Urteil des BGH vom 15.03.2017
Leitsatzentscheidung
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
III ZB 50/05
vom
23. Februar 2006
in dem Verfahren wegen Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
(bezüglich des Leitsatzes zu a) und B. I. der Gründe)
BGHR: ja
a) ZPO § 1060, § 1063 Abs. 2, § 330
Das Oberlandesgericht ist im Verfahren der Vollstreckbarerklärung eines
Schiedsspruchs nicht an einer (streitigen) Sachentscheidung gehindert,
wenn der Antragsteller in der mündlichen Verhandlung vor dem Oberlan-
desgericht säumig ist; in diesem Verfahren ist ein "Versäumnisbeschluss"
analog § 330 ZPO nicht zulässig.
b) UdSSR: HdlSeeschAbk Art. 8 Abs. 3 Satz 1 lit. b
Zur Frage eines Verstoßes gegen den ordre public international, wenn das
Schiedsgericht die gesetzlich vorgeschriebene (Zwischen-)Entscheidung
über seine Zuständigkeit unterlassen und sogleich in der Sache entschie-
den hat.
BGH, Beschluss vom 23. Februar 2006 - III ZB 50/05 - OLG Karlsruhe
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Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 23. Februar 2006 durch den
Vorsitzenden Richter Schlick und die Richter Streck, Dr. Kapsa, Galke und
Dr. Herrmann
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss
des Oberlandesgerichts Karlsruhe - 9. Zivilsenat in Freiburg - vom
3. März 2005 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten
des Rechtsbeschwerderechtszugs, an das Oberlandesgericht zu-
rückverwiesen.
Wert des Beschwerdegegenstandes: 69.065,89 € = 135.081,14 DM.
Gründe:
A.
Aufgrund eines Vertrages über die Lieferung von Fichtenbrettern bean-
sprucht die Antragstellerin von der Antragsgegnerin die Zahlung restlicher Ver-
gütung sowie Vertragsstrafe und Schadensersatz. Gestützt auf eine Schieds-
klausel in dem Vertrag vom 1. Dezember 1999 erhob die Antragstellerin gegen
die Antragsgegnerin Schiedsklage vor dem Schiedsgericht bei der Weißrussi-
schen Industrie- und Handelskammer Minsk. Das Schiedsgericht gab der An-
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tragsgegnerin Kenntnis von der Schiedsklage. Die Antragsgegnerin lehnte es
jedoch ab, sich an dem Schiedsverfahren zu beteiligen. Sie machte geltend,
eine wirksame Schiedsvereinbarung liege nicht vor. Ferner kündigte sie an, ab
sofort keine Briefe des Schiedsgerichts mehr anzunehmen.
Das Schiedsgericht erklärte sich im Schiedsspruch vom 15. August 2000
für zuständig und verurteilte die Antragsgegnerin, 129.771,26
DM und
2.370,60 US-Dollar an die Antragstellerin zu zahlen.
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Die Antragstellerin hat beantragt, den Schiedsspruch für vollstreckbar zu
erklären. Das Oberlandesgericht hat den Antrag zurückgewiesen und ausge-
sprochen, der Schiedsspruch sei im Inland nicht anzuerkennen. Hiergegen rich-
tet sich die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin, mit der sie ihr Begehren, den
Schiedsspruch für vollstreckbar zu erklären, weiterverfolgt.
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B.
Die - gemäß § 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zulässige - Rechtsbeschwerde ist
begründet; sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur
Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.
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I.
Das Oberlandesgericht hat allerdings zu Recht in der Sache entschie-
den. Der Antrag war nicht, wie die Rechtsbeschwerdeerwiderung fordert, wegen
Säumnis der Antragstellerin als unzulässig zu verwerfen.
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1.
Das Oberlandesgericht hat zu diesem Punkt ausgeführt, die Antragstelle-
rin sei in der mündlichen Verhandlung vom 25. November 2004 nicht säumig
gewesen, weil sie durch einen Rechtsanwalt wirksam vertreten worden sei. Sie
habe einen gerade noch genügenden Nachweis erbracht, diesem Rechtsanwalt
Prozessvollmacht erteilt zu haben.
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2.
