Urteil des BGH vom 10.01.2007
BGH (stgb, sicherungsverwahrung, verurteilung, unterbringung, anordnung, begründung, stpo, freiheitsstrafe, umfang, 1995)
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
2 StR 486/06
vom
10. Januar 2007
in der Strafsache
gegen
wegen Raubes u. a.
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Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundes-
anwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 10. Januar 2007 ge-
mäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landge-
richts Frankfurt am Main vom 23. Juni 2006 im Ausspruch über
die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung mit den Fest-
stellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-
lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-
tels, an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurück-
verwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Raubes in Tateinheit mit
Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten
verurteilt und die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Da-
gegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verlet-
zung materiellen Rechts rügt.
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Das Rechtsmittel hat in dem aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Um-
fang Erfolg, im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
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Die auf § 66 Abs. 1 StGB gestützte Anordnung der Sicherungsverwah-
rung kann keinen Bestand haben. Der Generalbundesanwalt hat in seiner An-
tragsschrift vom 20. Oktober 2006 insoweit ausgeführt:
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"Das angefochtene Urteil enthält keine ausreichenden Feststellungen,
die eine Überprüfung der formellen Voraussetzungen der Unterbringung in der
Sicherungsverwahrung ermöglichen. § 66 Abs. 1 Nr. 1 StGB setzt voraus, dass
der Täter wegen vorsätzlicher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen
hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr
verurteilt worden ist. Die Straftaten aus den Jahren 1989 und 1992 können in
diese Überprüfung nicht einbezogen werden, weil für diese die Strafhöhe nicht
mitgeteilt wird. Hinsichtlich der Verurteilung aus dem Jahr 1993 (Ziff. 9 des Re-
gisters) wird zwar die Höhe der Gesamtfreiheitsstrafe von 19 Monaten mitge-
teilt, nicht jedoch die der jeweiligen Einzelstrafen, so dass nicht überprüft wer-
den kann, ob in der Gesamtstrafe wenigstens eine Einzelstrafe von mindestens
einem Jahr enthalten ist (BGHSt 24, 345; 30, 231; 34, 322). Bezüglich der Ver-
urteilungen aus den Jahren 1977, 1981 und 1986 sowie der weiteren Taten vor
1995 fehlt es in Hinsicht auf eine mögliche 'Rückfallverjährung' nach § 66 Abs. 4
Satz 3 StGB an der notwendigen Angabe der Tatzeiten (Tröndle/Fischer StGB
53. Auflage § 66 Rdn. 14 m.w.N.) sowie der genauen Mitteilung der jeweiligen
Verbüßungszeiten (BGH NStZ 1987, 85). Da der von der Verwahrung im Sinne
des § 66 Abs. 4 Satz 4 StGB freie Zeitraum von höchstens fünf Jahren zwi-
schen den einzelnen nach § 66 Abs. 1 Nr. 1 StGB relevanten, mithin den zur
Begründung der formellen Voraussetzungen der Anordnung der Sicherungs-
verwahrung herangezogenen Vortaten liegen muss (BGHR StGB § 66 Abs. 3
Satz 3 Fristberechnung 1; Tröndle/Fischer aaO), ist dem Revisionsgericht an-
hand der Urteilsfeststellungen eine entsprechende Nachprüfung nicht möglich.
Vielmehr ist es danach nicht ausgeschlossen, dass zwischen der Tat aus der
Verurteilung des Jahres 1986 und der dem Urteil des Landgerichts Leipzig vom
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23. September 1996 zugrunde liegenden Tat vom 18. Dezember 1995 unter
Abzug der Zeiten der Inhaftierung mehr als fünf Jahre lagen.
Zwar wären vorliegend die formellen Voraussetzungen des § 66 Abs. 3
StGB gegeben. Hierbei handelt es sich jedoch um eine Ermessensvorschrift.
Das Landgericht hat sich ausweislich der Urteilsgründe aufgrund der zwingen-
den Vorschrift des § 66 Abs. 1 StGB zur Anordnung der Sicherungsverwahrung
für verpflichtet gehalten, so dass das Revisionsgericht die unterlassene Ermes-
sensentscheidung nicht ersetzen kann (BGH NStZ 2004, 12; Tröndle/Fischer
aaO Rdn. 28a m.w.N.)."
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Dem schließt sich der Senat an. Der neue Tatrichter wird bei seiner er-
neuten Prüfung des § 66 StGB Gelegenheit haben, auch die materiellen Vor-
aussetzungen des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB näher darzulegen. Da die als Sym-
ptomtaten in Betracht kommenden Vortaten aus der Verurteilung des Landge-
richts Leipzig bei Begehung der verfahrensgegenständlichen Tat schon fast
zehn Jahre zurücklagen, bedarf die Feststellung eines Hangs eingehenderer
Begründung. Soweit dabei auf noch weiter zurückliegende Taten zurückgegrif-
fen werden soll, sind auch die Sachverhalte näher darzulegen.
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Rissing-van Saan Bode Otten
Fischer Roggenbuck