Urteil des BGH vom 14.09.2018

Leitsatzentscheidung

ECLI:DE:BGH:2018:140918UVZR213.17.0
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 213/17
Verkündet am:
14. September 2018
Weschenfelder
Amtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB § 311b Abs. 1 Satz 1, § 925 Abs. 1, § 873 Abs. 2
Änderungen eines Grundstückskaufvertrags nach der Auflassung sind form-
los möglich, wenn die Auflassung bindend geworden ist (§ 873 Abs. 2 BGB;
Bestätigung u.a. von Senat, Urteil vom 28. September 1984 - V ZR 43/83,
WM 1984, 1539).
BGH, Urteil vom 14. September 2018 - V ZR 213/17 - OLG Stuttgart
LG Ravensburg
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Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 18. Mai 2018 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, die
Richterin Prof. Dr. Schmidt-Räntsch, den Richter Dr. Kazele, die Richterin
Haberkamp und den Richter Dr. Hamdorf
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Oberlandesge-
richts Stuttgart - 10. Zivilsenat - vom 18. Juli 2017 in der Fassung
des Ergänzungsurteils vom 26. September 2017 im Kostenpunkt
und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des Beklagten ent-
schieden worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Berufung der Klägerin gegen
das Urteil des Landgerichts Ravensburg - 6. Zivilkammer - vom
28. Oktober 2016 zurückgewiesen. Die weitergehende Berufung
bleibt zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Beklagte kaufte mit notariell beurkundetem Vertrag vom 4. Mai 2011
von der Klägerin, einer Bauträgerin, drei noch zu sanierende Eigentumswoh-
nungen zu einem P
reis von insgesamt 309.692 €. In dem Vertrag erklärten die
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Parteien die Auflassung und beantragte der Beklagte die Eintragung des Eigen-
tumswechsels in das Grundbuch. Der beurkundende Notar wurde angewiesen,
eine die Auflassungserklärung enthaltende beglaubigte Abschrift oder Ausferti-
gung der Urkunde erst zu erteilen, wenn ihm die Zahlung des geschuldeten
Kaufpreises nachgewiesen worden ist. Mit Schreiben vom 24. Juli 2012 ver-
langte der Beklagte von der Klägerin
eine Kaufpreisminderung von 27.100,76 €
„aufgrund der nicht notwendigen Dekontaminationsarbeiten“. Deren Geschäfts-
führer
unterzeichnete dieses Schreiben mit dem Zusatz „zur Kenntnis genom-
men und anerkannt“. Der Beklagte zahlte 283.368,17 € an die Klägerin.
Mit der Klage verlangt die Klägerin die Zahlung eines Restkaufpreises
von 26.323,83 €. Der Beklagte beantragt widerklagend, die Klägerin zur Rück-
zahlung zu
viel gezahlter 776,93 € zu verurteilen und festzustellen, dass der
Kaufpreis 282.591,24 € betrage und vollständig bezahlt sei. Das Landgericht
hat die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Auf die Berufung
der Klägerin hat das Oberlandesgericht den Beklagten unter Abweisung der
Klage im Übrigen
verurteilt, an die Klägerin 15.484,61 € nebst Zinsen zu zahlen.
Die Widerklage hat es abgewiesen. Mit der von dem Oberlandesgericht zuge-
lassenen Revision möchte der Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanz-
lichen Urteils erreichen. Die Klägerin beantragt die Zurückweisung des Rechts-
mittels.
