Urteil des BGH vom 22.03.2011
Leitsatzentscheidung zu Vermittler, Schiedsklausel, Lex Fori, Rechtswahl, Schiedsabrede
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XI ZR 197/08
Verkündet am:
22. März 2011
Herrwerth,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
ZPO § 1031 Abs. 5
EGBGB Art. 29 Abs. 3 Satz 2 aF
Enthält eine Schiedsvereinbarung betreffend Rechtsstreitigkeiten aus einem
im Jahr 2004 geschlossenen Vertrag eines ausländischen Unternehmers mit
einem inländischen Verbraucher die Wahl ausländischen Rechts, bemisst
sich ihre Formgültigkeit in entsprechender Anwendung von Art. 29 Abs. 3
Satz 2 EGBGB aF nach § 1031 Abs. 5 ZPO (Fortentwicklung des Senatsbe-
schlusses vom 10. Februar 1998 - XI ZR 305/96, BGHR EGBGB (1986)
Art. 29 - Schiedsklausel 1).
BGH, Urteil vom 22. März 2011 - XI ZR 197/08 - OLG Düsseldorf
LG Düsseldorf
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Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 22. März 2011 durch den Vorsitzenden Richter Wiechers und die Richter
Dr. Ellenberger, Maihold, Dr. Matthias und Pamp
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 26. Juni 2008 im Kosten-
punkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten
entschieden worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens,
an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Kläger zu 1) und zu 3) (nachfolgend: Klägerseite), deutsche Staats-
angehörige mit Wohnsitz in Deutschland, verlangen von der Beklagten, einem
Brokerhaus mit Sitz im US-Bundesstaat N. , Schadensersatz wegen
Verlusten im Zusammenhang mit Terminoptionsgeschäften an US-amerikani-
schen Börsen.
Die der New Yorker Börsenaufsicht unterliegende Beklagte arbeitet welt-
weit mit Vermittlern zusammen, denen sie über eine Online-Plattform den Zu-
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gang zur Ausführung von Wertpapiergeschäften an Börsen in den USA ermög-
licht, den diese mangels einer dortigen Zulassung sonst nicht hätten. Die Ver-
mittler können die Kauf- und Verkaufsorders ihrer Kunden sowie ihre eigenen
anfallenden Provisionen und Gebühren in das Online-System der Beklagten
eingeben, wo sie vollautomatisch bearbeitet und verbucht werden.
Einer dieser Vermittler war S. e.K. (im Folgenden: S.) mit
Sitz in D. , der bis zur Einstellung seiner Geschäftstätigkeit im Novem-
ber 2005 über eine deutsche aufsichtsrechtliche Erlaubnis als selbstständiger
Finanzdienstleister verfügte. Der Geschäftsbeziehung zwischen der Beklagten
und S. liegt ein Verrechnungsabkommen ("Fully disclosed clearing agreement")
zugrunde. Vor dessen Zustandekommen hatte die Beklagte geprüft, ob S. über
eine aufsichtsrechtliche Erlaubnis verfügte und ob gegen ihn aufsichtsrechtliche
Verfahren in Deutschland anhängig waren. Nach den Regelungen des Verrech-
nungsabkommens ist die Beklagte unter anderem verpflichtet, für die vom Ver-
mittler geworbenen Kunden Einzelkonten einzurichten und hierüber die in Auf-
trag gegebenen Transaktionen abzuwickeln. Alle aufsichts- und privatrechtli-
chen Pflichten zur Information der Kunden werden durch das Verrechnungsab-
kommen dem Vermittler übertragen, der für jede fahrlässige, unlautere, betrü-
gerische oder kriminelle Handlung oder Unterlassung seitens eines seiner Mit-
arbeiter oder Agenten allein verantwortlich sein soll. Die Beklagte soll den Kun-
den die vom Vermittler angewiesenen Provisionen auf deren Konten belasten
und von diesen Beträgen ihre eigene Vergütung abziehen.
