Urteil des BGH vom 16.01.2008
BGH (treu und glauben, wirkung ex nunc, zahlung, ex nunc, vereinbarung, betrag, höhe, zuschlag, zwangsvollstreckung, oldenburg)
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 85/07
Verkündet
am:
16.
Januar
2008
Heinekamp
Justizhauptsekretär
als
Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
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Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsitzenden
Richter Terno, die Richter Seiffert, Wendt, die Richterin Dr. Kessal-Wulf
und den Richter Felsch auf die mündliche Verhandlung vom 16. Januar
2008
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 6. Zivil-
senats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 2. März
2007 aufgehoben.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amts-
gerichts Oldenburg vom 11. Oktober 2006 wird zurück-
gewiesen.
Die Beklagten tragen die Kosten der Rechtsmittelverfah-
ren.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen die Zwangsvollstreckung aus ei-
nem Zuschlagsbeschluss.
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Die Beklagten waren Gläubiger einer erstrangigen Grundschuld
über 180.000 DM (92.032,54 €); Eigentümer des belasteten Grundstücks
war der Lebensgefährte der Klägerin. Die Beklagten betrieben aus dieser
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Grundschuld die Zwangsversteigerung in das Grundstück, das einen vom
Vollstreckungsgericht festgesetzten Verkehrswert von 45.000 € hatte.
Am 5. September 2005 verpflichtete sich die Klägerin gegenüber den
Beklagten zur Abgabe eines über dem Verkehrswert liegenden Gebots
von 57.000 €. Von diesem Betrag sollte die Klägerin 32.000 € in einer
Summe aufbringen, die restlichen 25.000 € hingegen in monatlichen - für
die ersten zwei Jahre zinslosen - Raten von 200 € zahlen. Weitere Ein-
zelheiten der Vereinbarung sind zwischen den Parteien streitig. Der Klä-
gerin wurde das Grundstück am 6. September 2005 abredegemäß als
Meistbietender gegen ein im Verteilungstermin zu entrichtendes Barge-
bot von 57.000 € zzgl. Zinsen zugeschlagen. Im Zwangsversteigerungs-
termin leistete die Klägerin eine Sicherheit in Höhe von 4.500 €; den Ver-
teilungstermin bestimmte das Vollstreckungsgericht auf den 24. Januar
2006.
Am 27. September 2005 setzten die Beklagten der Klägerin für die
Zahlung des Betrages von 32.000 € - abzüglich geleisteter Sicherheit -
eine Frist bis zum 30. September 2005 und erklärten, andernfalls "schon
heute" von der Vereinbarung zurückzutreten. Mit anwaltlichem Schreiben
vom 5. Oktober 2005 setzten die Beklagten eine neue Frist bis zum
11. Oktober 2005; eine Verlängerung dieser Frist auf den 20. Oktober
2005 ist zwischen den Parteien ebenfalls streitig. Die Klägerin überwies
am 19. Oktober 2005 einen Betrag von 27.500 € per Blitzgiro an die Be-
klagten. Diese erklärten mit Schreiben vom 3. November 2005, die "ge-
troffenen Zahlungsvereinbarungen" zu kündigen und forderten die Kläge-
rin zur Zahlung des restlichen Betrages nebst Zinsen auf.
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Im Verteilungstermin am 24. Januar 2006 übertrug das Vollstre-
ckungsgericht die Forderung gegen die Klägerin als Ersteherin in Höhe
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eines Kapitalbetrages von 24.200,38 € zuzüglich Zinsen in Höhe von
1.604,62 € auf die Beklagten als Berechtigte. Die Beklagten ließen sich
in dieser Höhe eine vollstreckbare Ausfertigung des Zuschlagsbeschlus-
ses erteilen und leiteten die Zwangsvollstreckung gegen die Klägerin ein.
Das Amtsgericht hat der Vollstreckungsgegenklage stattgegeben.
Auf die Berufung der Beklagten hat das nach § 119 Abs. 1 Nr. 1
Buchst. b GVG zuständige Oberlandesgericht die erstinstanzliche Ent-
scheidung geändert und die Klage abgewiesen. Mit ihrer Revision er-
strebt die Klägerin die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.
