Urteil des BGH vom 20.07.2010

BGH (treu und glauben, billigkeit, vorbehalt, rechnung, genehmigungsverfahren, energie, höhe, strom, offenlegung, annahme)

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
EnZR 26/09 Verkündet
am:
20. Juli 2010
Bürk
Justizhauptsekretärin
als
Urkundsbeamtin
der
Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
- 2 -
Der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhand-
lung vom 20. Juli 2010 durch den Präsidenten des Bundesgerichtshofs
Prof.
Dr.
Tolksdorf und die Richter Prof. Dr.
Meier-Beck, Dr. Bergmann,
Dr. Strohn und Dr. Grüneberg
für Recht erkannt:
Die Revisionen der Parteien gegen das Urteil des 1. Zivilsenats
und Kartellsenats des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 26. Mai
2009 werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens tragen die Klägerin zu 47 %
und die Beklagte zu 53 %.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die gerichtliche Bestimmung des angemessenen
Stromnetznutzungsentgelts für die Jahre 2003 und 2004 und Rückzahlung zu-
viel gezahlten Entgelts.
1
Die Klägerin bietet elektrische Energie für private und gewerbliche
Verbraucher auf der Basis sog. all-inclusive-Verträge an. Auf der Grundlage
eines - durch eine Zusatzvereinbarung vom 2./15. November 2001 ergänzten -
2
- 3 -
Rahmenvertrags vom 4. Juli/26. November 2001 stellt die Beklagte der Klägerin
hierzu ihr regionales Stromverteilernetz zur Verfügung. Hinsichtlich der Entgelt-
verpflichtung enthält der Rahmenvertrag unter anderem folgende Bestimmun-
gen:
7.1
Für die Abwicklung der Stromlieferung, insbesondere für die Mess-
und Ablesedienstleistungen, die Datenverarbeitung und -übermitt-
lung, zahlt der Lieferant dem Netzbetreiber ein Entgelt nach dem
jeweils geltenden Preisblatt (Anlage 3).
7.4
Die gezahlten Entgelte nach den vorstehenden Ziffern … können
vom Lieferanten zurückgefordert werden, wenn deren Erhebung
durch den Netzbetreiber durch ein Gericht oder die zuständige
Kartellbehörde rechtskräftig als nicht rechtmäßig beurteilt wird. Die
Rückforderung ist auf die zuviel bezahlten Anteile an den Entgel-
ten beschränkt.
7.5
Der Lieferant haftet dem Netzbetreiber gesamtschuldnerisch für
die zwischen dem jeweiligen Kunden des Lieferanten und dem
Netzbetreiber im Netznutzungsvertrag für die Netznutzung und die
Verrechnung vereinbarten Entgelte, sofern die Bezahlung durch
den Kunden an den Lieferanten zwischen diesen vereinbart ist.
13.3
Die im Preisblatt angegebenen Preise können vom Netzbetreiber
angepasst werden. …
Dem Vertrag ist ein Preisblatt "Entgelte für die Nutzung der Netzinfra-
struktur der HEW HofEnergie + Wasser GmbH … Stand: 03.04.2001" beige-
fügt. Der Rahmenvertrag wurde am 20./25. Februar 2004 durch einen anderen
Rahmenvertrag ersetzt, der in Nummer 8.1 eine mit Nummer 7.1 des Rahmen-
vertrages 2001 wortgleiche Entgeltbestimmung und in Nummer 14.3 ein ent-
sprechendes Preisanpassungsrecht enthält.
3
- 4 -
4
Die Netznutzungsentgelte wurden entsprechend Nummer 1 der beiden
Rahmenverträge nicht den Letztverbrauchern, sondern der Klägerin in Rech-
nung gestellt. Mit Schreiben vom 25. Juni 2001 und 4. Juli 2001, mit denen die
Klägerin der Beklagten die von ihr unterzeichneten Vertragsurkunden zur Ge-
genzeichnung zuleitete, erklärte sie, sie zahle "vorläufig die Entgelte unter Vor-
behalt ihrer energie- und kartellrechtlichen Überprüfung im Ganzen … und un-
ter Vorbehalt der Rückforderung". Diesen Vorbehalt hielt sie mit Schreiben vom
15. November 2001, 10. Dezember 2003 und 20. Februar 2004 ausdrücklich
aufrecht und wies zugleich darauf hin, dass aus diesem Grund eine Einigung
über die Entgelte nicht erzielt worden sei. Mit Schreiben vom 30. August 2004
und 8. Dezember 2005 bat die Klägerin die Beklagte unter Hinweis auf die Er-
mittlungen der Regulierungsbehörde um den Abschluss einer verjährungshem-
menden Vereinbarung in Bezug auf die Netznutzungsentgelte für die Jahre
2000 bis 2002. Dies lehnte die Beklagte ab.
