Urteil des BGH vom 25.04.2014

BGH: blw, hof, landwirtschaftlicher betrieb, letztwillige verfügung, erfüllung, testament, leistungsfähigkeit, erbrecht, erblasser, nichtigkeit

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
BLw 6/13
vom
25. April 2014
in der Landwirtschaftssache
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
HöfeO § 16 Abs. 1 Satz 1
1.
Grundstücksvermächtnisse zu Gunsten der weichenden Miterben sind -
auch wenn sie zu einer Zerschlagung des zum Hof gehörenden Grundbesitzes
führen - nicht nach § 16 Abs. 1 Satz 1 HöfeO nichtig, wenn der Hof im Zeitpunkt
des Erbfalls kein lebensfähiger landwirtschaftlicher Betrieb mehr ist.
BGH, Beschluss vom 25. April 2014 - BLw 6/13 - OLG Köln
AG Kleve
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Der Bundesgerichtshof, Senat für Landwirtschaftssachen, hat am 25. April 2014
durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann und die Richter Dr. Lemke und
Dr. Czub sowie die ehrenamtlichen Richter Beer und Kees
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 1 und 2 wird der
Beschluss des 23. Zivilsenats - Senat für Landwirtschafts-
sachen - des Oberlandesgerichts Köln vom 17. Juni 2013
aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die
Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerde-
gericht zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf
59.548 € festgesetzt.
Gründe:
I.
Die am 22. Juni 2005 verstorbene Mutter der Beteiligten zu 1 bis 3 war
Eigentümerin einer ca. 8 ha großen, im Grundbuch als Hof eingetragenen
landwirtschaftlichen Besitzung. Mit notariellem Testament vom 8. Mai 1999
hatte sie den Beteiligten zu 3 zum Hoferben und zum Alleinerben ihres hoffreien
Vermögens eingesetzt. Den Beteiligten zu 1 und 2 hatte sie jeweils ein zum Hof
gehörendes Grundstück als Vermächtnis zugewendet und ihnen Auflassungs-
vollmachten zum Vollzug der Vermächtnisse unter Befreiung von den Be-
schränkungen des § 181 BGB erteilt. Nach dem Tod ihrer Mutter erklärten die
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Beteiligten zu 1 und 2 die Auflassung und wurden im Grundbuch als Eigen-
tümer der neu gebildeten Grundstücke eingetragen. Eine Zustimmung des
Landwirtschaftsgerichts zur Verfügung von Todes wegen war nicht beantragt
worden.
Das Amtsgericht (Landwirtschaftsgericht) hat auf Antrag des Beteiligten
zu 3 die Beteiligten zu 1 und 2 verurteilt, der Berichtigung der Grundbücher
insoweit zuzustimmen, dass die den Vermächtnisnehmern überlassenen
Grundstücke auf das Hofgrundstück zurückübertragen werden. Die Berufung
der Beteiligten zu 1 und 2 hat das Oberlandesgericht (Senat für Landwirt-
schaftssachen) durch Beschluss zurückgewiesen. Mit der zugelassenen
Rechtsbeschwerde verfolgen die Beteiligten zu 1 und 2 ihren Abweisungsantrag
weiter, hilfsweise in Verbindung mit Auflagen zur Verpachtung der Grundstücke
an einen Landwirt, weiter hilfsweise Verurteilung nur Zug um Zug gegen Ge-
währung und Erfüllung von Barvermächtnissen sowie weiter hilfsweise gegen
andere Gegenleistungen.
II.