Die Klägerseite schloss nach vorausgegangener Werbung mit S. jeweils
einen formularmäßigen Geschäftsbesorgungsvertrag über die Besorgung und
Vermittlung von Termingeschäften. Darin verpflichtete sich S. unter anderem
zur Vermittlung eines Brokereinzelkontos bei der Beklagten. Er ließ sich für sei-
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ne Tätigkeit in erheblichem Umfang sowohl fixe Gebühren als auch tätigkeits-
abhängige Gebühren versprechen.
Im Zusammenhang mit dem Abschluss des Geschäftsbesorgungsvertra-
ges unterzeichnete die Klägerseite im Jahr 2004 jeweils ein ihr vorgelegtes eng-
lischsprachiges Vertragsformular der Beklagten ("Option Agreement and
Approval Form"), das in Ziffer 15 seiner Allgemeinen Geschäftsbedingungen
auch eine Schiedsklausel enthält. Die Beklagte unterzeichnete den Vertrag
nicht.
Im Anschluss daran eröffnete die Beklagte für die Klägerseite ein Trans-
aktionskonto, auf das der Kläger zu 1) 38.320
€ und der Kläger zu 3) 8.000 €
einzahlte. Ferner zahlten die Kläger an S. Dienstleistungsgebühren von 2.220
€
(Kläger zu 1) und 480
€ (Kläger zu 3). Nach Ende der Geschäftsbeziehung er-
hielt die Klägerseite 63,36
€ (Kläger zu 1) und 297,65 € (Kläger zu 3) zurück.
Der Differenzbetrag in Höhe von 40.476,64
€ (Kläger zu 1) und 8.182,35 €
(Kläger zu 3) jeweils zuzüglich Zinsen wird mit den vorliegenden Klagen geltend
gemacht, wobei das Zahlungsbegehren ausschließlich auf deliktische Scha-
densersatzansprüche unter anderem wegen Beteiligung der Beklagten an einer
vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung gestützt wird. Die Beklagte ist dem in
der Sache entgegen getreten und hat zudem die fehlende internationale Zu-
ständigkeit deutscher Gerichte gerügt sowie unter Berufung auf die in Ziffer 15
ihrer Geschäftsbedingungen enthaltene Schiedsklausel die Unzulässigkeit der
Klagen geltend gemacht.
Das Landgericht hat die Klagen abgewiesen. Auf die Berufung der Kläger
zu 1) und zu 3) hat das Berufungsgericht die Beklagte im Wesentlichen an-
tragsgemäß verurteilt. Mit der - vom Berufungsgericht zugelassenen - Revision
verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.
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Entscheidungsgründe:
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils
und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit
für die Revisionsinstanz von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:
Die Klagen seien zulässig. Die internationale Zuständigkeit deutscher
Gerichte folge aus § 32 ZPO. Die Einrede der Schiedsvereinbarung greife nicht
durch, weil die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte für zukünftige
unerlaubte Handlungen nicht durch die in Ziffer 15 der Geschäftsbedingungen
enthaltene Schiedsklausel, die mit einer Rechtswahl verbunden sei, habe ab-
bedungen werden können (Art. 42 EGBGB analog).
Die Klagen seien auch begründet. Die Entscheidung über deliktische An-
sprüche richte sich gemäß Art. 40 f. EGBGB nach deutschem Recht. Gemäß
den danach anwendbaren §§ 826, 830 BGB habe die Klägerseite gegen die
Beklagte einen Anspruch auf Schadensersatz. S. habe als gewerblicher Ver-
mittler von Terminoptionen die Klägerseite vorsätzlich sittenwidrig geschädigt.
Denn er habe die nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für
gewerbliche Vermittler von Terminoptionen bestehende Pflicht verletzt, Kunden
vor Vertragsschluss schriftlich die Kenntnisse zu vermitteln, die sie in die Lage
versetzen, den Umfang ihres Verlustrisikos und die Verringerung ihrer Gewinn-
chance durch den Aufschlag auf die Optionsprämie richtig einzuschätzen.