Die Antragstellerin war in der mündlichen Verhandlung vor dem Oberlan-
desgericht säumig. Denn sie war, wie die Rechtsbeschwerdeerwiderung mit der
Gegenrüge zu Recht geltend macht, nicht durch einen bevollmächtigten
Rechtsanwalt vertreten. Dieser Umstand hinderte aber nicht eine - streitige -
Sachentscheidung über die Anerkennung des Schiedsspruchs; gegen die An-
tragstellerin war insbesondere ein "Versäumnisbeschluss" analog § 330 ZPO
nicht zulässig.
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a) Der Antragstellerin ist - nach Rüge der Antragsgegnerin - von dem
Oberlandesgericht aufgegeben worden, die den Verfahrensbevollmächtigten
erteilte Vollmacht nachzuweisen. Daraufhin hat der Antragstellervertreter - nach
Ablauf der von dem Oberlandesgericht gesetzten Frist, was aber mangels Aus-
schlusswirkung unschädlich war (vgl. Stein/Jonas/Bork, ZPO 22. Aufl. 2004
§ 89 Rn. 6) - die Telekopie einer "Vollmacht zu meiner/unserer außergerichtli-
chen Vertretung" vorgelegt.
8
b) Der Mangel der Vollmacht kann von dem Gegner in jeder Lage des
Verfahrens gerügt werden (§ 88 Abs. 1 ZPO). Der Gegner hat auf diese Rüge
die Bevollmächtigung - abgesehen von hier nicht gegebenen Sonderfällen (vgl.
Stein/Jonas/Bork aaO § 80 Rn. 23 f) - durch eine schriftliche Vollmacht nach-
zuweisen und diese zu den Gerichtsakten abzugeben (§ 80 Abs. 1 ZPO). Der
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Nachweis der schriftlichen Vollmacht kann nur durch Einreichung der Original-
urkunde - gegebenenfalls in beglaubigter Form (§ 80 Abs. 2 ZPO) - geführt
werden, ein urkundlicher Nachweis irgendwelcher Art genügt nicht (BGHZ 126,
266, 267 ff; Senatsurteil vom 5. Juni 1997 - III ZR 190/96 - ZIP 1997, 1474,
1475; Senatsbeschluss vom 27. März 2002 - III ZB 43/00 - NJW-RR 2002, 933).
An einer solchen zweifelsfreien Feststellung der Bevollmächtigung besteht ein
öffentliches Interesse und ein Interesse des Prozessgegners (vgl. Senatsbe-
schluss vom 27. März 2002 aaO). Durch schriftliche Vollmacht nachzuweisen
sind gegebenenfalls Haupt- und Untervollmacht (vgl. Senatsbeschluss vom
27. März 2002 aaO und BGH, Urteil vom 27. Mai 1986 - IX ZR 152/85 -
NJW-RR 1986, 1252, 1253).
c) Die Rechtsanwälte R. und Kollegen, die die Antragstellerin (nach
Anwaltswechsel) zuletzt in dem Verfahren vor dem Oberlandesgericht vertreten
haben, haben den Nachweis nicht in der vorgeschriebenen Form (§ 80 Abs. 1
ZPO) geführt. Sie haben nicht das Original, sondern lediglich die Telekopie ei-
ner ihnen von der Antragstellerin erteilten Vollmacht vorgelegt; die Vollmacht
sollte zudem nur für die "außergerichtliche(n) Vertretung" gelten. Der Senat hat
die Parteien auf die Bedenken gegen den Vollmachtsnachweis hingewiesen; die
Antragstellerin hat den Vollmachtsmangel indes nicht geheilt (vgl. Senatsurteil
vom 5. Juni 1997 aaO S. 1474, BGH, Urteil vom 7. März 2002 - VII ZR 193/01 -
NJW 2002, 1957 f; GemS OGB BGHZ 91, 111, 115
der Einlegung eines Rechtsmittels>; BGH, Beschluss vom 16. Mai 1991 - IX ZB
81/90 - NJW 1992, 627; BGHZ 128, 280, 283; BVerfGE 1, 433, 437; Zöl-
ler/Vollkommer, ZPO 25. Aufl. 2005 § 89 Rn. 11 f).
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Demnach ist davon auszugehen, dass die Rechtsanwälte R. und
Kollegen, die für die Antragstellerin im Verfahren vor dem Oberlandesgericht
aufgetreten sind, nicht bevollmächtigt waren.
