Urteil des BGH vom 17.06.2004

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VII ZR 75/03
Verkündet am:
17. Juni 2004
Seelinger-Schardt,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ:
nein
AGBG § 5; VOB/C DIN 18299 Abschnitt 5; DIN 18332 Abschnitt 5
a) Die Abrechnungsregelungen der VOB/C: Allgemeine Technische Vertragsbedin-
gungen für Bauleistungen sind Allgemeine Geschäftsbedingungen (hier DIN
18299 Abschnitt 5 und DIN 18332 Abschnitt 5).
b) Bei der Auslegung der Allgemeinen Technischen Vertragsbedingungen kommt der
Verkehrssitte maßgebliche Bedeutung zu, wenn Wortlaut und Sinn der Regelung
nicht zu einem eindeutigen Ergebnis führen. Kommentierungen der VOB/C sind
grundsätzlich keine geeignete Hilfe zu deren Auslegung.
c) Aus Wortlaut und Sinn der Allgemeinen Technischen Vertragsbedingungen läßt
sich nicht eindeutig entnehmen, ob DIN 18332 Naturwerksteinarbeiten auch dann
Anwendung findet, wenn Wärmedämmarbeiten für eine Natursteinfassade isoliert
in Auftrag gegeben werden.
ZPO §§ 286 B, 404
a) Auf welcher vertraglichen Grundlage das Aufmaß zu nehmen ist, ist eine Rechts-
frage und daher einer Begutachtung durch einen Bausachverständigen nicht zu-
gänglich.
b) Die Ermittlung, ob eine Verkehrssitte besteht, kann dem Gutachter übertragen
werden.
BGH, Urteil vom 17. Juni 2004 - VII ZR 75/03 - OLG Stuttgart
LG Stuttgart
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Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 17. Juni 2004 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Dressler und die Richter
Prof. Dr. Thode, Hausmann, Dr. Wiebel und Prof. Dr. Kniffka
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 13. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 13. Februar 2003 aufgeho-
ben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurück-
verwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin verlangt von der Beklagten restlichen Werklohn für Dämm-
arbeiten.
Die Beklagte wurde mit der Errichtung einer Natursteinfassade beauf-
tragt. Sie schloß mit der Klägerin als Nachunternehmerin auf der Grundlage
eines gesondert angefertigten Leistungsverzeichnisses einen Einheitspreisver-
trag über die Erstellung der Wärmedämmung. Die VOB/B wurde vereinbart. Die
Leistungen der Klägerin sind fertig gestellt. Die Schlußrechnung der Klägerin
hat die Beklagte gekürzt, weil sie der Auffassung ist, das Aufmaß für die Wär-
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medämmung müsse auf der Grundlage der DIN 18299 Abschnitt 5 nach den
Flächen der Wärmedämmung erstellt werden. Die Klägerin ist demgegenüber
der Auffassung, das Aufmaß sei auf der Grundlage der DIN 18332 Abschnitt
5.1.1.3 nach den Außenmaßen der Fassadenbekleidung zu nehmen.
Die auf Zahlung von 19.612,57 € gerichtete Klage hatte in beiden Instan-
zen Erfolg. Die Beklagte verfolgt mit der vom Berufungsgericht zugelassenen
Revision ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Beru-
fungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
Auf das Schuldverhältnis finden die bis zum 31. Dezember 2001 gelten-
den Gesetze Anwendung (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB).
I.
