Urteil des BGH vom 04.07.2002
Leitsatzentscheidung
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
IX ZB 221/02
vom
4. Juli 2002
in dem Insolvenzverfahren
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
ZPO § 117 Abs. 2, 4
Die formularmäßige Erklärung zur Prozeßkostenhilfe ist regelmäßig auch
dann nicht entbehrlich, wenn über das Vermögen des Antragstellers das In-
solvenzverfahren eröffnet worden ist.
BGH, Beschluß vom 4. Juli 2002 - IX ZB 221/02 - LG Baden-Baden
AG Baden-Baden
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Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Kreft und die Richter Kirchhof, Dr. Fischer, Dr. Ganter und Raebel
am 4. Juli 2002
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde des Schuldners gegen den Beschluß der
Zivilkammer III des Landgerichts Baden-Baden vom 17. April
2002 wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen.
Dem Schuldner wird Prozeßkostenhilfe für das Rechtsbeschwer-
deverfahren versagt.
Wert des Beschwerdegegenstandes: 1.000
€.
Gründe:
1. Die gemäß § 7 InsO i.d.F. des ZPO-Reformgesetzes vom 27. Juli
2001 grundsätzlich statthafte Rechtsbeschwerde ist unzulässig.
Sie ist nicht durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechts-
anwalt, sondern durch den zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten des
Schuldners eingelegt worden. Die Rechtsbeschwerde nach § 7 InsO kann nur
durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt eingelegt
werden (§ 78 Abs. 1 ZPO; vgl. Kirchhof, ZInsO 2001, 1073 sowie BGH, Beschl.
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v. 21. März 2002 - IX ZB 18/02, NJW 2002, 2181 f zur Rechtsbeschwerde nach
§ 15 Abs. 1 AVAG).
2. Der Prozeßkostenhilfeantrag des Schuldners ist zurückzuweisen. Die
beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine Aussicht auf Erfolg.
Die bereits eingelegte Rechtsbeschwerde ist unzulässig. Sofern der
Schuldner die Rechtsbeschwerde durch einen beim Bundesgerichtshof zuge-
lassenen Anwalt erneut einlegen wollte, wäre diese Rechtsbeschwerde eben-
falls unzulässig. Die Rechtsbeschwerdefrist nach § 575 Abs. 1 Satz 1 ZPO n.F.
ist abgelaufen. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 233 ZPO
kommt nicht in Betracht, da die Fristversäumnis verschuldet ist. Der Schuldner
hat innerhalb der laufenden Rechtsbeschwerdefrist trotz richterlichen Hinwei-
ses die nach § 117 Abs. 2 bis 4 ZPO erforderlichen Unterlagen nicht vorgelegt
und weder auf einen etwa in der Vorinstanz vorgelegten Vordruck Bezug ge-
nommen noch unmißverständlich mitgeteilt, daß seitdem keine Änderungen
eingetreten sind (vgl. BGH, Beschl. v. 12. Juni 2001 - XI ZR 161/01, NJW
2001, 2720, 2721 = BGHZ 148, 66 ff). Einer Partei, die vor Ablauf der Rechts-
mittelfrist Prozeßkostenhilfe zur Durchführung des Rechtsmittels beantragt hat,
ist nur dann wegen der Versäumung der Rechtsmittelfrist Wiedereinsetzung
nach § 233 ZPO zu gewähren, wenn sie vernünftigerweise nicht mit der Ver-
weigerung der Prozeßkostenhilfe wegen fehlender Bedürftigkeit rechnen muß-
te, sich also für arm halten und davon ausgehen durfte, die wirtschaftlichen
Voraussetzungen für die Gewährung von Prozeßkostenhilfe dargetan zu ha-
ben. Von einer ordnungsgemäßen Darlegung dieser Voraussetzungen darf ei-
ne anwaltlich vertretene Partei nicht ausgehen, die weder den nach § 117
Abs. 4 ZPO erforderlichen Vordruck vorgelegt noch auf etwaige Prozeßkosten-
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hilfe-Unterlagen aus den Vorinstanzen Bezug genommen und dies auch nicht
mit der Erklärung verbunden hat, daß sich seither nichts verändert habe (BGH,
Beschl. v. 27. November 1996 - XII ZB 94/96, NJW 1997, 1078). Das darin lie-
gende Verschulden seines Prozeßbevollmächtigten ist dem Schuldner nach §
85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen (BGH, Beschl. v. 12. Juni 2001 aaO S. 2721 f).
Eine Vorlage der entsprechenden Formulare ist auch nicht aus besonde-
ren Gründen entbehrlich. Es genügt nicht, darauf zu verweisen, daß das Insol-
venzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet worden ist. Die
Voraussetzungen für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens (vgl. §§ 17 bis
19 InsO sowie § 26 InsO) unterscheiden sich nämlich grundlegend von denen
für die Gewährung von Prozeßkostenhilfe (vgl. § 114 ZPO). Ebensowenig
reicht die dem Antragsteller gewährte Stundung der Verfahrenskosten nach
§ 4a Abs. 1 Satz 1 InsO aus. Zwar verlangt § 4a InsO für die Stundung der
Verfahrenskosten anders als § 117 ZPO keine Vorlage gesonderter Formulare.
Dies gilt jedoch nur für die Kosten des Insolvenzverfahrens als solchen. Im
Hinblick auf im Insolvenzverfahren ergriffene Rechtsmittel gelten gemäß § 4
InsO die Vorschriften der Zivilprozeßordnung entsprechend und damit auch die
Regelungen über die Prozeßkostenhilfe nach §§ 114 ff. ZPO (vgl. Heidelberger
Kommentar zur InsO/Kirchhof, 2. Aufl. § 4 Rn. 10).
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
Kreft
Kirchhof
Fischer
Ganter
Raebel