Urteil des BGH vom 04.09.2018

Urteil vom 04.09.2018

ECLI:DE:BGH:2018:040918B2ARS151.18.0
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 ARs 151/18
2 AR 107/18
vom
4. September 2018
in der Strafvollzugssache
des
wegen Antrags auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 109 StVollzG
Az.: DL II StVK 90/18 Landgericht Chemnitz
StVK 248/18 Landgericht Erfurt
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbun-
desanwalts und des Verurteilten am 4. September 2018 beschlossen:
Für die Entscheidung über den Antrag des Verurteilten auf ge-
richtliche Entscheidung gemäß § 109 StVollzG ist die Auswär-
tige Strafvollstreckungskammer Döbeln des Landgerichts
Chemnitz zuständig.
Gründe:
I.
Der Antragsteller befindet sich seit dem 26. Januar 2017 ununterbrochen
in Strafhaft, zuletzt in der Justizvollzugsanstalt Waldheim / Freistaat Sachsen.
Durch Bescheid vom 26. März 2018 ordnete der Leiter der Justizvollzugsanstalt
Waldheim die Verlegung des Verurteilten in die Justizvollzugsanstalt Tonna /
Freistaat Thüringen aus Gründen der Sicherheit und Ordnung an. Die Anord-
nung erfolgte nach Einigung des Sächsischen Staatsministeriums der Justiz
und für Europa und dem Thüringer Ministerium für Migration, Justiz und Ver-
braucherschutz. Gegen diese Verlegungsentscheidung beantragte der Verur-
teilte am 29. März 2018 bei dem Landgericht
– Strafvollstreckungskammer –
Chemnitz die gerichtliche Entscheidung gemäß § 109 StVollzG verbunden mit
dem Antrag, den Vollzug der Verlegung auszusetzen. Am 3. April 2018 erfolgte
die Verlegung des Verurteilten in die Justizvollzugsanstalt Tonna.
Durch Beschluss vom 27. April 2018 hat sich die Auswärtige Strafvoll-
streckungskammer Döbeln des Landgerichts Chemnitz örtlich für unzuständig
erklärt und das Verfahren gemäß § 83 VwGO, 17, 17a GVG an das Landgericht
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– Strafvollstreckungskammer – Erfurt verwiesen. Mit Beschluss vom 16. Mai
2018 hat sich das Landgericht Erfurt ebenfalls für nicht zuständig erklärt und hat
das Verfahren dem Bundesgerichtshof zur Bestimmung des zuständigen
Gerichts vorgelegt.
Der Generalbundesanwalt hat beantragt zu beschließen, die Auswärtige
Strafvollstreckungskammer Döbeln des Landgerichts Chemnitz als für die
Untersuchung und Entscheidung der Sache zuständiges Gericht zu bestimmen.
II.
Der Bundesgerichtshof ist zur Entscheidung des zwischen der Auswärti-
gen Strafvollstreckungskammer Döbeln und der Strafvollstreckungskammer
Erfurt bestehenden Zuständigkeitsstreits gemäß § 120 Abs. 1 Satz 2 StVollzG,
§ 14 StPO berufen.
III.
Zuständig für die Untersuchung und Entscheidung der Sache ist die
Auswärtige Strafvollstreckungskammer Döbeln des Landgerichts Chemnitz.
1. Bei der Verlegungsanordnung des Leiters der Justizvollzugsanstalt
Waldheim handelt es sich um eine Maßnahme auf dem Gebiet des Strafvollzu-
ges, die auf Antrag nach § 109 StVollzG der gerichtlichen Überprüfung unter-
liegt (AK-StVollzG/Weßels/Böning, 7. Aufl., § 16 LandesR Rn. 17; Verrel in
Laubenthal/Nestler/Neubacher/Verrel,
StVollzG,
12. Aufl.,
Abschnitt D,
Rn. 32 f.) und die gemäß § 26 Abs. 2 Satz 3 StVollstrO mit Einigung der obers-
ten Vollzugsbehörden beider Länder zu erfolgen hatte, da die Maßnahme die
Verlegung des Verurteilten in die Vollzugsanstalt eines anderen Bundeslandes
vorsieht (vgl. Senat, Beschluss vom 28. April 1995
– 2 ARs 99/95, juris;
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OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 15. März 1996
– 3 Ws 26/96, NStZ-RR
1996, 188, 189).
