Urteil des BGH vom 30.04.2003

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VIII ZR 235/08 Verkündet
am:
25. November 2009
Ermel,
Justizangestellte
als
Urkundsbeamtin
der
Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
MietHöheRegG § 4 Abs. 5 Nr. 2; AVBFernwärmeV § 2 Abs. 2
a) Bestimmt der Vermieter gemäß § 4 Abs. 5 Nr. 2 MietHöheRegG, dass die Kosten
der Wasserversorgung und der Entwässerung unmittelbar mit demjenigen abge-
rechnet werden, der die entsprechenden Leistungen erbringt, kann sich der Leis-
tungserbringer zur Erfüllung der von ihm übernommenen Leistungspflichten Dritter
bedienen.
b) Teilt der Vermieter, der nach dem Mietvertrag lediglich eine beheizbare Wohnung
schuldet, dem Mieter im Zuge der Einrichtung einer Fernwärmeversorgung mit,
dass die Kosten für Heizung und Warmwasser künftig direkt mit dem Versorger
abzurechnen sind, und übersendet der Versorger dem Mieter daraufhin den Ent-
wurf einer Liefervereinbarung, kommt ein Liefervertrag mit dem Versorger nach
§ 2 Abs. 2 AVBFernwärmeV dadurch zustande, dass der Mieter die Leistungen
des Versorgers in Anspruch nimmt (im Anschluss an BGH, Urteile vom 30. April
2003 - VIII ZR 279/02, NJW 2003, 3131 und vom 26. Januar 2005 - VIII ZR 66/04,
NJW-RR 2005, 639). Das gilt auch dann, wenn der Mieter der Direktabrechnung
widerspricht und den ihm übersandten Entwurf nicht unterzeichnet.
BGH, Urteil vom 25. November 2009 - VIII ZR 235/08 - LG Halle
AG
Merseburg
- 2 -
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 25. November 2009 durch den Vorsitzenden Richter Ball, den Richter
Dr. Frellesen, die Richterin Dr. Hessel sowie die Richter Dr. Achilles und
Dr. Schneider
für Recht erkannt:
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil der 1. Zivilkammer
des Landgerichts Halle vom 8. August 2008 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin, ein kommunales Energieversorgungsunternehmen, nimmt
den Beklagten auf Bezahlung der Kosten für die Lieferung von Warmwasser,
Kaltwasser, Abwasser und Fernwärme in Anspruch. Der Beklagte ist seit 1997
Mieter einer Wohnung in einem Mehrfamilienhaus in M. . Die Wohnung
war bei Mietbeginn mit Kohleöfen ausgestattet. Sowohl für die Beschaffung des
Brennmaterials als auch für die Warmwasseraufbereitung hatte der Mieter
selbst zu sorgen. In § 1 Abs. 3 des Mietvertrages vom 16. Januar 1997 sind
unter der Rubrik "Zum Mitgebrauch sind folgende gemeinschaftliche Anlagen
und Einrichtungen vorhanden" die Alternativen "Zentralheizung / Fernwärme /
Zentrale Warmwasserversorgung / Fernwärmeversorgung" gestrichen.
1
- 3 -
Im Zuge der Modernisierung der Wohnung teilte die Vermieterin dem Be-
klagten mit Schreiben vom 3. Juni 1999 mit, dass die Kosten für Heizung,
Warmwasser, Kaltwasser und Abwasser künftig auf der Grundlage einer Liefer-
vereinbarung zwischen der Klägerin und dem Beklagten abgerechnet werden
sollen. Mit Schreiben vom 21. September 1999 übersandte die Klägerin dem
Beklagten den Entwurf einer entsprechenden Liefervereinbarung zur Unter-
schrift zu. Der Beklagte unterzeichnete diese Vereinbarung nicht. In der Folge-
zeit entnahm der Beklagte aus dem Versorgungsnetz der Klägerin Fernwärme
sowie Warm- und Kaltwasser für seine Wohnung, ohne die entsprechenden
Rechnungen der Klägerin zu bezahlen. Er vertrat dabei die Auffassung, er sei
nur gegenüber seiner Vermieterin, nicht aber gegenüber der Klägerin zur Zah-
lung von Nebenkosten verpflichtet.
2
Das Amtsgericht hat die auf Zahlung von 1.828,22 € gerichtete Klage
abgewiesen. Das Berufungsgericht hat der Klage in Höhe von 1.294,20 € nebst
Zinsen stattgegeben und die Berufung der Klägerin im Übrigen zurückgewie-
sen. Mit der vom Berufungsgericht (beschränkt) zugelassenen Revision erstrebt
der Beklagte die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.
3
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat keinen Erfolg.