Das Beschwerdegericht ist der Auffassung, dass das Landwirtschafts-
gericht durch Beschluss hätte entscheiden müssen, da es sich um ein Ver-
fahren nach § 1 Nr. 5 LwVG handele. Der Beteiligte zu 3 könne als Hoferbe von
den Beteiligten zu 1 und zu 2 die Zustimmung zur Grundbuchberichtigung nach
§ 894 BGB verlangen, weil auch die ihnen im Testament erteilten Auflassungs-
vollmachten wegen Verstoßes der Vermächtnisanordnungen gegen § 16 Abs. 1
Satz 1 HöfeO unwirksam seien. Das Erbrecht des Beteiligten zu 3 werde durch
die Vermächtnisse ausgehöhlt, da bei ihrer Erfüllung eine nicht mehr
lebensfähige Betriebseinheit verbleibe. Dahinstehen könne, ob der Hof im
Zeitpunkt des Erbfalls noch rentabel gewesen sei. Die Leistungsfähigkeit des
Hofes dokumentiere sich im Höferecht im Wirtschaftswert des Hofs (hier von
mehr als 10.000 € zum 1. Januar 2005). Da es sich danach im Zeitpunkt des
Erbfalls um einen Hof im Sinne der Höfeordnung gehandelt habe, seien die
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Vermächtnisse ungeachtet der zwischen den Beteiligten streitigen Rentabilität
des Betriebes unwirksam.
III.
1. Die Rechtsbeschwerde ist nach den gemäß Art. 111 Abs. 1 Satz 1
FGG-RG noch anzuwendenden Vorschriften des § 24 Abs. 1 LwVG aF und der
§§ 25, 26 LwVG aF statthaft und auch im Übrigen zulässig. Der Senat für
Landwirtschaftssachen des Bundesgerichtshofs ist zur Entscheidung berufen,
weil der angefochtene Beschluss von dem Landwirtschaftssenat des
Beschwerdegerichts erlassen worden ist. Die den Rechtsweg bejahende
Entscheidung der Vorinstanz ist nach § 17a Abs. 1, 5 GVG für das
Rechtsmittelgericht bindend und nicht zu prüfen (vgl. BGH, Beschluss vom
18. September 2008 - V ZB 40/08, NJW 2008, 3572, 3573 Rn. 10 ff.). § 17a
GVG gilt auch im Verhältnis zwischen ordentlicher Gerichtsbarkeit und
freiwilliger Gerichtsbarkeit (Senat, Beschluss vom 26. Oktober 1999 - BLw 1/99,
NZM 2000, 136), was in der - hier nach Art. 111 Abs. 1 Satz 1 FGG-RG noch
nicht anzuwendenden - Vorschrift des § 17a Abs. 6 GVG nunmehr klarstellend
bestimmt wird (Zöller/Lückemann, ZPO, 30. Aufl., § 17a GVG Rn. 21, vor
§§ 17-17b GVG Rn. 11).
2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Das Beschwerdegericht bejaht
rechtsfehlerhaft einen Anspruch des Beteiligten zu 3 gegen die Beteiligten zu 1
und zu 2 auf Grundbuchberichtigung (§ 894 BGB).
a) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde ist allerdings nicht zu
beanstanden, dass das Beschwerdegericht geprüft hat, ob die im Testament
erteilten Auflassungsvollmachten unwirksam sind, weil sie dem Vollzug nach
§ 16 Abs. 1 Satz 1 HöfeO nichtiger Vermächtnisanordnungen dienen. Die
Prüfung der Wirksamkeit der Auflassungen (§ 925 BGB) ist nicht im Hinblick auf
die Genehmigungsfiktion des § 7 Abs. 3 GrdstVG entbehrlich.
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aa) Nach dieser Vorschrift gilt ein gemäß § 2 GrdstVG genehmigungs-
