Urteil des BGH vom 03.07.2008

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
III ZR 189/07
Verkündet
am:
3. Juli 2008
F r e i t a g
Justizamtsinspektor
als
Urkundsbeamter
der
Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BNotO § 19 Abs. 1 Satz 2
a) Ein Notar verletzt seine Amtspflicht zur vollständigen Beurkundung, wenn
er bei Beurkundung eines Grundstückskaufvertrages eine Baubeschrei-
bung nicht mit beurkundet.
b) Der Käufer hat keine anderweitige Ersatzmöglichkeit im Sinne des § 19
Abs. 1 Satz 2 BNotO in Form eines Schadensersatzanspruchs gegen
seinen Rechtsanwalt, wenn er auf dessen Rat zur Abwehr der restlichen
Kaufpreisforderung eine Vollstreckungsabwehrklage erhoben und sich
auf die Formnichtigkeit des Kaufvertrages berufen hat.
BGH, Urteil vom 3. Juli 2008 - III ZR 189/07 - OLG Braunschweig
LG Göttingen
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Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 3. Juli 2008 durch die Richter Dr. Wurm, Dörr und Dr. Herrmann, die
Richterin Harsdorf-Gebhardt und den Richter Hucke
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 3. Zivilsenats des
Oberlandesgerichts Braunschweig vom 13. Juni 2007 im Kosten-
punkt und insoweit aufgehoben, als zu ihrem Nachteil erkannt
worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechts-
zugs, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Kläger nehmen den beklagten Notar auf Schadensersatz wegen ei-
nes Beurkundungsfehlers in Anspruch.
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Im Mai 2000 kauften die Kläger ein Hausgrundstück zum Preis von
454.500 DM. In dem von dem Beklagten beurkundeten Kaufvertrag heißt es
unter anderem, der Kaufpreis enthalte die Kosten für die Herstellung des Kauf-
objektes samt Außenanlagen gemäß der Baubeschreibung. Diese wurde je-
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doch nicht beurkundet. Die Kläger zahlten den Kaufpreis bis auf 30.000 DM. Sie
sind nicht als Eigentümer im Grundbuch eingetragen worden.
Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Ver-
käuferin verlangte deren Insolvenzverwalter von den Klägern den noch offenen
Restkaufpreis und betrieb im März 2002 die Zwangsvollstreckung aus der nota-
riellen Urkunde. Die Kläger erhoben Vollstreckungsabwehrklage und beriefen
sich zur Begründung unter anderem auf die Formnichtigkeit des Grundstücks-
kaufvertrages wegen fehlender Beurkundung der Baubeschreibung. Der Insol-
venzverwalter begehrte im Wege der Widerklage Feststellung der Nichtigkeit
des Kaufvertrages. Beiden Klagen wurde durch Anerkenntnisurteil stattgege-
ben.
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Die Kläger machen den Beklagten dafür haftbar, dass sie nicht das Ei-
gentum an dem Grundstück erworben haben. Sie verlangen Schadensersatz in
Höhe von 227.452 € und begehren die Feststellung, dass der Beklagte ver-
pflichtet sei, den ihnen aus einem etwaigen Widerruf der Gewährung der Ei-
genheimzulage noch entstehenden Schaden zu ersetzen. Der Beklagte meint,
die Kläger hätten durch die Vollstreckungsabwehrklage die Heilung des Form-
mangels verhindert und müssten sich daher einen Mitverschuldensanteil von
50 % anrechnen lassen.
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Das Landgericht hat den Beklagten auf der Grundlage einer Haftungs-
quote von 75 % verurteilt, an die Kläger als Gesamtgläubiger 170.589 € nebst
Zinsen Zug um Zug gegen Abtretung ihrer in dem Insolvenzverfahren über das
Vermögen der Verkäuferin zur Tabelle angemeldeten Forderungen zu zahlen.