Die Klägerin macht geltend, die Beklagte verlange um mindestens 30 %
überhöhte Netznutzungsentgelte. Sie hat beantragt, das jeweils billige Netznut-
zungsentgelt für die Jahre 2003 und 2004 zu bestimmen und die Beklagte zu
verurteilen, an sie die Differenz zwischen den nach ihrer Behauptung gezahlten
Entgelten in Höhe von insgesamt 9.042,22 € netto und dem gerichtlich be-
stimmten billigen Entgelt zuzüglich Umsatzsteuer nebst Zinsen zu zahlen. Die
Beklagte wendet unter anderem ein, dass sie die der Klägerin in Rechnung ge-
stellten Entgelte nach der Verbändevereinbarung über Kriterien zur Bestim-
mung von Netznutzungsentgelten für elektrische Energie und über Prinzipien
der Netznutzung vom 13. Dezember 2001 (BAnz Nr. 85b vom 8.5.2002; im Fol-
genden: Verbändevereinbarung Strom II plus) berechnet habe.
5
Das Landgericht hat das billige Netznutzungsentgelt für die Jahre 2003
und 2004 auf 84 % der von der Klägerin dargelegten Nettobeträge festgesetzt
6
- 5 -
und die Beklagte zur Zahlung von 1.678,23 € nebst Zinsen verurteilt. Die dage-
gen gerichteten Berufungen beider Parteien sind ohne Erfolg geblieben. Mit der
vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Klägerin ihr Klage-
begehren und die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revisionen der Parteien haben keinen Erfolg.
7
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im We-
sentlichen ausgeführt:
8
Die von der Beklagten verlangten Tarife seien nach § 315 Abs. 3 BGB
auf ihre Billigkeit zu überprüfen, weil der Beklagten nach beiden Rahmenverträ-
gen ein vertragliches und daneben nach § 6 Abs. 1 Satz 1 EnWG 1998 ein ge-
setzliches Leistungsbestimmungsrecht zugestanden habe. Soweit sich die Be-
klagte darauf berufe, dass sie die Entgelte nach der Verbändevereinbarung
Strom II plus berechnet habe, sei hierdurch die Anwendbarkeit des § 315 BGB
nicht abbedungen worden. In die Billigkeitsprüfung seien auch die Netznut-
zungsentgelte vorgelagerter Netzbetreiber einzubeziehen, weil diese in die Ent-
geltkalkulation der Beklagten eingeflossen seien.
9
Die Klägerin habe ihren Anspruch auf gerichtliche Überprüfung der Billig-
keit der Netzentgelte nicht verwirkt. Es fehlten bereits besondere, auf einem
Verhalten der Klägerin beruhende Umstände, die bei objektiver Betrachtung bei
der Beklagten das Vertrauen hätten erwecken können, die Klägerin werde ihren
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- 6 -
Anspruch nicht mehr geltend machen. Ganz im Gegenteil habe die Klägerin
bereits mit Schreiben vom 25. Juni 2001 einen entsprechenden Vorbehalt er-
hoben und diesen mit den weiteren Schreiben vom 4. Juli 2001, 10. Dezember
2003 und 20. Februar 2004 bekräftigt. Soweit die Beklagte den Zugang der
Schreiben mit Nichtwissen bestritten habe, sei dies im Hinblick darauf unzuläs-
sig, dass ihr mit diesen Schreiben unter anderem die von der Klägerin unter-
zeichneten Vertragsurkunden übersandt worden seien, die sie - was unstreitig
sei - erhalten habe.
Der Rückzahlungsanspruch der Klägerin sei nicht durch die Regelung
der § 23a Abs. 5, § 118 Abs. 1b EnWG in der Fassung des Gesetzes vom
7. Juli 2005 (BGBl. I S. 1970) ausgeschlossen. Diesen Vorschriften komme kei-
ne Rückwirkung auf zurückliegende Entgeltperioden zu.
11
Das von der Beklagten verlangte Netznutzungsentgelt sei unbillig. Die
Beklagte sei der ihr obliegenden Darlegungslast für die Billigkeit der von ihr für
die Jahre 2003 und 2004 festgesetzten Entgelte nicht nachgekommen. Hierzu
hätte es der Offenlegung ihrer Kalkulation bedurft. Für das Jahr 2003 könne sie
sich auch nicht auf die Vermutung des § 6 Abs. 1 Satz 5 EnWG (in der bis zum
12. Juli 2005 geltenden Fassung, im Folgenden: a.F.) berufen, weil sie nicht im
Einzelnen dargelegt habe, die Preisfindungsgrundsätze nach der Verbändever-
einbarung Strom II plus eingehalten zu haben. Schließlich könne sie sich ihrer
Darlegungslast nicht durch eine pauschale Bezugnahme auf schützenswerte
Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse entziehen, weil mangels konkreten Vor-
bringens der Beklagten nicht festzustellen sei, ob ihr Geheimhaltungsinteresse
das Interesse der Klägerin an einer Offenlegung überwiege.
12
Das angemessene Entgelt sei auf 84 % des von der Beklagten verlang-
ten Entgelts festzusetzen. Nach den Pressemitteilungen der Bundesnetzagen-
13
- 7 -
tur sei es im Rahmen der nach Inkrafttreten des Energiewirtschaftsgesetzes
2005 durchgeführten Entgeltgenehmigungsverfahren zu Kürzungen um 10 bis
16 % bei den geltend gemachten Netzkosten und 8 bis 25 % bei den Netto-
Netzentgelten gekommen. Auch wenn diese Kürzungen bei anderen Netz-
betreibern vorgenommen worden seien und sowohl andere Zeiträume als auch
andere Rechtsgrundlagen beträfen, lieferten sie einen hinreichenden Anknüp-
fungspunkt für die Bestimmung des billigen Netznutzungsentgelts. Aufgrund
dessen sei der mittlere Wert der Kürzungen bei regionalen oder lokalen Netz-
betreibern von 16 % auch vorliegend anzusetzen.