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d) Der von den Rechtsanwälten R. und Kollegen vertretene Antrag
auf Vollstreckbarerklärung ist deshalb aber nicht wegen fehlender Prozess-
handlungsvoraussetzung als unzulässig abzuweisen (vgl. GemS OGB BGHZ
91, 111, 114 f; BGH, Beschluss vom 16. Mai 1991 - IX ZB 81/90 - NJW 1992,
627 f; Urteil vom 8. Mai 1990 - VI ZR 321/89 - NJW 1990, 3152 und vom
14. Dezember 1990 - V ZR 329/89 - NJW 1991, 1175, 1176; BFH DB 1978,
238; Stein/Jonas/Bork aaO § 80 Rn. 3; anders BVerwG Buchholz 310 § 67
VwGO Nr. 42 ). Denn der Antrag auf Vollstreckbarer-
klärung ist von Rechtsanwalt S. , der früher Verfahrensbevollmächtigter
der Antragstellerin war und dessen Vollmacht nie in Frage stand, eingereicht
worden. Die Antragstellerin wäre allerdings in der mündlichen Verhandlung vor
dem Oberlandesgericht am 25. November 2004 durch den - nicht bevollmäch-
tigten - Rechtsanwalt "M. " nicht wirksam vertreten und damit säumig
gewesen (Stein/Jonas/Bork aaO § 88 Rn. 10).
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e) Es stellt sich die - vom Senat bislang offen gelassene (vgl. BGHZ 159,
207, 209 f m.w.N.) - Frage, ob die §§ 330 ff ZPO
in dem Verfahren der Vollstreckbarerklärung (§ 1025 Abs. 4 i.V.m. §§ 1061 bis
1065 ZPO) anwendbar sind - hier mit der Folge eines "Versäumnisbeschlusses"
gegen die Antragstellerin (§ 330 ZPO analog). Sie ist aus den folgenden Grün-
den zu verneinen:
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Dem durch das Gesetz zur Neuregelung des Schiedsverfahrensrechts
vom 22. Dezember 1997 (BGBl. I S. 3224) neu gestalteten Vollstreckbarerklä-
rungsverfahren ist ein Versäumnisverfahren fremd. Alle gerichtlichen Entschei-
dungen ergehen nunmehr in einem Beschlussverfahren. Das Urteilsverfahren,
welches das frühere Recht für die in § 1046 ZPO (a.F.) aufgeführten Entschei-
dungen sowie für Entscheidungen über den Widerspruch gegen einen Be-
schluss, durch den ein Schiedsspruch für vollstreckbar erklärt wurde, vorsah
(vgl. § 1042c Abs. 2 Satz 2 ZPO a.F.), wurde durch ein vereinfachtes Be-
schlussverfahren (vgl. § 1060, § 1062 Abs. 1 Nr. 4 Fall 2, §§ 1063, 1064 ZPO)
ersetzt (vgl. Begründung des Bundesregierung zu dem Entwurf eines Gesetzes
zur Neuregelung des Schiedsverfahrensrechts - künftig: Begründung - BT-
Drucks. 13/5274 S. 64). In dem Vollstreckbarerklärungsverfahren ist ein Teil der
Aufhebungsgründe nur bei fristgerechter, begründeter Geltendmachung (§ 1060
Abs. 2 Satz 3 i.V.m. § 1059 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 3 ZPO), ein Verstoß gegen
den ordre public (§ 1059 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b ZPO) aber stets von Amts we-
