Urteil des BGH vom 16.08.2000

BGH (wiedereinsetzung in den vorigen stand, ursächlicher zusammenhang, stpo, verschulden, antrag, folge, tag, menge, beschwerde, sache)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 StR 339/00
vom
16. August 2000
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbun-
desanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 16. August 2000
gemäß § 46 Abs. 1 StPO beschlossen:
Der Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vo-
rigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der
Revision gegen das Urteil des Landgerichts Hildesheim vom
29. Mai 2000 wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen.
Gründe:
Der Angeklagte ist durch Urteil des Landgerichts Hildesheim vom
29. Mai 2000, das in seiner Anwesenheit verkündet wurde, wegen gewerbsmä-
ßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 55 Fällen, davon in 33 Fällen
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe
von drei Jahren sechs Monaten verurteilt worden. Gegen dieses Urteil hat er
mit Schreiben vom 4. Juni 2000, eingegangen beim Landgericht am 6. Juni
2000, Revision eingelegt. Mit Beschluß vom 7. Juni 2000 hat das Landgericht
die Revision wegen Versäumung der Revisionseinlegungsfrist als unzulässig
verworfen. Gegen diese ihm am 9. Juni 2000 zugestellte Entscheidung hat der
Angeklagte mit Schreiben vom 12. Juni 2000, eingegangen beim Landgericht
am 15. Juni 2000, sofortige Beschwerde eingelegt, zu der der Generalbun-
desanwalt ausgeführt hat:
"Die 'sofortige Beschwerde' des Angeklagten vom 12. Juni 2000 (SA
Bd. II Bl. 33) gegen den Beschluss des Landgerichts Hildesheim, wonach die
Revision des Angeklagten (SA Bd. II Bl. 10/10a) nach § 346 Abs. 1 StPO als
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unzulässig verworfen wurde, weil diese nicht fristgemäß bei Gericht eingegan-
gen war (SA Bd. II Bl. 11), ist im Wege der Auslegung als Wiedereinsetzungs-
antrag zu deuten. Denn als Antrag auf Entscheidung des Revisionsgerichts
(§ 346 Abs. 2 Satz 1 StPO) könnte das in Rede stehende Schreiben des Be-
schwerdeführers wegen der offensichtlichen sachlichen Richtigkeit der die Re-
vision verwerfenden Entscheidung des Landgerichts ohnehin keinen Erfolg ha-
ben.
Der Wiedereinsetzungsantrag genügt jedoch den Anforderungen der
§§ 44, 45 StPO nicht und ist deshalb unzulässig. Der Angeklagte hat weder
dargelegt, dass er ohne Verschulden an der Einhaltung der Revisionseinle-
gungsfrist verhindert war, noch hat er entsprechende Tatsachen glaubhaft ge-
macht, insbesondere ist seinem Wiedereinsetzungsantrag vom 12. Juni 2000
zu entnehmen, dass er sein Schreiben vom 4. Juni 2000 am 5. Juni 2000 (i.e.
dem letzten Tag der Revisionseinlegungsfrist) der Geschäftsstelle der JVA Hil-
desheim zugeleitet hat. Nicht erwähnt wird, um welche Uhrzeit dies gewesen
sein soll. Nach dem Vorbringen des Angeklagten - er sei darüber informiert,
dass Gerichts- und Verteidigerpost täglich direkt zum Gericht befördert werde
(SA Bd. II Bl. 33) - ist davon auszugehen, dass die JVA Hildesheim einmal pro
Tag die Gefangenenpost - während der üblichen Geschäftszeit - zum Gericht
bringen lässt. Der Angeklagte hat nun nicht vorgetragen, sein Schreiben vor
dem täglichen Abtransport der Post der Geschäftsstelle der JVA übergeben zu
haben. Dies wäre jedoch nötig gewesen, um sein fehlendes Verschulden an
der Versäumung der Revisionseinlegungsfrist darzulegen.
Im übrigen fehlt es an einem Verschulden des Angeklagten nicht schon
deshalb, weil (in Folge des Verzichts sämtlicher Prozessbeteiligter) eine
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Rechtsmittelbelehrung nach § 35a StPO unterblieben ist (vgl. Protokoll über
die Hauptverhandlung SA Bd. II Bl. 6R). Die Vermutung des § 44 Satz 2 StPO
hebt nur das Erfordernis fehlenden Verschuldens des Antragstellers auf, ein
ursächlicher Zusammenhang zwischen Belehrungsmangel und Fristversäumnis
ist auch in diesem Fall erforderlich. Insoweit hat der Angeklagte jedoch nicht
dargelegt, die Revisionseinlegungsfrist in Folge der unterbliebenen Belehrung
versäumt zu haben (OLG Düsseldorf NStZ 89, 242)."
Dem tritt der Senat bei. Im übrigen wäre die Revision der Sache nach
auch unbegründet.
Rissing-van Saan Winkler Pfister
von Lienen Becker