Außerdem hat es festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet sei, den Klägern
den aus einem Widerruf der Gewährung der Eigenheimzulage noch entstehen-
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den Schaden bis zur Höhe von 75 % zu ersetzen. Das Oberlandesgericht hat
entsprechend dem Berufungsantrag des Beklagten die Verurteilungssumme auf
107.500 € herabgesetzt und dem Feststellungsantrag nach Maßgabe einer Haf-
tungsquote von 50 % entsprochen. Die Berufung der Kläger hatte keinen Erfolg.
Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgen sie ihr Klagebegehren in
vollem Umfang weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils
und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
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I.
Nach Auffassung des Berufungsgerichts haben die Kläger gegen den
Beklagten keinen - die ausgeurteilte Forderung übersteigenden - Schadenser-
satzanspruch wegen Amtspflichtverletzung nach § 19 Abs. 1 Satz 1 BNotO.
Einer Haftung des Beklagten stehe gemäß § 19 Abs. 1 Satz 2 BNotO eine an-
derweitige Ersatzmöglichkeit entgegen, die sich aus einem Schadensersatzan-
spruch der Kläger gegen ihren Prozessbevollmächtigten ergebe. Indem dieser
den Klägern dazu geraten habe, zur Abwehr der restlichen Kaufpreisforderung
eine Vollstreckungsabwehrklage zu erheben und zu deren Begründung die Un-
wirksamkeit des Kaufvertrages geltend zu machen, habe er gegen die anwaltli-
che Pflicht verstoßen, unter mehreren möglichen Wegen den sichersten und
gefahrlosesten zu wählen, jedenfalls gegen seine Pflicht, seine Mandanten um-
fassend und rechtsfehlerfrei über die Risiken des vorgeschlagenen Vorgehens
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zu informieren. Angesichts der Insolvenz der Verkäuferin habe die Unwirksam-
keit des Kaufvertrages das Risiko geborgen, dass die Kläger von dem Insol-
venzverwalter auf Herausgabe des Grundstücks in Anspruch genommen wür-
den, ohne über eine werthaltige bereicherungsrechtliche Forderung auf Rück-
zahlung des Kaufpreises zu verfügen. Dem Prozessbevollmächtigten der Kläger
habe klar sein müssen, dass er mit der Erhebung der Vollstreckungsklage und
der Berufung auf die Unwirksamkeit des Kaufvertrages zwar die Zahlung der
restlichen Kaufpreisforderung abwehren könnte, aber dem Insolvenzverwalter
die Möglichkeit des die Masse mehrenden Vorgehens gegen die Kläger aufzei-
gen werde. Dieses Risiko hätten die Kläger nur vermeiden können, indem sie
durch Zahlung des Restkaufpreises die Voraussetzungen für eine zügige Voll-
ziehung der Eigentumsumschreibung, zu der der Insolvenzverwalter bereit ge-
wesen sei, geschaffen hätten. Dies hätte den Klägern die Chance geboten, den
Eintritt des wesentlich größeren Schadens durch Verlust des Grundstücks und
eines Großteils des bereits gezahlten Kaufpreises zu vermeiden. Der Prozess-
bevollmächtigte der Kläger hätte diesen nicht zu dem risikoreichen Weg der
Vollstreckungsgegenklage raten dürfen, sondern ihnen die Zahlung des Rest-
kaufpreises zur Begrenzung des Schadens empfehlen müssen. Nach der Ver-
mutung beratungsgerechten Verhaltens sei davon auszugehen, dass sich die
Kläger für die Restkaufpreiszahlung entschieden hätten. Dies hätte mit einer
ausreichenden Wahrscheinlichkeit zur Heilung der Formunwirksamkeit des
Kaufvertrages geführt.
II.
Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Den Klä-
gern steht gegen den Beklagten nach § 19 Abs. 1 Satz 1 BNotO ein Schadens-
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ersatzanspruch zu, der weder wegen einer anderweitigen Ersatzmöglichkeit
entfällt noch durch ein Mitverschulden gemindert ist.
1.