gen zu prüfen (vgl. Begründung aaO S. 61; Senatsbeschluss BGHZ 142, 204,
206; MünchKommZPO-Münch 2. Aufl. 2001 § 1060 Rn. 1 a.E., 9 f; Musie-
lak/Voit, ZPO 4. Aufl. 2005 § 1060 Rn. 1, 9, 11; Stein/Jonas/Schlosser, ZPO
22. Aufl. 2002 § 1060 Rn. 10; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit 7. Aufl.
2005 Kapitel 27 Rn. 8 f; s. auch Zöller/Geimer, ZPO 25. Aufl. 2005 § 1060
Rn. 1). Das erstinstanzlich zuständige Oberlandesgericht (§ 1062 Abs. 1 Nr. 4
Fall 2 ZPO) entscheidet - wenn Aufhebungsgründe nach § 1059 Abs. 2 ZPO in
Betracht kommen, nach mündlicher Verhandlung (§ 1063 Abs. 2 Fall 2 ZPO) -
stets durch Beschluss (§ 1063 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Hiergegen ist nur die
Rechtsbeschwerde statthaft (§ 1065 Abs. 1 Satz 1 ZPO i.V.m. § 1062 Abs. 1
Nr. 4 Fall 2 ZPO). In diese Systematik fügt sich ein Versäumnisverfahren
- insbesondere wegen der Möglichkeit eines "Zweiten Versäumnisurteils" und
der dagegen statthaften Berufung nach § 514 Abs. 2 ZPO, die die §§ 1060 ff
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ZPO nicht kennen, - nicht ein (gegen ein Versäumnisurteil im Vollstreckbar-
erklärungsverfahren: MünchKommZPO-Münch aaO § 1063 Rn. 3-6, § 1064
Rn. 3; a.A. BayObLGZ 1999, 55, 57; Schwab/Walter aaO Kapitel 28 Rn. 10;
wohl auch Stein/Jonas/Schlosser aaO § 1063 Rn. 8a; differenzierend Musie-
lak/Voit aaO § 1063 Rn. 5; Zöller/Geimer aaO § 1059 Rn. 84).
3.
Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerdeerwiderung ist nicht zu
beanstanden, dass das Oberlandesgericht davon ausgegangen ist, die Antrag-
stellerin bestehe noch. Die Antragstellerin hatte ihre Fortexistenz durch einen
aktuellen weißrussischen Handelsregisterauszug belegt. Dem ist die Antrags-
gegnerin, die auch in (Weiß-)Russisch korrespondierte, nicht entgegengetreten.
Eine Ausschlussfrist war der Antragstellerin nicht gesetzt.
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II.
1.
Das Oberlandesgericht hat die begehrte Vollstreckbarerklärung des
Schiedsspruchs versagt, weil im Schiedsverfahren der Grundsatz des fairen
Verfahrens zu Lasten der Antragsgegnerin verletzt worden sei; dieser ordre
public-Verstoß hindere die Vollstreckbarerklärung sowohl nach nationalem wie
nach internationalem Recht (§ 1061 Abs. 1 ZPO i.V.m. Art. V Abs. 2 lit. b des
Übereinkommens vom 10. Juni 1958 über die Anerkennung und Vollstreckung
ausländischer Schiedssprüche, BGBl. 1961 II S. 121 ,
Art. 8 Abs. 3 Satz 1 lit. b des Abkommens über Allgemeine Fragen des Handels
und der Seeschifffahrt zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Union
der Sozialistischen Sowjetrepubliken vom 25. April 1958, BGBl. 1959 II S. 221
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- 9 -
Entgegen Art.
22 des Weißrussischen Schiedsgesetzes habe das
Schiedsgericht nicht durch Zwischenentscheid über seine - von der Antrags-
gegnerin bestrittene - Zuständigkeit entschieden und diesen der Antragsgegne-
rin zugestellt, damit sie gegebenenfalls einen Rechtsbehelf zum Präsidium des
Schiedsgerichts einlegen könne. Vielmehr habe es ohne weitere Benachrichti-
gung der Antragsgegnerin zur Hauptsache verhandelt und im Schiedsspruch
inzidenter über seine Zuständigkeit entschieden. Ein solches Abschneiden wei-
terer Äußerungsmöglichkeit entspreche nicht dem Grundsatz des fairen Verfah-
rens und sei daher, selbst wenn darin keine Gehörsverletzung liege, anstößig.
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2.
Diese Erwägungen des Oberlandesgerichts halten der rechtlichen Prü-
fung nicht stand. Nach dem dafür zugrunde zu legenden Sachverhalt kommt die
Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs nach Art. 8 des Abkommens in Be-
tracht.
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a) Zwar ist im Streitfall die (unmittelbare) Anwendung des UNÜ eröffnet.