Das Berufungsgericht ist der Auffassung, die Klägerin dürfe die Wärme-
dämmarbeiten nach DIN 18332 Abschnitt 5.1.1.3 abrechnen. Die DIN-Normen
neuester Fassung und die VOB/B und damit auch die Allgemeinen Technischen
Bedingungen für Bauleistungen seien zum Gegenstand des Vertrages gemacht
worden. Die vom Sachverständigen geteilte Auffassung des Landgerichts, die
Wärmedämmarbeiten könnten auch dann nach der DIN 18332 abgerechnet
werden, wenn sie isoliert beauftragt würden, scheine richtig. Der Wortlaut des
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Abschnitts 5.1.1.3, wonach bei Fassaden die Maße der Bekleidung zugrunde zu
legen seien, lasse diese Auslegung zu. Denn zur Fassade gehörten auch die
erforderlichen Nebenleistungen. Einigkeit bestehe darüber, daß die Dämmar-
beiten jedenfalls dann nach dem Maße der Bekleidung abzurechnen seien,
wenn sie gemeinsam mit den Natursteinarbeiten in Auftrag gegeben würden.
Das mache einen Sinn, weil die Abrechnung dadurch vereinfacht werde. Dieser
Zweck greife auch bei einer isolierten Beauftragung. Es könne nicht beabsich-
tigtes Ziel der Norm sein, dem Unternehmer eine komplizierte und aufwändige-
re Art der Abrechnung aufzuerlegen, der nur einen Ausschnitt aus der Gesamt-
leistung mit geringeren wirtschaftlichen Möglichkeiten zu erbringen habe.
Der Einholung eines Obergutachtens bedürfe es nicht. Es bestehe kein
Anlaß, der Frage nachzugehen, ob ein Brauch oder ein Gewohnheitsrecht be-
stehe, nach DIN 18332 abzurechnen. Soweit der Privatgutachter K.
DIN 18332 Abschnitt 5.1.1.1. anwenden wolle, überzeuge das nicht, weil Ab-
schnitt 5.1.1.3. auch nach dessen Auffassung für Fassadenarbeiten spezieller
sei.
II.
Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
1. Ohne Rechtsfehler geht das Berufungsgericht davon aus, daß die
VOB/B in den Vertrag einbezogen worden ist. Damit sind die Allgemeinen
Technischen Vertragsbedingungen für Bauleistungen (ATV) Vertragsbestand-
teil, § 1 Nr. 1 Satz 2 VOB/B.
2. Die ATV sind im Teil C der Vergabe- und Vertragsordnung für Baulei-
stungen zusammengefaßt. Sie bestehen aus Allgemeinen Regelungen für Bau-
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arbeiten jeder Art und aus Regelungen für spezifische Gewerke. Außerdem füh-
ren sie eine DIN-Bezeichnung mit der Benennung des jeweiligen Gewerkes.
DIN 18299 enthält die Regelungen für Bauarbeiten jeder Art. Die DIN 18300 ff.
enthalten die gewerkespezifischen Regelungen. Sowohl die DIN 18299 als
auch die DIN 18300 ff. enthalten in ihrem fünften Abschnitt Regelungen zur Ab-
rechnung.
3. Das Berufungsgericht hat einen Handelsbrauch, § 346 HGB, oder eine
allgemeine Verkehrssitte, § 157 BGB, wonach die Abrechnung der Wärme-
dämmung auch ohne Einbeziehung der ATV nach den Maßen der Außenbe-
kleidung erfolgt, nicht festgestellt (vgl. BGH, Urteil vom 2. Juli 1980 - VIII ZR
178/79, WM 1980, 1122). Es stützt sein Ergebnis vielmehr allein auf die Ausle-
gung der in den Vertrag einbezogenen ATV.
4. Nach § 2 Nr. 2 VOB/B wird die Vergütung nach den vertraglichen Ein-
heitspreisen und den tatsächlich ausgeführten Leistungen berechnet. Nach der
allgemeinen Regelung der DIN 18299 Abschnitt 5 ist die tatsächlich ausgeführte
Leistung aus Zeichnungen zu ermitteln, soweit die ausgeführte Leistung diesen
Zeichnungen entspricht. Sind solche Zeichnungen nicht vorhanden, ist die Lei-
stung aufzumessen. Diese Abrechnungsregel ist anwendbar, wenn die nachfol-
genden gewerkespezifischen ATV keine besondere Regelung für die Abrech-
nung der Wärmedämmarbeiten vorsehen.
