Urteil des BGH vom 20.09.2018

Urteil vom 20.09.2018

ECLI:DE:BGH:2018:200918BIIIZB20.18.0
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
III ZB 20/18
vom
20. September 2018
in dem Rechtsstreit
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Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. September 2018 durch
den Richter Seiters und die Richterinnen Dr. Liebert, Pohl, Dr. Arend und
Dr. Böttcher
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde des Klägers gegen den Beschluss des
4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 26. Februar
2018 - 4 U 1570/17 - wird als unzulässig verworfen.
Der Kläger hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Der Streitwert der Beschwerde wird auf 187,50
€ festgesetzt.
Gründe:
I.
Der Kläger begehrt die Herausgabe von Kopien der Behandlungsdoku-
mentation bezüglich eines Krankenhausaufenthalts bei der Beklagten. Er war
vom 10. bis 22. April 2014 auf Grundlage eines Beschlusses des Amtsgerichts
Dresden - Betreuungsgericht - vom 11. April 2014 bei der Beklagten in einer
geschlossenen Abteilung untergebracht. Ab dem 23. April 2014 befand er sich
freiwillig in einer offenen Station der Beklagten, bis er am 25. April 2014 die Kli-
nik verließ.
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Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Urteil des Landgerichts
ist dem damaligen Prozessbevollmächtigten des Klägers am 24. Oktober 2017
zugestellt worden. Mit am 3. November 2017 eingegangenem Schreiben hat
der Kläger zunächst selbst Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Berufung
beantragt. Am 16. November 2017 hat er sodann durch Anwaltsschriftsatz Be-
rufung eingelegt und diese sogleich begründet. Er hat hierbei den Antrag ange-
kündigt, die Beklagte zur Herausgabe von Kopien der Behandlungsunterlagen
für die Zeit vom 23. bis 25. April 2014, also während des freiwilligen Aufenthalts
bei der Beklagten, zu verurteilen. Hierfür hat er Prozesskostenhilfe begehrt. Mit
Schreiben vom 16. Dezember 2017 hat der Kläger erklärt, sein eigener Antrag
auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine umfassende Berufung werde
weiter aufrechterhalten. Bei Gewährung von Prozesskostenhilfe komme eine
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand für eine vollumfängliche Berufung in
Betracht.
Das Berufungsgericht hat mit Beschluss vom 2. Februar 2018 den Pro-
zesskostenhilfeantrag des Klägers für die eingelegte Berufung und denjenigen
für die beabsichtigte Berufungserweiterung abgelehnt und auf die vorgesehene
Verwerfung der Berufung nach § 522 Abs. 1 ZPO hingewiesen.
Mit Beschluss vom 26. Februar 2018 hat das Berufungsgericht unter an-
derem die Berufung als unzulässig verworfen. Die Beschwerdesumme von
600
€ sei nicht erreicht. Der Streitwert für die Klage auf Herausgabe der Be-
handlungsunterlagen sei mit höchstens 20 % der beabsichtigten Haftungsklage
anzusetzen, deren Wert der Kläger mit 5000
€ beziffere. Da dieser in der Beru-
fung nur noch die Herausgabe von Unterlagen für 3 von 16 Behandlungstagen
verlange, sei auch der Streitwert entsprechend zu kürzen. Soweit der Kläger
geltend mache, er benötige die Unterlagen zur Erteilung einer Fahrerlaubnis,
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rechtfertige dies keine höhere Festsetzung des Gegenstandswertes, da der
Kläger dieses Begehren nicht mit einer Zivilklage verfolgen könne.
Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Klägers.
II.
Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO in Verbindung mit § 522 Abs. 1
Satz 4 ZPO statthafte sowie rechtzeitig eingelegte und begründete Rechtsbe-
schwerde ist nicht zulässig, weil weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeu-
tung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordern
(§ 574 Abs. 2 ZPO).
