Urteil des BGH vom 24.03.2011
BGH: verwalter, vergütung, sicherheit, erfahrung, massekosten, unterliegen, vorschuss, deckung
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
IX ZB 67/10
vom
24. März 2011
in dem Insolvenzverfahren
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Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Prof. Dr. Kayser, die Richter Raebel, Vill, die Richterin Lohmann und den Rich-
ter Dr. Pape
am 24. März 2011
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 1. Zivilkammer
des Landgerichts Dessau-Roßlau vom 10. März 2010 wird auf
Kosten der Schuldnerin als unzulässig verworfen.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 5.000 € fest-
gesetzt.
Gründe:
I.
Am 4. Dezember 2008 beantragte die Schuldnerin die Eröffnung des In-
solvenzverfahrens über ihr Vermögen. Der weitere Beteiligte wurde zunächst
mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. Er kam zu dem Ergebnis, dass
die Schuldnerin sowohl überschuldet als auch zahlungsunfähig war und dass
die Kosten des Insolvenzverfahrens gedeckt waren. Am 12. Februar 2009 wur-
de das Insolvenzverfahren eröffnet und der weitere Beteiligte (fortan: Verwalter)
zum Insolvenzverwalter bestellt.
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Am 4. Mai 2009 beantragte die Schuldnerin die Einstellung des Insol-
venzverfahrens, weil alle Gläubiger, die Forderungen angemeldet hätten, be-
friedigt worden seien. Der Verwalter bestätigte dies, wies aber darauf hin, dass
die Kosten des Insolvenzverfahrens von etwa 20.000 € aus der liquiden Masse
nicht berichtigt werden könnten. Das Insolvenzgericht forderte daraufhin den
Verwalter auf, seine Kosten abzurechnen. Die Schuldnerin beanstandete die
Höhe der veranschlagten Kosten und erklärte, sie könne nur etwa 3.500 € auf-
bringen.
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Am 14. August 2009 hat der Verwalter beantragt, Kosten in Höhe von
insgesamt 13.702,40 € festzusetzen. Die Schuldnerin ist dem Antrag entgegen
getreten. Mit Beschluss vom 21. Dezember 2009 hat das Insolvenzgericht ge-
mäß § 9 InsVV einen Vorschuss in Höhe von 4.830,17 € zuzüglich Umsatz-
steuer auf die Vergütung und in Höhe von 724,53 € zuzüglich Umsatzsteuer auf
die Auslagen festgesetzt. Mit Beschluss vom selben Tag ist der Antrag auf Ein-
stellung des Insolvenzverfahrens zurückgewiesen worden. Die sofortige Be-
schwerde der Schuldnerin gegen die Festsetzung des Vorschusses ist als un-
zulässig verworfen worden. Mit ihrer Rechtsbeschwerde will die Schuldnerin die
Aufhebung der Beschlüsse der Vorinstanzen erreichen.
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II.
Die Rechtsbeschwerde ist nicht statthaft (§§ 6, 7 InsO, § 574 Abs. 1
Satz 1 ZPO).
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1. Eine Rechtsbeschwerde ist nur dann statthaft, wenn bereits das
Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde nach § 6 Abs. 1 InsO eröffnet war
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(BGH, Beschluss vom 16. März 2000 - IX ZB 2/00, BGHZ 144, 78, 82; vom
18. September 2003 - IX ZB 75/03, ZIP 2003, 2123 f; vom 7. Oktober 2004
- IX ZB 128/03, ZIP 2004, 2341; vom 14. Dezember 2005 - IX ZB 54/04, NZI
2006, 239; vom 5. Februar 2009 - IX ZB 187/08, NZI 2009, 238 Rn. 2). Das war
hier nicht der Fall. Gemäß § 6 Abs. 1 InsO unterliegen die Entscheidungen des
Insolvenzgerichts nur in denjenigen Fällen der sofortigen Beschwerde, in denen
die Insolvenzordnung die sofortige Beschwerde vorsieht. Die Festsetzung der
Vergütung und der zu erstattenden Auslagen des Insolvenzverwalters kann
gemäß § 64 Abs. 3 InsO mit der sofortigen Beschwerde angefochten werden.