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Die Beklagte habe sich an dieser vorsätzlichen sittenwidrigen Schädi-
gung der Kläger objektiv beteiligt, indem sie S. den Zugang zur New Yorker
Börse eröffnet habe. Sie habe zumindest bedingt vorsätzlich gehandelt. Die
Beklagte habe zumindest ihre Augen vor den sich aufdrängenden Bedenken
verschlossen und gewissenlos leichtfertig die von S. vermittelten Aufträge der
Klägerseite zu deren Nachteil über ihr Online-System ausführen lassen. Die
Gefahr, dass S. seine geschäftliche Überlegenheit gegenüber den Klägern in
sittenwidriger Weise missbrauche, habe für die Beklagte auf der Hand gelegen,
weil sie die extremen Verlustrisiken von Optionsgeschäften mit hohen Gebüh-
renaufschlägen auf die Optionsprämie gekannt habe. Ihr habe auch klar sein
müssen, dass die ihr bekannten oder zumindest von ihr bewusst nicht zur
Kenntnis genommenen Gebühren dem Vermittler einen hohen Anreiz geboten
hätten, seine geschäftliche Überlegenheit zu missbrauchen.
II.
Das Berufungsurteil hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen kann mit der vom Berufungs-
gericht gegebenen Begründung die vorsätzliche Teilnahme der Beklagten an
einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung der Klägerseite nicht bejaht wer-
den.
1. Zu Recht ist das Berufungsgericht allerdings von der Zulässigkeit der
Klagen ausgegangen.
a) Das Berufungsgericht hat zutreffend die - auch im Revisionsverfahren
von Amts wegen zu prüfende - internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte
bejaht. Nach dem im Rahmen der Zuständigkeitsprüfung maßgeblichen Vortrag
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der Klägerseite ist der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung gemäß der hier
anwendbaren Regelung des § 32 ZPO gegeben (vgl. u.a. Senatsurteile vom
9. März 2010 - XI ZR 93/09, BGHZ 184, 365 Rn. 18 f. und vom 8. Juni 2010
- XI ZR 349/08, WM 2010, 2025 Rn. 17 und XI ZR 41/09, WM 2010, 2032
Rn. 17).
b) Der Geltendmachung eines Anspruchs wegen Beihilfe zu einer vor-
sätzlichen sittenwidrigen Schädigung steht auch die durch die Beklagte erhobe-
ne Einrede des Schiedsvertrages nicht entgegen, weil die Schiedsklausel we-
gen Formmängeln nicht wirksam ist.
aa) Wie der Senat bereits zu einer im Wesentlichen vergleichbaren von
der Beklagten verwendeten Schiedsklausel entschieden und im einzelnen be-
gründet hat, wahrt sie die Schriftform des Art. II UNÜ nicht (vgl. Senatsurteile
vom 8. Juni 2010 - XI ZR 349/08, WM 2010, 2025 Rn. 25 ff. und XI ZR 41/09,
WM 2010, 2032 Rn. 19 ff., jeweils mwN).
bb) Weiter genügt die Schiedsklausel auch nicht den Formvorschriften
des deutschen Rechts (§ 1031 Abs. 5 ZPO), dessen Anwendung hier über den
Meistbegünstigungsgrundsatz (Art. VII UNÜ) eröffnet ist.
(1) Soweit die Parteien in Bezug auf eine Schiedsklausel, die sich in ei-
nem Verbrauchervertrag im Sinne von Art. 29 Abs. 1 EGBGB aF befindet, eine
Rechtswahl - anders als hier - nicht getroffen haben, führen die nach ständiger
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Kollisionsfall berufenen Regeln
des deutschen internationalen Privatrechts aufgrund der besonderen Kollisi-
onsnorm des Art. 29 Abs. 3 Satz 2 EGBGB aF zur Maßgeblichkeit der Formvor-
schriften des deutschen Rechts (vgl. Senatsurteile vom 8. Juni 2010
- XI ZR 349/08, WM 2010, 2025 Rn. 35 sowie vom 25. Januar 2011
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- XI ZR 350/08, WM 2011, 548 Rn. 24, XI ZR 100/09, WM 2011, 645 Rn. 26
und XI ZR 106/09, WM 2011, 735 Rn. 29).
