Urteil des BGH vom 08.05.2008

BGH (stgb, unterbringung, anordnung, abgabe, strafkammer, stpo, festnahme, zweck, drogenkonsum, drogenabhängigkeit)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 148/08
vom
8. Mai 2008
in der Strafsache
gegen
wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln u. a.
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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundes-
anwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 8. Mai 2008 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landge-
richts Aurich vom 23. Januar 2008 mit den Feststellungen auf-
gehoben, soweit von einer Anordnung der Unterbringung des
Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgesehen worden
ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-
lung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmit-
tels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurück-
verwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäu-
bungsmitteln in 29 Fällen, davon in 22 Fällen in Tateinheit mit Abgabe von Be-
täubungsmitteln an Minderjährige, unter Einbeziehung einer vorangegangenen
Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten
verurteilt. Daneben hat es wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 16
Fällen, davon in 10 Fällen in Tateinheit mit Abgabe von Betäubungsmitteln an
Minderjährige, unter Einbeziehung einer weiteren Vorstrafe eine gesonderte
Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verhängt. Gegen die-
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ses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, die die Verletzung
materiellen Rechts rügt.
Das Rechtsmittel ist im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO unbegründet, so-
weit es sich gegen den Schuld- und Strafausspruch richtet.
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Das Urteil kann jedoch keinen Bestand haben, soweit die Strafkammer
die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB
mit der Begründung abgelehnt hat, es sei nach den festgestellten Anlass- und
Vortaten nicht zu befürchten, dass der Angeklagte infolge seines Hanges zum
Drogenmissbrauch in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen werde.
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Der Generalbundesanwalt hat dazu in seiner Antragsschrift vom 10. April
2008 ausgeführt:
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"Die Erwägungen, mit denen das Landgericht eine Unterbringung nach
§ 64 StGB abgelehnt hat, halten einer rechtlichen Überprüfung nicht
stand. Zwar geht die Jugendkammer zutreffend davon aus, dass nur die
Gefahr erheblicher rechtswidriger Taten die Anordnung der Maßregel
rechtfertigt. Eine solche Gefahrenprognose aber ist hier sicher zu be-
gründen. Die getroffenen Feststellungen lassen gewichtige Verstöße ge-
gen das Betäubungsmittelgesetz, die über den Erwerb kleiner Rausch-
giftmengen hinausgehen (vgl. BGHR StGB § 64 Abs. 1 Gefährlichkeit 5),
konkret besorgen. Denn angesichts der bestehenden Drogenabhängig-
keit wird der Angeklagte sich auch künftig die für seinen Drogenkonsum
erforderlichen erheblichen Geldmittel zu verschaffen suchen. Seine Ta-
ten zeigen deutlich, dass er zu diesem Zweck das unerlaubte Handel-
treiben mit - zum Teil an der Grenze zur nicht geringen Menge liegenden
- Betäubungsmitteln und auch die Abgabe von Drogen an Minderjährige
in Kauf nimmt. Die Annahme, solche Taten seien nicht erheblich im Sin-
ne von § 64 StGB, obwohl es sich im Fall des § 29a BtMG sogar um ei-
nen Verbrechenstatbestand handelt und auch das gewerbsmäßige Han-
deltreiben mit Betäubungsmitteln mit Freiheitsstrafe von nicht unter ei-
nem Jahr bedroht ist (§ 29 Abs. 3 Nr. 1 BtMG), geht von einem rechtlich
nicht mehr vertretbaren Maßstab aus."
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Dem schließt sich der Senat an.
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Zu den in der Strafzumessung enthaltenen Wendungen, dem Angeklag-
ten sei der Drogenhandel dadurch erleichtert worden, dass durch die Festnah-
me anderer Dealer eine "Marktlücke" entstanden sei, und dass er durch sein
Geständnis den Abnehmern erspart habe, vor Gericht aussagen zu müssen,
bemerkt der Senat, dass derartige Erwägungen zu Gunsten des Angeklagten
ersichtlich den durch § 46 StGB aufgestellten Rahmen zulässiger Strafzumes-
sungserwägungen verlassen; der Angeklagte ist dadurch jedoch nicht be-
schwert.
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Becker Pfister Kolz
Hubert Schäfer