Urteil des BGH vom 27.04.2010
BGH (zpo, schwerin, aufhebung, miete, zulassung, sache, einzelrichter, verletzung, objektiv, zeitpunkt)
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
VIII ZB 81/09
vom
27. April 2010
in dem Rechtsstreit
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Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. April 2010 durch den
Vorsitzenden Richter Ball, den Richter Dr. Frellesen, die Richterin Dr. Milger,
den Richter Dr. Achilles und die Richterin Dr. Fetzer
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Klägers wird der Beschluss des
Einzelrichters der 5. Zivilkammer des Landgerichts Schwerin vom
15. Oktober 2009 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten
des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zu-
rückverwiesen.
Gerichtskosten für das Rechtsbeschwerdeverfahren werden nicht
erhoben.
Beschwerdewert: bis 1.000 €
Gründe:
I.
Die Beklagten zu 2 und 3 haben im Jahr 2004 vom Kläger ein Haus in
B. zu einer monatlichen Miete von 610 € gemietet. Der (frühere) Be-
klagte zu 1 ist in dem am 13. März 2008 eröffneten Insolvenzverfahren über das
Vermögen des Beklagten zu 3 zum Insolvenzverwalter bestellt worden.
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Mit Schreiben vom 2. September 2008 kündigte der Kläger das Mietver-
hältnis wegen eines zwei Monatsmieten übersteigenden Zahlungsrückstands
fristlos. Die von ihm erhobene Räumungsklage hat der Kläger zunächst gegen
den Beklagten zu 1 als Insolvenzverwalter sowie gegen die Beklagte zu 2 ge-
richtet. Letztere hat er darüber hinaus auf Zahlung rückständiger Miete und
Nutzungsentschädigung bis zur Herausgabe der Wohnung in Anspruch ge-
nommen. Die Klage ist der Beklagten zu 2 am 15. Dezember 2008 zugestellt
worden. Kurz zuvor, am 10. Dezember 2008, war auch über ihr Vermögen das
Insolvenzverfahren eröffnet worden.
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Nach dem Hinweis des Beklagten zu 1, dass er das Mietobjekt nicht in
Besitz genommen habe, hat der Kläger die Klage gegen diesen zurückgenom-
men und die Räumungsklage auf den Beklagten zu 3 erweitert.
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Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 17. Juli 2009 die Unterbrechung
des Verfahrens gemäß § 240 ZPO festgestellt. Das Landgericht hat die Be-
schwerde des Klägers mit Beschluss des Einzelrichters vom 15. Oktober 2009
zurückgewiesen. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbe-
schwerde wendet sich der Kläger gegen die Feststellung, dass der Rechtsstreit
unterbrochen sei.
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II.
Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statt-
haft und auch im Übrigen (§ 575 ZPO) zulässig. Die Zulassung der Rechtsbe-
schwerde ist nicht deshalb unwirksam, weil der Einzelrichter sie zugelassen hat,
obwohl er bei Annahme einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache das
Verfahren gemäß § 568 Satz 2 Nr. 2 ZPO der mit drei Richtern besetzten
Kammer hätte übertragen müssen. An eine unter Verstoß gegen § 568 Satz 2
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Nr. 2 ZPO erfolgte Zulassung ist das Rechtsbeschwerdegericht gemäß § 574
Abs. 3 Satz 2 ZPO gleichwohl gebunden (BGHZ 154, 200, 201).
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Das Rechtsmittel ist auch begründet. Die angefochtene Entscheidung
unterliegt bereits deshalb der Aufhebung, weil sie unter Verletzung des Verfas-
sungsgebots des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) ergangen
ist. Der Einzelrichter hat bei Rechtssachen, denen er - wie hier - grundsätzliche
Bedeutung beimisst, zwingend das Verfahren an das Kollegium zu übertragen.
Bejaht er mit der Zulassungsentscheidung zugleich die grundsätzliche Bedeu-
tung der Rechtssache, ist seine Entscheidung objektiv willkürlich und verstößt
gegen das Verfassungsgebot des gesetzlichen Richters. Dieser Verstoß ist vom
Rechtsbeschwerdegericht von Amts wegen zu berücksichtigen (BGHZ aaO,
202 ff.).
Die Sache ist deshalb unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses
an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen. Hinsichtlich der Kosten des
Rechtsbeschwerdeverfahrens macht der Senat von der Möglichkeit des § 21
GKG Gebrauch.
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Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass nur ein im
Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits rechtshängiger Pro-
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zess gemäß § 240 ZPO unterbrochen werden kann (BGH, Beschluss vom
11. Dezember 2008 - IX ZB 232/08, WM 2009, 332, Tz. 9 ff.).
Ball
Dr. Frellesen
Dr. Milger
Dr. Achilles
Dr. Fetzer
Vorinstanzen:
AG Grevesmühlen, Entscheidung vom 17.07.2009 - 5 C 353/08 -
LG Schwerin, Entscheidung vom 15.10.2009 - 5 T 242/09 -