Nachdem die Bundesrepublik Deutschland den Vertragsstaatenvorbehalt (Art. I
Abs. 3 Satz 1 UNÜ) zurückgezogen hat, kann in der Bundesrepublik Deutsch-
land jeder Schiedsspruch, der im Ausland - hier in Minsk/Republik Weißruss-
land - ergangen ist (Art. I Abs. 1 Satz 1 UNÜ), nach dem UNÜ anerkannt und
vollstreckt werden (vgl. Senatsbeschluss vom 25. September 2003 - III ZB
68/02 - NJW-RR 2004, 1504). Das UNÜ lässt aber - ebenso wie die nationalen
Vorschriften zur Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche
(vgl. § 1025 Abs. 4 i.V.m. § 1061 Abs. 1 Satz 2 ZPO; Senatsbeschluss vom
25. September 2003 aaO) - die Gültigkeit anderer anerkennungsfreundlicherer
mehr- oder zweiseitiger Verträge unberührt (vgl. Art. VII Abs. 1 UNÜ; Senatsur-
teil vom 9. März 1978 - III ZR 78/76 - NJW 1978, 1744
131 nicht abgedruckt> zum Deutsch-Belgischen Abkommen; diesem Senatsur-
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teil lässt sich entgegen der Rechtsbeschwerdeerwiderung eine Beschränkung
auf die Fälle, in denen der Schiedsspruch im Erlassstaat für vollstreckbar erklärt
worden ist, nicht entnehmen; MünchKommZPO-Münch aaO § 1061 Rn. 8 f und
MünchKommZPO-Gottwald aaO Art. VII UNÜ Rn. 11; Stein/Jonas/Schlosser
aaO Anhang § 1061 Rn. 158 - allgemeine Ansicht). Das deutsche Gericht ist
deshalb befugt - auch ohne dass sich die Parteien darauf berufen -, auf aner-
kennungsfreundlichere Überein- oder Abkommen (oder nationales Recht)
in toto zurückzugreifen; denn es hat das Recht - völkerrechtliche Verträge
ebenso wie (originär-)nationales Recht - von Amts wegen zu beachten (vgl. Se-
natsbeschluss vom 25. September 2003 aaO m.w.N.).
Das ursprünglich zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der
Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken geschlossene Abkommen ist im
Verhältnis der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Weißrussland
weiter anzuwenden (vgl. Bekanntmachung vom 5. September 1994, BGBl. II
2533; s. auch die in diesem Verfahren eingeholte Auskunft des Auswärtigen
Amtes vom 4. November 2005; a.A. MünchKommZPO-Gottwald aaO Art. 8
dt.-sowj. Abk. Rn. 2; s. ferner Bülow/Böckstiegel/Geimer/Schütze, Der internati-
onale Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen Fn. * zu
Art. 8 des Abkommens). Das von der Rechtsbeschwerdeerwiderung vermisste
Ratifizierungsgesetz ist im Fall der - von der Bundesrepublik Deutschland und
der Republik Weißrussland ersichtlich übereinstimmend angenommenen - (par-
tiellen) Rechtsnachfolge der Republik Weißrussland im Verhältnis zur Union der
Sozialistischen Sowjetrepubliken (vgl. Bekanntmachung aaO: "Nachfolgestaat")
entbehrlich.
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Das Abkommen bezieht sich nur auf Streitigkeiten, "die aus den Verträ-
gen in Handelssachen" entstanden sind (vgl. Art. 8 Abs. 1 Satz 1 des Abkom-
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mens; Stein/Jonas/Schlosser aaO Anh. § 1061 Rn. 222 a.E. i.V.m. Rn. 167;
Bülow/Böckstiegel/Geimer/Schütze aaO Art. 8 des Abkommens Fn. 6). Daran
ist hier nicht zu zweifeln. Es ging im fraglichen Vertrag um die Lieferung von
1.500 m³ Fichtenbretter.
b) Die Anordnung der Vollstreckung eines Schiedsspruchs kann nach
dem - enger als Art. V UNÜ gefassten (vgl. Schlosser, Das Recht der internati-
onalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit 2. Aufl. 1989 Rn. 819; Bülow/Böckstie-
gel/Geimer/Schütze aaO Art. 8 des Abkommens Fn. 14) - Art. 8 des Abkom-
mens nur versagt werden,
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- wenn der Schiedsspruch nicht die Wirkung eines rechtskräftigen
Urteils hat (vgl. Art. 8 Abs. 3 Satz 1 lit. a des Abkommens) (aa),
- wenn der Schiedsspruch gegen die öffentliche Ordnung des Voll-
streckungsstaates verstößt (vgl. Art. 8 Abs. 3 Satz 1 lit. b und
Satz 2 des Abkommens) (bb)
und
- wenn der Schiedsspruch aufgrund einer ungültigen Schiedsver-
einbarung ergangen ist (vgl. Art. 8 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1
des Abkommens; OLG Frankfurt RIW 1989, 911, 914; Schwab/
Walter aaO Kapitel 59 Rn. 15 f; Stein/Jonas/Schlosser aaO An-
hang § 1061 Rn. 222; Schlosser aaO Rn. 799; s. auch Bülow/
Böckstiegel/Geimer/Schütze aaO Art. 8 des Abkommens Fn. 9
und 11) (III.).