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Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung u.a. in Rpfleger 2018, 196
veröffentlicht ist, meint, der Klägerin stehe ein restlicher Zahlungsanspruch in
Höhe von 26.323,83 € zu, der aber derzeit nur in Höhe von 15.484,61 € fällig
sei. Die Parteien hätten am 24. Juli 2012 keine formwirksame Ermäßigung des
Kaufpreises vereinbart, da die Vereinbarung entgegen § 311b Abs. 1 Satz 1
BGB nicht notariell beurkundet worden sei. Entgegen der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs sei die nachträgliche Abänderung von Grundstückskaufver-
trägen auch dann formbedürftig, wenn diese nach der Auflassung und vor der
Eigentumsumschreibung erfolge. Für die Beurkundungspflicht solcher Ände-
rungen sprächen der Wortlaut, die Systematik und der Zweck des § 311b
Abs. 1 BGB. Die Beweisfunktion der Beurkundung sei in der Zeit zwischen Auf-
lassung und Eigentumsumschreibung nach wie vor relevant. Auch die Warn-
funktion der Beurkundung und das Schutzbedürfnis von Veräußerer und Erwer-
ber vor übereilten Entscheidungen kämen bei einer Änderung eines notariell
beurkundeten Vertrags nach Auflassung und vor Eintragung zum Tragen. Das
Argument, die Verpflichtung zur Eigentumsübertragung sei mit der Auflassung
in vollem Umfang erfüllt und bestehe nach erklärter Auflassung nicht mehr, tref-
fe überdies nicht zu, wenn, wie hier, die Kaufvertragsparteien den Notar ange-
wiesen hätten, Ausfertigungen oder beglaubigte Abschriften der Urkunde, wel-
che die Auflassung enthalte, erst auf Nachweis der Kaufpreiszahlung zu ertei-
len.
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II.
Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
1. Zutreffend ist allerdings der rechtliche Ausgangspunkt des Berufungs-
gerichts. Dem Formzwang des § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB unterliegen alle Ver-
einbarungen, die nach dem Willen der Parteien zu dem schuldrechtlichen Über-
eignungsgeschäft gehören (st. Rspr., vgl. Senat, Urteil vom 20. Dezember 1974
- V ZR 132/73, BGHZ 63, 359, 361; Urteil vom 23. September 1977
- V ZR 90/75, BGHZ 69, 266, 268; Urteil vom 6. April 1979 - V ZR 72/74, BGHZ
74, 346, 348; Urteil vom 20. Juni 1980 - V ZR 84/79, NJW 1981, 222). § 311b
Abs. 1 BGB findet deshalb grundsätzlich auf Vereinbarungen Anwendung,
durch die ein schon beurkundeter Grundstückskaufvertrag nachträglich geän-
dert wird (Senat, Urteil vom 2. Oktober 1957 - V ZR 212/55, WM 1957, 1459;
Urteil vom 29. März 1966 - V ZR 145/63, WM 1966, 656; Urteil vom 26. Oktober
1973 - V ZR 194/72, NJW 1974, 271; Urteil vom 9. November 1979
- V ZR 38/78, WM 1980, 166, 167; Urteil vom 6. November 1981 - V ZR 138/80,
WM 1982, 157, 158). Diese sind dann formfrei, wenn sie lediglich der Beseiti-
gung einer bei der Abwicklung des Geschäfts unvorhergesehen aufgetretenen
Schwierigkeit dienen, ohne die beiderseitigen Verpflichtungen wesentlich zu
verändern (vgl. Senat, Urteil vom 6. November 1981 - V ZR 138/80, aaO; Urteil
vom 6. Juni 1986 - V ZR 264/84, NJW 1986, 2759, 2760; Urteil vom
2. Oktober 1987 - V ZR 42/86, WM 1987, 1467; Beschluss vom 9. Novem-
ber 1995 - V ZR 36/95, NJW 1996, 453; BGH, Urteil vom 5. April 2001 - VII ZR
119/99, NJW 2001, 1932, 1933). Daher ist eine nachträgliche Herabsetzung
des beurkundeten Kaufpreises, wie sie hier vereinbart wurde, an sich formbe-
dürftig (vgl. Senat, Urteil vom 8. Oktober 1954 - V ZR 81/53, WM 1955, 263;
Urteil vom 6. November 1981 - V ZR 138/80, WM 1982, 157, 158 mwN).
