Urteil des BGH vom 08.10.2013
BGH: eintragung im handelsregister, allgemeine geschäftsbedingungen, gesellschafter, nachschusspflicht, ausschluss, anleger, darlehen, einlage, verbindlichkeit, anfang
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
II ZR 344/12
Verkündet am:
8. Oktober 2013
Vondrasek
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
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Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 8. Oktober 2013 durch den Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Strohn
als Vorsitzenden, die Richterin Dr. Reichart sowie die Richter Dr. Drescher,
Born und Sunder
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 5. Zivilsenats des
Oberlandesgerichts Bamberg vom 30. Oktober 2012 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsge-
richt zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Rechtsvorgängerin der Klägerin war Initiatorin und Gründungsgesell-
schafterin sowie Darlehensgeberin der im Jahr 1992 gegründeten „E.
KG
(GmbH & Co.)“ (im Folgenden: KG),
einer Publikumsgesellschaft, deren Zweck die Vermietung einer von ihr erwor-
benen Immobilie ist. Der Beklagte ist an der KG seit 1993 als Kommanditist be-
teiligt. Nach Gründung des Fonds erhielten die Kommanditisten zunächst Ver-
lustzuweisungen und in den Jahren 1995 bis 2000 gewinnunabhängige Aus-
schüttungen. Die Klägerin nimmt in einer Vielzahl von Verfahren Kommanditis-
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ten in Höhe der jeweils erhaltenen Ausschüttungen wegen Darlehenszinsver-
bindlichkeiten der KG in Anspruch.
Der Gesellschaftsvertrag (im Folgenden: GV) enthält in § 3 Nr. 7 folgen-
de Regelung:
„Die Kommanditisten übernehmen weder gegenüber Gesellschaftern noch gegenüber
Dritten irgendwelche Zahlungsverpflichtungen, Haftungen oder irgendwelche Nach-
schussverpflichtungen, die über die Verpflichtung zur Leistung der in der Beitrittserklä-
rung gezeichneten Kommanditbeteiligung zuzüglich Agio hinausgehen. Dies gilt auch
für den Fall der Liquidation. Der vertragliche Ausschluss einer Nachschusspflicht lässt
die gesetzliche Regelung über die Haftung der Kommanditisten gegenüber Gesell-
schaftsgläubigern gemäß §§ 171 ff. HGB unberührt.“
Auf Seite 24 des Emissionsprospekts finden sich unter der Rubrik
„Rechtsform und Haftung“ folgende Hinweise:
„…Soweit die Haftung beschränkt ist, besteht keine Nachschusspflicht, was insbeson-
dere für die Fremdfinanzierung gilt.
Die geplanten Auszahlungen übersteigen die im selben Zeitraum erwirtschafteten Ge-
winne und führen gemäß § 172 Abs. 4 HGB zu einem Wiederaufleben der beschränk-
ten Kommanditistenhaftung in Höhe der vorgenommenen Auszahlungen.“
Die Rechtsvorgängerin der Klägerin gewährte der KG ursprünglich für
den Erwerb der Gewerbeimmobilie ein Darlehen in Höhe von 200 Mio. DM. Da
die Immobilie sich ab September 2003 nicht mehr in der gewünschten Weise
vermieten ließ, geriet die KG in wirtschaftliche Schwierigkeiten und konnte das
Darlehen nicht länger bedienen. Die Klägerin gewährte der KG zur Vermeidung
der Insolvenz mit Vertrag vom 22. März/15. Juni 2004 ein Folgedarlehen in Hö-
he von 35 Mio.
€, mit dem die noch offene Teilforderung aus dem ersten Darle-
hen abgelöst wurde. Die fälligen Tilgungs- und Zinsraten stundete die Klägerin
immer wieder zu großen Teilen. Parallel dazu forderte die KG ihre Kommandi-
tisten auf, die erhaltenen Ausschüttungen zurückzuzahlen, um die wirtschaftli-
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che Situation zu verbessern. Die Klägerin erstattete ihre als Kommanditistin
erhaltenen Auszahlungen. Der Beklagte kam der Aufforderung nicht nach.
Nach der Behauptung der Klägerin besteht eine Verbindlichkeit der KG in
Höhe von 500.000
€. Hierbei handele es sich um von den Stundungsvereinba-
rungen ausgenommene Darlehenszinsen für den Zeitraum 2. Juli 2010 bis
30. August 2011.
Die auf Zahlung von 8.883,70
€ gerichtete Klage blieb in beiden Instan-
zen erfolglos. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die
Klägerin ihr Begehren weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision der Klägerin hat Erfolg.
I. Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt:
Einem Anspruch der Klägerin gegenüber dem Beklagten stehe die Rege-
lung in § 3 Nr. 7 des Gesellschaftsvertrags entgegen. Die Klausel enthalte ei-
nen umfassenden Haftungsausschluss, der auch Ansprüche von Gesellschaf-
tern, die aus einem Drittgeschäft Forderungen gegen die Gesellschaft hätten,
gegen ihre Mitgesellschafter aus § 171 Abs. 1, § 172 Abs. 4 Satz 1 HGB um-
fasse. Der potentielle Anleger habe durch ein überschaubares Haftungsrisiko
zum Beitritt zur KG bewegt werden sollen.