Schließlich sei auch davon auszugehen, dass die Beklagte die verlang-
ten Netzentgelte von der Klägerin tatsächlich erlangt habe. Soweit die Beklagte
die von der Klägerin dargelegten tatsächlichen Zahlungen in den Jahren 2003
und 2004 in Höhe von insgesamt 9.042,22 € netto mit Nichtwissen bestritten
habe, sei ein solches Bestreiten im Hinblick auf die ihr erteilten Einzugsermäch-
tigungen unzulässig.
14
II.
A. Revision der Beklagten
15
Die Beurteilung des Berufungsgerichts hält der rechtlichen Überprüfung
stand.
16
1. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die von der
Beklagten verlangten Netznutzungsentgelte gemäß § 315 BGB auf ihre Billig-
keit hin zu überprüfen sind. Wie der Senat mit Urteilen vom 18. Oktober 2005
(KZR 36/04, BGHZ 164, 336, 339 ff. - Stromnetznutzungsentgelt I) und vom
4. März 2008 (KZR 29/06, WuW/E DE-R 2279 Rn. 18 ff. - Stromnetznutzungs-
17
- 8 -
entgelt III) entschieden und im Einzelnen begründet hat, steht dem Netzbetrei-
ber bei der Bestimmung des Netznutzungsentgelts im Falle einer - wie hier -
entsprechenden vertraglichen Gestaltung ein vertragliches oder nach § 6 Abs. 1
EnWG 1998 ein gesetzliches Leistungsbestimmungsrecht zu, das er regelmä-
ßig nach billigem Ermessen auszuüben hat und das hinsichtlich der Billigkeit
seiner Bestimmung der gerichtlichen Nachprüfung unterliegt. Der Nachprüfung
der Billigkeit des vom Wettbewerb nicht kontrollierten Netznutzungsentgelts
steht es nicht entgegen, wenn der Preis bei Vertragsschluss - wie hier durch die
Bezugnahme auf das Preisblatt - beziffert worden ist (Senatsurteil vom 4. März
2008 - KZR 29/06, WuW/E DE-R 2279 Rn. 22 ff. - Stromnetznutzungsent-
gelt III). Die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche sind auch nicht
durch die nur für die Netzentgeltregulierung geltende Regelung der § 23a
Abs. 5, § 118 Abs. 1b EnWG in der Fassung des Gesetzes vom 7. Juli 2005
(BGBl. I S. 1970) ausgeschlossen.
Zu Unrecht rügt die Revision, das Berufungsgericht habe in Widerspruch
zur höchstrichterlichen Rechtsprechung die Netznutzungsentgelte der vorgela-
gerten Netzbetreiber in die Überprüfung nach § 315 BGB einbezogen. Dies ist
nicht der Fall. Die nur für das Vertragsverhältnis zwischen der die Leistung be-
stimmenden und der dieser Bestimmung unterworfenen Partei geltende Rege-
lung des § 315 BGB kann zwar nicht herangezogen werden, um auch die auf
einer vorgelagerten Stufe der Lieferkette vereinbarten Preise einer gerichtlichen
Kontrolle zu unterziehen (vgl. BGH, Urteile vom 13. Juni 2007 - VIII ZR 36/06,
BGHZ 172, 315 Rn. 27 und vom 19. November 2008 - VIII ZR 138/07, BGHZ
178, 362 Rn. 42). Eine solche Kontrolle ist aber vom Berufungsgericht nicht
durchgeführt worden. Vielmehr hat es zu Recht auf die in Nummer 7.1 bzw.
Nummer 8.1 der zwischen den Parteien geschlossenen Rahmenverträge ge-
nannten Preisbestandteile abgehoben, in denen - ebenso wie in dem Preis-
blatt - die Netznutzungsentgelte der vorgelagerten Netzbetreiber nicht geson-
18
- 9 -
dert aufgeführt, sondern als unselbständige Kostenfaktoren enthalten sind.
Dass im Rahmen der Billigkeitsprüfung und der vom Berufungsgericht hierbei
vorgenommenen Herabsetzung des von der Beklagten verlangten Netznut-
zungsentgelts auch die von ihr an die vorgelagerten Netzbetreiber gezahlten
Netznutzungsentgelte erfasst worden sind, liegt in der Natur der Sache und be-
ruht auf dem Umstand, dass die Beklagte ihre Kalkulation nicht offengelegt hat.
2. Entgegen der Auffassung der Revision sind die Rückzahlungsansprü-
che der Klägerin hinsichtlich der gezahlten Netznutzungsentgelte für die Jahre
2003 und 2004 nicht verwirkt.