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2. a) Hier ist es aber anders, weil die Parteien zum Zeitpunkt der Ände-
rungsvereinbarung die Auflassung bereits erklärt hatten. Nach der ständigen
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs können Grundstückskaufverträge
nach der Auflassung formlos abgeändert werden, weil die Verpflichtung zur Ei-
gentumsübertragung mit der Auflassung erfüllt ist und deshalb nicht mehr be-
steht (vgl. Senat, Urteil vom 14. Mai 1971 - V ZR 25/69, WM 1971, 896; Urteil
vom 25. Februar 1972 - V ZR 74/69, WM 1972, 556, 557; Urteil vom
23. März 1972 - V ZR 166/70, WM 1973, 576; Urteil vom 30. Mai 1975
- V ZR 214/73, DB 1975, 1983; Urteil vom 28. September 1984 - V ZR 43/83,
WM 1984, 1539 mwN; Urteil vom 6. Mai 1988 - V ZR 50/87, BGHZ 104, 276,
277; Urteil vom 28. Oktober 2011 - V ZR 212/10, NJW-RR 2012, 18 Rn. 15; so
auch schon RG, WarnR 1911, Nr. 226; HRR 1933 Nr. 1410; SeuffA 94 Nr. 53).
Von der Formfreiheit ausgenommen ist die Begründung neuer selbständiger
Erwerbspflichten (vgl. Urteil vom 6. Mai 1988 - V ZR 50/87, aaO); entsprechen-
des gilt für Veräußerungspflichten.
b) Diese Rechtsprechung, die ursprünglich noch überwiegend Zustim-
mung und nur vereinzelt Ablehnung gefunden hat (vgl. Nachweise Urteil vom
28. September 1984 - V ZR 43/83, WM 1984, 1539), stößt inzwischen aller-
dings zunehmend auf Kritik (vgl. OLG Düsseldorf, NJW 1998, 2225, 2226; LG
Limburg, WM 1986, 432; BeckOGK/Schreindorfer, BGB, Stand: 1.9.2018,
§ 311b Rn. 242 ff.; BeckOK BGB/Gehrlein, Stand: 1.5.2018, § 311b Rn. 27;
Erman/Grziwotz, BGB, 15. Aufl., § 311b Rn. 59; Ludwig in Herber-
ger/Martinek/Rüßmann u.a., jurisPK-BGB, 8. Aufl., § 311b BGB Rn. 283;
MüKoBGB/Kanzleiter, 7. Aufl., § 311b Rn. 59; Soergel/J. Mayer, BGB, 13. Aufl.,
§ 311b Rn. 205 f.; Staudinger/Schumacher, BGB [2018], § 311b Rn. 206 ff.;
Krüger/Hertel, Der Grundstückskauf, 11. Aufl., Rn. 1326; Cramer, ZfIR 2018,
450, 451; Grziwotz, IMR 2018, 121, 122; Kanzleiter, DNotZ 1985, 285 ff.; ders.,
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DNotZ 1998, 954 ff.; Müller, MittRhNotK 1988, 243, 248; Steinbrecher, NJW
2018, 1214 ff.; Weser, MittBayNot 1993, 253, 260; Brambring in Festschrift für
Hagen, 1999, 251, 257 ff.; Pohlmann, Die Heilung formnichtiger Verpflichtungs-
geschäfte durch Erfüllung, 141 ff.; Roemer, Die Formbedürftigkeit der Aufhe-
bung und Änderung von Verträgen im Sinne des § 311b Abs. 1 BGB [§ 313
BGB aF], 2004, 163 ff.; zustimmend dagegen BayObLG, BB 1987, 711, 712;
OLG Bamberg, MDR 1999, 151; OLG Brandenburg, Beschluss vom 9. Dezem-
ber 2015 - 10 UF 257/13, juris; Palandt/Grüneberg, BGB, 77. Aufl., § 311b
Rn. 44; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl., § 311b BGB Rn. 3115a).