aa) Anhaltspunkte dafür, dass der Schiedsspruch (noch) nicht verbindlich
und damit der Versagungsgrund des Art. 8 Abs. 3 Satz 1 lit. a des Abkommens
gegeben sein könnte, liegen nicht vor. Es ist nicht ersichtlich, dass der Schieds-
spruch mit einem Rechtsmittel bei einer höheren schiedsrichterlichen Instanz
oder bei einem staatlichen Gericht angegriffen werden könnte; die Möglichkeit
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- 12 -
einer Aufhebungsklage steht der Verbindlichkeit des Schiedsspruchs für die
Parteien nicht entgegen (vgl. BGHZ 52, 184, 188 ;
gleichbaren Art. V Abs. 1 lit. e Alt. 1 UNÜ>). Es steht auch nicht in Frage, dass
der Schiedsspruch in ordnungsgemäßer Form abgefasst und den Parteien ü-
bersandt wurde (vgl. § 1054 Abs. 4 ZPO; Schwab/Walter aaO Rn. 16).
bb) Ein ordre public-Verstoß, der gemäß Art. 8 Abs. 3 Satz 1 lit. b des
Abkommens rechtfertigte, den Schiedsspruch nicht anzuerkennen, ist entgegen
der Auffassung des Oberlandesgerichts zu verneinen.
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(1) Das Oberlandesgericht hat offen gelassen, ob eine - anstößige - Ge-
hörsverkürzung zu Lasten der Antragsgegnerin anzunehmen sei; jedenfalls sei
eine ordre public-widrige Verletzung der Grundsätze eines fairen Verfahrens
darin zu sehen, dass das Schiedsgericht die gesetzlich vorgesehene Entschei-
dung über seine Zuständigkeit weggelassen und sofort durchentschieden habe.
Diese Erwägung wird von der Rechtsbeschwerde zu Recht beanstandet.
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(2) Das Schiedsgericht gewährte der Antragsgegnerin vor Erlass des
Schiedsspruchs umfassend rechtliches Gehör: Die Antragsgegnerin wurde
- durch Übersendung von Kopien der Schiedsgerichtsakten - von dem Schieds-
verfahren benachrichtigt. Sie wurde zu der Schiedsverhandlung vom 18. Mai
2000 geladen. Der Termin wurde, weil der Zustellungsnachweis (noch) nicht
vorlag, vertagt auf den 27. Juni 2000. Die Antragstellerin wurde darauf geladen
und ihr wurden nochmals die Schiedsgerichtsakten übersandt; sie verweigerte
jedoch - wie zugleich mit der Rüge, das Schiedsgericht sei nicht zuständig, an-
gekündigt - die Annahme. Das Schiedsgericht ging über die Unzuständigkeits-
rüge der Antragsgegnerin auch nicht hinweg. Es hat sich in dem Schiedsspruch
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für zuständig erklärt und dies in Auseinandersetzung mit dem - ziemlich sub-
stanzlosen - Vortrag der Antragsgegnerin begründet.
(3) Dem Schiedsgericht ist allerdings insoweit ein Verfahrensfehler unter-
laufen, als es sich nicht darauf beschränkt hat, seine Kompetenz festzustellen,
sondern in dem Schiedsspruch - nach Feststellung der Zuständigkeit - sogleich
in der Sache entschieden hat. Gemäß Art. 22 Abs. 4 des Gesetzes der Repu-
blik Weißrussland vom 9. Juli 1999 Nr. 279-3 "Über das Internationale Schieds-
gericht (Arbitrage)" hätte es zunächst eine Zwischenentscheidung zur Zustän-
digkeit erlassen und vor einer abschließenden Entscheidung zur Sache abwar-
ten müssen, ob die Antragsgegnerin binnen 15-tägiger Frist einen "Endent-
scheid über die Zuständigkeit" durch das Präsidium des Schiedsgerichts bean-
tragen würde (vgl. Art. 22 Abs. 5 und 6 des vorgenannten weißrussischen Ge-
setzes vom 9. Juli 1999). Widersprach das Verfahren des Schiedsgerichts mit-
hin weißrussischem Recht, bedeutete dies indes noch nicht, dass der Schieds-
spruch - wie es die Anerkennungsversagung nach Art. 8 Abs. 3 Satz 1 lit. b des
Abkommens voraussetzt - anstößig war.