19
3 Satz 2 BGB bestimmt für die Erhebung der dort vorgese-
henen Klage keine besondere Frist. Der Betroffene kann allerdings durch illoya-
le Verzögerung der Klageerhebung sein Klagerecht verwirken (vgl. BGH, Urteil
vom 6. März 1986 - III ZR 195/84, BGHZ 97, 212, 220 f. mwN). Ein Recht ist
verwirkt, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstri-
chen ist (Zeitmoment) und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete
Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen (Um-
standsmoment). Letzteres ist der Fall, wenn der Verpflichtete bei objektiver Be-
trachtung dem Verhalten des Berechtigten entnehmen durfte, dass dieser sein
Recht nicht mehr geltend machen werde. Ferner muss sich der Verpflichtete im
Vertrauen auf das Verhalten des Berechtigten in seinen Maßnahmen so einge-
richtet haben, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein un-
zumutbarer Nachteil entstünde (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 6. März
1986 -
III
ZR
195/84, BGHZ 97, 212, 220
f., vom 20.
Oktober 1988
- VII ZR 302/87, BGHZ 105, 290, 298 und vom 12. März 2008 - XII ZR 147/05,
NJW 2008, 2254 Rn. 22, jeweils mwN).
20
- 10 -
21
b) Nach diesen Maßgaben hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei eine
Verwirkung des Anspruchs der Klägerin auf gerichtliche Überprüfung der Billig-
keit der von der Beklagten festgesetzten Netznutzungsentgelte und auf Rück-
zahlung des überhöhten Entgeltanteils verneint.
aa) Dabei kann offen bleiben, ob für das Zeitmoment - wie die Revision
meint - angesichts der "Besonderheiten des Strommarktes und des gesetzli-
chen Versorgungsauftrages für die Erbringung von Versorgungsleistungen" von
einer regelmäßigen Verwirkungsfrist von einem Jahr ab der Leistung auszuge-
hen ist. Hiergegen spricht allerdings, dass es für die Beurteilung der Zeitspan-
ne, die bis zum Eintritt der Verwirkung verstrichen sein muss, auf die Umstände
des Einzelfalles ankommt und daher die Annahme fester Zeiträume nicht in Be-
tracht kommt. Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass der Rückforderungs-
anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB gemäß §§ 195, 199 BGB der
(kurzen) regelmäßigen Verjährung von drei Jahren unterliegt und daher eine
weitere Abkürzung dieser Verjährungsfrist durch Verwirkung nur noch unter
ganz besonderen Umständen angenommen werden kann (vgl. BGH, Urteile
vom 13. Januar 1988 - IVb ZR 7/87, BGHZ 103, 62, 68 und vom 17. Februar
1969 - II ZR 30/65, DB 1969, 569).
22
bb) Es liegen jedenfalls keine besonderen Umstände vor, die die (verspä-
tete) Geltendmachung der Ansprüche als Verstoß gegen Treu und Glauben
erscheinen lassen. Dem steht bereits entgegen, dass sich die Klägerin die
Überprüfung der in Rechnung gestellten Entgelte ausdrücklich vorbehalten hat.
Nach den - von der Revision nicht angegriffenen - Feststellungen des Beru-
fungsgerichts hat sich die Klägerin bereits in dem der Beklagten zugegangenen
Schreiben vom 25. Juni 2001, 4. Juli 2001, 10. Dezember 2003 und 20. Februar
2004 vorbehalten, die in Rechnung gestellten Netznutzungsentgelte im Ganzen
und in ihren einzelnen Bestandteilen energie- und kartellrechtlich überprüfen zu
23
- 11 -
lassen. Zugleich hat sie mitgeteilt, dass die Zahlung der Entgelte unter Vorbe-
halt erfolgt. Dadurch hat sie - wie das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei ange-
nommen hat - unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass sie Zweifel an
der Billigkeit der verlangten Entgelte hegte und eine gerichtliche Überprüfung
gemäß § 315 BGB in Erwägung zog.
Entgegen der Revision stellt sich nicht die Frage, ob sich dieser Vorbe-
halt auch noch auf die Festsetzung der (erhöhten) Nutzungsentgelte für die
Jahre 2003 und 2004 bezogen hat. Denn die Klägerin hat ihren Vorbehalt in
den Schreiben vom 10. Dezember 2003, 20. Februar 2004, 30. August 2004
und 8. Dezember 2005 bekräftigt, wodurch - wie das Berufungsgericht zutref-
fend ausgeführt hat - bei der Beklagten nicht der Eindruck entstehen konnte,
die Klägerin habe von einer Überprüfung der Netzentgelte Abstand genommen.
24
Anders als die Revision meint, konnte die Beklagte auch nicht darauf ver-
trauen, dass die Klägerin die angekündigte gerichtliche Überprüfung der Billig-
keit der verlangten Entgelte nach Ablauf einer angemessenen Frist, d.h. nach
Auffassung der Beklagten nach Ablauf eines Jahres, gerechnet ab dem Zugang
der Schreiben, nicht mehr betreiben würde. Hiergegen spricht bereits der Inhalt
der beiden Schreiben vom 30. August 2004 und 8. Dezember 2005. Durch den
darin enthaltenen Vorschlag der Klägerin zum Abschluss verjährungshemmen-
der Vereinbarungen wurde der Beklagten - wie das Berufungsgericht ohne
Rechtsfehler angenommen hat - deutlich gemacht, dass die Klägerin ihre An-
sprüche weiterhin verfolgen wollte.
25
3. Das Berufungsgericht ist auch zu Recht davon ausgegangen, dass die
Beklagte die Billigkeit der von ihr verlangten Entgelte darzulegen und gegebe-
nenfalls zu beweisen hat, weil die Klägerin die Entgelte nur unter dem Vorbe-
halt der gerichtlichen Nachprüfung gezahlt hat.