4
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Klägerin stehe gemäß § 433
Abs. 2 BGB ein Anspruch auf Bezahlung der Kosten für Wasser und Abwasser
zu, weil die Vermieterin im Rahmen der Modernisierungsankündigung vom
3. Juni 1999 eine wirksame Erklärung gemäß § 4 Abs. 5 Nr. 2 MHG abgegeben
5
- 4 -
habe. Nach dieser erst im Jahr 2001 durch das Mietrechtsreformgesetz außer
Kraft getretenen Vorschrift könne der Vermieter gegenüber dem Mieter durch
einseitige schriftliche Erklärung bestimmen, dass die Kosten der Wasserversor-
gung und Entwässerung unmittelbar zwischen dem Mieter und dem Leistungs-
erbringer abgerechnet werden. Zwar sei die Klägerin nicht selbst Versorger, sie
habe sich jedoch in einem Rahmenvertrag mit der Vermieterin vom 9. Juni 1999
verpflichtet, unter anderem auch die Versorgung des Mehrfamilienhauses, in
dem sich die Wohnung des Beklagten befinde, zu übernehmen. In diesem
Rahmenvertrag sei weiter bestimmt, dass die Klägerin in den bestehenden Ver-
trag zwischen dem Wasserlieferanten MI. bzw. dem Entsorger A. M.
eintrete, wodurch Vertragsbeziehungen zwischen der Klägerin und den
einzelnen Mietern entstünden. Da sich sowohl MI. als auch A. M.
damit einverstanden erklärt hätten, nunmehr statt an die Vermieterin an
die Klägerin zu leisten, seien die Klägerin als Versorger und MI. sowie
A. M. als deren Erfüllungsgehilfen anzusehen.
Hinsichtlich der Versorgung mit Fernwärme und Warmwasser sei zwi-
schen den Parteien gemäß § 2 Abs. 2 AVBFernwärmeV durch schlüssiges Ver-
halten ein Vertrag zustande gekommen. Derjenige, der aus einem Verteilungs-
netz eines Versorgungsunternehmens Elektrizität, Gas, Wasser oder Fernwär-
me entnehme, nehme das Angebot zum Abschluss eines entsprechenden Ver-
sorgungsvertrages konkludent an. Eine Erklärung, er wolle mit dem Versor-
gungsunternehmen keinen Vertrag schließen, sei unbeachtlich, da diese Erklä-
rung in Widerspruch zu seinem tatsächlichen Verhalten stehe. Zwar richte sich
das Angebot eines Versorgungsunternehmens typischerweise an den Grund-
stückseigentümer, weil nur diesem ein Anspruch auf Anschluss an die Versor-
gung zustehe und Versorgungsunternehmen ihre Versorgungsaufgabe durch
Abschluss eines Versorgungsvertrages mit diesem Personenkreis erfüllten. Der
vorliegend zur Entscheidung stehende Fall sei jedoch untypisch. Dem Beklag-
6
- 5 -
ten sei nach erstmaliger Einrichtung einer Fernwärmeversorgung im Zuge von
Modernisierungsmaßnahmen von der Klägerin ein Angebot zum Abschluss ei-
nes Liefervertrages übersandt worden. Zuvor sei der Beklagte von der Vermie-
terin über den Anschluss an das Fernwärmenetz informiert und ein bevorste-
hendes Vertragsangebot seitens der Klägerin angekündigt worden. Damit habe
sich das Vertragsangebot der Klägerin nach dem objektiven Empfängerhorizont
an den Beklagten selbst gerichtet. Dieses Angebot habe der Beklagte durch die
tatsächliche Entnahme der Leistungen aus dem Versorgungsnetz konkludent
angenommen.
Der Beklagte habe auch keinen Anspruch darauf, sich hinsichtlich der
Heizkosten ausschließlich mit seiner Vermieterin auseinandersetzen zu müs-
sen. Nach dem Mietvertrag sei die Vermieterin gerade nicht verpflichtet gewe-
sen, eine Beheizung der Wohnung zu gewährleisten. Vielmehr habe sich der
Beklagte selbst um die Befeuerung der damals vorhandenen Kohleöfen küm-
mern müssen. Einwendungen des Beklagten gegen die Einrichtung der Fern-
wärmeversorgung als solcher und mögliche Kostennachteile infolge dieser Sa-
nierungsmaßnahme seien im Vertragsverhältnis mit der Vermieterin zu klären.
7
II.
Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung stand, so dass die Revi-
sion zurückzuweisen ist.
8
1. Zu Recht hat das Berufungsgericht angenommen, dass die Vermiete-
rin mit Schreiben vom 3. Juni 1999 gemäß § 4 Abs. 5 Nr. 2 MHG wirksam be-
stimmt hat, dass die Klägerin die Kosten der Kaltwasserversorgung und der
Entwässerung direkt mit dem Beklagten abrechnet. Angesichts dessen, dass
die Klägerin nach den von der Revision unangegriffenen Feststellungen des
Berufungsgerichts in die Verträge der tatsächlichen Versorger MI. und
9
- 6 -
A. M. eingetreten ist, erbringt die Klägerin diese genannten Leistun-
gen im Sinne des § 4 Abs. 5 Nr. 2 MHG. Die Vorschrift ist auf den vorliegenden
Fall anzuwenden, da sie erst durch Art. 10 Nr. 1 des Mietrechtsreformgesetzes
vom 19. Juni 2001 (BGBl. I S. 1149) zum 1. September 2001 aufgehoben wur-
de.