bedürftiges Veräußerungsgeschäft als genehmigt, wenn der Erwerber ohne die
dem Grundbuchamt nachzuweisende Erteilung der Genehmigung (§ 7 Abs. 1
GrdstVG) in das Grundbuch eingetragen und die Eintragung nicht innerhalb
einer Jahresfrist (bspw. durch Eintragung eines Widerspruchs oder einen
Antrag auf Grundbuchberichtigung) angegriffen worden ist (vgl. BGH, Urteil vom
6. Februar 1981 - V ZR 187/79, NJW 1981, 1957, 1958).
Die Genehmigungsfiktion greift auch ein, wenn ein Grundstücksver-
mächtnis vollzogen worden ist. Zwar bedarf das Vermächtnis selbst als Ver-
fügung von Todes wegen (§§ 1939, 2147 BGB) keiner Genehmigung nach § 2
GrdstVG (OLG München, RdL 1961, 286, 287; OLG Hamm, RdL 1965, 120,
121; OLG Karlsruhe, RdL 1975, 78; OLG Stuttgart, AgrarR 1989, 20; Hense,
DNotZ 1958, 562, 564; Schulte, RdL 1961, 278, 283; aA OLG Hamm, RdL
1965, 289, 299), wohl aber die in deren Erfüllung erfolgte Auflassung, die ein
genehmigungsbedürftiges Veräußerungsgeschäft unter Lebenden darstellt
(OLG München, aaO; OLG Hamm, aaO; OLG Karlsruhe, aaO, 78; OLG
Stuttgart, aaO; Hense, aaO). Die Voraussetzungen der Fiktion des § 7 Abs. 3
GrdstVG lägen hier vor, weil die Beteiligten zu 1 und zu 2 im März 2006 als Ei-
gentümer in das Grundbuch eingetragen wurden, eine Klage mit den Anträgen
auf Grundbuchberichtigung, hilfsweise auf Rückauflassung, aber erst im
Dezember 2008 bei dem Landwirtschaftsgericht eingereicht wurde.
bb) Von der Genehmigung nach dem Grundstücksverkehrsgesetz sind
aber die Entscheidungen nach § 16 Abs. 1 HöfeO zu unterscheiden, die sich
auf die Vermächtnisanordnung als Verfügung von Todes wegen beziehen (vgl.
Pritsch, DNotZ 1951, 297, 301 f.).
(1) Nach § 16 Abs. 1 Satz 2 HöfeO bedarf ein Grundstücksvermächtnis
als eine das Erbrecht des Hoferben beschränkende letztwillige Verfügung der
Zustimmung des Landwirtschaftsgerichts, soweit für ein entsprechendes Ver-
pflichtungsgeschäft unter Lebenden eine Genehmigung nach dem Grund-
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stücksverkehrsgesetz erforderlich wäre (vgl. Senat, Beschluss vom 7. Juli 1953
- V BLw 2/53, RdL 1953, 278, 279; Beschluss vom 4. Februar 1964
- V BLw 13/63, RdL 1964, 98, 99). Das Zustimmungsverfahren nach §§ 13 ff.
HöfeVfO ersetzt das Genehmigungsverfahren nach §§ 3 ff. GrdstVG
(Faßbender in Faßbender/Hötzel/von Jeinsen/Pikalo, § 16 HöfeO Rn. 111).
Insoweit käme allerdings eine entsprechende Anwendung des § 7 Abs. 3
GrdstVG in Betracht. In diesem Verfahren sind die Versagungsgründe nach § 9
Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 GrdstVG zu prüfen, weil auch nach dem Höferecht die
Zustimmung nur in den gesetzlich bestimmten Fällen versagt werden kann
(Senat, Beschluss vom 20. November 1951 - V BLw 54/50, RdL 1952, 72, 73;
Beschluss vom 4. Februar 1964 - V BLw 13/63, aaO; Beschluss vom
24. November 1993 - BLw 28/93, BGHZ 124, 217, 219; OLG Celle, AgrarR
1975, 267, 268). Das Verfahren nach §§ 13 ff. HöfeVfO dient dem öffentlichen
Interesse an der Verbesserung der Agrarstruktur (vgl. Senat, Beschluss vom
4. Februar 1964 - V BLw 13/63, RdL 1964, 98, 99). § 7 Abs. 3 GrdstVG
bestimmt jedoch, dass das mit der Kontrolle des Grundstücksverkehrs
gesicherte öffentliche Interesse nach Ablauf eines Jahres seit Eintragung der
Rechtsänderung hinter das Interesse des Verkehrs an der Gewissheit über die
Wirksamkeit des Veräußerungsgeschäfts und an der Richtigkeit des Grund-
buchs zurücktritt (BGH, Urteil vom 6. Februar 1981 - V ZR 187/79, NJW 1981,
1957, 1958).