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Entscheidungsgründe:
Das
zulässige
Rechtsmittel
hat in der Sache Erfolg.
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I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Die Klägerin habe den aus
dem amtsgerichtlichen Zuschlagsbeschluss folgenden Anspruch der Be-
klagten nicht vollständig erfüllt, sondern lediglich 27.500 € zzgl. Sicher-
heitsleistung von 4.500 € gezahlt. Der Teilbetrag von 27.500 € sei ge-
mäß § 271 Abs. 1 BGB sofort fällig gewesen. Die Parteien hätten am
5. September 2005 eine von § 107 Abs. 2 ZVG abweichende Vereinba-
rung treffen wollen, wonach die 32.000 € vorab und an die Beklagten
unmittelbar zu zahlen gewesen seien. Auf die zugleich eingeräumte
Stundung der restlichen 25.000 € könne sich die Klägerin nicht mehr
stützen, weil die Beklagten von dieser Vereinbarung mit Schreiben vom
3. November 2005 wirksam zurückgetreten seien. Das Rücktrittsrecht
folge aus § 323 Abs. 1 BGB, nachdem die Klägerin die ihr zuvor bis zum
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11. Oktober 2005 gesetzte - angemessene - Zahlungsfrist habe verstrei-
chen lassen. Eine Verlängerung dieser Frist bis zum 20. Oktober habe
die Klägerin nicht bewiesen. Es sei auch nicht als widersprüchliches
Verhalten der Beklagten anzusehen, wenn diese einerseits die verspäte-
te Zahlung der Klägerin entgegengenommen, sich andererseits aber aus
der Stundungsvereinbarung gelöst hätten. Denn es habe aus ihrer Sicht
keine Veranlassung bestanden, die überfällige Teilzahlung abzulehnen,
da für sie angesichts des zögerlichen Zahlungsverhaltens der Klägerin
berechtigte Zweifel an der Zahlungsfähigkeit der Klägerin bestanden hät-
ten.
II. Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
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1. Die Parteien haben am 5. September 2005 eine Vereinbarung
getroffen, die eine Ausbietungsgarantie zum Gegenstand hatte. Die Klä-
gerin wollte das zur Versteigerung anstehende Grundstück für sich er-
werben; den Beklagten lag daran, den Zuschlag zu einem Gebot zu er-
reichen, das den Verkehrswert des Grundstücks von 45.000 € überstieg.
Die Klägerin verpflichtete sich im Hinblick darauf, einen Betrag von
57.000 € zu bieten; der Zuschlag ist auf Grundlage des von der Klägerin
abgegebenen Gebotes in dieser Höhe erfolgt.
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Die Ausbietungsgarantie hätte gemäß § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB
der notariellen Beurkundung bedurft, denn sie beinhaltete die Verpflich-
tung, ein Grundstück - in der Zwangsversteigerung - zu erwerben (BGHZ
110, 319, 321; BGH, Beschluss vom 22. September 1992 - III ZR
100/91 - ZIP 1992, 1538 unter 3., jeweils zu § 313 BGB a. F.). Die Nicht-
beachtung der vorgeschriebenen Form erweist sich indes im Ergebnis als
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folgenlos. Der Formmangel ist in jedenfalls entsprechender Anwendung
des § 311b Abs. 1 Satz 2 BGB geheilt, nachdem die Klägerin das Eigen-
tum originär durch Zuschlagsbeschluss gemäß § 90 ZVG erhalten hat
(vgl. BGHZ 85, 245, 250 f. zu § 313 BGB a. F.). Zudem wären sowohl die
Klägerin als auch die Beklagten nach § 242 BGB gehindert, sich auf eine
etwaige Formnichtigkeit zu berufen. Beiden Parteien geht es allein dar-
um, ob der noch ausstehende Betrag durch die Klägerin ratenweise be-
glichen werden kann, ohne dass sie die Ausbietungsgarantie und die da-
durch veranlasste dingliche Rechtsverschiebung als solche in Frage stel-
len.
