Urteil des BGH vom 04.04.2005

BGH (antragsteller, zulassung, beschwerde, rechtsanwaltschaft, erkrankung, ort, widerruf, briefkasten, wohnhaus, zufahrt)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
AnwZ (B) 65/03
vom
4. April 2005
in dem anwaltsgerichtlichen Verfahren
wegen Widerrufs der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft
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Der Bundesgerichtshof, Senat für Anwaltssachen, hat durch die Vorsitzende
Richterin Dr. Deppert, die Richter Basdorf und Dr. Ganter, die Richterin
Dr. Otten sowie die Rechtsanwälte Dr. Schott, Dr. Frey und Dr. Wüllrich
4. April 2005
beschlossen:
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß
des 1. Senats des Bayerischen Anwaltsgerichtshofs vom 2. Juni
2003 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen und
der Antragsgegnerin die ihr im Beschwerdeverfahren entstande-
nen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.
Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf
50.000 € festgesetzt.
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Gründe:
I.
Der Antragsteller ist seit dem Jahr 1995 zur Rechtsanwaltschaft sowie
beim Amtsgericht und Landgericht B. zugelassen. Er hatte seine Kanzlei
zuletzt in der U. straße 7 in B. eingerichtet.
Nachdem der Antragsgegnerin ab Juli 1999 wiederholt angezeigt wor-
den war, der Antragsteller sei nicht erreichbar, hat diese mit Bescheid vom
5. April 2001 seine Zulassung zum Landgericht und Amtsgericht B. und
zur Rechtsanwaltschaft widerrufen, weil er seine Kanzlei aufgegeben habe,
ohne von der Pflicht des § 27 BRAO befreit worden zu sein (§ 35 Abs. 1 Nr. 5,
§ 14 Abs. 2 Nr. 6 BRAO). Der Anwaltsgerichtshof hat den Antrag auf gerichtli-
che Entscheidung zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die sofortige Be-
schwerde des Antragstellers.
II.
Das Rechtsmittel ist zulässig (§ 42 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 4 BRAO), hat je-
doch keinen Erfolg.
1. Nach § 35 Abs. 1 Nr. 5 BRAO kann die Zulassung bei einem Gericht
widerrufen werden, wenn der Rechtsanwalt seine Kanzlei aufgibt, ohne daß er
von der Pflicht, eine solche an dem Ort des Gerichts, bei dem er zugelassen
ist, einzurichten (§ 27 Abs. 1 BRAO), befreit worden ist. Wenn die Zulassung
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bei einem Gericht auf Grund des § 35 Abs. 1 BRAO widerrufen wird, ist nach
§ 14 Abs. 2 Nr. 6 BRAO auch die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu wider-
rufen.
2. Nach den Feststellungen des Anwaltsgerichtshofes, denen die sofor-
tige Beschwerde nicht entgegentritt, hat der Antragsteller zum Zeitpunkt des
Widerrufsbescheids - und bereits mehr als drei Monate zuvor - keine Kanzlei
mehr unterhalten. Er war für das rechtsuchende Publikum, Berufskollegen und
Gerichte nicht zu erreichen. Zustellungen an ihn waren nicht möglich. Eine Be-
freiung von der Kanzleipflicht lag nicht vor. Daß durch die Kanzleiaufgabe kein
konkreter Schaden eingetreten sein mag, wie die sofortige Beschwerde geltend
macht, ist unerheblich.
3. Der Widerruf beruht nicht auf einem Ermessensfehlgebrauch. Die per-
sönliche Zuverlässigkeit des Antragstellers ist von niemandem in Zweifel gezo-
gen worden. Sie rechtfertigt es jedoch nicht, einem Rechtsanwalt, der für die
Rechtsuchenden auf unabsehbare Zeit praktisch nicht mehr existent ist, die
Zulassung zu belassen. Die Antragsgegnerin wie auch der Anwaltsgerichtshof
haben die von dem Antragsteller geltend gemachte Erkrankung berücksichtigt.
Da der Antragsteller diese zum Anlaß genommen hat, gegenüber Dritten zu
erklären, er wolle seine Kanzlei aufgeben, gab auch die Erkrankung keinen
Anlaß, von dem Widerruf der Zulassungen abzusehen.
4. An dem geschilderten Zustand hat sich bis heute nichts Wesentliches
geändert. Der Antragsteller hat das Mietverhältnis über die Kanzleiräume in der
U. 7 in B. zum Ende des Jahres 2002 gekündigt und das Ob-
jekt geräumt. Nach dem Vorbringen der Antragsgegnerin, dem der Antragsteller
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nicht entgegengetreten ist, hat dieser ihr unter dem 17. Juli 2003 mitgeteilt,
daß er nunmehr seine Kanzlei unter seiner Privatanschrift "A.
16" in B. betreibe. Mehrfache Überprüfungen vor Ort hätten
- zuletzt am 14. Juli 2004 - jedoch ergeben, daß weder an der Zufahrt zum
Wohnhaus noch an diesem selbst ein Kanzlei- oder Namensschild angebracht
sei. An Klingelschild und Briefkasten sei nicht einmal ein Hinweis zu finden,
daß der Antragsteller dort wohne. Darüber hinaus enthielten die öffentlichen
Telefonbücher und das Branchenverzeichnis weder unter dem Namen des An-
tragstellers noch unter der Rubrik "Rechtsanwälte" den Eintrag einer Kanzlei
oder einer Berufsbezeichnung des Antragstellers. Wie die Antragsgegnerin
ferner unwidersprochen vorgetragen hat, war der Antragsteller in gegen ihn
gerichteten Vollstreckungsverfahren weder persönlich noch telefonisch er-
reichbar und hat sein Sohn auf telefonische Anfrage erklärt, sein Vater sei
ausgezogen, die neue Anschrift könne nicht mitgeteilt werden.
Deppert Basdorf Ganter Otten
Schott Frey Wüllrich