Die Klägerin beruft sich auf die Regelung in DIN 18332 Naturwerkstein-
arbeiten Abschnitt 5.1.1.3. Danach sind bei der Ermittlung der Leistung, gleich-
gültig, ob sie nach Zeichnung oder nach Aufmaß erfolgt, bei Fassaden die Ma-
ße der Bekleidung zugrunde zu legen. Abschnitt 5.1.1.1 sieht vor, daß bei In-
nenbekleidungen…, Dämmschichten,… die Maße der zu bekleidenden Fläche
zugrunde zu legen sind.
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5. Die Auslegung des Berufungsgerichts ist rechtsfehlerhaft. Sie läßt das
objektive Verständnis der beteiligten Verkehrskreise zu Unrecht außer Acht.
a) Die Abrechnungsregelungen der ATV enthalten vertragsrechtliche Re-
gelungen. Sie nehmen Einfluß auf die Art der Abrechnung, § 14 Nr. 2 Satz 2
VOB/B. Damit bestimmen sie auch den Preis für die erbrachte Leistung. Sie
sind wegen ihrer vertragsrechtlichen Bedeutung Allgemeine Geschäftsbedin-
gungen (Beck´scher VOB-Komm. Teil C/Motzke, Syst IV Rdn. 105 und Vogel,
Syst V Rdn. 17 sowie Kuffer, Syst VII Rdn. 17; Kapellmann/Schiffers, Vergü-
tung, Nachträge und Behinderungsfolgen beim Bauvertrag, Band 1, 4. Aufl.,
Rdn. 146; Grauvogl, Jahrbuch Baurecht 1998, 315, 331). Die Auslegung der
Abrechnungsregelungen hat nach Grundsätzen zu erfolgen, die die Rechtspre-
chung zur Auslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen entwickelt hat.
b) Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach objektiven Maßstäben
so auszulegen, wie an den geregelten Geschäften typischerweise beteiligte
Verkehrskreise sie verstehen können und müssen (BGH, Urteil vom 23. März
2004 - XI ZR 14/03 m.w.N., zur Veröffentlichung vorgesehen). Dabei kann eine
Differenzierung nach unterschiedlichen Verkehrskreisen geboten sein (Ulmer in
Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG, 9. Aufl., § 5 Rdn. 16 mit Nachweisen zur
Rechtsprechung). Werden die ATV in Verträgen zwischen Bauunternehmern
vereinbart, so ist das den Wortlaut sowie den Sinn und Zweck der Regelung
berücksichtigende, redliche Verständnis der Vertragspartner des Baugewerbes
maßgebend.
c) Die Ausführungen des Berufungsgerichts lassen nicht erkennen, daß
es von dieser Auslegungsregel ausgegangen ist. Vielmehr orientiert sich das
Berufungsgericht in erster Linie an der persönlichen Auffassung eines Sachver-
ständigen.
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aa) Zutreffend geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, daß sich
aus dem Wortlaut der ATV nicht eindeutig entnehmen läßt, ob die DIN 18332
anwendbar ist, wenn Wärmedämmarbeiten isoliert beauftragt werden. Die DIN
18332 betrifft nach ihrer Benennung Natursteinarbeiten. Dämmarbeiten sind
keine Natursteinarbeiten. Andererseits enthält die DIN 18332 Regelungen zur
Dämmung im Zusammenhang mit Natursteinarbeiten, sowohl hinsichtlich der
Stoffe (2.4) als auch hinsichtlich der Ausführung (3.5). Danach ist es nach dem
Wortlaut der ATV nicht ausgeschlossen, daß die DIN 18332 auch für Dämmar-
beiten als Grundlage von Natursteinarbeiten anwendbar ist, wenn diese isoliert
vergeben werden.
bb) Aus Sinn und Zweck der Abrechnungsregel der DIN 18332 Abschnitt
5.1.1.3 läßt sich nichts Entscheidendes herleiten. Allein das Interesse an einer
vereinfachten Abrechnung, wie sie DIN 18332 Abschnitt 5.1.1.3 vorsieht, recht-
fertigt nicht die Anwendbarkeit der DIN 18332.