Die Kritiker verweisen darauf, dass sich seit der von dem Reichsgericht
begonnenen und von dem Senat übernommenen Rechtsprechung zur Form-
freiheit von Änderungen von Grundstückskaufverträgen nach Auflassung die
Schutzbedürftigkeit von Verkäufer und Käufer, insbesondere bei Bauträgerver-
trägen, grundlegend geändert habe. Der historische Gesetzgeber sei davon
ausgegangen, dass die Auflassung nicht zusammen mit dem schuldrechtlichen
Grundgeschäft beurkundet, sondern vor dem Grundbuchamt erst dann erklärt
werde, wenn die wechselseitigen Verpflichtungen im Übrigen erfüllt worden sei-
en. Die Auflassung sei nach vollzogener Erfüllung aller übrigen Verpflichtungen
der „Schlusspunkt“ eines Grundstücksgeschäfts gewesen und habe damit auch
die Bestätigung der Richtigkeit aller zwischen den Parteien getroffenen Abreden
enthalten (vgl. BeckOGK/Schreindorfer, BGB, Stand: 1.9.2018, § 311b Rn. 242
ff.; Cramer, ZfIR 2018, 450, 451; Steinbrecher, NJW 2018, 1214, 1216; Bram-
bring in Festschrift für Hagen, 1999, 251, 254 ff.). Heute habe die Auflassung
nicht mehr diese Bedeutung. Sie werde aus praktischen Gründen und zum
Zwecke der Gebührenersparnis regelmäßig in die Kaufvertragsurkunde aufge-
nommen. Zum Schutz des Verkäufers seien verfahrensrechtliche Gestaltungen
entwickelt worden, durch die trotz erklärter Auflassung der Eigentumsübergang
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auf den Käufer vor Kaufpreiszahlung verhindert werde (Auflassung mit Vorlage-
sperre; Auflassung ohne Eintragungsbewilligung; vgl. MüKoBGB/Kanzleiter,
7. Aufl., § 311b Rn. 59; Steinbrecher, NJW 2018, 1214, 1216 ff.; vgl. auch
DNotI-Report 2016, 63, 64; BeckOGK/Schreindorfer, BGB, Stand: 1.6.2018,
§ 311b Rn. 242 ff.; Brambring in Festschrift für Hagen, 1999, 251, 257 ff.; Kanz-
leiter, DNotZ 1996, 242 ff.; Müller, MittRhNotK 1988, 243, 248; Weser,
MittBayNot 1993, 253, 260). Könne eine Vertragsänderung nach Auflassung
formfrei vereinbart werden, sei dies mit den Zwecken des § 311b Abs. 1 Satz 1
BGB, insbesondere dem bezweckten Übereilungsschutz, nicht vereinbar. Der
Anspruch auf Eigentumsverschaffung sei mit der Auflassung nicht erloschen
(§ 362 Abs. 1 BGB), sondern bestehe bis zum Eigentumsübergang fort (Stau-
dinger/Schumacher, BGB [2018], § 311b Rn. 207; Erman/Grziwotz, BGB,
15. Aufl., § 311b Rn. 59).
c) Die aufgezeigte Kritik gibt keinen Anlass zu einer Änderung der
Rechtsprechung.
aa) Der Senat hat bereits 1984 keine deutlich überwiegenden oder
schlechthin zwingenden Gründe für eine Abkehr von seiner Rechtsprechung
gesehen, und zwar auch nicht für den Fall, dass die Kaufvertragsparteien den
Notar angewiesen haben, den Eintragungsantrag erst zu stellen, wenn die Zah-
lung des gesamten Kaufpreises nachgewiesen oder bestätigt war (Urteil vom
28. September 1984 - V ZR 43/83, WM 1984, 1539; so auch schon Urteil vom
14. Mai 1971 - V ZR 25/69, WM 1971, 896). Solche Gründe ergaben sich ins-
besondere nicht daraus, dass der Gesetzgeber durch das Gesetz zur Änderung
des Bürgerlichen Gesetzbuchs und anderer Gesetze vom 30. Mai 1973 (BGBl. I
S. 501) die Beurkundungspflicht auf die Grundstückserwerbsverpflichtung aus-
gedehnt hat.