26
- 12 -
27
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat derjenige, dem
das Leistungsbestimmungsrecht eingeräumt ist und der typischerweise auch
allein dazu in der Lage ist, die Billigkeit seiner Bestimmung darzutun. Dies gilt
auch für den Fall, dass die andere Vertragspartei die gerichtliche Bestimmung
des angemessenen Entgelts und die Rückzahlung zuviel gezahlten Entgelts
begehrt, wenn sie die Entgelte nur unter Vorbehalt gezahlt hat (Senatsurteile
vom 18. Oktober 2005 - KZR 36/04, BGHZ 164, 336, 343 - Stromnetznutzungs-
entgelt I und vom 4. März 2008 - KZR 29/06, WuW/E DE-R 2279 Rn. 27
- Stromnetznutzungsentgelt III).
b) So liegt der Fall hier. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts
hat die Klägerin das Netznutzungsentgelt nur unter Vorbehalt gezahlt, indem
sie sich mit Schreiben vom 25. Juni 2001 und 4. Juli 2001 vorbehalten hat, die
in Rechnung gestellten Entgelte im Ganzen und in ihren einzelnen Bestandtei-
len energie- und kartellrechtlich überprüfen zu lassen, und diesen Vorbehalt mit
Schreiben vom 15. November 2001, 10. Dezember 2003 und 20. Februar 2004
aufrechterhalten hat.
28
Anders als die Revision meint, hat der von der Klägerin mit den Schrei-
ben vom 25. Juni 2001 und vom 4. Juli 2001 erklärte Vorbehalt nicht nur eine
eingeschränkte - nämlich auf den Ausschluss des § 814 BGB bezogene - Be-
deutung. Richtig ist allerdings, dass ein Vorbehalt unterschiedliche Bedeutung
haben kann. Im Allgemeinen will der Schuldner lediglich dem Verständnis sei-
ner Leistung als Anerk 1 Nr. 1 BGB) entgegentreten und die
BGB ausschließen, sich also die Möglichkeit offenhalten,
das Geleis
auch so erklärt werden, dass von der Zahlung keinerlei Rechtswirkung, insbe-
sondere auch keine Erfüllungswirkung, ausgeht. Ein solcher Vorbehalt ist dann
29
- 13 -
anzunehmen, wenn der Schuldner nur unter Zwang oder zur Vermeidung eines
empfindlichen Übels leistet, etwa zur Abwendung der Zwangsvollstreckung. Der
Leistende kann auf diese Weise erreichen, dass im späteren Rückforderungs-
streit den Leistungsempfänger die Beweislast für das Bestehen des Anspruchs
trifft (vgl. BGH, Urteile vom 6. Oktober 1998 - XI ZR 36/98, BGHZ 139, 357,
367 f., vom 9. Juni 1992 - VI ZR 215/91, NJW-RR 1992, 1214, 1216, vom
24. Oktober 2002 - I ZR 3/00, BGHZ 152, 233, 244 f. und vom 24. November
2006 - LwZR 6/05, NJW 2007, 1269 Rn. 19, jeweils mwN).
Die Annahme des Berufungsgerichts, die Klägerin habe einen Vorbehalt
in diesem umfassenden Sinn erklärt, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstan-
den. Ein im Zusammenhang mit der Billigkeitskontrolle nach § 315 BGB erklär-
ter Vorbehalt dient typischerweise dazu, die einseitige Leistungsbestimmung
umfassend zu überprüfen und an der Darlegungs- und Beweislast des Bestim-
mungsberechtigten nichts zu ändern. Anhaltspunkte für einen - ausnahms-
weise - entgegenstehenden Willen der Klägerin als Schuldnerin des Entgeltan-
spruchs ergeben sich entgegen der Revision insbesondere nicht aus den
Schreiben der Klägerin vom 11. und 23. Oktober 2000. Diese waren an einen
anderen Netzbetreiber gerichtet und betrafen ein anderes Vertragsverhältnis.
30
4. Ohne Erfolg wendet sich die Revision auch gegen die Annahme des
Berufungsgerichts, dass die Beklagte die Billigkeit des von ihr verlangten Netz-
nutzungsentgelts nicht hinreichend dargelegt hat und ihre Entgeltbestimmung
daher für die Klägerin nicht verbindlich war.
31
a) Nach der Rechtsprechung des Senats (Urteile vom 18. Oktober 2005
- KZR 36/04, BGHZ 164, 336, 341 - Stromnetznutzungsentgelt I und vom
7. Februar 2006 - KZR 8/05, WuW/E DE-R 1730 Rn. 13 - Stromnetznutzungs-
entgelt II) wird der allgemeine Maßstab des billigen Ermessens, den § 315
32
- 14 -
Abs. 1 BGB vorsieht, durch § 6 Abs. 1 EnWG aF konkretisiert. Danach wird das
Ermessen des Netzbetreibers in zweifacher Hinsicht gebunden. Neben der Be-
achtung des - hier nicht relevanten - Diskriminierungsverbots muss sich die
Preisbildung daran orientieren, dass die Bedingungen guter fachlicher Praxis
nach § 6 Abs. 1 Satz 4 EnWG aF einer möglichst sicheren, preisgünstigen und
umweltverträglichen leitungsgebundenen Versorgung mit Elektrizität und Gas
im Interesse der Allgemeinheit (§ 1 EnWG aF) und darüber hinaus der Gewähr-
leistung wirksamen Wettbewerbs dienen sollen.