(2) Daran ändert sich im Ergebnis nichts, wenn die Schiedsvereinbarung
die Wahl ausländischen - wie hier New Yorker - Rechts enthält. Das gilt jeden-
falls für den hier gegebenen Fall, in dem die Schiedsvereinbarung mit der dies-
bezüglichen Rechtswahl die Form des Art. II UNÜ nicht wahrt und deswegen
unwirksam ist, und unabhängig davon, ob eine mit der Wahl ausländischen
Rechts und eines ausländischen Schiedsortes verbundene Schiedsklausel un-
ter Umständen gemäß § 305c Abs. 1 BGB (vgl. dazu Berger, ZBB 2003, 77,
89 f.) oder § 307 BGB (vgl. dazu Wagner/Quinke, JZ 2005, 932, 937) unwirk-
sam ist.
(a) In der Literatur ist allerdings streitig, nach welchem Recht die Form-
gültigkeit der Schiedsabrede eines Verbrauchers bei einer auf sie bezogenen
Rechtswahl zu beurteilen ist.
So wird einerseits die Auffassung vertreten, dass sich in einem solchen
Fall die Formgültigkeit der Schiedsabrede ausschließlich nach dem gewählten
Recht richte (vgl. Reithmann/Martiny/Hausmann, Internationales Vertragsrecht,
7. Aufl., Rn. 6712; Weihe, Der Schutz der Verbraucher im Recht der Schiedsge-
richtsbarkeit, S. 235 ff.).
Die Gegenmeinung wendet mit unterschiedlicher Begründung die den
Verbraucherschutz betonende Regelung des § 1031 Abs. 5 ZPO auch bei der
Wahl ausländischen Rechts an. Dabei wird teilweise § 1031 Abs. 5 ZPO als lex
fori für unmittelbar anwendbar angesehen (so früher Staudinger/Hausmann,
BGB (2002), Anhang II zu Art. 27-37 EGBGB Rn. 287; ders., Festschrift für
Lorenz, S. 359, 376 f.). Überwiegend wird aber eine analoge Anwendung von
Art. 29 Abs. 3 Satz 2 EGBGB aF befürwortet (so MünchKommZPO/Münch,
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3. Aufl., § 1029 Rn. 34; Gildeggen, Internationale Schieds- und Schiedsverfah-
rensvereinbarungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen vor deutschen Ge-
richten, S. 164 ff.).
(b) Auch der erkennende Senat hat in seinem Beschluss vom
10. Februar 1998 (XI ZR 305/96, BGHR EGBGB (1986) Art. 29 - Schieds-
klausel 1) trotz Vereinbarung ausländischen Rechts die Formvorschrift des
§ 1027 Abs. 1 Satz 1 ZPO aF über Art. 29 EGBGB aF angewendet. Der Senat
hält an dieser Entscheidung, deren Kernaussage auch für die Neufassung des
§ 1031 Abs. 5 ZPO weiterhin gilt (vgl. Ellenberger, WM 1999, Sonderbeilage
Nr. 2, S. 21), mit der Maßgabe fest, dass in Fällen wie dem vorliegenden Art. 29
EGBGB aF lediglich entsprechend anwendbar ist. Die Schiedsabrede selbst ist
kein Verbrauchervertrag im Sinne von Art. 29 Abs. 1 EGBGB aF, so dass eine
unmittelbare Anwendung der Vorschrift ausscheidet. Bezieht sich die
Schiedsabrede aber auf Rechtsstreitigkeiten aus oder im Zusammenhang mit
einem Verbrauchervertrag im Sinne von Art. 29 Abs. 1 EGBGB aF, ist die ana-
loge Anwendung der Vorschrift geboten, weil sonst eine mit dem Verbraucher-
schutz nicht zu vereinbarende formfreie Unterwerfung inländischer Verbraucher
unter die Jurisdiktion ausländischer Schiedsgerichte möglich wäre (vgl. insofern
zutreffend Staudinger/Hausmann, BGB (2002), Anhang II zu Art. 27-37 EGBGB
Rn. 287).