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bb) Gründe für eine Aufgabe der Rechtsprechung liegen auch heute
nicht vor. Änderungen eines Grundstückskaufvertrags nach der Auflassung sind
formlos möglich, wenn die Auflassung bindend geworden ist (§ 873 Abs. 2
BGB). Das steht mit Sinn und Zweck der Vorschrift des § 311b Abs. 1 BGB in
Einklang.
(1) Die Beurkundungspflicht soll den Beweis über die Art und den Inhalt
der Vereinbarungen sichern, den Veräußerer und den Erwerber vor übereilten
Verträgen bewahren, sie auf die Wichtigkeit des Geschäfts hinweisen und ihnen
durch die Mitwirkung des sachkundigen und unparteiischen Notars die Möglich-
keit rechtskundiger Belehrung und Beratung eröffnen (Beweisfunktion; Warn-
und Schutzfunktion; vgl. Senat, Urteil vom 23. September 1977 - V ZR 90/75,
BGHZ 69, 266, 269; Urteil vom 23. Februar 1979 - V ZR 99/77, NJW 1979,
1495, 1496; Urteil vom 6. April 1979 - V ZR 72/74, BGHZ 74, 346, 351 f.; Urteil
vom 30. April 1982 - V ZR 104/81, BGHZ 83, 395, 397; Urteil vom
25. März 1983 - V ZR 268/81, BGHZ 87, 150, 153; Urteil vom 26. Novem-
ber 1999 - V ZR 251/98, WM 2000, 579, 580; Urteil vom 13. Mai 2016
- V ZR 265/14, NZM 2016, 646 Rn. 27; Urteil vom 10. Juni 2016 - V ZR 295/14,
DNotZ 2017, 48 Rn. 8). Mit der Durchführung eines strengen Regeln unterwor-
fenen Beurkundungsverfahrens, insbesondere durch die dem Notar in §§ 17 ff.
BeurkG auferlegten Prüfungs- und Belehrungspflichten, soll sichergestellt wer-
den, dass der Inhalt der Urkunde dem Willen der mit der rechtlichen Tragweite
vertraut gemachten Beteiligten entspricht (Gewährsfunktion; vgl. Senat Urteil
vom 10. Juni 2016 - V ZR 295/14, aaO).
(2 a) Die Parteien bedürfen des Schutzes aber nicht mehr, wenn der
Zweck des § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB erreicht ist. Hiervon ist auszugehen,
wenn die schuldrechtlichen Erklärungen von Veräußerer und Erwerber beur-
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kundet worden sind und diese zudem die für die angestrebte Rechtsänderung
erforderlichen (dinglichen) Erklärungen in bindender Form abgegeben haben.
Das ist der Fall, wenn die Auflassung bindend geworden ist (§ 873 Abs. 2
BGB). Dann haben die Vertragsparteien ihre jeweiligen Leistungshandlungen
unwiderruflich erbracht. Dafür macht es keinen Unterschied, ob die Auflassung,
wie heute regelmäßig, zusammen mit dem Kaufvertrag oder, wie früher, später
beurkundet wird. Die für den Eintritt der Bindung nach § 873 Abs. 2 BGB einzu-
haltenden Förmlichkeiten, insbesondere die Belehrung über die Bedeutung der
Auflassung durch den beurkundenden Notar, gewährleistet
, „daß nicht übereilt
und leichtfertig über die Rechte an Grund und Boden verfügt wird“ (vgl. Motive
III, S. 175; Senat, Urteil vom 25. Januar 1967 - V ZR 172/65, BGHZ 46, 398,
399; Urteil vom 13. Juli 2012 - V ZR 254/11, NJW 2012, 3372 Rn. 8). Deshalb
hat der Senat für die Bestimmung des Zeitpunkts, ab dem ein Grundstücks-
kaufvertrag formlos abänderbar ist, auf die nach § 873 Abs. 2 BGB bindend
gewordene Auflassung abgestellt (vgl. Hagen in Festschrift für Schippel, 1996,
172, 177) und mit ihr die Übereignungs- und Erwerbspflicht als erfüllt angese-
hen.