cc) Bei der Auslegung der ATV kommt der Verkehrssitte jedenfalls dann
eine maßgebliche Bedeutung zu, wenn die ATV in ihrem Wortlaut nicht eindeu-
tig ist und auch der Sinn und Zweck der Regelung einen eindeutigen Rege-
lungsgehalt nicht erkennen läßt. Beide Parteien haben behauptet, die von ihnen
favorisierte Abrechnung sei in der Natursteinbranche verkehrsüblich. Sie haben
damit auch behauptet, daß im Baugewerbe die ATV in dem jeweils von ihnen
vertretenen Sinn verstanden werden. Das Berufungsgericht durfte diese Be-
hauptungen nicht unberücksichtigt lassen.
Das Landgericht hat darüber Beweis erhoben, ob die Schlußrechnung
der Klägerin prüffähig und sachlich richtig ist. Das Berufungsgericht hat lediglich
ergänzende Stellungnahmen eingeholt. Diese Beweiserhebung ist verfahrens-
fehlerhaft. Die von den Parteien aufgeworfene Frage, auf welcher vertraglichen
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Grundlage das Aufmaß zu nehmen ist, ist eine Rechtsfrage. Diese Rechtsfrage
ist einer Begutachtung durch einen Bausachverständigen nicht zugänglich.
Die Vorgerichte wären nicht gehindert gewesen, zur Ermittlung der not-
wendigen tatsächlichen Grundlagen für die von ihnen vorzunehmende Ausle-
gung der ATV Beweis darüber zu erheben, wie die herangezogenen ATV im
Baugewerbe verstanden werden. Diese Beweisfrage kann auch durch ein Gut-
achten eines Bausachverständigen beantwortet werden (vgl. BGH, Urteil vom
9. Februar 1995 – VII ZR 143/93, BauR 1995, 538 = ZfBR 1995, 191). Der Gut-
achter muß die Beweisfrage frei von nicht belegbaren Wertungen beantworten
und darlegen, auf welcher Grundlage er der Auffassung ist, daß ATV im Bau-
gewerbe in einem bestimmten Sinne verstanden werden. Dazu muß er, wenn
nicht bereits Stellungnahmen der beteiligten Verkehrskreise oder z.B. der Indu-
strie- und Handelskammer sowie der Handwerkskammern vorliegen, in geeig-
netem Umfang Erkundigungen einholen und diese Quellen offen legen. Eine
Kommentierung der VOB/C in der Literatur, wie sie z.B. von Franz in Dame-
rau/Tauterat, VOB im Bild, Hochbau- und Ausbauarbeiten, vorgenommen wird,
ist grundsätzlich nicht maßgebend für das objektive Verständnis der ATV. Sie
ist nur dann eine geeignete Hilfe für deren Auslegung, wenn sie vom Bauge-
werbe als maßgebliche Darstellung akzeptiert wird und deshalb das objektive
Verständnis der ATV wiedergibt.
d) Der Senat ist auf der Grundlage der bisherigen Beweiserhebung nicht
in der Lage, selbst zu entscheiden. Die Ausführungen des Sachverständigen
und die sonstigen Unterlagen bieten keine hinreichende Grundlage für eine
Entscheidung darüber, wie die ATV auszulegen sind.
aa) Der Sachverständige hat die Anwendung der DIN 18332 im wesentli-
chen damit begründet, daß es sich bei der Leistung der Beklagten um Fassa-
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denarbeiten handelt. Im Grundsatz seien die Abrechnungsregeln für Fassaden
identisch in der DIN 18351 Abschnitt 5.1.1 und der DIN 18332 Abschnitt 5.1.1.3.