(c) Bei dem Kontoführungsvertrag, in dem die Schiedsklausel enthalten
ist, handelt es sich um einen Verbrauchervertrag im Sinne von Art. 29 Abs. 1
EGBGB aF, weil Bank- und Börsengeschäfte, die der Pflege des eigenen Ver-
mögens dienen, grundsätzlich nicht als berufliche oder gewerbliche Tätigkeit
gelten (vgl. Senatsurteile vom 23. Oktober 2001 - XI ZR 63/01, BGHZ 149, 80,
86; vom 8. Juni 2010 - XI ZR 349/08, WM 2010, 2025 Rn. 34 sowie vom
25. Januar 2011 - XI ZR 350/08, WM 2011, 548 Rn. 25, XI ZR 100/09, WM
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2011, 645 Rn. 27 und XI ZR 106/09, WM 2011, 735 Rn. 30, jeweils mwN). Die
in der Einredesituation für das wirksame Zustandekommen einer Schiedsver-
einbarung darlegungs- und beweisbelastete Beklagte (vgl. Senatsurteil vom
9. März 2010 - XI ZR 93/09, BGHZ 184, 365 Rn. 22) hat keine der Verbrau-
chereigenschaft entgegenstehenden Umstände dargelegt.
Liegt danach eine Vereinbarung eines Verbrauchers vor, auf die sich die
Schiedsabrede bezieht, so sind in entsprechender Anwendung von Art. 29
Abs. 3 Satz 1 EGBGB aF die allgemeinen die Form betreffenden Kollisionsre-
geln des Art. 11 Abs. 1 bis 3 EGBGB aF nicht anwendbar und es gilt un-
abhängig von einer getroffenen Rechtswahl für die Form das Recht des Auf-
enthaltsorts des Verbrauchers, ohne dass ein Günstigkeitsvergleich statt-
findet (vgl. Soergel/von Hoffmann, BGB, 12. Aufl., Art. 29 EGBGB Rn. 40;
MünchKommBGB/Martiny, 4. Aufl., Art. 29 EGBGB Rn. 74; PWW/Remien,
BGB, 5. Aufl., ex Art. 29 EGBGB Rn. 24). Hierdurch wird nach dem Willen des
Gesetzgebers dem Umstand Rechnung getragen, dass der Verbraucher meist
nur mit den Formvorschriften seines Aufenthaltstaates vertraut ist und darüber
hinaus im Bereich des Verbraucherschutzes ein enger Zusammenhang zwi-
schen der für ein Rechtsgeschäft vorgeschriebenen Form und den zwingenden
materiellrechtlichen Schutzvorschriften besteht, die den Verbraucher am Ort
seines gewöhnlichen Aufenthaltes auch im Fall einer Rechtswahl schützen
(BT-Drucks. 10/504 S. 80).
Die Voraussetzungen der danach hier anwendbaren strengen - den Ver-
braucherschutz betonenden - Formvorschrift des § 1031 Abs. 5 ZPO sind nicht
erfüllt. Die Schiedsabrede befindet sich nicht in einer separaten Urkunde und ist
auch nicht eigenhändig von beiden Vertragsparteien unterzeichnet worden.
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2. Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht aber der Klage aufgrund
der von ihm getroffenen Feststellungen wegen Teilnahme der Beklagten an ei-
ner vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung (§§ 830, 826 BGB) stattgegeben.
a) Rechtlich nicht zu beanstanden ist allerdings, dass das Berufungsge-
richt seiner Beurteilung deutsches Deliktsrecht zugrunde gelegt hat (vgl. u.a.
Senatsurteil vom 9. März 2010 - XI ZR 93/09, BGHZ 184, 365 Rn. 29 ff.).
b) Zutreffend und von der Revision nicht angegriffen hat das Berufungs-
gericht auch entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichts-
hofs (vgl. u.a. Senatsurteil vom 22. November 2005 - XI ZR 76/05, WM 2006,
84, 86 mwN) eine Haftung von S. wegen unzureichender Aufklärung über die
Chancenlosigkeit der vermittelten Geschäfte bejaht (vgl. u.a. auch Senatsurteile
vom 25. Januar 2011 - XI ZR 100/09, WM 2011, 645 Rn. 31 und XI ZR 106/09,
WM 2011, 735 Rn. 34). Allerdings kann mit der von ihm gegebenen Begrün-
dung eine deliktische Teilnehmerhaftung der Beklagten in Bezug auf diese Auf-
klärungspflichtverletzung nicht bejaht werden (vgl. u.a. Senatsurteile vom
25. Januar 2011 - XI ZR 100/09, WM 2011, 645 Rn. 32 und XI ZR 106/09, WM
2011, 735 Rn. 35).
