Urteil des BGH vom 17.10.2001

Urteil vom 17.10.2001

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 ARs 245/01
2 AR 141/01
vom
17. Oktober 2001
in dem Bußgeldverfahren
gegen
wegen Verkehrsordnungswidrigkeit
hier: Erzwingungshaft
Az.: 1 OWi 265/01 Amtsgericht Bayreuth
Az.: 6 OWi II 02802/01 Amtsgericht Viechtach
Az.: 2St AR 4/01 Bayerisches Oberstes Landesgericht
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbun-
desanwalts am 17. Oktober 2001 beschlossen:
Das Amtsgericht Bayreuth ist zuständig für die Entscheidung über
den Antrag auf Erzwingungshaft.
Gründe:
1. Das Amtsgericht Viechtach und das Amtsgericht Bayreuth streiten
über die Zuständigkeit für die Entscheidung über einen Antrag auf Anordnung
von Erzwingungshaft hinsichtlich eines rechtskräftigen und vollstreckbaren
Bußgeldbescheids der Zentralen Bußgeldstelle im Bayerischen Polizeiverwal-
tungsamt V. .
2. Zuständig für die gerichtliche Entscheidung ist das Amtsgericht Bay-
reuth.
Gemäß § 104 Abs. 1 Nr. 1 OWiG sind die bei der Vollstreckung eines
Bußgeldbescheids notwendig werdenden gerichtlichen Entscheidungen "von
dem nach § 68 OWiG zuständigen Gericht" zu erlassen. Nach § 68 Abs. 1
Satz 1 OWiG ist "bei einem Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid" das
Amtsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk die den Bußgeldbescheid er-
lassende Verwaltungsbehörde ihren Sitz hat.
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Nach § 68 Abs. 3 OWiG kann eine Landesregierung abweichend von
dieser Zuständigkeitskonzentration durch Rechtsverordnung die Zuständigkeit
dezentral bestimmen; dies ist für das Land Bayern durch die Verordnung über
gerichtliche Zuständigkeiten im Bereich des Staatsministeriums der Justiz (Ge-
richtliche Zuständigkeitsverordnung Justiz - GZVJu) vom 2. Februar 1988
(GVBl. 1988, S. 6 ff.) getroffen worden. Gemäß § 35 Nr. 1 GZVJu entscheidet
abweichend von § 68 Abs. 1 OWiG "bei einem Einspruch gegen einen Buß-
geldbescheid" das Amtsgericht, in dessen Bezirk die geahndete Ordnungswid-
rigkeit begangen worden ist oder der Betroffene im Zeitpunkt des Einspruchs
seinen Wohnsitz hat.
Die aufgrund der Verordnung nach § 68 Abs. 3 OWiG begründete de-
zentrale Zuständigkeit des Tatortgerichts gilt nicht nur für die Entscheidung
über den Einspruch gegen den Bußgeldbescheid, sondern für alle gerichtlichen
Entscheidungen im Bußgeldverfahren, für welche auf die Zuständigkeit nach
§ 68 OWiG verwiesen ist, also auch für den Fall des § 104 Abs. 1 Nr. 1 OWiG.
Das ergibt sich schon aus dessen Wortlaut, wonach über den Antrag
"das nach § 68 zuständige Gericht" entscheidet. In § 68 OWiG ist zwar die ört-
liche Zuständigkeit nur für den Fall eines Einspruchsverfahren geregelt. Da die
in § 104 Abs. 1 Nr. 1 OWiG genannte Maßnahme einen Einspruch nicht erfor-
dert, würde eine Zuständigkeitsbestimmung, die ein gerichtliches Verfahren
nach Einspruch schon voraussetzt, ersichtlich leer laufen und die dem Gesetz
zugrunde liegende Abgrenzung von Zufälligkeiten abhängig machen. Die Ver-
weisung auf § 68 OWiG kann deshalb nach Sinn und Zweck nur bedeuten, daß
das bei einem Einspruch zuständige Gericht auch in den Fällen tätig werden
muß, in denen kein gerichtliches Hauptsacheverfahren vorausgegangen ist.
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Das gilt auch für den Fall, daß ein Land von der Möglichkeit des § 68 Abs. 3
OWiG Gebrauch gemacht hat. Auch hier erstreckt sich diese Zuständigkeit-
sänderung auf die sonstigen gerichtlichen Maßnahmen. Diese Auslegung ent-
spricht der gesetzgeberischen Intention, vermieden werden sollten organisato-
rische Schwierigkeiten und eine Aufsplitterung gerichtlicher Verfahren, erhalten
bleiben sollte die Sachnähe des Gerichts (vgl. schriftlicher Bericht des Rechts-
ausschusses über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines
Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten - OWiG - zu Drucksachen V/2600/2601
S. 8). Dem steht nicht entgegen, daß der landesrechtliche Gesetzgeber seine
Regelung nach § 68 Abs. 3 OWiG (zunächst; vgl. unten) ausdrücklich nur für
den Fall des Einspruchs getroffen hat. Daraus folgt nicht, daß die Verweisun-
gen für die Zuständigkeit in anderen Fällen (vgl. §§ 62 Abs. 2 Satz 1, 104
Abs. 1 Nr. 1, 108 Abs. 1, 108 a Abs. 2, Abs. 3 Satz 2, 1, 10 Abs. 2 OWiG) je-
weils ein Verfahren nach Einspruch voraussetzen müßte. Zuständig ist viel-
mehr jeweils das Gericht, dessen Zuständigkeit sich bei Einspruchseinlegung
aus § 68 OWiG, einschließlich der Regelung des Abs. 3, ergäbe.
Nach der gerichtlichen Zuständigkeitsverordnung Justiz vom 2. Februar
1988 (§ 35 Nr. 1) ist deshalb das Amtsgericht Bayreuth als Tat-
ort/Wohnsitzgericht für die Entscheidung über den Antrag auf Anordnung von
Erzwingungshaft zuständig. Der Senat kann offenlassen, ob sich die Zustän-
digkeit dieses Amtsgerichts auch aus der nach Eingang des Antrags auf An-
ordnung von Erzwingungshaft erfolgten Änderung der GZVJu ergibt, wonach in
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§ 35 die Worte "und bei notwendig werdenden gerichtlichen Entscheidungen
bei der Vollstreckung des Bußgeldbescheids" hinzugefügt wurden (vgl. Verord-
nung zur Änderung der Gerichtlichen Zuständigkeitsverordnung Justiz vom
15. Juni 2001 GVBl. 2001, 325).
Jähnke Detter Bode
Otten Elf