II. Das Urteil des Berufungsgerichts hält der revisionsrechtlichen Nach-
prüfung nicht stand. Der Anspruch der Klägerin aus § 171 Abs. 1, § 172 Abs. 4
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Satz 1 HGB ist nicht durch die Regelung in § 3 Nr. 7 Satz 1 GV ausgeschlos-
sen.
1. Diese Feststellung kann der Senat selbst treffen, weil Gesellschafts-
verträge von Publikumsgesellschaften objektiv auszulegen sind (st. Rspr.; vgl.
BGH, Urteil vom 19. März 2007 - II ZR 73/06, ZIP 2007, 812 Rn. 18; Urteil vom
1. März 2011 - II ZR 16/10, ZIP 2011, 957 Rn. 8; Urteil vom 19. Juli 2011 - II ZR
153/09, ZIP 2011, 1906 Rn. 11; Urteil vom 12. März 2013 - II ZR 73/11, ZIP
2013, 1222 Rn. 13 mwN). Dabei unterliegen die Regelungen in Gesellschafts-
verträgen von Publikumsgesellschaften unabhängig davon, ob die Be-
reichsausnahme des § 310 Abs. 4 BGB eingreift, einer ähnlichen Auslegung
und Inhaltskontrolle wie Allgemeine Geschäftsbedingungen (BGH, Urteil vom
27. November 2000 - II ZR 218/00, ZIP 2001, 243, 244; Urteil vom 12. März
2013 - II ZR 73/11, ZIP 2013, 1222 Rn. 14 mwN). Hieraus folgt in Anlehnung an
§ 305c Abs. 2 BGB, dass Zweifel bei der Auslegung zu Lasten des Verwenders
gehen (BGH, Urteil vom 13. September 2004 - II ZR 276/02, ZIP 2004, 2095,
2097 f.; Urteil vom 12. März 2013 - II ZR 73/11, ZIP 2013, 1222 Rn. 14).
2. Danach ist § 3 Nr. 7 Satz 1 GV (nur) im Sinne einer Klarstellung aus-
zulegen, dass die Kommanditisten lediglich in Höhe ihrer Einlagen haften und
keine von § 161 Abs. 2, § 105 Abs. 3 HGB, § 707 BGB abweichende Vereinba-
rung einer Nachschusspflicht getroffen wurde. Ansprüche eines Gesellschafter-
Gläubigers gegen seine Mitgesellschafter aus § 171 Abs. 1, § 172 Abs. 4 HGB
sind durch die Regelung dagegen nicht ausgeschlossen, ohne dass insoweit
Zweifel im Sinne des § 305c Abs. 2 BGB bestehen würden.
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ie Worte „irgendwelche Zahlungsverpflichtungen“ und „Haftungen“
sprechen nicht dafür, dass die Haftung der Kommanditisten soweit wie möglich
eingeschränkt werden sollte und damit jegliche Ansprüche der Gesellschafter
untereinander ausgeschlossen sein sollten, auch wenn es sich um die Haftung
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für eine Verbindlichkeit der Gesellschaft gegenüber einem Gesellschafter han-
delt, die von der Gesellschafterstellung des Gläubigers an sich unabhängig ist
und ebenso gegenüber einem Dritten hätte bestehen können.
Ein solcher möglichst weitreichender Haftungsausschluss der Komman-
ditisten lässt sich schon deshalb der Klausel nicht entnehmen, weil § 3 Nr. 7
Satz 1 GV Zahlungsverpflichtungen und Haftungen nur insoweit ausschließt, als
sie „über die Verpflichtung zur Leistung der in der Beitrittserklärung gezeichne-
ten Kommanditbeteiligung zuzüglich Agio hinausgehen“.Die Bestimmung könn-
te deshalb selbst bei dem vom Berufungsgericht vertretenen Verständnis nur
dann zu dem gewünschten Erfolg führen, wenn man zugleich annimmt, dass
die anfängliche Leistung der Einlage zum Ausschluss sämtlicher Ansprüche
ausreiche und eine spätere Rückgewähr der Einlage oder Ausschüttungen, die
nicht durch Gewinne gedeckt sind, unschädlich seien. Anderenfalls würde die
Privilegierung erheblich relativiert und könnte den Anlegern des fraglichen Im-
mobilienfonds gerade nicht nützen, da es von vornherein geplant war, dass sie
Verlustzuweisungen und gewinnunabhängige Ausschüttungen erhalten. Eine
solche Auslegung würde aber der gesetzlichen Systematik in § 172 Abs. 4 HGB
widersprechen, welche die anfängliche Nichtleistung und die nachträgliche
Rückzahlung gleichstellt. Es spricht deshalb einiges dafür, dass auch in der ge-
sellschaftsvertraglichen Bestimmung mit „Verpflichtung zur Leistung der …
Kommanditbeteiligung“ die dauerhafte Leistung der Einlage gemeint ist.
