Urteil des BGH vom 21.01.2010

BGH (rechtliches gehör, schuldner, beschwerde, gerichtsakte, frist, gefahr, rechtsmittel, verschulden, begründung, vorsicht)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
IX ZB 155/06
vom
21. Januar 2010
in dem Insolvenzverfahren
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Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Ganter, die Richter Raebel und Vill, die Richterin Lohmann und den Richter
Dr. Pape
am 21. Januar 2010
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 25. Zivilkammer
des Landgerichts Düsseldorf vom 10. August 2006 wird auf Kos-
ten des Schuldners als unzulässig verworfen.
Gründe:
I.
Das Amtsgericht versagte durch Beschluss vom 12. Juni 2006 die Rest-
schuldbefreiung nach § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO mit der Begründung, dass der
Schuldner seine Auskunftspflicht über Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit
während des Verfahrens verletzt habe.
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Hiergegen erhob der Schuldner, für den sich ein Rechtsanwalt legitimier-
te, am 20. Juni 2006 sofortige Beschwerde, mit welcher er die Angaben des
Gläubigers bestreiten ließ, der im Schlusstermin den Versagungsantrag gestellt
hatte. Der Verfahrensbevollmächtigte des Schuldners beantragte zugleich Ak-
teneinsicht und teilte wörtlich mit: "Erst nach Einsicht in die Gerichtsakte kann
zu dem weiteren Inhalt des angegriffenen Beschlusses Stellung genommen
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werden". Unter dem 10. Juli 2006 wurde die Gerichtsakte durch den Verfah-
rensbevollmächtigten des Schuldners ohne weitere Äußerung zurückgereicht.
Das Insolvenzgericht half der sofortigen Beschwerde am 25. Juli 2006 nicht ab,
weil das Rechtsmittel des Schuldners zwischenzeitlich nicht weiter begründet
worden war. Auf diesen Beschluss nahm der Schriftsatz des Verfahrensbevoll-
mächtigten vom 10. August 2006 Bezug, welcher am 15. August 2006 bei dem
Insolvenzgericht einging, die Beschwerde ergänzend begründete und eine wei-
tere großzügige Frist zur abschließenden Begründung erbat, weil eine Rück-
sprache mit dem Schuldner aus näher dargelegten Gründen erst in der
34. Kalenderwoche möglich sei.
Ebenfalls am 10. August 2006 hat das Landgericht die sofortige Be-
schwerde des Schuldners bereits zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich sei-
ne Rechtsbeschwerde mit der Verfahrensrüge, das Beschwerdegericht habe
seinen verfassungsrechtlich garantierten Anspruch auf rechtliches Gehör ver-
letzt.
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II.
Die Rechtsbeschwerde ist unzulässig, weil die erhobene Gehörsrüge
nicht durchgreift. Das Beschwerdegericht hat das Verfahrensgrundrecht des
Schuldners auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) nicht ver-
letzt.
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Eine gerichtliche Entscheidung beruht dann nicht auf einer Verletzung
des rechtlichen Gehörs, wenn der beschwerte Verfahrensbeteiligte selbst zuvor
schuldhaft versäumt hat, sich das noch gewünschte Gehör vor Gericht zu ver-
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schaffen (BVerfGE 15, 256, 267; BayVerfGE 49 n.F., 31, 34 unter III. 1. b; BGH,
Beschl. v. 8. Oktober 2009 - IX ZR 235/06, Umdruck S. 6 Rn. 8). Dabei steht
nach den §§ 4 InsO, 85 Abs. 2 ZPO das Verschulden des Bevollmächtigten
dem Verschulden des vertretenen Beteiligten gleich (MünchKomm-InsO/
Ganter 2. Aufl § 4 Rn. 52).
Der Bevollmächtigte des Schuldners im Beschwerdeverfahren wusste bei
Rückgabe der Gerichtsakte am 10. Juli 2006, dass er ab Mitte des Monats sei-
nen dreiwöchigen Jahresurlaub antrat und eine Rücksprache mit seinem Man-
danten erst danach möglich sein würde. Es kann auch nicht überraschend ge-
wesen sein, dass im Anschluss an den Urlaub zahlreiche Fristsachen anstan-
den und sich deshalb die Besprechung mit dem Schuldner weiter verzögerte.
Deshalb war es ein Gebot einfachster prozessualer Vorsicht, diese Umstände
dem Insolvenzgericht bei Aktenrückgabe mitzuteilen und danach eine abschlie-
ßende Beschwerdebegründung bis etwa zum 25. August 2006 anzukündigen.
Spätestens das Beschwerdegericht hatte dann diese Frist abzuwarten, wenn
außerdem die Hinderungsgründe ausreichend glaubhaft gemacht worden wä-
ren.
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Die Aktenrückgabe ohne die klare Ankündigung, dass eine weitere Be-
schwerdebegründung beabsichtigt, innerhalb der nächsten Wochen aber nicht
möglich sei, setzte den Schuldner der Gefahr aus, dass das Insolvenzgericht
über die Abhilfe kurzfristig und das Beschwerdegericht über das Rechtsmittel
innerhalb der allgemeinen Wartefrist von etwa zwei Wochen entscheiden wür-
den. Der Eintritt dieser Gefahr ist deshalb im Beschwerdefall nicht als Gehörs-
verletzung zu beanstanden.
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III.
Der Schuldner hat im Übrigen bis heute nicht vorgetragen, welche weite-
ren Ausführungen er im Beschwerdeverfahren nach Rücksprache mit seinem
Verfahrensbevollmächtigten noch beabsichtigt hat. Es ist deshalb nicht ersicht-
lich, welche zu seinen Gunsten sprechenden weiteren Umstände außerhalb des
Schriftsatzes vom 10. August 2006 bei der angefochtenen Versagung der Rest-
schuldbefreiung außer Betracht geblieben seien und vielleicht eine andere Ent-
scheidung hätten ermöglichen können.
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Ganter
Raebel
Vill
Lohmann
Pape
Vorinstanzen:
AG Düsseldorf, Entscheidung vom 12.06.2006 - 500 IN 292/02 -
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 10.08.2006 - 25 T 643/06 -