2. Die örtliche Zuständigkeit der Gerichte in Strafvollzugssachen richtet
sich nach § 110 StVollzG, wonach die Strafvollstreckungskammer zuständig ist,
in deren Bezirk die beteiligte Vollzugsbehörde ihren Sitz hat. Da vorliegend der
Leiter der verlegenden Justizvollzugsanstalt die angefochtene Maßnahme im
Außenverhältnis gegenüber dem Verurteilten selbst angeordnet hat, ist die
Strafvollstreckungskammer am Sitz der Justizvollzugsanstalt Waldheim örtlich
zuständig (vgl. Senat, Beschluss vom 20. Januar 1984
– 2 ARs 403/83,
BGHSt 32, 233, 235 f.; AK-StVollzG/Spaniol, aaO, § 110 StVollzG Rn. 2 f.).
Dies begründet die Zuständigkeit der Auswärtigen Strafvollstreckungskammer
Döbeln des Landgerichts Chemnitz, die auch nach der zwischenzeitlichen
Durchführung der Verlegung bestehen bleibt (vgl. AK-StVollzG/Weßels/Böning,
aaO, § 16 LandesR Rn. 17; Arloth/Krä/StVollzG, 4. Aufl., § 110 StVollzG Rn. 4).
3. Die Zuständigkeit der Auswärtigen Strafvollstreckungskammer Döbeln
des Landgerichts Chemnitz ist nicht nachträglich durch ihren Verweisungs-
beschluss vom 27. April 2018 entfallen. Eine örtliche Zuständigkeit der Straf-
vollstreckungskammer des Landgerichts Erfurt ist hierdurch nicht bindend
begründet worden. Zwar ist ein Beschluss, durch den das Verfahren an eine
andere Strafvollstreckungskammer verwiesen wird, entsprechend § 83 Satz 1
VwGO in Verbindung mit § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG hinsichtlich der örtlichen
Zuständigkeit grundsätzlich bindend (vgl. Arloth/Krä/StVollzG, aaO, § 110
StVollzG Rn. 4). Eine Bindungswirkung tritt jedoch dann nicht ein, wenn die
Verweisungsentscheidung willkürlich erscheint, namentlich, wenn eine örtliche
Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer, an die der Rechtsstreit verwiesen
worden ist, unter keinem Gesichtspunkt in Betracht kommt oder die Verweisung
sonst inhaltlich grob und offensichtlich fehlerhaft ist (vgl. OLG Karlsruhe,
Beschluss vom 17. Mai 2016
– 2 AR 16/16, BeckRS 2016, 09302 mwN;
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OLG Celle, Beschluss vom 19. Oktober 2016
– 1 Ws 501/16, BeckRS 2016,
18830 mwN; BeckOK Strafvollzug Bund/Euler StVollzG, 14. Ed., § 110 Rn. 5).
Gemessen hieran erweist sich der Verweisungsbeschluss als willkürlich und
offensichtlich fehlerhaft, da eine örtliche Zuständigkeit der Strafvollstreckungs-
kammer des Landgerichts Erfurt unter keinem denkbaren Umstand ersichtlich
ist. Als verlegende Vollzugsbehörde ist zudem allein die Justizvollzugsanstalt
Waldheim in dem gerichtlichen Verfahren in der Lage, die Erwägungen darzu-
legen, die der Verlegungsentscheidung im Zeitpunkt ihres Erlasses zugrunde
lagen (vgl. Senat, Beschluss vom 15. Dezember 2016
– 2 ARs 398/16, NStZ-
RR 2017, 232; AK-StVollzG/Spaniol, aaO, § 115 StVollzG Rn. 51). Demgemäß
ist auch die Justizvollzugsanstalt Waldheim als zuständige Vollzugsbehörde an
dem gerichtlichen Verfahren gemäß § 111 Abs. 1 Nr. 2 StVollzG zu beteiligen
(vgl. BeckOK Strafvollzug Bund/Euler, 13. Ed., StVollzG § 111 Rn. 2).
Schäfer Appl Krehl
Bartel Schmidt