Urteil des BGH vom 20.08.2014

BGH: entziehen, offenkundig, zahlungsverweigerung, untreue, zahlungsfähigkeit, absicht, rüge, materialien, anlieferung, anhörung

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
3 S t R 3 1 6 / 1 4
vom
20. August 2014
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges
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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerde-
führers und des Generalbundesanwalts am 20. August 2014 gemäß § 349
Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Oldenburg vom 17. Dezember 2013 mit den Feststellungen auf-
gehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer
des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges in 23 Fällen unter
Einbeziehung der Strafe aus einer Vorverurteilung zu der Gesamtfreiheitsstrafe
von vier Jahren und drei Monaten verurteilt, ihn im Übrigen freigesprochen, von
der Anordnung des Verfalls von Wertersatz wegen bestehender Ansprüche von
Verletzten abgesehen und den Wert des vom Angeklagten Erlangten mit
291.815,53 € bezeichnet. Gegen die Verurteilung richtet sich die auf die Rüge
der Verletzung materiellen Rechts und auf Verfahrensbeanstandungen gestütz-
te Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg; auf
die Verfahrensrügen kommt es danach nicht mehr an.
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1. Der Schuldspruch wegen Betruges (§ 263 Abs. 1 StGB) hat keinen
Bestand.
a) Der unter einer Aliaspersonalie auftretende Angeklagte war bei der
E. GmbH als "Einkäufer" angestellt. Um sich eine fortlaufende zusätzliche
Einnahmequelle zu erschließen, bestellte er von August bis Oktober 2010 in
insgesamt 23 Fällen jeweils namens der GmbH für deren Betrieb nicht benötig-
te Materialien und Arbeitsmittel, entfernte diese nach der Anlieferung seiner
vorgefassten Absicht entsprechend vom Betriebsgelände und verwertete sie
sodann auf eigene Rechnung. Von der finanziellen Lage der GmbH, über deren
Vermögen bereits am 25. November 2010 das Insolvenzverfahren eröffnet
wurde, hatte der Angeklagte zwar keine Kenntnis; so rechnete er nicht damit,
dass diese schon mangels Zahlungsfähigkeit nicht in der Lage sein würde, die
Rechnungen der Lieferanten zu bezahlen. Jedoch täuschte er bei Abschluss
der Verträge "vorsätzlich die Lieferanten - zumindest konkludent - darüber,
dass weder die E. GmbH bzw. deren Verantwortliche noch er selbst bereit
waren, die nach den Lieferungen fälligen Kaufpreise zu bezahlen". Wegen die-
ser fehlenden Zahlungsbereitschaft waren die Ansprüche der Lieferanten auch
"wirtschaftlich nicht werthaltig".
b) Dies begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken, denn die An-
nahme des Landgerichts, der Angeklagte sei bei den Vertragsschlüssen na-
mens der GmbH jeweils von deren fehlender Zahlungswilligkeit ausgegangen,
entbehrt einer sie tragenden lückenlosen Beweiswürdigung.
Zwar wurden die bestellten Gegenstände von der GmbH nicht benötigt,
auch waren die vereinbarten Preise teilweise überhöht. Auf welche Weise sich
die GmbH (rechtlich begründeten) Zahlungsansprüchen der Lieferanten nach
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der Vorstellung des Angeklagten letztlich entzogen hätte oder hätte entziehen
können, teilt das Landgericht jedoch nicht mit. Soweit es darauf verweist, dass
der Angeklagte mit der Benutzung des Aliasnamens nicht nur seine persönliche
Inanspruchnahme, sondern auch die Inanspruchnahme der GmbH habe er-
schweren wollen, überzeugt dies deshalb nicht, weil sein (nach den Feststel-
lungen im Außenverhältnis berechtigtes) Handeln namens der GmbH für deren
Verantwortliche gleichwohl offenkundig blieb. Zum innerbetrieblichen Gang der
durch Bestellungen des Angeklagten veranlassten Rechnungen schweigt das
Urteil ebenso wie zu etwaigen Willensäußerungen Verantwortlicher, aus denen
der Angeklagte auf eine (der Rechtslage widersprechende) nachhaltige Zah-
lungsverweigerung hätte schließen können.
Die Sache bedarf deshalb insgesamt neuer Verhandlung und Entschei-
dung.
2. Der neue Tatrichter wird auch die sich nach Sachlage aufdrängende
nähere Klärung der Pflichtenstellung des Angeklagten innerhalb der E.
GmbH nachzuholen und danach zu entscheiden haben, ob dessen Verhalten
den Tatbestand der Untreue (§ 266 Abs. 1 StGB) erfüllt. Allein das Vertrauen
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darauf, die E. GmbH würde eine zu ihren Lasten begründete Forderung oh-
nehin nicht begleichen, ließe einen auf die Herbeiführung eines Vermögens-
nachteils gerichteten Vorsatz nicht entfallen, denn der Nachteil ist anhand der
objektiven Vermögenslage zu ermitteln.
Becker Pfister Hubert
Mayer Spaniol