2. Mit Abgabe des den Beklagten versprochenen Gebots hatte die
Klägerin ihre aus der Ausbietungsgarantie folgende Verpflichtung erfüllt.
Ihre weitere Verpflichtung, den (verzinslichen) Betrag von 57.000 € zu
entrichten, war gesetzliche Folge des Zuschlags (§ 49 Abs. 1 ZVG), ohne
dass dazu eine gesonderte Vereinbarung zwischen den Parteien erfor-
derlich war.
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Das Bargebot ist vom Ersteher gemäß §§ 49 Abs. 3, 107 Abs. 2
und 3 ZVG unter Berücksichtigung der geleisteten Sicherheit (erst) im
Verteilungstermin zu berichtigen, wobei die Zahlung an das Gericht und
nicht an den dinglichen Gläubiger zu erfolgen hat. Es ist sodann Aufgabe
des Vollstreckungsgerichts, den Erlös aus der Zwangsversteigerung im
Verteilungstermin an die Berechtigten auszukehren. Ist keine Vertei-
lungsmasse vorhanden, weil der Ersteher die geschuldete Zahlung an
das Gericht nicht erbracht hat, ist nach § 118 ZVG zu verfahren. Die
Forderung gegen den Ersteher auf Zahlung des Bargebots, die bis dahin
dem bisherigen Eigentümer des Grundstücks zustand, der durch den Zu-
schlag das Eigentum verloren hat (Surrogationsprinzip), wird durch An-
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ordnung des Gerichts in entsprechender Höhe auf den oder die Berech-
tigten übertragen (vgl. Stöber, ZVG 18. Aufl. § 118 Rdn. 2.1 und 2.3).
3. Die Klägerin hat bereits in der Klagschrift geltend gemacht, vor
Durchführung des Verteilungstermins hätten die Beklagten keinen fälli-
gen Zahlungsanspruch gegen sie gehabt und insbesondere keine Zah-
lung an sich statt an das Vollstreckungsgericht verlangen können. Es sei
keine Vereinbarung getroffen worden, durch die von den für das
Zwangsversteigerungsverfahren geltenden gesetzlichen Bestimmungen
abgewichen worden sei. Es habe weder ein Zahlungsziel vor dem 24. Ja-
nuar 2006 gegeben, noch sei eine unmittelbare Zahlung an die Beklag-
ten abgesprochen gewesen. Angesichts der wiederholten Zahlungsauf-
forderungen im September und Oktober 2005 sei sie allerdings um eine
einvernehmliche Lösung bemüht gewesen, die sie auch deshalb ange-
strebt habe, weil § 144 ZVG eine unmittelbare Zahlung an den dinglichen
Gläubiger erlaube, ohne aber entsprechende Verpflichtungen zu begrün-
den.
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4. Bei dieser Sachlage wäre es Sache der Beklagten gewesen,
über die eigentliche Ausbietungsgarantie hinaus, die sich mit Abgabe
des vereinbarten Gebots grundsätzlich erledigt hatte, eine Abrede mit
der Klägerin substantiiert darzulegen, sie - entgegen § 107 Abs. 2 ZVG -
als aus der Grundschuld berechtigte dingliche Gläubiger noch vor dem
Verteilungstermin außergerichtlich zu befriedigen und einen ersten Teil-
betrag von 32.000 € sofort an sie zu zahlen.
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a) Dazu genügt es nicht, pauschal darauf zu verweisen "man" habe
sich darauf geeinigt, einen Betrag in dieser Höhe "im Termin oder kurz
danach" zu entrichten. Auch die Stundungsabrede, die als solche un-
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streitig ist, besagt nichts über eine vorgezogene Zahlungsverpflichtung
der Klägerin. Der ratenweise Abtrag der restlichen 25.000 € wurde der
Klägerin deshalb zugebilligt, weil diese im wirtschaftlichen Interesse der
Beklagten die Abgabe eines Gebots in Aussicht stellte, das einen deut-
lich über dem Verkehrswert des Grundstücks liegenden Erlös versprach.