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(4) Der weißrussische Schiedsspruch unterlag dem weniger strengen
Regime des ordre public international; seine Vollstreckbarerklärung schiede
also nur aus, wenn das schiedsgerichtliche Verfahren an einem schwerwiegen-
den Mangel litte, der die Grundlagen staatlichen und wirtschaftlichen Lebens
berührte (vgl. Senatsurteile BGHZ 98, 70, 73 f; 110, 104, 106 f und vom 1. Fe-
bruar 2001 - III ZR 332/99 - NJW-RR 2001, 1059, 1060 f). Das ist zu verneinen.
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Zum ordre public international gehört es nicht - ebenso wenig wie Art. 19
Abs. 4, Art. 103 Abs. 1 GG oder das allgemeine Rechtsstaatsprinzip im Ver-
fahren vor den staatlichen Gerichten einen Instanzenzug garantieren (vgl.
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BVerfGE 1, 433, 437; 87, 48, 61; 89, 381, 390; 92, 365, 410); Art. 101 Abs. 1
Satz 2 GG ist auf Schiedsgerichte ohnehin nicht anwendbar (vgl. Maunz in
Maunz/Dürig, GG <1971> Art. 101 Rn. 17; Schulze-Fielitz in Dreier ,
GG 2000 Art. 101 Rn. 27; Classen in von Mangoldt/Klein/Starck, GG 4. Aufl.
2001 Art. 101 Abs. 1 Rn. 11) -, dass gegen eine schiedsgerichtliche Zuständig-
keitsentscheidung ein Rechtsmittel an eine höhere Schiedsinstanz gegeben
sein muss. Das Schiedsgericht ist vielmehr nach deutschem Recht und interna-
tionaler Rechtsüberzeugung freier gestellt bei der Entscheidung über die eigene
Zuständigkeit. Das von der UNCITRAL erarbeitete, also auf einem breiten völ-
kerrechtlichen Konsens beruhende Modellgesetz (veröffentlicht z.B. in Berger
dass das Schiedsgericht über die Einrede der Unzuständigkeit als Vorfrage ent-
scheiden - und damit die Möglichkeit eines Zwischenverfahrens vor dem staatli-
chen Gericht eröffnen - oder erst in dem abschließenden Schiedsspruch zur
Sache entscheiden kann (Art. 16 Abs. 3 Satz 1 des Modellgesetzes). Der
Art. 16 des Modellgesetzes im Wesentlichen nachgebildete § 1040 Abs. 3
Satz 1 ZPO (vgl. Begründung aaO S. 43) bestimmt, dass das Schiedsgericht
über die Rüge der Unzuständigkeit "in der Regel" durch - gerichtlich anfechtba-
ren (§ 1040 Abs. 3 Satz 2 ZPO) - Zwischenentscheid zu befinden hat; in Aus-
nahmefällen, insbesondere wenn es den Eindruck hat, die Rüge solle bloß das
Verfahren verschleppen, kann das Schiedsgericht erst im Schiedsspruch zur
Sache positiv über seine Kompetenz entscheiden (vgl. Begründung aaO S. 44).
Ein in dem Schiedsverfahren selbst zu erhebender Rechtsbehelf gegen die Zu-
ständigkeitsentscheidung des Schiedsgerichts, etwa ein Rechtsmittel an eine
höhere Schiedsinstanz, ist weder in dem Modellgesetz noch in § 1040 ZPO
vorgesehen.
