Urteil des BGH vom 12.09.2018

Urteil vom 12.09.2018

ECLI:DE:BGH:2018:120918UIVZR17.17.0
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 17/17
Verkündet am:
12. September 2018
Schick
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
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Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitze nde
Richterin Mayen, die Richterin Harsdorf-Gebhardt, den Richter Lehmann,
die Richterinnen Dr. Brockmöller und Dr. Bußmann im schriftlichen Ver-
fahren, bei dem Schriftsätze bis zum 27. Juli 2018 eingereicht werden
konnten,
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird unter Zurückweisung
des weitergehenden Rechtsmittels das Urteil der 4. Zivil-
kammer des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena vom
22. Dezember 2016 im Kostenpunkt und insoweit aufge-
hoben, als die Beklagte zur Zahlung von mehr als
47.281,83
€ verurteilt worden ist.
Die Revision der Klägerin wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die
Klägerin zu 60 % und die Beklagte zu 40 %. Die Kosten
des Berufungs- und des Revisionsverfahrens tragen die
Klägerin zu 83 % und die Beklagte zu 17 %.
Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf
63.799
festgesetzt
(Revision
der
Beklagten:
18.886,88
€, Revision der Klägerin: 44.912,12 €).
Von Rechts wegen
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Tatbestand:
Die Klägerin begehrt von der Beklagten aus ungerechtfertigter Be-
reicherung Rückzahlung geleisteter Versicherungsbeiträge einer fond s-
gebundenen Lebensversicherung.
Diese wurde mit Versicherungsbeginn zum 1. September 2005
nach dem so genannten Policenmodell des § 5a VVG in der seinerzeit
gültigen Fassung (im Folgenden: § 5a VVG a.F.) abgeschlossen. Nach
den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts erhielt die
Klägerin keine ordnungsgemäße Belehrung über das Widerspruchsrecht
gemäß § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F.
Die Klägerin kündigte den Vertrag mit Schreiben vom 24. Juli 2013
und erklärte unter dem 21. Juli 2014 den Widerspruch gemäß § 5a VVG
a.F.
Mit der Klage hat sie, soweit für die Revisionsinstanz noch von
Bedeutung, Rückzahlung der auf den Vertrag geleisteten Einmalpräm ie
in Höhe von 100.000
€ nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten
über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 12. März 2014 Zug um Zug
gegen Abtretung aller Rechte aus dem Versicherungsvertrag verlangt.
Das Landgericht hat der Klage insoweit durch Schlussurteil statt-
gegeben.
Mit der Berufung hat die Beklagte die Aufhebung des Schlussu r-
teils begehrt, soweit dessen Tenor über einen Betrag von 36.201
€ hin-
ausgeht. Das Oberlandesgericht hat unter Zurückweisung der weiterg e-
henden Berufung das erstinstanzliche Schlussurteil abgeändert und die
Beklagte verurteilt, an die Klägerin 55.087,88
€ nebst Zinsen in Höhe
von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins satz seit dem
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12. März 2014 Zug um Zug gegen Abtretung aller Rechte aus dem Versi-
cherungsvertrag zu zahlen, und die Klage im Übrigen abgewiesen.
Mit der Revision begehrt die Beklagte weiterhin die Klageabwe i-
sung, soweit sie zur Zahlung von mehr als 36.201
€ verurteilt worden ist.
Die Klägerin erstrebt mit ihrer Revision die Aufhebung des Ber ufungsur-
teils und die Wiederherstellung des Schlussurteils, soweit der Berufung
der Beklagten stattgegeben worden ist.
Entscheidungsgründe:
Die Revision der Beklagten führt zur Aufhebung des Berufungsu r-
teils, soweit das Berufungsgericht der Klage in Höhe von mehr als
47.281,83
€ nebst Zinsen stattgegeben hat. Die Revision der Klägerin
hat keinen Erfolg.