(2) Davon wiederum zu unterscheiden ist die richterliche Prüfung nach
§ 16 Abs. 1 Satz 1 HöfeO, ob das Grundstücksvermächtnis einen Ausschluss
des gesetzlichen Erbrechts des Hoferben nach § 4 Satz 1 HöfeO bewirkt und
deshalb nach § 134 BGB nichtig ist (vgl. Senat, Beschluss vom 20. November
1951 - V BLw 65/50, BGHZ 3, 391, 393; Beschluss vom 7. Juli 1953
- V BLw 2/53, RdL 1953, 278, 280). § 16 Abs. 1 Satz 1 HöfeO soll verhindern,
dass das Erbrecht des Hoferben durch die ordnungsgemäße Bewirtschaftung
des Hofes beeinträchtigende Vermächtnisanordnungen des Erblassers
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ausgehöhlt wird (vgl. Senat, Beschluss vom 20. November 1951 - V BLw 65/50,
BGHZ 3, 391, 393). Insofern werden auch die Interessen des Hoferben
geschützt (vgl. Senat, Beschluss vom 5. Juni 1992 - BLw 7/91, BGHZ 118, 361,
362 f.; OLG Celle, AgrarR 1972, 297; Wöhrmann, aaO, § 16 Rn. 34). Die
höferechtliche Verbotsnorm (§ 16 Abs. 1 Satz 1 HöfeO) steht neben dem
Zustimmungserfordernis (§ 16 Abs. 1 Satz 2 HöfeO). § 7 Abs. 3 GrdstVG
bezieht sich jedoch nur auf die mit der Lenkung des Grundstücksverkehrs
geschützten öffentlichen Interessen. Die Vorschrift kann deshalb keine
Anwendung finden, wenn die Vermächtnisanordnung wegen Verstoßes gegen
das in § 16 Abs. 1 Satz 1 HöfeO bestimmte Verbot nichtig (und daher nicht
zustimmungsfähig) ist.
b) Rechtsfehlerhaft nimmt das Beschwerdegericht an, dass die zur
Erfüllung der Vermächtnisse vorgenommenen Auflassungen unwirksam sind.
aa) § 16 Abs. 1 Satz 1 HöfeO verbietet bestimmte Verfügungen des Hof-
eigentümers von Todes wegen. Das dingliche Vollzugsgeschäft ist dagegen
nicht Gegenstand der Verbotsnorm.
bb) Die im Testament den Beteiligten zu 1 und zu 2 erteilten Auf-
lassungsvollmachten sind nicht unwirksam.
(1) Vollmachten über den Tod hinaus oder auf den Todesfall des Erblas-
sers in Verfügungen von Todes wegen sind zulässig (MünchKomm-BGB/Zim-
mermann, 6. Aufl., vor § 2197 Rn. 9, 12; Palandt/Weidlich, BGB, 73. Aufl., vor
§ 2197 Rn. 9 jeweils mwN). Mit ihnen erwirbt der Bevollmächtigte die Befugnis,
innerhalb der ihm eingeräumten Vertretungsmacht über das zum Nachlass ge-
hörende Vermögen in Vertretung des Erben zu verfügen (vgl. BGH, Urteil vom
23. Februar 1983 - IVa ZR 186/81, BGHZ 87, 19, 25; OLG Frankfurt, DNotZ
2012, 140, 141). Der Erblasser kann auch den Vermächtnisnehmer bevoll-
mächtigen, nach seinem Ableben unter Befreiung von den Beschränkungen des
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§ 181 BGB den vermachten Gegenstand an sich zu übereignen (OLG Köln,
NJW-RR 1992, 1357; OLG München, DNotZ 2012, 303).
(2) Eine dem Vermächtnisnehmer erteilte Auflassungsvollmacht ist auch
wirksam, wenn das Vermächtnis unwirksam ist.
(a) Das Beschwerdegericht beruft sich für seine gegenteilige Auffassung
zu Unrecht auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu Vollmachten,
die zur Ausführung eines gegen das Verbot unerlaubter Rechtsbesorgung
verstoßenden Vertrags erteilt sind. Diese sind deshalb unwirksam, weil es mit
dem Zweck des Verbotsgesetzes unvereinbar wäre, den unbefugten Rechts-
berater in den Stand zu setzen, seine gesetzlich missbilligte Tätigkeit zu Ende
zu führen (BGH, Urteil vom 11. Oktober 2001 - III ZR 182/00, NJW 2002, 66,
67; Urteil vom 16. Dezember 2002 - II ZR 109/01, BGHZ 153, 214, 220).