(b) Richtig ist allerdings, dass auch mit einer bindend gewordenen Auf-
lassung noch keine Erfüllung im Sinne von § 362 BGB eingetreten ist. Unter
„Leistung“ ist in dieser Vorschrift regelmäßig nicht die Leistungshandlung, son-
dern der Leistungserfolg zu verstehen (vgl. MüKoBGB/Fetzer, 7. Aufl., § 362
Rn. 2 mit Nachweisen aus der Rspr.). Seine Eigentumsverschaffungspflicht hat
der Veräußerer deshalb erst mit der Eintragung des Erwerbers in das Grund-
buch erfüllt (vgl. Senat, Urteil vom 15. Oktober 2004 - V ZR 100/04, NJW-RR
2005, 241, 242 f. [zu 2a u. c]; Urteil vom 19. Oktober 2007 - V ZR 211/06,
BGHZ 174, 61 Rn. 27).
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Für die Frage der Formbedürftigkeit von nachträglichen Änderungen
kommt es jedoch nicht auf Erfüllung im Sinne des § 362 Abs. 1 BGB, sondern
darauf an, dass die geschuldeten Leistungshandlungen unwiderruflich erbracht
sind. Dazu gehört die Eintragung nicht, da sie eine behördliche Tätigkeit ist, die
die Vertragsparteien aus Rechtsgründen nicht besorgen können (vgl. Senat,
Urteil vom 18. Juni 1971 - V ZR 45/69, WM 1971, 1475, 1476; Urteil vom
15. Oktober 2004 - V ZR 100/04, WM 2004, 2443, 2446; Urteil vom 19. Oktober
2007 - V ZR 211/06, BGHZ 174, 61 Rn. 32, 33; Urteil vom 19. Januar 2018
- V ZR 273/16, juris Rn. 17). Mit der bindend gewordenen Auflassung haben
Veräußerer und Erwerber deshalb alles getan, quasi einen Automatismus in
Gang gesetzt, um den Eigentumswechsel zur Eintragung zu bringen. Das recht-
fertigt es nach Auffassung des Senats, den Schutzzweck des § 311b Abs. 1
Satz 1 BGB als erreicht anzusehen und weitere Vereinbarungen der Parteien,
sofern durch sie nicht Erwerbs- oder Veräußerungspflichten geändert oder neu
begründet werden, von der Beurkundungspflicht auszunehmen.
(3) Unterlägen Vereinbarungen nach bindend gewordener Auflassung
der Form des § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB, wäre dies zudem der Klarheit und
Rechtssicherheit im Rechtsverkehr abträglich.
(a) Ein Formmangel bei nachträglichen Änderungen eines Grundstücks-
kaufvertrags führt im Zweifel (§ 139 BGB) zur Nichtigkeit des Vertrages mit al-
len Nebenabreden (§ 125 BGB). Die Vermutung, dass sich die Nichtigkeit auf
den gesamten Vertrag erstreckt, kann zwar, was der tatrichterlichen Würdigung
bedarf, durch die besonderen Umstände des Falles widerlegt sein (vgl. Senat,
Urteil vom 19. November 1982 - V ZR 161/81, BGHZ 85, 315, 318; Urteil vom
11. November 1983 - V ZR 150/82, NJW 1984, 974, 975; Urteil vom
17. März 2000 - V ZR 362/98, NJW 2000, 2100, 2101). Bis zur Klärung dieser
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Frage bestünde aber Unsicherheit über die Wirksamkeit des schuldrechtlichen
Kausalgeschäfts.