Danach kommt es für die Beurteilung, ob die Ermessensentscheidung
der Beklagten der Billigkeit entspricht, darauf an, inwiefern das geforderte
Netzentgelt der Deckung der Kosten des Netzbetriebs und der Erzielung eines
im vertretbaren Rahmen bleibenden Gewinns dient. Es obliegt dabei der Be-
klagten, im Einzelnen vorzutragen und gegebenenfalls zu beweisen, welche
allgemeinen und besonderen Kosten, die ihr nach ihrer Kalkulation durch den
Netzbetrieb in den Jahren 2003 und 2004 entstanden sind, abzudecken waren
und welchen Teil ihrer Einnahmen sie zur Bildung von Rücklagen, zur Finanzie-
rung von Investitionen oder zur Verzinsung des Eigenkapitals mit dem der Klä-
gerin berechneten Preis erzielen wollte (vgl. BGH, Urteil vom 2. Oktober 1991
- VIII ZR 240/90, WM 1991, 2065, 2068).
33
b) Nach diesen Maßstäben hat die Beklagte - wie das Berufungsgericht
zu Recht ausgeführt hat - ihrer Darlegungslast nicht genügt.
34
Die Beklagte hat - trotz des Hinweises des Landgerichts in Nummer 4b
der gerichtlichen Verfügung vom 26. März 2008 - die Kalkulationsgrundlagen
ihrer Entgeltbestimmung nicht dargelegt. Die Beklagte durfte sich insoweit auch
nicht pauschal auf die Wahrung ihrer Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse be-
rufen. Hierzu hätte es vielmehr eines substantiierten Sachvortrags dazu bedurft,
35
- 15 -
bei Offenlegung welcher konkreten Geheimnisse sie welche Nachteile zu be-
fürchten hätte (vgl. BGH, Urteil vom 19. November 2008 - VIII ZR 138/07,
BGHZ 178, 362 Rn. 46). Erst dann wäre eine - auch im Rahmen einer Billig-
keitskontrolle nach § 315 BGB erforderliche - Abwägung zwischen dem Gebot
effektiven Rechtsschutzes und dem verfassungsrechtlichen Schutz von Be-
triebs- und Geschäftsgeheimnissen, die auf einen bestmöglichen Ausgleich
zwischen den betroffenen Verfassungsgütern gerichtet sein muss (vgl. BGH,
Urteil vom 19. November 2008 - VIII ZR 138/07, aaO Rn. 47 mwN), möglich
gewesen.
Das Berufungsgericht hat auch zu Recht angenommen, dass das pau-
schale Vorbringen der Beklagten, sie habe die von ihr verlangten Netznut-
zungsentgelte nach den Preisfindungsprinzipien der Anlage 3 zur Verbändever-
einbarung Strom II plus kalkuliert, unsubstantiiert ist. Es fehlt bereits an einer
konkreten Darlegung der Beklagten, wie sie im Einzelnen die Preisfindungs-
prinzipien angewendet hat. Darüber hinaus hat sie auch nicht näher ausgeführt,
ob und wie sie die Bewertungsspielräume, die die Preisfindungsprinzipien er-
öffnen, genutzt hat, um dem Gesetzeszweck des Energiewirtschaftsgesetzes
bestmöglich Rechnung zu tragen (vgl. hierzu Senatsurteil vom 18. Oktober
2005 - KZR 36/04, BGHZ 164, 336, 344 f. - Stromnetznutzungsentgelt I).
Schließlich hat die Beklagte auch erstmals in dem nach Schluss der letzten
mündlichen Berufungsverhandlung eingereichten, nicht nachgelassenen
Schriftsatz vom 12. Mai 2009 Beweis für ihre nicht näher substantiierte Behaup-
tung angetreten.
36
Entgegen der Auffassung der Revision ergibt sich die Billigkeit der von
der Beklagten vorgenommenen Entgeltbestimmung auch nicht aus den von ihr
veröffentlichten Gewinn- und Verlustrechnungen, Bilanzen und Lageberichten
über den Geschäftsverlauf. Hieraus lässt sich nicht ersehen, inwiefern das ge-
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- 16 -
forderte Netzentgelt zur Deckung der Kosten des Netzbetriebs und zur Erzie-
lung eines im vertretbaren Rahmen bleibenden Gewinns dient. Insoweit rügt die
Beklagte auch ohne Erfolg, das Berufungsgericht habe sie gemäß § 139 ZPO
darauf hinweisen müssen, dass es die veröffentlichten Daten zur Substantiie-
rung ihres Vorbringens für unzureichend hält. Diese Rüge hat der Senat ge-
prüft, jedoch nicht für durchgreifend erachtet. Von der Wiedergabe der Gründe
wird gemäß § 564 ZPO abgesehen.
5. Das Berufungsgericht hat auch in revisionsrechtlich nicht zu beanstan-
dender Weise das angemessene Netznutzungsentgelt auf 84 % der von der
Beklagten berechneten Preise festgesetzt.