I. Nach Auffassung des Berufungsgerichts kann die Klägerin Prä-
mienrückzahlung aus ungerechtfertigter Bereicherung verlangen. Nicht
abzuziehen sei der Wert des Risikoanteils, weil die Beklagte hierfür kei-
nen Beweis angeboten habe. Auch die Abschluss-, Vermittlungs- und
Verwaltungskosten seien nicht in Abzug zu bringen. Die Beklagte könne
sich zumindest teilweise auf Entreicherung berufen, weil die F onds, in
denen der Sparanteil der Prämie in Höhe von 89.824,24
€ angelegt wor-
den sei, zur Zeit des Widerspruchs nur noch einen Wert von 37.106,07
gehabt hätten. Der Entreicherungseinwand sei auf 50 % des Sparanteils
(44.912,12
€) zu begrenzen, so dass der Klägerin ein Zahlungsanspruch
in Höhe von 55.087,88
€ zustehe.
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II. Hiergegen wendet sich die Beklagte zu Recht, soweit das Ber u-
fungsgericht die Fondsverluste nur teilweise bereicherungsmindernd b e-
rücksichtigt hat.
Die Klägerin - deren Widerspruchsrecht mangels ordnungsgem ä-
ßer Belehrung ungeachtet des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. fortbestand
(vgl. Senatsurteil vom 7. Mai 2014 - IV ZR 76/11, BGHZ 201, 101 Rn. 17-
34) - hat gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB einen Prämienrückzah-
lungsanspruch. Dieser ist - anders als die Beklagte gemeint hat - aller-
dings nicht auf den von ihr mit 36.201
€ angegebenen Depotstand zur
Zeit der Berufungsbegründung begrenzt. Vielmehr ist die Beklagte in Hö-
he von 47.281,83
€ zur Rückzahlung verpflichtet, weil von der zu erstat-
tenden Einmalprämie in Höhe von 100.000
€ nur die Fondsverluste in
Höhe von 52.718,17
€ bereicherungsmindernd abzuziehen sind. Die Ver-
luste ergeben sich aus der Differenz zwischen dem vom Berufungsg e-
richt zugrunde gelegten Sparanteil in Höhe von 89.824,24
€ (Einmalprä-
mie von 100.000
€ abzüglich Abschluss- und Verwaltungskosten in Höhe
von 10.175,76
€) und dem Depotwert zur Zeit des Widerspruchs in Höhe
von 37.106,07
€.
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts greift der von der
Beklagten erhobene Einwand der Entreicherung gemäß § 818 Abs. 3
BGB hinsichtlich der Fondsverluste vollständig durch und kann nicht auf
die Hälfte des Sparanteils beschränkt werden. Wie der Senat mit dem
nach Erlass des Berufungsurteils ergangenen Urteil vom 21. März 2018
(IV ZR 353/16, VersR 2018, 535 Rn. 13 ff.), dem im Wesentlichen ein
vergleichbarer Sachverhalt wie hier zugrunde lag, entschieden und im
Einzelnen begründet hat, muss sich der Versicherungsnehmer bei der
bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung einer fondsgebundenen L e-
bensversicherung nach Widerspruch gemäß § 5a VVG a.F. auch erhebli-
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che oder vollständige Fondsverluste bereicherungsmindernd anrechnen
lassen. Die dortigen Ausführungen gelten im Streitfall - auch unter Be-
rücksichtigung des Vorbringens der Parteien im Revisionsrechtszug -
entsprechend.
Weitere Abzüge des Risikoanteils in Höhe von 37,45
€ sowie der
Abschluss- und Verwaltungskosten in Höhe von 10.175,76
€ hat das Be-
rufungsgericht rechtsfehlerfrei und von der Beklagten unbeanstandet ab-
gelehnt.
III. Die Revision der Klägerin ist nach dem Vorstehenden unb e-
gründet. Ihr steht nach Abzug der Fondsverluste nur ein Bereicherung s-
anspruch in der oben genannten Höhe zu.
Mayen Harsdorf-Gebhardt Lehmann
Dr. Brockmöller Dr. Bußmann
Vorinstanzen:
LG Gera, Entscheidung vom 12.01.2016 - 4 O 1317/13 -
OLG Jena, Entscheidung vom 22.12.2016 - 4 U 75/16 -
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