Für eine Vorschussanordnung nach § 9 InsVV gilt dies jedoch nicht, wie der
Senat bereits mit Beschluss vom 1. Oktober 2002 entschieden hat (IX ZB
53/02, ZIP 2002, 2223, 2224). An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest.
2. Die Rechtsbeschwerde zieht diesen Grundsatz nicht in Zweifel. Sie
meint jedoch, die Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde und damit der
Rechtsbeschwerde folge daraus, dass in der Bewilligung des Vorschusses zu-
gleich die Ablehnung der abschließenden Festsetzung der Verwaltervergütung
liege. Diese Entscheidung beschwere die Schuldnerin, weil sie vor der ab-
schließenden Festsetzung der Verwaltervergütung diese nicht begleichen und
damit ihr Ziel der Einstellung des Insolvenzverfahrens nach § 213 InsO nicht
erreichen können. Dies trifft indes nicht zu. Das Insolvenzgericht hat bisher kei-
ne Entscheidung über die endgültige Vergütung des Verwalters getroffen. Die
Vorschussanordnung besagt nicht, dass keine Festsetzung der Vergütung er-
folgen kann oder erfolgen wird; auch hinsichtlich der Höhe der endgültigen Ver-
gütung bindet sie das Insolvenzgericht nicht. Deren Festsetzung ist erst mög-
lich, wenn weitere Bemühungen des Insolvenzverwalters, Deckung für die Mas-
sekosten zu schaffen, abgeschlossen sind. Die von der Schuldnerin beantragte
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Aufhebung der Vorschussanordnung ist ungeeignet, ihr Ziel - die Festsetzung
der Verwaltervergütung in der von ihr für richtig gehaltenen Höhe - zu erreichen.
3. Ob der Schuldner, der eine Aufhebung des Insolvenzverfahrens ge-
mäß § 213 InsO beantragt, zugleich die Festsetzung der Verwaltervergütung
beantragen (vgl. aber § 8 Abs. 1 Satz 1 InsVV) und notfalls mit der sofortigen
Beschwerde nach § 64 Abs. 3 InsO durchsetzen kann, bedarf im vorliegenden
Fall keiner Entscheidung. Nach § 214 Abs. 3 InsO hat der Insolvenzverwalter
zwar vor der Einstellung die unstreitigen Masseansprüche zu berichtigen und
für die streitigen Sicherheit zu leisten. Zu den Masseansprüchen gehören die
Gerichtskosten sowie die Kosten des Insolvenzverfahrens (§§ 53, 54 InsO),
deren Höhe erst mit der (rechtskräftigen) Festsetzung der Verwaltervergütung
endgültig feststeht. Reicht die Masse hierzu nicht aus, kann und will der
Schuldner sich die erforderlichen Mittel aber von dritter Seite beschaffen, sollte
er in Erfahrung bringen können, wie hoch der fehlende Betrag ist, damit die Si-
cherheit geleistet und das Verfahren aufgehoben werden kann. Im vorliegenden
Fall hat der Verwalter jedoch auf entsprechende Aufforderung des Insolvenzge-
richts hin einen Vergütungsantrag gestellt; die Schuldnerin hat Gelegenheit zur
Stellungnahme erhalten. Nachdem die Schuldnerin dann erklärt hatte, zur Leis-
tung eines Vorschusses in der erforderlichen Höhe weder bereit noch in der
Lage zu sein, und die liquide Masse nicht einmal die Gerichtskosten deckte,
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stand fest, dass das Verfahren nicht eingestellt werden würde. Dann wiederum
konnte auch die Verwaltervergütung noch nicht festgesetzt werden (vgl. § 8
Abs. 1 Satz 3 InsVV, § 66 InsO).
Kayser Raebel Vill
Lohmann
Pape
Vorinstanzen:
AG Dessau, Entscheidung vom 21.12.2009 - 2 IN 522/08 -
LG Dessau-Roßlau, Entscheidung vom 10.03.2010 - 1 T 21/10 -