38
a) Die richterliche Ersatzleistungsbestimmung nach § 315 Abs. 3 BGB ist
eine Ermessensentscheidung, die das Gericht auf der Grundlage des Vorbrin-
gens der Parteien zu treffen hat. Die tatrichterlichen Ausführungen zur Anwen-
dung des § 315 Abs. 3 BGB im konkreten Fall können vom Revisionsgericht nur
darauf überprüft werden, ob das Berufungsgericht den Begriff der Billigkeit ver-
kannt, ob es die gesetzlichen Grenzen seines Ermessens überschritten oder
von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechen-
den Weise Gebrauch gemacht hat und ob es von einem rechtlich unzutreffen-
den Ansatz ausgegangen ist, der ihm den Zugang zu einer fehlerfreien Ermes-
sensausübung versperrt hat (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 10. Oktober 1991
- III ZR 100/90, BGHZ 115, 311, 321, vom 13. Juni 2007 - VIII ZR 36/06, BGHZ
172, 315 Rn. 20 und vom 19. November 2008 - VIII ZR 138/07, BGHZ 178, 362
Rn. 28, jeweils mwN). Derartige Fehler zeigt die Revision nicht auf.
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b) Mangels Offenlegung der Kalkulation konnte das Berufungsgericht
seiner Ermessensentscheidung keine der Beklagten für ihren Netzbetrieb anfal-
lenden unternehmensspezifischen Kosten und keine konkrete Gewinnspanne
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- 17 -
zugrunde legen. Aufgrund dessen ist es nicht zu beanstanden, dass das Beru-
fungsgericht auf einen Vergleich mit den Kürzungen der Netznutzungsentgelte
durch die Bundesnetzagentur abgestellt hat, die diese in den auf der Grundlage
einer kostenorientierten Entgeltbildung durchgeführten Genehmigungsverfahren
nach Inkrafttreten des Energiewirtschaftsgesetzes 2005 vorgenommen hat.
aa) Die Kürzungen der Regulierungsbehörden im Rahmen der Entgelt-
genehmigungsverfahren sind taugliche Vergleichsparameter.
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Wie bereits das Energiewirtschaftsgesetz 1998 bezweckt auch das Ener-
giewirtschaftsgesetz 2005 eine möglichst sichere, preisgünstige, verbraucher-
freundliche, effiziente und umweltverträgliche leitungsgebundene Versorgung
der Allgemeinheit mit Strom und Gas (§ 1 Abs. 1 EnWG 2005). Die Entgelte für
den Netzzugang müssen unter anderem angemessen sein (§ 22 Abs. 1 EnWG
2005) und dürfen keine Kosten oder Kostenbestandteile enthalten, die sich ih-
rem Umfang nach im Wettbewerb nicht einstellen würden (§ 22 Abs. 2 Satz 2
EnWG 2005). Die Ermittlung der Kosten und der Netzentgelte im Rahmen der
Genehmigungsverfahren für das Restjahr 2005 und das Jahr 2006 erfolgte auf
der Basis der Daten des letzten abgeschlossenen Geschäftsjahres (§ 3 Abs. 1
Satz 5 StromNEV), so dass im Hinblick auf die Antragsfrist des § 118 Abs. 1b
Satz 1 EnWG in der Fassung des Gesetzes vom 7. Juli 2005 (BGBl. I S. 1970)
die Daten des Jahres 2004 maßgeblich waren.
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Aufgrund dessen ist die Verwertung der Ergebnisse der unmittelbar nach
Inkrafttreten des Energiewirtschaftsgesetzes 2005 und der Stromnetzentgelt-
verordnung durchgeführten Genehmigungsverfahren auch im Hinblick auf den
maßgeblichen Zeitraum nicht ermessensfehlerhaft. Den Genehmigungsverfah-
ren lagen die Unternehmensdaten des Jahres 2004 zugrunde. Diese sind für
die Billigkeitskontrolle der Entgeltabrechnungen 2003 und 2004 brauchbar. Für
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das Jahr 2004 liegt dies auf der Hand. Ob für das Vorjahr die Kosten der Be-
klagten in absoluten Beträgen inflationsbedingt niedriger waren, bedurfte keiner
näheren Aufklärung, weil das Berufungsgericht die von der Beklagten verlang-
ten Entgelte prozentual gekürzt und damit die - von der Revision nicht bean-
standete - Einschätzung zugrunde gelegt hat, dass die Preisüberhöhung in bei-
den Jahren verhältnismäßig gleich war.
bb) Es begegnet auch keinen durchgreifenden Bedenken, dass die Ver-
gleichsbasis recht schmal ist, weil das Berufungsgericht seiner Entgeltbestim-
mung lediglich die von der Klägerin - zur Darlegung des Mindestausmaßes der
Entgeltüberhöhung - vorgelegten Pressemitteilungen der Bundesnetzagentur
über die Ergebnisse einzelner Genehmigungsverfahren zugrunde gelegt hat.
Die Beklagte hat dagegen weder begründete Einwendungen erhoben noch - ihr
günstigere - Vergleichswerte anderer Netzbetreiber vorgetragen. Das Beru-
fungsgericht hatte aus seiner Sicht keinen Anlass, eine Verbreiterung der Ver-
gleichsbasis zu verlangen. Es hat in der von den Parteien vorgebrachten Da-
tenbasis eine tragfähige Grundlage für seine Ermessensentscheidung gesehen.