Entgegen der Ansicht der Beschwerde ist eine Entscheidung des Bun-
desgerichtshofs nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfor-
derlich. Der angefochtene Beschluss verletzt den Anspruch des Klägers auf
wirkungsvollen Rechtsschutz und Gewährung rechtlichen Gehörs nicht.
Das Berufungsgericht hat die Berufung zu Recht wegen Unterschreitung
der Wertgrenze des § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO als unzulässig verworfen. Seine
Bewertung des Beschwerdegegenstands, die im Rahmen der Rechtsbeschwer-
de nur daraufhin überprüft werden kann, ob die Grenzen des hierbei eröffneten
Ermessen (§§ 2,3 ZPO) überschritten worden sind oder ob dieses fehlerhaft
ausgeübt worden ist (st. Rspr., s. etwa Senatsbeschlüsse vom 8. März 2018
- III ZB 70/17, NJW-RR 2018, 697 Rn. 10; vom 27. Juli 2017 - III ZB 37/16,
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NJW-RR 2017, 1407 Rn. 7; vom 28. Januar 2016 - III ZB 96/15, BeckRS 2016,
03749 Rn. 6), lässt eine Rechtsverletzung nicht erkennen.
1.
Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die einge-
legte und begründete Berufung sich nur auf die Herausgabe von Kopien der
Behandlungsunterlagen für den Zeitraum des freiwilligen Klinikaufenthalts, nicht
jedoch für den der Unterbringung bezog. Dies ergibt sich sowohl aus den ange-
kündigten Berufungsanträgen als auch aus der zugehörigen Berufungsbegrün-
dung. Das Berufungsgericht hat diese Auffassung bereits im Beschluss vom
2. Februar 2018 unter Ankündigung der beabsichtigten Berufungsverwerfung
vertreten, ohne dass der Kläger dem in den anwaltlichen Stellungnahmen hier-
zu entgegengetreten ist. Der Kläger hat die Berufung auch zu keinem Zeitpunkt
erweitert.
Ob der Kläger eine Erweiterung noch nach Ablauf der Berufungsbegrün-
dungsfrist hätte vornehmen können und dies - wie die Beschwerde vorbringt -
bis zum Ablauf der etwaigen Wiedereinsetzungsfrist für die Berufungsbegrün-
dung getan hätte, wenn das Berufungsgericht nicht zuvor die Berufung verwor-
fen hätte, ist für die Bemessung des Wertes des Beschwerdegegenstands nicht
relevant. Denn hierfür ist die tatsächlich eingelegte und begründete, nicht die
hypothetisch mögliche Berufung maßgeblich.
Unerheblich ist auch, dass das Berufungsgericht vor Ablauf der etwaigen
Wiedereinsetzungsfrist entschieden hat. Denn der Kläger hätte einen Wieder-
einsetzungsantrag auch nach der Verwerfung der Berufung noch bis zum Ab-
lauf dieser Frist stellen (vgl. auch BGH, Urteil vom 18. März 1992 - IV ZR
101/91, NJW 1992, 1898, 1899) und - dessen Zulässigkeit und Begründetheit
unterstellt - die Berufung erweitern können, was er nicht getan hat. Ohnehin ist
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es dem Berufungsgericht nicht vorwerfbar, dass es vor Ablauf der etwaigen
Wiedereinsetzungsfrist nach Ablehnung der Prozesskostenhilfe entschieden
hat. Denn es hat zugleich mit der Ablehnung der Prozesskostenhilfe darauf hin-
gewiesen, dass eine Wiedereinsetzung im Hinblick auf eine Berufungserweite-
rung mangels Kausalität der Bedürftigkeit für die Fristversäumung nicht in Be-
tracht kommt. Hiergegen hat der Kläger in den anwaltlichen Stellungnahmen
nichts vorgebracht.
2.
Gegen die Festsetzung des Wertes der eingelegten und begründeten
Berufung auf 187, 50
€ bestehen keine Bedenken.