Außerdem wäre es wenig zweckmäßig im Interesse einer möglichst um-
fassenden Privilegierung der Kommanditisten, die Haftung gegenüber jeglichen
Dritten im Gesellschaftsvertrag zu verneinen, da ein solcher Ausschluss ohne
Billigung des Dritten im Außenverhältnis unwirksam ist. Der Ausschluss hätte
daher alleinige Bedeutung gegenüber einem Gesellschafter-Gläubiger und hät-
te dann sogleich auf diesen, namentlich die Rechtsvorgängerin der Klägerin als
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von Anfang an bekannte Hauptgläubigerin, zugeschnitten formuliert werden
können.
Zudem ent
hält die Bestimmung in Satz 1 den Begriff „Ausschluss“ nicht.
Vielmehr heißt es, dass Kommanditisten keine Verpflichtungen „übernehmen“.
Dies spricht schon vom Wortlaut her dafür, dass es nicht darum geht, Ansprü-
che auszuschließen, die ohne eine entsprechende Vereinbarung kraft Gesetzes
bestehen, sondern lediglich klarzustellen, dass über die gesetzlichen Verpflich-
tungen hinaus keine zusätzlichen Ansprüche begründet werden. Dies passt
wiederum dazu, dass die Nachschusspflicht gegenüber der Gesellschaft na-
mentlich genannt wird, die nur gilt, wenn sie in Abweichung zu § 161 Abs. 2,
§ 105 Abs. 3 HGB, § 707 BGB vereinbart wird.
Der Hinweis auf die weiterhin geltende gesetzliche Haftung nach
§§ 171 ff. HGB gegenüber Gesellschaftsgläubigern in Satz 3 würde bei der vom
Berufungsgericht vertretenen Auslegung nur für dritte Gläubiger Bedeutung ha-
ben, nicht aber für Gesellschafter-Gläubiger. Dem Wortlaut lässt sich das je-
doch nicht entnehmen. Eine Unterscheidung der beiden Gruppen von Gläubi-
gern wäre naheliegend gewesen, zumal in Satz 1 Gesellschafter und Dritte ge-
sondert genannt werden.
Nimmt man bei der Auslegung des Gesellschaftsvertrags ergänzend die
Ausführungen im Emissionsprospekt in den Blick, wird deutlich, dass mit Satz 1
der Bestimmung lediglich bestätigt wird, dass die Kommanditisten nur in Höhe
ihrer Einlagen haften und keine von § 161 Abs. 2, § 105 Abs. 3 HGB, § 707
BGB abweichende Nachschusspflicht vereinbart wurde. Wäre stattdessen eine
so weitgehende Privilegierung der Kommanditisten beabsichtigt gewesen, wie
sie das Berufungsgericht annimmt, wäre es naheliegend gewesen, dies im
Prospekt zu erwähnen. Das Berufungsgericht sieht den Grund für die behaupte-
te Privilegierung darin, Anleger für den Fonds zu interessieren. Diese sollten
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durch möglichst günstige Bedingungen für eine Beteiligung gewonnen werden.
Dann aber wären diese Vorzüge im Prospekt hervorgehoben worden. Der
Prospekt weist dagegen auf Seite 24 lediglich darauf hin, dass keine Nach-
schusspflicht besteht, soweit die Haftung beschränkt ist. Dies soll insbesondere
auch für die Fremdfinanzierung gelten. Die Ausführungen stehen im Zusam-
menhang mit vorherigen Hinweisen zur unbeschränkten Haftung vor Eintragung
im Handelsregister. Im nächsten Absatz wird darauf hingewiesen, dass die
Auszahlungen die Gewinne übersteigen werden und die beschränkte Komman-
ditistenhaftung deshalb gemäß § 172 Abs. 4 HGB wieder auflebt. Dass dies
gerade im Verhältnis zur Rechtsvorgängerin der Klägerin als größter Gläubige-
rin der KG, die auch von Anfang an feststand, nicht gelten und die Haftung hier
nicht wieder aufleben sollte, wird im Prospekt an keiner Stelle erwähnt, obwohl
dies für die Anleger eine erhebliche Verbesserung ihrer Stellung bedeutet hätte.
III. Eine abschließende Sachentscheidung des Senats nach § 563 Abs. 3
ZPO ist nicht möglich, da das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus
folgerichtig - keine Feststellungen dazu getroffen hat, ob und in welcher Höhe
eine fällige Forderung der Klägerin gegen die KG besteht, für die die Beklagte
in Höhe der erhaltenen Ausschüttungen einstehen muss. Die Sache ist daher
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zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzu-
verweisen. Der Senat weist ergänzend auf seine Ausführungen in dem in einem
Parallelverfahren am heutigen Tag ergangenen Urteil (II ZR 310/12, juris) hin.
Strohn Reichart Drescher
Born Sunder
Vorinstanzen:
LG Aschaffenburg, Entscheidung vom 20.01.2012 - 32 O 230/11 -
OLG Bamberg, Entscheidung vom 30.10.2012 - 5 U 23/12 -