Er lässt weder für sich allein noch im Gesamtzusammenhang den vom
Berufungsgericht - noch dazu ohne nähere Begründung - gezogenen
Schluss einer auf § 271 Abs. 1 BGB gestützten sofortigen Fälligkeit des
Betrages über 32.000 € zu. Die in der Revisionsverhandlung erhobene
Gegenrüge führt zu keiner anderen Beurteilung. Der Vortrag zu einer
abweichenden Zahlungsvereinbarung ist - wie dargelegt - unsubstantiiert
und konnte schon deshalb keine Beweiserhebung veranlassen. Überdies
liegt kein ordnungsgemäßer Beweisantritt vor, denn die Beklagten haben
sich lediglich auf die Anhörung des Beklagten als Partei bezogen.
b) Damit fehlte es schon mangels Fälligkeit des geltend gemachten
Anspruchs, die nicht vor dem 24. Januar 2006 eingetreten ist, an einer
rechtlichen Grundlage für die Beklagten, sich von den getroffenen Ver-
einbarungen wieder zu lösen; sie konnten der Klägerin im September
und Oktober 2005 keine wirksamen Zahlungsfristen setzen. Die Klägerin
sollte ein hohes Gebot abgeben und den Zuschlag erhalten, dann aber
auf den nach den gesetzlichen Bestimmungen über das Zwangsverstei-
gerungsverfahren erst im Verteilungstermin zu überweisenden Anspruch
eine Zahlung von lediglich 32.000 € (abzügl. Sicherheitsleistung) erbrin-
gen, während für die weiteren 25.000 € eine Teilzahlungsabrede getrof-
fen wurde. Auf die vom Berufungsgericht durchgeführte Beweisaufnahme
und die darauf beruhende Beweiswürdigung kommt es mithin nicht an.
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5. Schon gar nicht stand den Beklagten das vom Berufungsgericht
bejahte Rücktrittsrecht aus § 323 Abs. 1 BGB zu. Bei der von den Par-
teien vereinbarten sukzessiven Stundung, die der Klägerin einen raten-
weisen Abtrag der geschuldeten 25.000 € erlaubte, handelt es sich um
eine Teilzahlungsabrede, die allein durch Kündigung - mit Wirkung ex
nunc - in Wegfall geraten konnte. Allein eine solche Kündigung haben
die Beklagten mit Schreiben vom 3. November 2005 auch ausgespro-
chen, wobei das von der Revisionserwiderung in Bezug genommene frü-
here Schreiben vom 27. September 2005 durch den nachfolgenden
Schriftverkehr überholt ist. Selbst wenn eine Fälligkeit der 32.000 € noch
vor dem 24. Januar 2006 unterstellt wird, waren am 3. November 2005
nach dem Rechtsgedanken des § 543 Abs. 2 Satz 2 BGB die Vorausset-
zungen für ein Kündigungsrecht entfallen, weil der zuvor angeforderte
Betrag seitens der Klägerin gezahlt war. Auch aus diesem Grunde kann
den Beklagten in ihrem rechtlichen Standpunkt nicht gefolgt werden.
III. Sie sind nach alledem nicht berechtigt, aus dem Zuschlagsbe-
schluss wegen des noch ausstehenden Betrages die Zwangsvollstre-
ckung zu betreiben. Sie sind ebenso gehindert, wegen der mittlerweile
ab Januar 2006 fällig gewordenen monatlichen Teilbeträge zu vollstre-
cken, weil sie die Annahme von Raten ernsthaft und endgültig verweigert
und den von der Klägerin übersandten Verrechnungscheck nicht einge-
löst haben. Ihr Verhalten widerspricht Treu und Glauben (§ 242 BGB),
wenn sie einerseits von der Klägerin vereinbarungsgemäß angebotene
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Raten nicht akzeptieren, anderseits unter Hinweis auf bestehende Zah-
lungsrückstände im Wege der Zwangsvollstreckung gegen die Klägerin
vorgehen.
Terno Seiffert Wendt
Dr. Kessal-Wulf Felsch
Vorinstanzen:
AG Oldenburg, Entscheidung vom 11.04.2006 - E4 C 4122/06 (IX) -
OLG Oldenburg, Entscheidung vom 02.03.2007 - 6 U 213/06 -