Der Beklagte ist den Klägern zum Schadensersatz verpflichtet, weil er
die Baubeschreibung nicht mit beurkundete.
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a) Dadurch verletzte er seine Amtspflicht zur vollständigen Beurkundung
gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 13 Abs. 1 Satz 1 BeurkG. Dem Beurkun-
dungserfordernis bei Grundstücksgeschäften (hier nach § 313 Satz 1 BGB a.F.)
unterliegen nicht nur die Verpflichtung des Verkäufers zur Eigentumsübertra-
gung, sondern alle Vereinbarungen, aus denen sich nach dem Willen der Ver-
tragspartner das schuldrechtliche Veräußerungsgeschäft zusammensetzt, ge-
gebenenfalls auch die Pflicht des Verkäufers zur Erstellung eines Wohnhauses.
Dabei sind die Ausgestaltung und Ausstattung des Hauses in der Regel für den
Erwerber ein wesentliches Vertragselement. Wird - wie hier - hinsichtlich der
Ausgestaltung des Hauses ausdrücklich auf die Baubeschreibung verwiesen
und deren Inhalt zum Vertragsinhalt erklärt, so ist diese mit zu beurkunden
(BGHZ 69, 266, 268 f; 74, 346, 348 ff; BGH, Urteile vom 15. Dezember 2000
- V ZR 241/99 - NJW-RR 2001, 953 f unter II. m.w.N.; vom 10. Februar 2005
- VII ZR 184/04 - NJW 2005, 1356 unter II. 2. a).
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b) Eine anderweitige Ersatzmöglichkeit im Sinne des § 19 Abs. 1 Satz 2
BNotO in Form eines Schadensersatzanspruchs gegen ihren Prozessbevoll-
mächtigten haben die Kläger nicht.
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aa) Der Begriff der anderweitigen Ersatzmöglichkeit wird weit verstan-
den. Hierfür kommen alle Möglichkeiten der Schadloshaltung tatsächlicher und
rechtlicher Art in Betracht (BGH, Urteil vom 25. Februar 1999 - IX ZR 240/98 -
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NJW 1999, 2038, 2039 unter III. 2. a) aa) m.w.N.). Dazu gehören auch Scha-
densersatzansprüche wegen unzureichender oder falscher anwaltlicher Bera-
tung. Erforderlich ist eine tatsächliche Verknüpfung dergestalt, dass der Scha-
densersatzanspruch gegen den Rechtsanwalt aus demselben Sachverhalt ent-
sprungen ist, aus dem sich die Schadenshaftung des Notars ergibt. Das ist
dann der Fall, wenn der geltend gemachte Schaden in einem Kostenaufwand
liegt, der ohne die Amtspflichtverletzung des Notars nicht entstanden wäre und
durch sachgerechtes Vorgehen des Rechtsanwalts hätte vermieden werden
können (Senatsurteil vom 24. Oktober 2002 - III ZR 107/02 - NJW 2003, 202,
203 unter II. 1. b) aa). Die Inanspruchnahme des Rechtsanwalts muss - ebenso
wie sonstige anderweitige Ersatzmöglichkeiten - rechtlich und wirtschaftlich be-
gründete Aussicht auf Erfolg bieten und dem Geschädigten zumutbar sein (Se-
natsurteile vom 6. Oktober 1994 - III ZR 134/93 - NJW-RR 1995, 248, 251 unter
II. 1. c); vom 11. November 2004 - III ZR 101/03 - NJW-RR 2005, 284 unter
II. 3.; BGH, Urteile vom 22. Juni 1995 - IX ZR 122/94 - NJW 1995, 2713, 2714
unter II. 3. b); vom 19. Oktober 1995 - IX ZR 104/94 - NJW 1996, 520, 521 f
unter I. 4.; vom 6. Juli 2000 - IX ZR 88/98 - NJW-RR 2001, 204, 206 unter
II. 1. b); jew. m.w.N.). Weitläufige, unsichere und im Ergebnis zweifelhafte We-
ge braucht der Geschädigte nicht einzuschlagen (Senatsurteil, BGHZ 120, 124,
126; Senatsurteile vom 6. Oktober 1994 aaO und vom 11. November 2004
aaO; jew. m.w.N.).
bb) Gemessen daran hat das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft einen
Schadensersatzanspruch der Kläger gegen deren Prozessbevollmächtigten
bejaht.