In der Praxis bedeute die Kommentierung in Damerau/Tauterat, VOB im Bild,
zu diesem Punkt, die Fassade sei im Paket aufzumessen. Das gelte auch für
den Fall, daß die Dämmung isoliert vergeben würde. Etwas anderes hätte in
den Ausschreibungsunterlagen klargestellt werden müssen. Eine Abrechnung
der Dämmung nach Aufmaß sei nur mit einem verhältnismäßig hohen Aufwand
möglich. Nicht zuletzt, um einen unverhältnismäßigen Abrechnungsaufwand
auszuschließen, seien die Abrechnungsregeln der VOB Teil C und die Erläute-
rungen der VOB im Bild geschaffen worden.
Auf die Frage, welche Art der Abrechnung verkehrsüblich sei, hat der
Sachverständige erwidert, es werde das als verkehrsüblich zu erachten sein,
was eben die VOB vorschreibe. Dazu habe er Stellung genommen. Zudem hat
er erklärt, im Falle solcher Fassaden sei ihm noch nie etwas anderes als die
Abrechnung der Klägerin vorgekommen. Fassadenarbeiten seien zwar nicht
ausgesprochen seine Spezialität, er komme aber immer wieder bei verschiede-
nen Bauvorhaben mit Fassaden in Berührung.
bb) Mit seinen Ausführungen hat der Sachverständige zu dem vorrangig
zu klärenden Punkt, ob die DIN 18332 auch dann anwendbar ist, wenn die
Dämmarbeiten isoliert vergeben werden, lediglich seine an Zweckmäßigkeits-
gesichtspunkten orientierte Rechtsauffassung wiedergegeben. Die Ausführun-
gen belegen nicht, daß im Baugewerbe die DIN 18332 auch bei isolierter Beauf-
tragung der Wärmedämmarbeiten für anwendbar gehalten wird. Die Beklagte
hat dargelegt, daß diese Abrechnung zu einer erheblichen Abweichung von den
tatsächlichen Leistungen zu Lasten des Auftraggebers führt und die Zweckmä-
ßigkeitserwägungen beim Bau einer kompletten Fassade nicht zwingend auch
dann greifen, wenn die Wärmedämmung isoliert in Auftrag gegeben wird. Hinzu
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kommt, daß der Privatgutachter K. jedenfalls das Ergebnis des gerichtlichen
Gutachtens nicht geteilt hat. Dieser hat seine gutachterliche Stellungnahme un-
ter dem Briefkopf des Fachverbandes "Deutscher Naturwerkstein-Verband e.V."
abgegeben. Seiner Stellungnahme ist zu entnehmen, daß die Abrechnung nach
Abschnitt 5.1.1.3 nicht ungeteilte Zustimmung im Baugewerbe findet. Sie deutet
auf die Möglichkeit hin, daß DIN 18332 überhaupt nicht für anwendbar gehalten
wird. So ist erklärlich, daß Herr K. die Regelung der DIN 18332 Abschnitt
5.1.1.1 nur "entsprechend" angewandt wissen will. Das Berufungsgericht hat
den Hinweis auf die "entsprechende" Anwendung mißachtet und so einen Wi-
derspruch in der gutachterlichen Stellungnahme angenommen.
cc) Auch die sonstigen in den Akten befindlichen Stellungnahmen ver-
schaffen nicht den Eindruck, daß die DIN 18332 in dem von der Klägerin ge-
wollten Sinne verstanden wird. Nach Damerau/Tauterat, VOB im Bild, Hochbau-
und Ausbauarbeiten, 16. Aufl., S. 114, sind mit der Herstellung der Fassade
verlegte Dämmschichten, Trag- und Unterkonstruktionen grundsätzlich mit den
Maßen der Fassadenbekleidung abzurechnen. Dabei sei ohne Bedeutung, ob
diese in einer oder verschiedenen Leistungspositionen vorgegeben seien.
Maßgebend sei, daß die Leistung als einziger Auftrag vergeben sei. Nichts an-
deres kann der mündlichen Stellungnahme des Bearbeiters der "VOB im Bild"
Franz gegenüber dem gerichtlichen Sachverständigen entnommen werden.