Der Kläger wendet sich in seiner Beschwerde nicht dagegen, dass das
Berufungsgericht den Wert im Hinblick auf die von ihm beabsichtigte Haftungs-
klage unter Berücksichtigung der Dauer der freiwilligen Behandlung mit
187,50
€ angesetzt hat. Ohne Erfolg beruft er sich darauf, dass hierzu weitere
1.000
€ im Hinblick auf das Interesse an der (Neu-)Erteilung der Fahrerlaubnis
zu addieren seien. Es kann dahingestellt bleiben, ob das Berufungsgericht zu
Recht darauf abgestellt hat, dass ein derartiger Anspruch nicht mit einer Zivil-
klage verfolgt werden könnte. Jedenfalls bestehen - worauf die Beklagte zutref-
fend hingewiesen hat - keine Anhaltspunkte dafür, dass die Behandlungsunter-
lagen über die Zeit des freiwilligen Klinikaufenthalts vom 23. bis 25. April 2014
für das Verfahren auf Neuerteilung seiner Fahrerlaubnis von Bedeutung sein
könnten, so dass das Interesse an der Neuerteilung der Fahrerlaubnis bei der
Bewertung der Beschwer des Klägers im vorliegenden Verfahren nicht berück-
sichtigt werden kann. Weder aus der Beschwerdebegründung noch aus dem in
den Instanzen gehaltenen Vortrag ergibt sich eine Relevanz dieser Unterlagen
für die Erteilung der Fahrerlaubnis, ebenso wenig wie die Bedeutung der Be-
handlungsunterlagen betreffend die Zeit der Unterbringung ersichtlich ist. Aus
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den vom Kläger als Anlage zur Streitverkündungsschrift vom 10. Februar 2018
vorgelegten Unterlagen ist vielmehr ersichtlich, dass die Entziehung der Fahrer-
laubnis durch Bescheid vom 25. September 2014 erfolgte, nachdem der Kläger
der Anordnung zur Vorlage eines Fahreignungsgutachtens nicht nachgekom-
men war. Im Verfahren auf Neuerteilung der Fahrerlaubnis wurde mit Schreiben
der zuständigen Behörde vom 24. Januar 2018 ebenfalls die Vorlage eines
Fahreignungsgutachtens angeordnet. Nicht vorgetragen oder sonst ersichtlich
ist, dass die damaligen Behandlungsunterlagen dieses - übliche - Vorgehen
sowie die Entscheidung über die Erteilung der Fahrerlaubnis hätten beeinflus-
sen können oder noch beeinflussen könnten.
Nur ergänzend wird darauf hingewiesen, dass der Kläger sein Interesse
an der Herausgabe der Behandlungsunterlagen, das sowohl Grundlage des
Streitwerts als auch des Werts des Beschwerdegegenstands ist, für den ge-
samten Zeitraum selbst nur noch mit 80
€ bewertet. Gegen die den gesamten
Behandlungszeitraum umfassende Festsetzung des Streitwerts auf 1.000
durch das Landgericht hat er mit Schreiben vom 7. Februar 2018 Streitwertbe-
schwerde eingelegt mit der Begründung, der Streitwert betrage insgesamt nur
80
€. Er hat hierbei auf die Ausführungen im Beschluss des Berufungsgerichts
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vom 2. Februar 2018 Bezug genommen, die er sich zu Eigen mache. Vor die-
sem Hintergrund ist sein Vorbringen in der Beschwerde, wonach das Interesse
an der Herausgabe der Behandlungsunterlagen für nur 3 Tage mit mehr als
1.000
€ zu bewerten sei, nicht nachvollziehbar.
Seiters
Liebert
Pohl
Arend
Böttcher
Vorinstanzen:
LG Dresden, Entscheidung vom 13.10.2017 - 6 O 800/17 -
OLG Dresden, Entscheidung vom 26.02.2018 - 4 U 1570/17 -
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