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(1) Ein um eine Beratung ersuchter Rechtsanwalt ist zu einer umfassen-
den und möglichst erschöpfenden Beratung seines Mandanten verpflichtet. Un-
kundige muss er über die Folgen ihrer Erklärungen belehren und vor Irrtümern
bewahren. Er hat dem Mandanten diejenigen Schritte anzuraten, die zu dem
erstrebten Ziel zu führen geeignet sind, und Nachteile für den Auftraggeber zu
verhindern, soweit solche voraussehbar und vermeidbar sind. Dazu hat er dem
Auftraggeber den relativ sichersten und gefahrlosesten Weg vorzuschlagen und
ihn über mögliche Risiken aufzuklären, damit der Mandant zu einer sachgerech-
ten Entscheidung in der Lage ist. Zweifel und Bedenken, zu denen die Sachlage
Anlass gibt, muss der Anwalt darlegen und mit seinem Mandanten erörtern (st.
Rspr., BGH, Urteile vom 20. Oktober 1994 - IX ZR 116/93 - NJW 1995, 449,
450 unter I. 2. a); vom 20. Juni 1996 - IX ZR 106/95 - NJW 1996, 2929, 2931
unter II. 1.; vom 19. Januar 2006 - IX ZR 232/01 - NJW-RR 2006, 923, 924
Rn. 14; vom 23. November 2006 - IX ZR 21/03 - NJW-RR 2007, 569, 570
Rn. 10; jew. m.w.N.).
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(2) Gegen diese Pflichten verstieß der Prozessbevollmächtigte der Klä-
ger nicht, indem er diesen riet, zur Abwehr der restlichen Kaufpreisforderung
eine Vollstreckungsabwehrklage zu erheben und zu deren Begründung die aus
dem Beurkundungsfehler des Beklagten folgende Nichtigkeit des Kaufvertrages
geltend zu machen. Die Nichtigkeit des Grundstückskaufvertrages barg das
Risiko, dass die Kläger von dem Insolvenzverwalter auf Herausgabe des
Grundstücks in Anspruch genommen werden konnten, ohne ihrerseits über eine
werthaltige bereicherungsrechtliche Forderung auf Rückzahlung des bereits
geleisteten Kaufpreises zu verfügen. Diese Gefahr hätte sich zwar dann nicht
realisiert, wenn die Kläger den Restkaufpreis von 30.000 DM gezahlt hätten
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und daraufhin der Insolvenzverwalter in Unkenntnis der Formnichtigkeit die
Umschreibung des Grundbuchs veranlasst und erreicht hätte. Durch die fortbe-
stehende Auflassung und die Eintragung der Kläger im Grundbuch wäre der
nichtige Grundstückstückskaufvertrag gemäß § 313 Satz 2 BGB a.F. geheilt
worden. Diese (vage) Chance hatten die Kläger nicht mehr, nachdem der Insol-
venzverwalter durch die Begründung der Vollstreckungsabwehrklage auf die
Formnichtigkeit des Grundstückskaufvertrages hingewiesen worden war und
seinerseits im Wege der Widerklage die Feststellung der Formnichtigkeit be-
gehrte. Gleichwohl war das von dem Prozessbevollmächtigten der Kläger vor-
geschlagene prozessuale Vorgehen sachgerecht. Es führte zum Erfolg der Voll-
streckungsabwehrklage; der Insolvenzverwalter erkannte den Klageanspruch
an, und es erging ein entsprechendes Anerkenntnisurteil. Die Kläger mussten,
um eine weitere rechtsgrundlose Zahlung zu vermeiden, den Formfehler im
Wege der Vollstreckungsabwehrklage geltend machen. Selbst wenn sie ihre
Vollstreckungsabwehrklage ausschließlich mit den von ihnen behaupteten
Baumängeln begründet und die Formnichtigkeit des Kaufvertrages nicht er-
wähnt hätten, hätten sie nicht sicher sein können, noch Eigentümer des Grund-
stücks zu werden. Zur Begründung ihrer Vollstreckungsabwehrklage hätten die
Kläger ohnehin den Grundstückskaufvertrag vorlegen müssen. Sein Inhalt hätte
vom Landgericht zur Kenntnis genommen werden müssen. Dabei hätte auffal-
len müssen, dass die beurkundungsbedürftige Baubeschreibung nicht mit beur-
kundet worden war. Diesen Gesichtspunkt hätte das Landgericht von Amts we-
gen berücksichtigen und schon deshalb der Vollstreckungsabwehrklage statt-
geben müssen.
