwerdeverfah-
rens werden der Beklagten auferlegt.
Der Gegenstandswert für das Beschwerde- und das Rechtsbe-
schwerdeverfahren wird auf jeweils 342,50 € festgesetzt.
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Gründe:
I.
Der Kreis S. gewährte für das klagende Land der beklagten Mut-
ter zur Sicherung des Unterhalts ihrer Kinder Leistungen nach §§ 1 f Unter-
haltsvorschussgesetz (fortan: UVG). Mit bestandskräftigem Bescheid forderte
die Klägerin von der Beklagten einen Betrag von insgesamt 1.532 € mit der Be-
gründung zurück, die Beklagte habe trotz Hinweises auf die entsprechende
Verpflichtung nicht angezeigt, dass ihre Kinder nicht mehr in ihrem Haushalt
lebten. Damit seien die Voraussetzungen für den Anspruch auf Unterhaltssiche-
rung weggefallen. Über das Vermögen der Beklagten wurde das Insolvenzver-
fahren eröffnet. Die Klägerin meldete ihren Ersatzanspruch und dessen Herrüh-
ren aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung zur Insolvenztabel-
le an. Die Beklagte erhob Widerspruch nur gegen die rechtliche Einordnung der
Forderung.
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Die Klägerin begehrt sinngemäß die Feststellung, dass der von ihr an-
gemeldete Betrag in Höhe von 1.027,50 € aus einer vorsätzlich begangenen
unerlaubten Handlung herrühre. Das Amtsgericht hat den beschrittenen
Rechtsweg für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Verwaltungsge-
richt verwiesen. Das Landgericht hat die hiergegen gerichtete sofortige Be-
schwerde der Klägerin zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluss richtet sich
die zugelassene Rechtsbeschwerde der Klägerin.
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II.
Die statthafte Rechtsbeschwerde (vgl. BGH, Beschl. v. 2. April 2009
- IX ZB 182/08, ZIP 2009, 825 Rn. 6) ist auch im Übrigen zulässig. Sie hat in
der Sache Erfolg.
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1. Die Rechtswegzuständigkeit der ordentlichen Gerichte für die rechtli-
che Einordnung der Forderung als einer solchen aus einer vorsätzlich began-
genen unerlaubten Handlung ergibt sich aus § 13 GVG.
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a) Der Streit darüber, ob der Klägerin ein Anspruch gegen die Beklagte
aus unerlaubter Handlung (§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB und/oder § 6
UVG) zusteht, ist eine bürgerlich-rechtliche Streitigkeit. Hierfür ist die Natur des
Rechtsverhältnisses entscheidend, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird
(GmS-OGB BGHZ 102, 280, 283; BGH, aaO S. 825 Rn. 10). Der Schadenser-
satzanspruch aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung, der allein noch
Gegenstand der Feststellungsklage ist, beurteilt sich nach den Normen des Zi-
vilrechts, hier nach § 823 Abs. 2 BGB. Dass der von der Klägerin geltend ge-
machte Schutzgesetzverstoß den Normen des öffentlichen Rechts zuzuordnen
ist, ändert an der Zuständigkeit der Zivilgerichte nichts. Ob die Beklagte gegen
die ihr nach § 6 UVG auferlegten Auskunfts- und Anzeigepflichten vorsätzlich
verstoßen hat, ist eine dem öffentlichen Recht zuzuordnende Vorfrage. Vorfra-
gen beeinflussen jedoch den Rechtsweg nicht und sind von den zuständigen
Gerichten selbständig zu beantworten, soweit über sie nicht bereits rechtskräftig
entschieden ist (BGHZ 117, 159, 166; Musielak/Wittschier, aaO
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§ 13 GVG Rn. 9; Zöller/Lückemann, ZPO 28. Aufl. GVG § 13 Rn. 31). Deshalb
ist nach zutreffender Ansicht der im Verfahren nach §§ 179 ff InsO isoliert aus-
zutragende Streit (vgl. BGH, Urt. v. 18. Januar 2007 - IX ZR 176/05, ZIP 2007,
541 Rn. 8 ff) um die rechtliche Einordnung der angemeldeten Forderung als
eine Forderung aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung vor den Zivil-
gerichten zu führen (vgl. BGH, Urt. v. 18. Mai 2006 - IX ZR 187/04, WM 2006,
1347; VG Schleswig NZI 2009, 699; LG Verden NZI 2009, 775; Mohrbutter/
Pape, Handbuch Insolvenzverwaltung 8. Aufl. § 17 Rn. 204; Uhlenbruck/Vallen-
der, InsO 13. Aufl. § 302 Rn. 24a).
b) Eine besondere gesetzliche Zuweisung des Rechtsstreits an die Ver-
waltungsgerichte gemäß § 185 InsO besteht nicht. Nach Satz 1 dieser Bestim-
mung ist die Feststellung bei dem zuständigen anderen Gericht zu betreiben
oder von der zuständigen Verwaltungsbehörde vorzunehmen, wenn für die
Feststellung einer Forderung der Rechtsweg zum ordentlichen Gericht nicht
gegeben ist. Dies trifft auf den vorliegenden Fall schon deshalb nicht zu, weil
Ersatz- und Rückzahlungspflichten nach § 5 UVG nicht mehr im Streit stehen.
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2. Der Verweisungsbeschluss und die ihn bestätigende Beschwerdeent-
scheidung können deshalb keinen Bestand haben. Sie sind aufzuheben. Der
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Senat hat von der Möglichkeit gemäß § 17a Abs. 3 GVG Gebrauch gemacht,
die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den ordentlichen Gerichten festzustellen.
Kayser Raebel
Lohmann
Pape
Möhring
Vorinstanzen:
AG Neumünster, Entscheidung vom 23.10.2009 - 31 C 874/09 -
LG Kiel, Entscheidung vom 01.12.2009 - 13 T 175/09 -