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Dass das UNCITRAL-Modellgesetz und das deutsche Recht (letzteres
unter gewissen Umständen) dem Schiedsgericht gestatten, über seine Zustän-
digkeit durch Zwischenentscheid o d e r erst im Schiedsspruch - zugleich mit
der Entscheidung zur Sache - zu befinden, hat seinen Grund erkennbar darin,
dass der Kompetenzentscheid des Schiedsgerichts nur ein vorläufiger ist; das
letzte Wort hat stets das staatliche Gericht. Dieses entscheidet abschließend
über die Kompetenz des Schiedsgerichts; und zwar im Fall eines inländischen
Schiedsverfahrens gemäß § 1040 Abs. 3 Satz 2 ZPO über den Zwischenent-
scheid des Schiedsgerichts oder - wenn ein solcher Zwischenentscheid unter-
blieben ist - im Aufhebungs- oder Vollstreckbarerklärungsverfahren (§ 1059
Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a und c, § 1060 Abs. 2 Satz 1 ZPO) über den abschließen-
den Schiedsspruch, im Fall eines ausländischen Schiedsspruchs im Vollstreck-
barerklärungsverfahren nach dem UNÜ (Art. V Abs. 1 lit. a und d UNÜ), nach
nationalem Recht (§ 1025 Abs. 4, § 1061 Abs. 1 Satz 1 ZPO i.V.m. Art. V
Abs. 1 lit. a und d UNÜ) oder nach einem besonderen Staatsvertrag (§ 1061
Abs. 1 Satz 2 ZPO i.V.m. dem betreffenden Staatsvertrag; vgl. Begründung
aaO S. 44).
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(5) So liegt auch der Streitfall. Die in dem Schiedsspruch zugleich mit
dem Entscheid zur Sache getroffene Zuständigkeitsentscheidung des Schieds-
gerichts - nichts anderes würde für einen auf Zwischenentscheid des Schieds-
gerichts ergangenen "Endentscheid über die Zuständigkeit" des Präsidiums des
Schiedsgerichts (Art. 22 Abs. 5 des weißrussischen Gesetzes vom 9. Juli 1999)
gelten - untersteht der kompetenzrechtlichen Überprüfung durch das staatliche
Gericht. Das in diesem Verfahren von der Antragstellerin begehrte Exequatur
hängt nämlich, wie bereits ausgeführt, unter anderem davon ab, ob dem
Schiedsspruch eine gültige Schiedsvereinbarung zugrunde liegt (vgl. Art. 8
Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 des Abkommens). Im Übrigen war nach weißrussi-
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schem Recht gegen den Schiedsspruch die Aufhebungsklage zum weißrussi-
schen staatlichen Gericht zulässig.
(6) Bleibt der Antragsgegnerin aber die volle Überprüfung der Kompe-
tenzentscheidung des Schiedsgerichts durch das staatliche Gericht und ist das
von dem Schiedsgericht eingeschlagene Verfahren, nicht durch Zwischenent-
scheid, sondern erst im Schiedsspruch über die Zuständigkeit und zugleich in
der Sache zu entscheiden, weder international kodifizierter Rechtsauffassung
noch deutschem Recht fremd, dann kann ein Verstoß gegen den ordre public
international (Art. 8 Abs. 3 Satz 1 lit. b des Abkommens) nicht angenommen
und das Exequatur nicht aus diesem Grund versagt werden.
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III.
Nach dem Abkommen wäre die Vollstreckbarerklärung mithin nur dann
zu verweigern, wenn der Schiedsspruch nicht aufgrund einer gültigen Schieds-
vereinbarung ergangen wäre (vgl. Art. 8 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 und
Abs. 3 des Abkommens; Bülow/Böckstiegel/Geimer/Schütze aaO Fn. 11 und
- zur kollisionsrechtlichen Behandlung nicht abkommensautonom geregelter
Gültigkeitsfragen - Stein/Jonas/Schlosser aaO Anhang § 1061 Rn. 41 i.V.m.
Rn. 40). Der Punkt ist indes in tatsächlicher Hinsicht noch nicht geklärt. Das
Oberlandesgericht hat nämlich keine Feststellungen dazu getroffen, ob - so der
Vortrag der nach dem Abkommen darlegungsbelasteten (vgl. Stein/Jonas/
Schlosser aaO Anhang § 1061 Rn. 222) Antragstellerin - eine wirksam unter-
schriebene (vgl. Bülow/Böckstiegel/Geimer/Schütze aaO Art. 8 des Abkom-
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- 17 -
mens Fn. 7), nicht mit Willensmängeln auf Seiten der Antragsgegnerin behafte-
te Schiedsvereinbarung, zustande gekommen ist. Das wird nachzuholen sein.
Schlick
Streck
Kapsa
Galke
Herrmann
Vorinstanz:
OLG Karlsruhe in Freiburg, Entscheidung vom 03.03.2005 - 9 Sch 1/01 -