So verhält es sich hier jedoch nicht, weil die Erfüllung von Grund-
stücksvermächtnissen grundsätzlich keine rechtlich missbilligte Tätigkeit dar-
stellt. Dem Erblasser steht es frei, zur Abfindung der nicht Hoferbe gewordenen
Miterben Grundstücksvermächtnisse anzuordnen (Senat, Beschluss vom
26. November 1951 - V BLw 54/50, RdL 1952, 72, 73; Beschluss vom 7. Juli
1953 - V BLw 2/53, RdL 1953, 278, 279). Diese Zuwendungen unterliegen zwar
einer richterlichen Kontrolle. Das ändert aber nichts an dem Grundsatz, dass
die zum Vollzug eines Vermächtnisses erteilten Vollmachten keine rechtlich zu
missbilligenden Rechtsgeschäfte darstellen.
(b) Solche Auflassungsvollmachten sind auch nicht deswegen
unwirksam, weil mit ihnen nach § 16 Abs. 1 Satz 1 HöfeO nichtige Grund-
stücksvermächtnisse vollzogen werden können. Der Abwehr dieser Gefahr
dient der gegenüber dem Grundbuchamt nach § 7 Abs. 1 GrdstVG zu führende
Nachweis einer unanfechtbaren behördlichen Genehmigung bzw. richterlichen
Zustimmung. Die Nichtigkeit der Auflassungsvollmacht ist zudem kein
taugliches Mittel zum Schutz des Hoferben vor der Gefahr einer Weiter-
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veräußerung des Grundstücks an Dritte. Diese Gefahr ergibt sich bereits aus
der Eintragung im Grundbuch und dem daran anknüpfenden Schutz des guten
Glaubens des Dritten (§ 892 BGB). Der Hoferbe kann sich dadurch schützen,
dass er seinen Rückauflassungsanspruch nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB
durch eine - notfalls auf Grund einer einstweiligen Verfügung einzutragende
(§ 885 Abs. 1 Satz 1 BGB) - Vormerkung sichert.
IV.
Der angefochtene Beschluss ist aufzuheben und die Sache an das
Beschwerdegericht zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen. Der Senat
kann nicht abschließend über die Sache entscheiden. Dem Beteiligten zu 3
steht zwar kein Anspruch auf Grundbuchberichtigung aus § 894 BGB zu;
begründet könnte aber der hilfsweise geltend gemachte Anspruch aus § 812
Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB sein. Die Beteiligten zu 1 und zu 2 hätten die Grund-
stücke ohne rechtlichen Grund erlangt und müssten diese an den Beteiligten
zu 3 auflassen, wenn die Vermächtnisanordnungen nach § 16 Abs. 1 Satz 1
HöfeO nichtig wären. Nach den bisherigen Feststellungen kann davon jedoch
nicht ausgegangen werden.
1. Der landwirtschaftliche Betrieb des Beteiligten zu 3 war im Zeitpunkt
des Erbfalls allerdings ein Hof im Sinne des § 1 HöfeO, da alle in Absatz 1
Satz 1 HöfeO bestimmten gesetzlichen Voraussetzungen (landwirtschaftliche
Besitzung in Nordrhein-Westfalen mit einer zur Bewirtschaftung geeigneten
Hofstelle und ein Wirtschaftswert über
10.000 €) vorlagen und die Erblasserin
keine sog. negative Hoferklärung nach § 1 Abs. 4 HöfeO gegenüber dem
Grundbuchamt abgegeben hatte.