(b) Der Vertrag könnte nämlich, soweit er wegen der nachträglichen Än-
derung insgesamt formunwirksam wäre, nicht geheilt werden. Die Formnichtig-
keit des Grundstückskaufvertrags ergreift zwar nicht die mitbeurkundete Auflas-
sung (vgl. Senat, Urteil vom 23. Februar 1979 - V ZR 99/77, NJW 1979, 1495,
1496 mwN), und die Heilung tritt nach § 311b Abs. 1 Satz 2 BGB auch dann
ein, wenn die Auflassung nicht nach den schuldrechtlich getroffenen Vereinba-
rungen, sondern mit ihnen zugleich beurkundet wird (vgl. Senat, Urteil vom
17. März 1978 - V ZR 217/75, NJW 1978, 1577). Diese Wirkung hat die vor
formlosen Änderungen des Grundstückskaufvertrags erklärte Auflassung aber,
anders als im Schrifttum teilweise vertreten wird (vgl. BeckOGK/Schreindorfer,
BGB, Stand: 1.9.2018, § 311b Rn. 350; MüKoBGB/Kanzleiter, 7. Aufl., § 311b
Rn. 85; Staudinger/Schumacher, BGB [2018], § 311b Rn. 297; Harke, WM
2004, 357, 360; Pohlmann, Die Heilung formnichtiger Verpflichtungsgeschäfte
durch Erfüllung, 141, 144), nicht, weil sie nicht in Erfüllung der formnichtigen
Vereinbarungen erfolgt sein kann. Die heilende Wirkung von Auflassung und
Eintragung erstreckt sich nur auf die Gesamtheit der vertraglichen Vereinbarun-
gen, die bei der Auflassung Inhalt des Vertrages waren (vgl. Senat, Urteil vom
5. Mai 1972 - V ZR 63/70, NJW 1972, 1364, 1366; Urteil vom 22. Dezem-
ber 1982 - V ZR 8/81, NJW 1983, 1543, 1545; Urteil vom 6. Mai 1988
- V ZR 50/87, BGHZ 104, 276, 278).
(4) Die bindend gewordene Auflassung bildet auch dann eine zeitliche
Zäsur, ab der nachträgliche Änderungen eines Grundstückskaufvertrags form-
los möglich sind, wenn der Vollzug der Auflassung durch Anweisungen der
Kaufvertragsparteien an den Notar vorübergehend gesperrt ist.
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(a) Um den Verkäufer davor zu schützen, dass er das Eigentum an sei-
nem Grundstück verliert, ohne den Kaufpreis zu erhalten, wird meist eine Treu-
handtätigkeit des Notars nach § 24 BNotO (vgl. Senat, Beschluss vom
26. Juli 2012 - V ZB 288/11, FGPrax 2012, 264 Rn. 8) vereinbart. Dem Notar
wird die Anweisung erteilt (vgl. § 53 Abs. 2 BeurkG), die Eintragung des Eigen-
tumswechsels erst zu beantragen, wenn ihm die Zahlung des Kaufpreises
nachgewiesen ist (oder der Kaufpreis auf dem Notaranderkonto auszahlungsreif
hinterlegt ist; Vorlagensperre) und vorher dem Käufer und dem Grundbuchamt
keine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift der Urkunde zu erteilen, die die
Auflassung enthält (Ausfertigungssperre; vgl. DNotI-Report 2016, 63, 64;
Armbrüster/Preuß/Renner/Seger, Beurkundungsgesetz und Dienstordnung für
Notarinnen und Notare, 7. Aufl., § 53 BeurkG Rn. 33). Ist in einem solchen Fall
eine Ausfertigung zur Eintragung einer Eigentumsvormerkung erforderlich, wird
das Vorleistungsrisiko des Verkäufers durch die Weisung an den Notar ausge-
schaltet, zunächst nur eine auszugsweise Ausfertigung ohne die Auflassung zu
erteilen (§ 49 Abs. 5 Satz 1 BeurkG) und diese zwecks Eintragung der Vormer-
kung einzureichen. In Betracht kommt auch, dass in der Kaufvertragsurkunde
die Bewilligung der Eigentumsumschreibung noch nicht erklärt, sondern dem
Notar Vollmacht erteilt wird, die Eintragungsbewilligung namens des Veräuße-
rers zu erklären, sobald ihm die Kaufpreiszahlung nachgewiesen ist (sog. Bewil-
ligungslösung; vgl. DNotI-Report 2016, 63, 64; Brambring in Festschrift für Ha-
gen, 1999, 251, 270 f.; Kanzleiter, DNotZ 1996, 242 ff.; Reithmann, ZNotP
2005, 322, 323; Weser, MittBayNot 1993, 253 ff.).