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(3) Die Kläger brauchten im Rahmen der Vollstreckungsabwehrklage
nicht deshalb von dem Hinweis auf die Formnichtigkeit des Grundstücksvertra-
ges abzusehen, weil sie dann nicht mehr Eigentümer des Grundstücks werden
konnten und ihr Anspruch auf Rückzahlung der bereits geleisteten Kaufpreisra-
ten im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Verkäuferin nur eine einfa-
che Insolvenzforderung darstellte. Auch wenn die Kläger die Formnichtigkeit
nicht geltend gemacht und einfach die von dem Insolvenzverwalter geforderten
30.000 DM gezahlt hätten, hätten sie nicht die Gewissheit gehabt, Eigentümer
des Grundstücks zu werden, sondern wären nur das Risiko eingegangen, einen
weiteren erheblichen Geldbetrag einzubüßen. Denn nach Zahlung des Rest-
kaufpreises hätte sich der Insolvenzverwalter immer noch auf die Formnichtig-
keit des Kaufvertrages berufen und dessen Erfüllung ablehnen können. Ob die
Kläger dann, wie das Berufungsgericht meint, einen bereicherungsrechtlichen
Rückzahlungsanspruch als vorrangig zu befriedigende Masseforderung im Sin-
ne von § 53 i.V.m. § 55 Abs.
1 Nr. 3
InsO hätten durchsetzen können, erscheint
fraglich.
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(4) Jedenfalls war der Insolvenzverwalter, um seinen Pflichten gegen-
über den Gläubigern nachzukommen und sich nicht seinerseits wegen einer
ungerechtfertigten Minderung der Insolvenzmasse schadensersatzpflichtig zu
machen, sogar verpflichtet, den Gesichtspunkt der Formnichtigkeit aufzugreifen
und die Umschreibung des Eigentums auf die Kläger zu verhindern. Er wäre
entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht nach Treu und Glauben
daran gehindert gewesen, sich auf die Formnichtigkeit des Grundstückskaufver-
trages zu berufen. Im Interesse der Rechtssicherheit ist grundsätzlich die Ein-
haltung der gesetzlichen Formvorschriften unerlässlich; im Allgemeinen kann
über Formmängel nicht hinweggesehen werden. Daher dürfen gesetzliche
Formvorschriften nicht aus bloßen Billigkeitserwägungen außer Acht gelassen
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werden. Eine Ausnahme kommt nicht schon dann in Betracht, wenn die Un-
wirksamkeit des Vertrages zu einem harten Ergebnis für den betroffenen Ver-
tragsteil führt. Ausnahmen sind nur dann zulässig, wenn es nach den gesamten
Umständen mit Treu und Glauben unvereinbar wäre, das Rechtsgeschäft am
Formmangel scheitern zu lassen. Das Ergebnis muss für die betroffene Partei
schlechthin untragbar sein (BGHZ 149, 326, 331; BGH, Urteile vom 19. Januar
1979 - II ZR 172/76 - DNotZ 1979, 332, 334 unter 2.; vom 9. Januar 2003
- IX ZR 422/99 - NJW 2003, 1940, 1943 unter III. 3. b) bb); vom 16. Juli 2004
- V ZR 222/03 - NJW 2004, 3330, 3331 f unter II. 3. b) aa); jeweils m.w.N.).