2. Die Vermächtnisanordnungen der Erblasserin bedeuteten - sofern der
Anwendung des § 16 Abs. 1 Satz 1 HöfeO nicht die fehlende Leistungsfähigkeit
des Hofes entgegenstünde - einen unzulässigen Ausschluss des Beteiligten
zu 3 von der gesetzlichen Hoferbfolge nach § 4 Satz 1 HöfeO. Eine unzulässige
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Ausschließung der Hoferbfolge durch ein Grundstücksvermächtnis liegt vor,
wenn infolge der Abtrennung des zugewendeten Grundstücks vom Hof dessen
Fortbestand oder dessen ordnungsgemäße Bewirtschaftung gefährdet sein
oder die Wesensart und der Aufbau des landwirtschaftlichen Betriebes derart
geändert werden würde, dass die verbleibende Wirtschaftsart nicht mehr
denselben Hof darstellte (Senat, Beschluss vom 20. November 1951
- V BLw 65/50, BGHZ 3, 392, 393; Beschluss vom 7. Juli 1953 - V BLw 2/53,
RdL 1953, 278, 280; OLG Celle, AgrarR 1972, 297; OLG Oldenburg, AgrarR
1997, 321, 322; Wöhrmann, Das Landwirtschaftserbrecht, 10. Aufl., § 16
Rn. 12).
Das Beschwerdegericht stellt das rechtsfehlerfrei fest. Soweit die
Rechtsbeschwerde beanstandet, dass es nicht auf das festgestellte Absinken
des Wirtschaftswertes
auf unter 5.000 €, sondern auf den Verlust der Leistungs-
und Lebensfähigkeit des Hofes ankomme, übersieht sie, dass das Beschwer-
degericht in Übereinstimmung mit der Auffassung aller Beteiligten auch aus-
führt, dass bei Erfüllung aller Vermächtnisse eine nicht mehr lebensfähige
Betriebseinheit entstünde. An der Richtigkeit dieser Feststellung bestehen vor
dem Hintergrund, dass Grundstücke mit Größen von 2,6 ha und 3,3 ha von
einem Hof mit einem nur ca. 8 ha großen Grundbesitz vermacht wurden, keine
Zweifel.
3. Die Feststellung der Nichtigkeit der Grundstücksvermächtnisse nach
§ 16 Abs. 1 Satz 1 HöfeO i.V.m. § 134, § 2171 Abs. 1 BGB setzt allerdings ein
nach dem Zweck der Höfeordnung zu schützendes Erbrecht gemäß § 4 Satz 1
HöfeO voraus. Daran fehlte es, wenn der Hof im Zeitpunkt des Erbfalls kein
leistungsfähiger zu erhaltender Betrieb mehr gewesen wäre.
a) Grundstücksvermächtnisse zu Gunsten der weichenden Miterben sind
- auch wenn sie zu einer Zerschlagung des zum Hof gehörenden Grundbesitzes
führen - nicht nach § 16 Abs. 1 Satz 1 HöfeO nichtig, wenn der Hof im Zeitpunkt
des Erbfalls kein lebensfähiger landwirtschaftlicher Betrieb mehr ist. Das
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Landwirtschaftsgericht hat bei der Prüfung, ob die Vermächtnisanordnung des
Erblassers nach § 16 Abs. 1 Satz 1 HöfeO nichtig ist, im Einzelfall festzustellen,
ob es sich noch um einen noch leistungsfähigen und damit erhaltungswürdigen
landwirtschaftlichen Betrieb handelt. Dies steht entgegen der Ansicht des
Beschwerdegerichts nicht schon dann fest, wenn der Wirtschaftswert des Hofes
im Zeitpunkt des Erbfalls über dem in § 1 Abs. 1 Satz 1 HöfeO bestimmten
Betrag von 10.000
€ lag.
b) Richtig ist allerdings, dass der Wirtschaftswert dazu dient, agrarökono-
misch förderungswürdige Betriebe dem Höferecht zu unterstellen, um ihren
ungeteilten Bestand zu sichern und agrarökonomisch nicht förderungswürdige
Betriebe, an deren Bestand kein vorrangiges Interesse besteht, von dem Höfe-
recht auszuschließen (Senat, Beschluss vom 15. April 2011 - BLw 9/10, BGHZ
189, 245, 252 Rn. 20). Der Wirtschaftswert im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1
HöfeO ist der gesetzliche Maßstab, der - sofern der Eigentümer keine
Erklärungen zur Hofeigenschaft abgibt - darüber bestimmt, ob der Hof im
Interesse des Erhalts eines leistungsfähigen Betriebs in einer Hand bleiben
oder nach dem bürgerlichen Recht aufgeteilt werden soll (OLG Hamm, Be-
schluss vom 7. Juni 2011 - 10 W 123/10, juris Rn. 59; OLG Oldenburg, RdL
2012, 99).