III.
Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich auch nicht aus ande-
ren Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO).
1. Die rechtsfehlerfreien und von der Revision nicht angegriffenen Fest-
stellungen des Berufungsgerichts rechtfertigen allerdings die Annahme, dass S.
die Kläger vorsätzlich sittenwidrig geschädigt hat, indem er ihnen von vornhe-
rein chancenlose Börsentermin- und Optionsgeschäfte vermittelte (vgl. u.a.
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auch Senatsurteile vom 25. Januar 2011 - XI ZR 195/08, WM 2011, 543
Rn. 20 ff., XI ZR 350/08, WM 2011, 548 Rn. 29 ff., XI ZR 100/09, WM 2011, 645
Rn. 34 ff. und XI ZR 106/09, WM 2011, 735 Rn. 37 ff.).
2. Die vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen rechtfertigen im
Ergebnis auch die Annahme einer objektiven Teilnahmehandlung der Beklagten
zu dieser Haupttat (vgl. u.a. auch Senatsurteile vom 9. März 2010
- XI ZR 93/09, BGHZ 184, 365 Rn. 37, vom 8. Juni 2010 - XI ZR 349/08, WM
2010, 2025 Rn. 50 sowie vom 25. Januar 2011 - XI ZR 195/08, WM 2011, 543
Rn. 29, XI ZR 350/08, WM 2011, 548 Rn. 38, XI ZR 100/09, WM 2011, 645
Rn. 39 und XI ZR 106/09, WM 2011, 735 Rn. 42).
3. Hingegen hält die Begründung, mit der das Berufungsgericht die sub-
jektiven Voraussetzungen des § 830 BGB bejaht hat, rechtlicher Überprüfung
nicht stand.
a) Die subjektiven Voraussetzungen einer haftungsrechtlich relevanten
Mitwirkungshandlung sind erfüllt, wenn ein ausländischer Broker, der mit einem
deutschen gewerblichen Terminoptionsvermittler zusammenarbeitet, positive
Kenntnis von dessen Geschäftsmodell hat, das in der Gebührenstruktur zum
Ausdruck kommt, d.h. wenn er die vom Vermittler erhobenen Gebühren und
Aufschläge kennt, die die Geschäfte für den Anleger chancenlos machen (vgl.
dazu Senatsurteil vom 12. Oktober 2010 - XI ZR 394/08, WM 2010, 2214
Rn. 51 f. mwN).
Falls er keine positive Kenntnis der Gebühren und Aufschläge für die von
ihm ausgeführten Geschäfte hat, reicht es aus, wenn er das deutsche Recht,
die einschlägige höchstrichterliche Rechtsprechung in Deutschland und die zu-
rückliegenden zahlreichen Missbrauchsfälle kennt und damit weiß, dass für den
Vermittler aufgrund der hohen Gebührenaufschläge ein großer Anreiz besteht,
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seine geschäftliche Überlegenheit zum Schaden des Anlegers auszunutzen. In
diesem Fall ist es für die Annahme eines bedingten Gehilfenvorsatzes nicht er-
forderlich, dass der Broker das praktizierte Geschäftsmodell des Vermittlers
positiv kennt. Es genügt, dass er das Geschäftsmodell vor Beginn seiner Zu-
sammenarbeit mit dem Vermittler keiner Überprüfung unterzieht, sondern dem
Vermittler bei gleichzeitiger Haftungsfreizeichnung deutlich zu erkennen gibt,
keine Kontrolle seines Geschäftsgebarens gegenüber seinen Kunden auszu-
üben und ihn nach Belieben schalten und walten zu lassen. Wenn der Broker
auf diese Weise die Augen bewusst vor der sich aufdrängenden Erkenntnis der
Sittenwidrigkeit des Geschäftsmodells des Vermittlers verschließt und diesem
das unkontrollierte Betreiben seines Geschäftsmodells ermöglicht, überlässt er
die Verwirklichung der erkannten Gefahr dem Zufall und leistet zumindest be-
dingt vorsätzliche Beihilfe zu der unerlaubten Handlung des Vermittlers (Se-
natsurteile vom 9. März 2010 - XI ZR 93/09, BGHZ 184, 365 Rn. 42 f., vom
8. Juni 2010 - XI ZR 349/08, WM 2010, 2025 Rn. 52, vom 13. Juli 2010 - XI ZR
57/08, BKR 2010, 421 Rn. 53 und XI ZR 28/09, WM 2010, 1590 Rn. 53 und
vom 12. Oktober 2010 - XI ZR 394/08, WM 2010, 2214 Rn. 51, jeweils mwN).