(b) Solche Abreden ändern nichts daran, dass die Auflassung ohne Vor-
behalt und verbindlich erklärt wird. Nur so kann sie ihren Zweck, zu dem Eigen-
tumsübergang zu führen, erfüllen. Insbesondere stellen Veräußerer und Erwer-
ber ihre Einigungserklärungen nicht unter eine Bedingung, was unwirksam wäre
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(§ 925 Abs. 2 BGB). Es handelt sich vielmehr um vollzugstechnische Abreden,
die gerade deshalb erforderlich sind, weil die Auflassung bindend ist.
(5) Deutlich überwiegende oder schlechthin zwingende Gründe für eine
Abkehr von dieser Rechtsprechung (vgl. Beschluss vom 4. Oktober 1982
- GSZ 1/82, BGHZ 85, 64, 66; Senat, Urteil vom 22. Februar 1991
- V ZR 308/89, BGHZ 113, 384, 386; Urteil vom 10. Juli 2015 - V ZR 229/14,
ZfIR 2015, 798 Rn. 15) sind nicht gegeben. Die Praxis hat sich darauf einge-
richtet. Unzuträglichkeiten in der praktischen Anwendung sind nicht bekannt
geworden. An der formfreien Abänderbarkeit von Grundstückskaufverträgen
nach der Auflassung ist deshalb auch im Interesse der Kontinuität der Recht-
sprechung und der Rechtssicherheit festzuhalten.
3. Danach haben die Parteien nachträglich formfrei wirksam den in der
notariellen Urkunde vom 4. Mai 2011
vereinbarten Kaufpreis um 27.100,76 €
auf 282.591,24
€ ermäßigt. Bei der in dem Kaufvertrag vereinbarten Anweisung
der Parteien an den beurkundenden Notar, eine die Auflassungserklärung ent-
haltende beglaubigte Abschrift oder Ausfertigung der Urkunde erst zu erteilen,
wenn ihm die Zahlung des geschuldeten Kaufpreises nachgewiesen worden ist
(sog. Ausfertigungssperre), handelt es sich lediglich um eine den technischen
Vollzug betreffenden Abrede. Sie steht der Formfreiheit der nachträglichen Än-
derung des beurkundeten Kaufpreises nicht entgegen.
III.
Das angefochtene Urteil kann daher keinen Bestand haben. Der Senat
kann in der Sache selbst entscheiden, weil weitere Feststellungen nicht zu tref-
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fen sind und der Rechtsstreit zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO).
Danach ist das Berufungsurteil teilweise aufzuheben und die Berufung insge-
samt zurückzuweisen.
IV.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Stresemann Schmidt-Räntsch Kazele
Haberkamp Hamdorf
Vorinstanzen:
LG Ravensburg, Entscheidung vom 28.10.2016 - 6 O 200/16 -
OLG Stuttgart, Entscheidung vom 18.07.2017 - 10 U 140/16 -
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