10
Dass die Klägerin sich zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen der MI.
und des A. M. bedient, rechtfertigt entgegen der Auffassung der Re-
vision keine andere Beurteilung. Das von der Revision vorgebrachte Argument,
durch die Einschaltung der Klägerin seien höhere Kosten entstanden, zielt auf
eine behauptete Verletzung des Gebots der Wirtschaftlichkeit (§ 556 Abs. 3
BGB) bei der Auswahl des Versorgers. Dies könnte jedoch allenfalls innerhalb
der Vertragsbeziehungen des Beklagten mit seiner Vermieterin Bedeutung er-
langen. Bei ihrer Rüge, die Klägerin beschäftige keinen Wassermeister, über-
sieht die Revision, dass sich die Klägerin zur Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten
der MI. beziehungsweise des A. M. bedient.
2. Entgegen der Auffassung der Revision ist auch die Annahme des Be-
rufungsgerichts nicht zu beanstanden, es sei zwischen den Parteien gemäß § 2
Abs. 2 AVBFernwärmeV ein Vertrag über die Lieferung von Fernwärme zustan-
de gekommen.
11
Zutreffend hat das Berufungsgericht in der Übersendung der von der
Klägerin unterzeichneten Liefervereinbarung vom 21. September 1999 das An-
gebot auf Abschluss eines Versorgungsvertrages an den Beklagten persönlich
gesehen. Dagegen ist revisionsrechtlich nichts zu erinnern, zumal dem Beklag-
ten drei Monate zuvor von der Vermieterin mitgeteilt worden war, dass im Zuge
der Einrichtung einer Fernwärmeversorgung eine Direktbelieferung durch die
Klägerin vorgesehen sei. Damit liegt in dem hier zur Entscheidung stehenden
12
- 7 -
Fall keine typischerweise an den Grundstückseigentümer gerichtete Realofferte
vor, sondern ein an den Beklagten persönlich gerichtetes Vertragsangebot, das
er nach dem maßgebenden objektiven Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB)
auch so verstehen musste.
13
Auch die weitere Feststellung des Berufungsgerichts, der Beklagte habe
dieses Angebot der Klägerin durch die tatsächliche Inanspruchnahme der Leis-
tungen konkludent angenommen, ist frei von Rechtsfehlern. Nach der Recht-
sprechung des Senats nimmt derjenige, der aus einem Verteilernetz eines Ver-
sorgungsunternehmens Elektrizität, Gas, Wasser oder - wie hier - Fernwärme
entnimmt, das Angebot zum Abschluss eines entsprechenden Versorgungsver-
trages konkludent an (Senatsurteile vom 30. April 2003 - VIII ZR 279/02, NJW
2003, 3131 unter II 1 a; vom 26. Januar 2005 - VIII ZR 66/04, NJW-RR 2005,
639, unter II 1 b aa). Dieser Rechtsprechung lag zwar jeweils eine Realofferte
des jeweiligen Versorgungsunternehmens zugrunde. Eine konkludente Annah-
me ist aber erst recht zu bejahen, wenn ein schriftliches Angebot an den Nutzer
der Versorgungsleistungen persönlich gerichtet wird. Dass der Beklagte nicht
den inneren Willen hatte, das ihm unterbreitete Angebot anzunehmen, und er
einer Inanspruchnahme durch die Klägerin im Folgenden ausdrücklich wider-
sprach, ist unbeachtlich, da dies in Widerspruch zu seinem tatsächlichen Ver-
halten gegenüber der Klägerin stand (Senatsurteile, aaO).
3. Soweit sich die Revision gegen die Ordnungsmäßigkeit der Abrech-
nung der Fernwärmekosten wendet, unterliegt das Berufungsurteil nicht der
revisionsrechtlichen Nachprüfung. Das Berufungsgericht hat die Revision aus-
drücklich nur bezüglich der zu § 4 Abs. 5 Nr. 2 MHG aufgeworfenen Rechtsfra-
gen und dazu zugelassen, "ob nach einer Modernisierung eines Mietshauses,
bei dem erstmals Heizkörper in die Mietwohnungen eingebaut worden sind, die
zentral versorgt werden, und der Vermieter eine Direktabrechnung zwischen
14
- 8 -
Versorger und Mieter wünscht, sich der Versorger bei Nichtunterzeichnung der
übersandten Liefervereinbarung durch den Mieter auf einen Vertragsschluss
durch schlüssiges Verhalten berufen kann oder ob der erklärte Wille des Mie-
ters, der durch seinen Vermieter versorgt werden möchte, entgegen steht". Das
Berufungsgericht hat die Revision damit nur hinsichtlich der Klärung des An-
spruchsgrundes zugelassen. Daran ist der Senat gebunden.
Ball
Dr. Frellesen
Dr. Hessel
Dr. Achilles
Dr. Schneider
Vorinstanzen:
AG Merseburg, Entscheidung vom 26.07.2007 - 6 C 184/05 (VI) -
LG Halle, Entscheidung vom 08.08.2008 - 1 S 113/07 -