Danach ist ungeachtet des Umstandes, daß die Kommentierung der ATV
grundsätzlich nicht maßgebend für deren objektives Verständnis ist, lediglich
gesagt, daß bei einer einheitlichen Beauftragung von Fassaden und Wärme-
dämmung eine Abrechnung nach einheitlichen Maßen stattfindet.
Auf die von der Revision eingeführten weiteren Stellungnahmen des
Herrn Franz, die letztlich auf seine Kommentierung der VOB im Bild Bezug
nehmen, kommt es nicht an.
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III.
Das Berufungsurteil ist danach aufzuheben. Die Sache ist an das Beru-
fungsgericht zurückzuverweisen. Es erhält Gelegenheit, die Auslegung der ATV
erneut vorzunehmen und die dafür notwendigen Grundlagen, möglicherweise
durch Einholung von Stellungnahmen der beteiligten Verkehrskreise oder des
Gutachtens eines anderen Sachverständigen, zu ermitteln. Vorsorglich weist
der Senat auf folgendes hin:
a) Das Berufungsgericht ist auf der Grundlage des Sachverständigen-
gutachtens der Auffassung, daß DIN 18332 Abschnitt 5.1.1.3 und nicht Ab-
schnitt 5.1.1.1 anzuwenden ist. Dem ist die Beklagte entgegengetreten. Inso-
weit gelten die gleichen Erwägungen, wie sie der Senat zur Anwendung der
DIN 18332 auf eine isolierte Beauftragung der Wärmedämmung angestellt hat.
Der Sachverständige hat im wesentlichen Zweckmäßigkeitserwägungen ange-
stellt. Dabei hat er sich über den Wortlaut der DIN 18332 Abschnitt 5.1.1.1 hin-
weggesetzt. Danach findet bei Dämmschichten eine Abrechnung nach der zu
belegenden Fläche statt. Inwieweit nach der Verkehrssitte diese Abrechnungs-
regelung entgegen ihrem Wortlaut bei Fassadenarbeiten außer Kraft gesetzt ist,
hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Der Umstand, daß die ATV eine
vereinfachte Abrechnung bezwecken, zwingt nicht dazu, die Dämmschicht bei
Fassaden nach dem Maße der Bekleidung abzurechnen. Auch die in Abschnitt
5.1.1.1 vorgesehene Abrechnung nach dem Maß der zu belegenden Fläche
erlaubt im Zusammenspiel mit den Regelungen der 5.1.3 und 5.2 eine verein-
fachte Abrechnung, die im übrigen der tatsächlichen Leistung näher kommt, als
die Abrechnung nach dem Maße der Bekleidung.
b) Zweifel bei der Auslegung der ATV gehen nach § 5 AGBG zu Lasten
des Verwenders. Diese Regelung gilt sowohl für die Frage, ob im Gesamtsy-
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stem der VOB/C die Regelung der DIN 18299 Abschnitt 5 oder der DIN 18332
eingreift, als auch für die Frage, ob bei Anwendung der DIN 18332 deren Ab-
schnitt 5.1.1.1 oder Abschnitt 5.1.1.3 anwendbar ist.
c) Der Senat weist weiter vorsorglich darauf hin, daß nach der gebotenen
Aufklärung des Verständnisses der ATV eine erneute Zulassung der Revision
nicht geboten ist. Das Berufungsgericht hat keine Divergenzen aufgezeigt, die
es rechtfertigen könnten, die Revision zur Sicherung einer einheitlichen Recht-
sprechung zuzulassen. Ebenso wenig begründet allein der Umstand, daß der
Bundesgerichtshof über die Auslegung einer ATV noch nicht entschieden hat,
die Annahme einer grundsätzlichen Bedeutung im Sinne des § 543 Abs. 2 Ab-
schnitt 1 ZPO.
Dressler Thode Hausmann
Wiebel Kniffka