Das ist dann anzunehmen, wenn entweder die wirtschaftliche Existenz des ei-
nen Vertragsteils durch die Nichtigkeit des Vertrages gefährdet würde oder
wenn dem anderen Teil eine besonders schwere Treuepflichtverletzung vorzu-
werfen ist (BGHZ 149, 326, 331 m.w.N.; BGH, Urteil vom 16. Juli 2004 aaO).
Beides ist hier nicht der Fall. Die Kläger werden auch dann, wenn sie weder
Eigentümer des Hausgrundstücks werden noch die bereits gezahlten Kaufpreis-
raten zurückerhalten, nicht in ihrer wirtschaftlichen Existenz gefährdet. Den
daraus resultierenden Verlust könnten die Kläger nach ihrer eigenen Darstel-
lung verkraften. Die Berufung des Insolvenzverwalters auf die Formnichtigkeit
des Vertrages ist auch deshalb nicht untragbar für die Kläger, weil ihnen der
Ersatz des ihnen entstandenen Schadens durch den Beklagten beziehungswei-
se die hinter diesem stehende Berufshaftpflichtversicherung sicher ist. Dem
Insolvenzverwalter kann auch keine Treuepflichtverletzung vorgeworfen wer-
den. Den Beurkundungsfehler haben nicht er oder die Insolvenzschuldnerin,
sondern allein der Beklagte als der beurkundende Notar zu verantworten.
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(5) Vor diesem Hintergrund hat der Prozessbevollmächtigte der Kläger
seine Pflicht zur umfassenden und erschöpfenden Beratung nicht verletzt. Es
war weder ein sicherer noch ein korrekter Weg, darauf zu vertrauen, dass der
Insolvenzverwalter - ebenso wie das Gericht - die Formnichtigkeit des Grund-
stückskaufvertrages nicht bemerken und die Umschreibung des Grundbuchs
veranlassen würde. Ein Rechtsanwalt muss seinem Mandanten nicht empfeh-
len zu versuchen, aus der Gutgläubigkeit oder dem Irrtum eines Dritten Vorteile
zu ziehen. Daher mussten die Kläger dem Beklagten auch nicht - wie er erst-
mals in der mündlichen Verhandlung im Revisionsverfahren geltend gemacht
hat - vor Erhebung der Vollstreckungsabwehrklage Gelegenheit geben, den
Restkaufpreis an den Insolvenzverwalter zu zahlen. Zudem kann eine ander-
weitige Ersatzmöglichkeit nicht davon abhängig gemacht werden, dass ein Be-
urkundungsfehler des Notars aufgrund der Unkenntnis des Vertragspartners
oder des für dessen Insolvenzverfahren bestellten Insolvenzverwalters unent-
deckt bleibt und infolgedessen geheilt werden kann. Mit Blick darauf kommt
auch ein Mitverschulden der Kläger nicht in Betracht.
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2.
Der Rechtsstreit ist noch nicht zur Endentscheidung reif, weil zur Höhe
des von den Klägern geltend gemachten Schadens, namentlich zu den Auf-
wendungen für den Ausbau des Hauses, noch Feststellungen fehlen. Diese
wird das Berufungsgericht nachzuholen und sodann auf der Grundlage einer
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ungeminderten Haftung des Beklagten die über die bereits zuerkannten Klage-
ansprüche hinausgehenden Anträge zu bescheiden haben.
Wurm
Dörr
Herrmann
Harsdorf-Gebhardt
Hucke
Vorinstanzen:
LG Göttingen, Entscheidung vom 28.06.2005 - 8 O 215/03 -
OLG Braunschweig, Entscheidung vom 13.06.2007 - 3 U 99/05 -