c) Das Beschwerdegericht schließt daraus jedoch zu Unrecht, dass der
Wirtschaftswert auch für die Anwendung der Verbotsnorm des § 16 Abs. 1
Satz 1 HöfeO allein maßgebend sei. Dies hätte zur Folge, dass
Grundstücksvermächtnissen, bei deren Erfüllung dem Hof wesentliche Teile
seines landwirtschaftlichen Grundbesitzes entzogen werden, die rechtliche
Anerkennung stets zu versagen wäre, selbst wenn der Betrieb auch als
Nebenerwerbsbetrieb auf Dauer nicht mehr mit Aussicht auf einen Überschuss
geführt werden kann, wie es der von dem Beschwerdegericht beauftragte
Sachverständige in seinem Gutachten ausgeführt hat. Dem Wirtschaftswert
kommt diese Bedeutung jedoch nicht zu.
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d) Der Eingriff in die Testierfreiheit des Erblassers ist auf die Fälle zu
beschränken, in denen das nach dem Zweck der Höfeordnung geboten ist.
aa) Der Erblasser kann durch die Anordnung von Vermächtnissen den
weichenden Miterben höhere Abfindungen als nach §§ 12, 13 HöfeO zukom-
men lassen und ihnen auch Grundstücke zuwenden (Senat, Beschluss vom 20.
November 1951 - V BLw 54/50, RdL 1952, 72, 73; Beschluss vom 7. Juli 1953
- V BLw 2/53; RdL 1953, 278, 279). Die Höfeordnung enthält keine gesetzlich
geregelte Beschränkung der Testierfreiheit des Eigentümers hinsichtlich der
Belastung des Hofes mit schuldrechtlichen Vermächtnisverpflichtungen (Senat,
Beschluss vom 5. Juni 1992 - BLw 7/91, BGHZ 118, 361, 364). Die dem Willen
des Erblassers widersprechende Feststellung der Nichtigkeit der Vermächtnisse
nach § 16 Abs. 1 Satz 1 HöfeO und eine damit verbundene Verweisung der
anderen Miterben auf ihre gesetzlichen Abfindungsansprüche nach § 12 HöfeO
sind - soweit nicht vom Gesetzeszweck zwingend geboten - zu vermeiden (vgl.
Senat, Beschluss vom 7. Juli 1953 - V BLw 2/53, RdL 1953, 278, 279). Im
Grundsatz ist nämlich davon auszugehen, dass der Erblasser die finanziellen
Möglichkeiten seines Hofes und dessen Weiterentwicklung am besten durch-
schaut und dan
ach entschieden hat, was jedes seiner Kinder „noch zu
bekommen hat“ (vgl. Becker, AgrarR 1976, 181, 182). Der Umstand, dass das
Testament aus dem Jahre 1999 im Unterschied zu dem früheren aus dem
Jahre 1985 Grundstücksvermächtnisse für die Beteiligten zu 1 und zu 2 enthielt,
mag darauf beruht haben, dass die Erblasserin wegen der zwischenzeitlich
eingetretenen Änderungen keine Perspektive mehr für eine Fortführung des
Hofs gesehen hat.
bb) Vor diesem Hintergrund ist eine Vermächtnisanordnung nur dann
nach § 16 Abs. 1 Satz 1 HöfeO als unwirksam anzusehen, wenn diese Rechts-
folge geboten ist, um den Hof im öffentlichen Interesse an leistungsfähigen
landwirtschaftlichen Betrieben als geschlossene leistungsfähige Einheit im
Erbgang zu erhalten (vgl. Senat, Beschluss vom 20. November 1951
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- V BLw 65/50, BGHZ 3, 391, 394). Die Feststellung der Nichtigkeit der
Verfügung von Todes wegen muss hiernach gerechtfertigt sein. Die
Höfeordnung dient einem öffentlichen Interesse und soll nicht zu einer sachlich
nicht gerechtfertigten Bevorzugung des Hoferben gegenüber den anderen
Miterben führen (vgl. Senat, Beschluss vom 11. Juli 1972 - V BLw 7/72, BGHZ
59, 166, 168; Beschluss vom 10. Mai 1984 - BLw 2/83, BGHZ 91, 154, 164;
Beschluss vom 23. November 2012 - BLw 12/11, NJW-RR 2013, 713, 715
Rn. 31).