b) Den Feststellungen des Berufungsgerichts ist nicht zu entnehmen,
dass die Beklagte positive Kenntnis von den Gebühren und Aufschlägen hatte,
die die Kläger an S. zu entrichten hatten. Es ist auch nicht festgestellt, dass die
Beklagte die zurückliegenden zahlreichen Missbrauchsfälle kannte und damit
wusste, dass für S. aufgrund hoher Gebührenaufschläge ein großer Anreiz be-
stand, seine geschäftliche Überlegenheit zum Schaden der Anleger auszunut-
zen. Allein die vom Berufungsgericht angeführte allgemeine Kenntnis der Be-
klagten von den wesentlichen Grundlagen, den wirtschaftlichen Zusammen-
hängen und den extremen Verlustrisiken bei Optionsgeschäften mit hohen Auf-
schlägen auf die Optionsprämie sowie das Unterlassen eigener Schutzmaß-
nahmen rechtfertigen nicht den Schluss auf eine Kenntnis oder ein In-Kauf-
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Nehmen des nach deutschem Recht sittenwidrigen Geschäftsmodells, wie es in
den zwischen den Klägern und S. zustande gekommenen Geschäftsbesor-
gungsverträgen dokumentiert ist (vgl. Senatsurteil vom 13. Juli 2010
- XI ZR 28/09, WM 2010, 1590 Rn. 54).
IV.
Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da
die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, ist sie zur neuen Verhandlung und
Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1
ZPO).
Dabei kann vom Vorliegen einer Haupttat, d.h. einer vorsätzlichen sit-
tenwidrigen Schädigung der Kläger durch S. gemäß § 826 BGB, und einer ob-
jektiven Teilnahmehandlung der Beklagten ausgegangen werden. Das Beru-
fungsgericht wird unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des erkennenden
Senats (u.a. Urteile vom 9. März 2010 - XI ZR 93/09, BGHZ 184, 365 Rn. 38 ff.
sowie vom 25. Januar 2011 - XI ZR 195/08, WM 2011, 543 Rn. 31 ff. und
XI ZR 350/08, WM 2011, 548 Rn. 40 ff.) und insoweit gegebenenfalls ergän-
zendem Vortrag der Parteien Feststellungen zu den subjektiven Voraussetzun-
gen einer Teilnahme der Beklagten an einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schä-
digung der Kläger durch S. gemäß §§ 826, 830 BGB zu treffen haben.
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Dabei weist der Senat vorsorglich darauf hin, dass ein etwaiger Scha-
densersatzanspruch entgegen der Ansicht der Revision nicht verjährt ist (vgl.
u.a. Senatsurteile vom 25. Januar 2011 - XI ZR 350/08, WM 2011, 548
Rn. 51 ff. und XI ZR 106/09, WM 2011, 735 Rn. 58 ff.).
Wiechers
Ellenberger
Maihold
Matthias
Pamp
Vorinstanzen:
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 09.05.2007 - 14c O 140/06 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 26.06.2008 - I-6 U 131/07 -
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