Dagegen ist revisionsrechtlich nichts zu erinnern.
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cc) Entgegen der Revision ist auch die vom Berufungsgericht vorge-
nommene Kürzung der Höhe nach nicht zu beanstanden. Die Ermessensent-
scheidung ist rechtsfehlerfrei getroffen worden. Fehler, die insoweit beachtlich
wären, zeigt die Revision der Beklagten nicht auf.
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Die zum Vergleich herangezogenen Nutzungsentgelte sind von der Bun-
desnetzagentur im Einzelnen aufgrund der Kalkulation der Netzbetreiber kon-
kret überprüft worden. Das Berufungsgericht hat seiner Ermessensentschei-
dung die Kürzungen bei regionalen oder lokalen Netzbetreibern zugrunde ge-
legt. Dies begegnet keinen Bedenken, weil es sich auch bei der Beklagten um
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einen solchen Netzbetreiber handelt. Durch die Verwendung des Durchschnitts-
wertes der von der Regulierungsbehörde ermittelten prozentualen Kürzungsbe-
träge hat das Berufungsgericht den aus seiner Sicht bestehenden Unsicherhei-
ten der schmalen Vergleichsbasis Rechnung getragen. Im Hinblick darauf, dass
die Beklagte ein lokales Netz betreibt, ist auch die tatrichterliche Würdigung,
von Zu- oder Abschlägen aufgrund einer - hier nicht gegebenen - anderen Un-
ternehmensgröße abzusehen, revisionsrechtlich unbedenklich.
6. Schließlich hat die Revision auch keinen Erfolg, soweit sie sich gegen
die Annahme des Berufungsgerichts wendet, die Klägerin habe alle Rechnun-
gen der Beklagten für die Jahre 2003 und 2004 bezahlt.
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Das Berufungsgericht ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass der
Sachvortrag der Klägerin zu ihren Zahlungen den Anforderungen an eine
schlüssige Darlegung dessen, was die Beklagte von ihr erlangt hat, als Grund-
lage des Herausgabeanspruchs nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB genügt.
Da die Beklagte die Rechnungen erstellt hat, bedurfte es insoweit keines nähe-
ren Vorbringens der Klägerin, solange die Beklagte die Bezahlung einzelner
Rechnungen nicht konkret bestritt. Ein solches Bestreiten liegt nicht vor. Die
Beklagte hat lediglich die Zuordnung der von ihr für die jeweiligen Verbrauchs-
jahre erstellten Rechnungen zu den von der Klägerin für das jeweilige Kalen-
derjahr hochgerechneten Netzentgelten für nicht nachvollziehbar gehalten. Die
Bezahlung der von ihr erstellten Rechnungen als solche hat sie indes nicht in
Abrede gestellt. Im Gegenteil hat sie in Zusammenhang mit der Frage der Ver-
wirkung - zuletzt in der Revisionsverhandlung - vorgetragen, die Klägerin habe
die Rechnungen (vorbehaltlos) bezahlt.
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B. Revision der Klägerin
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Die Revision der Klägerin ist ebenfalls unbegründet.
Nach den obigen Ausführungen zu II. A. 5. hat das Berufungsgericht in
revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise das angemessene Netznut-
zungsentgelt auf 84 % der von der Beklagten berechneten Preise festgesetzt.
Entgegen der Auffassung der Revision hat die Feststellung der Unbilligkeit der
Entgeltbestimmung der Beklagten nicht zur Folge, dass die Klägerin ohne wei-
teres die von der Beklagten erlangten Entgeltzahlungen für die Jahre 2003 und
2004 in Höhe des von ihr als Überteuerung um mindestens 30 % angegebenen
Betrages oder sogar in voller Höhe herausverlangen kann. Hiergegen spricht
die Regelung in § 315 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 2 BGB, nach der das Gericht
selbst im Falle einer unterbliebenen Leistungsbestimmung durch den Bestim-
mungsberechtigten auf der Grundlage des Vorbringens der Parteien eine Er-
satzleistungsbestimmung treffen kann. Dies ist hier auf den Antrag der Klägerin
erfolgt. Dabei handelt es sich um eine richterliche Ermessensentscheidung, die
- wie bereits oben unter II. A. 5. ausgeführt worden ist - nur eingeschränkt
überprüft werden kann. Fehler, die insoweit beachtlich wären, zeigt die Revision
der Klägerin nicht auf. Dass im Hinblick auf die Darlegungs- und Beweislast der
Beklagten für die Billigkeit der von ihr verlangten Entgelte möglicherweise auch
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eine Ausschöpfung des von der Bundesnetzagentur mitgeteilten Rahmens der
Entgeltkürzungen nach oben vertretbar gewesen wäre, kann einen Rechtsfehler
der Ermessensentscheidung des Berufungsgerichts nicht begründen.
Tolksdorf Meier-Beck Bergmann
Strohn
Grüneberg
Vorinstanzen:
LG Nürnberg-Fürth, Entscheidung vom 13.06.2008 - 4 HKO 10427/06 -
OLG Nürnberg, Entscheidung vom 26.05.2009 - 1 U 1427/08 -