Urteil des BGH vom 04.06.2013
BGH: wiederaufnahme des verfahrens, vorläufige einstellung, anklageschrift, bezifferung, gesamtstrafe, schusswaffe, anhörung
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 192/13
vom
4. Juni 2013
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundes-
anwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 4. Juni 2013 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Land-
gerichts Magdeburg vom 4. Januar 2013
a) mit den Feststellungen aufgehoben,
aa) in den Fällen II. 3 bis II. 6 der Urteilsgründe; das
Verfahren wird insoweit eingestellt. Im Umfang der
Einstellung werden die Kosten des Verfahrens und
die notwendigen Auslagen des Angeklagten der
Staatskasse auferlegt,
bb) im Ausspruch über die Gesamtstrafe,
b) im Schuldspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte
des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln
in nicht geringer Menge in vier Fällen schuldig ist, davon
in einem Fall unter Mitsichführen einer Schusswaffe.
2. Im Umfang der Aufhebung gemäß 1. a) bb) wird die Sache
zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die ver-
bleibenden Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Straf-
kammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
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Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltrei-
bens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in acht Fällen, davon in
einem Fall unter Mitsichführen einer Schusswaffe, zu einer Gesamtfreiheitsstra-
fe von sechs Jahren verurteilt.
Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen
Rechts rügt, hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übri-
gen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
I.
1. Das Verfahren in den Fällen II. 3 bis II. 6 der Urteilsgründe ist einzu-
stellen.
Dazu hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 8. Mai
2013 Folgendes ausgeführt:
„Die Revision ist teilweise begründet, da bezüglich der Fälle II. 3. bis 6.
ein von Amts wegen zu beachtendes Verfahrenshindernis vorliegt, das
zur Teileinstellung gemäß § 260 Abs. 3 StPO - und damit verbunden
auch zu einer Änderung des Schuldspruchs - führt. Hinsichtlich dieser
Fälle (Ziffern 9. bis 16. der Anklageschrift vom 26. September 2012) hat
das Landgericht durch Beschluss auf Antrag der Staatsanwaltschaft das
Verfahren in der Hauptverhandlung vom 04. Januar 2013 vorläufig ge-
mäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt (Bd. V, Bl. 84 d.A.).
In der Anklageschrift vom 26. September 2012 hatte die Staatsanwalt-
schaft dem Angeklagten unter den Ziffern 1. bis 18. zur Last gelegt, in
den Monaten von März 2011 bis November 2011 dem gesondert verfolg-
ten B. 2 Mal im Monat Betäubungsmittel, deren Art und
Mengen genauer bezeichnet sind, verkauft zu haben (Bd. IV, Bl. 87 d.A.).
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Die Anklage geht bei der vorgenommenen Bezifferung ersichtlich von
einer - einzig auch sinnvollen - chronologischen Reihenfolge aus. So
werden etwa die Verkäufe im November 2011 ausdrücklich als Taten 17.
und 18. bezeichnet.
Die nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellten Taten, Ziffer 9. bis 16. der An-
klageschrift, betreffen daher die Betäubungsmittelverkäufe in den Mona-
ten Juli, August, September und Oktober 2011. Dass die Strafkammer
abweichend von der Chronologie der Anklage andere Taten hat einstel-
len wollen, ist weder den Urteilsgründen noch dem Protokoll der Haupt-
verhandlung zu entnehmen. Einer solchen Annahme widerspricht auch
der am gleichen Tag erfolgte Antrag der Staatsanwaltschaft nach § 258
Abs. 1 StPO, der ausdrücklich auf die Bezifferung der Anklageschrift Be-
zug genommen hat (Bd. V, Bl. 84 d.A.). Daher steht der erfolgten Verur-
teilung in den Fällen II. 3. bis 6. der Urteilsgründe die vorläufige Einstel-
lung nach § 154 Abs. 2 StPO, die mangels Wiederaufnahme des Ver-
fahrens nach wie vor in Kraft ist, entgegen. Dies führt zur Teileinstellung
des dem Beschluss vom 04. Januar 2013 nachfolgenden Verfahrens
gemäß § 260 Abs. 3 StPO (vgl. Senat; Beschluss vom 27. April 2000,
4 StR 85/00; BGH, Beschluss vom 13. November 2003, 3 StR 359/03).
Das Urteil ist im Gesamtstrafenausspruch aufzuheben, da die Einzelstra-
fen für die Fälle II. 3. bis 6. aufgrund der vorzunehmenden Teileinstellung
des Verfahrens entfallen. Trotz der nur sehr geringfügig über der Ein-
satzstrafe von 5 Jahren und 6 Monaten liegenden Gesamtstrafe, ist nicht
auszuschließen, dass die Strafkammer bei Berücksichtigung der erfolg-
ten vorläufigen Einstellung nach § 154 Abs. 2 StPO von vier der acht
verurteilten Taten eine noch geringere Gesamtfreiheitsstrafe ausgespro-
chen hätte.“
Dem schließt sich der Senat an.
2. Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils auf Grund der Sachrüge
hat im Übrigen keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
Ergänzend zu den Ausführungen des Generalbundesanwalts bemerkt
der Senat, dass die Erwägung der Strafkammer, zu Lasten des Angeklagten
sei im Fall II. 8 der Urteilsgründe das Vorhandensein einer scharfen Schuss-
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waffe zu berücksichtigen, im Hinblick auf § 46 Abs. 3 StGB keinen durchgrei-
fenden rechtlichen Bedenken begegnet (vgl. Senatsurteil vom 11. April 2002
– 4 StR 537/01, NStZ 2002, 480 zu § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB).
II.
Die Sache bedarf daher zum Gesamtstrafenausspruch neuer Verhand-
lung und Entscheidung.
Infolge der Aufhebung und Zurückverweisung ist die sofortige Beschwer-
de des Angeklagten gegen die Kostenentscheidung erledigt.
Zur fortbestehenden Anhängigkeit eines Teils der Tatvorwürfe beim
Landgericht verweist der Senat auf Ziff. 4 der Zuschrift des Generalbundesan-
walts sowie auf sein Urteil vom 17. August 2000
– 4 StR 245/00, BGHSt 46,
130, 138).
Mutzbauer
Cierniak
Franke
Bender
Quentin
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