Unvereinbar
mit
dem
Zweck
des
Gesetzes
wäre
es,
Vermächtnisanordnungen des Erblassers die rechtliche Anerkennung zu
versagen, wenn ein nicht leistungsfähiger Betrieb im Nebenerwerb unter
Vermögensgesichtspunkten weitergeführt wird (vgl. Köhne, AgrarR 1995, 321).
cc) Die gegenteilige Auslegung des § 16 Abs. 1 Satz 1 HöfeO führte
zudem zu sachlich nicht begründbaren Ungleichbehandlungen gleichartiger
Sachverhalte. In den Zustimmungsverfahren nach § 16 Abs. 1 Satz 2 HöfeO
i.V.m. §§ 13 ff. HöfeVfO und in den Genehmigungsverfahren nach §§ 3 ff.
GrdstVG darf eine Genehmigung zu einem Grundstücksvermächtnis nicht
versagt werden, wenn der davon betroffene landwirtschaftliche Betrieb mangels
Leistungsfähigkeit nicht erhaltungswürdig ist, so dass selbst seine
Zerschlagung keinen Nachteil für die Agrarstruktur bedeutete (BVerfG, RdL
1969, 176, 178; Senat, Beschluss vom 11. Dezember 1969 - V BLw 23/69, RdL
1970, 67, 68; OLG Stuttgart, RdL 1998, 324; RdL 2000, 33; Augustin, AgrarR
1973, 138, 139; Wöhrmann, Landwirtschaftserbrecht, 10. Aufl., § 16 Rn. 28).
Dasselbe gilt für Schenkungen von Grundstücken, die - auch wenn das
Grundstück zu einem Hof im Sinne des § 1 HöfeO gehört - allein nach § 2
GrdstVG genehmigungspflichtig sind. Einen sachlichen Grund, die sich auf
Grundstücke beziehenden Vermächtnisse anders als Schenkungen solcher
Grundstücke zu behandeln, gibt es nicht.
dd) Dem in § 1 Abs. 1, 3 HöfeO genannten Wirtschaftswert kommt bei
der Prüfung, ob eine Vermächtnisanordnung nach § 16 Abs. 1 Satz 1 HöfeO
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nichtig ist, nur eine indizielle Aussagekraft zu. Übersteigt der Wirtschaftswert
des Betriebes die gesetzlich bestimmten Grenzen, ist allerdings grundsätzlich
auch von dessen Leistungsfähigkeit auszugehen. In solchen Fällen hat der
Vermächtnisnehmer, wenn die Vermächtnisanordnung - wie hier - eine
Aushöhlung des gesetzlichen Erbrechts des Hoferben bewirkte (siehe oben 2),
darzulegen und zu beweisen, dass es sich bei dem Betrieb um einen im
Zeitpunkt des Erbfalls auf Dauer nicht rentablen, deshalb agrarökonomisch
nicht förderungswürdigen Betrieb gehandelt hat, an dessen Erhalt kein
öffentliches Interesse besteht.
4. Das Beschwerdegericht wird daher nach Zurückverweisung die von
ihm abgebrochene Beweisaufnahme über die Leistungsfähigkeit des Hofes
fortzusetzen haben.
V.
Die Festsetzung des Gegenstandswerts folgt aus § 19 Buchstabe h
HöfeVfO i.V.m. § 30 Abs. 1 KostO.
Stresemann
Lemke
Czub
Vorinstanzen:
AG Kleve, Entscheidung vom 12.08.2009 - 6 Lw 7/09 -
OLG Köln, Entscheidung vom 17.06.2013 - 23 U 12/09 -
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