Urteil des BGH vom 24.05.2007

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 97/04
Verkündet
am:
24. Mai 2007
Bürk
Justizhauptsekretärin
als
Urkundsbeamter
der
Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
StPO § 111c Abs. 3, § 111k
Im Strafverfahren darf eine gerichtliche Anordnung, den Betrag einer beschlagnahm-
ten Forderung an den Verletzten einer Straftat auszubezahlen, nach dem Gesetz
nicht ergehen. Eine gleichwohl ergangene Anordnung dieses Inhaltes ist nicht un-
wirksam.
BGB § 408 Abs. 2, § 407
Ergeht im Strafverfahren eine gerichtliche Anordnung, den Betrag einer beschlag-
nahmten Forderung an den Verletzten der abgeurteilten Straftat auszubezahlen,
kann sich der Drittschuldner gegenüber demjenigen, der aufgrund einer Abtretung
des verurteilten Angeklagten ein besseres Recht und die Wirkungslosigkeit der ge-
richtlichen Anordnung behauptet, darauf berufen, durch Befolgung der Anordnung
befreiend geleistet zu haben, es sei denn, dass ihm die Abtretung und bei ungewis-
ser Rechtslage ihre Wirksamkeit bekannt gewesen ist.
BGH, Urteil vom 24. Mai 2007 - IX ZR 97/04 - OLG München
LG München I
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Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 24. Mai 2007 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Fischer, die Richter Rae-
bel, Vill, Cierniak und die Richterin Lohmann
für Recht erkannt:
Die Revision gegen das Urteil des 19. Zivilsenats des Oberlan-
desgerichts München vom 18. März 2004 wird auf Kosten der Klä-
gerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Das zuständige Amtsgericht beschlagnahmte am 17. Dezember 1999 ein
Festgeldguthaben von jetzt 88.197,96 € bei der Beklagten, welches die Klägerin
aufgrund einer Abtretung ihres Ehemannes vom 14. Oktober 1997 erworben
haben will. Nach Verurteilung des Ehemannes der Klägerin wegen Untreue zum
Nachteil einer von ihm verwalteten Konkursmasse ordnete die Große Straf-
kammer am 28. November 2002 im Wege der Berichtigung an, den sicherge-
stellten Betrag an die geschädigte Konkursmasse auszukehren; zuvor hatte sie
in dem verkündeten Urteil den erweiterten Verfall in Höhe der beschlagnahmten
Forderung ausgesprochen. Die berichtigte Anordnung stützte sich auf das zwi-
schen den Parteien streitige Einverständnis des Ehemannes der Klägerin und
eine entsprechende Anwendung von § 111k StPO. Die Beklagte kam der ge-
richtlichen Anordnung im Februar 2003 nach. Die Abtretung des Festgeldgut-
habens an die Klägerin hat sie bestritten.
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Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Beklagte an den Konkursverwalter
der geschädigten Masse nicht befreiend geleistet habe. Ihre Klage und Beru-
fung sind ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen
Revision verfolgt die Klägerin ihren Antrag auf Auszahlung des Guthabens wei-
ter.
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Entscheidungsgründe:
Die Revision ist unbegründet.
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I.
Das Berufungsgericht hat gemeint, die Auszahlung der beschlagnahmten
Geldforderung an die geschädigte Konkursmasse habe im Strafverfahren ge-
gen den Ehemann der Klägerin nicht angeordnet werden dürfen. Gleichwohl sei
die Beklagte in ihrem Vertrauen auf die Rechtsbeständigkeit dieser Anordnung
gegenüber der Klägerin entsprechend § 836 Abs. 2 ZPO geschützt. Die Kläge-
rin sei beweisfällig dafür geblieben, dass die Abtretung des Festgeldguthabens
bereits vor Herstellung einer notariell beglaubigten Abschrift am 2. Februar
2002, nämlich entsprechend der Datierung des Schriftstücks am 14. Oktober
1997, vereinbart worden sei.
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Der Ehemann der Klägerin habe außerdem in seinem Strafverfahren der
Auszahlung des Guthabens an die geschädigte Konkursmasse zugestimmt.
Darin liege ein Abtretungsangebot, welches mit der Inempfangnahme der Aus-
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zahlung angenommen worden sei und zugleich den Rechtsschein erweckt
habe, dass eine ältere Abtretung der Verfügung des Ehemannes der Klägerin
nicht (mehr) entgegenstehe. Dem Gegenbeweis und weiteren Beweis zu der
bestrittenen Zustimmung des Ehemannes der Klägerin zu der Auszahlungsan-
ordnung brauche nicht mehr nachgegangen zu werden, weil bereits die Haupt-
begründung, dass die Beklagte nach § 836 Abs. 2 ZPO geschützt sei, die Ent-
scheidung trage. Aus den bereits genannten Erwägungen heraus komme auch
eine Verpflichtung der Beklagten zum Schadensersatz nicht in Betracht.
II.
Dagegen rügt die Revision, dass die Beschlagnahme der Forderung und
das Pfändungspfandrecht des Staates mit Rechtskraft des Strafurteils entfallen
seien, weil dort weder der Verfall noch eine Fortdauer der Beschlagnahme zu-
gunsten der Verletzten gemäß § 111i StPO angeordnet worden sei. Die Aus-
kehrungsanordnung der Großen Strafkammer vom November 2002 sei infolge
der spätestens am 2. Februar 2002 vereinbarten Abtretung an die Klägerin ins
Leere gegangen. Diese Anordnung sei im Übrigen wegen absoluter Gesetz-
losigkeit und wegen Umgehung von § 750 Abs. 1 ZPO nichtig, weil sie einer
Zwangsvollstreckung der begünstigten Konkursmasse ohne Titel gleichkomme.
Die Staatsanwaltschaft sei trotz Auskehrungsanordnung der Großen Strafkam-
mer nicht zur Verfügung über die beschlagnahmte Forderung berechtigt gewe-
sen. Da die Anordnung der Großen Strafkammer nichtig gewesen sei, könne
die vom Berufungsgericht entsprechend angewendete Vorschrift des § 836
Abs. 2 ZPO die Beklagte wie in Fällen eines unwirksamen Überweisungsbe-
schlusses nach Arrestpfändung nicht schützen. Sie gelte auch nicht im Verhält-
nis zur Klägerin, die durch Abtretung ein besseres Recht als der Staat oder die
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durch die Straftat verletzte Konkursmasse erworben habe; hier seien § 408
Abs. 2, § 407 BGB einschlägig. Die Voraussetzungen dieser Vorschriften seien
nicht erfüllt.
Dem Vertrauensschutz stehe schon die Nichtigkeit der Auskehrungsan-
ordnung entgegen. Die Beklagte habe aber auch, bevor das Festgeld nach An-
ordnung der Großen Strafkammer vom November 2002 ausgezahlt worden sei,
durch das Schreiben der Klägerin vom 28. Februar 2000 und das ihres Ehe-
mannes vom 3. Februar 2000 Kenntnis von der Abtretung des Guthabens an
die Klägerin im Jahre 1997 gehabt. Objektive Zweifel an der Wirksamkeit dieser
Abtretung hätten nicht bestanden. Mit seiner gegenteiligen Annahme habe das
Berufungsgericht entweder das materielle Recht verletzt oder das angeführte
Vorbringen der Klägerin übergangen.
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Auch die Hilfsbegründung des Berufungsgerichts sei nicht tragfähig;
denn die erneute Forderungsabtretung stelle die vorhandene Kenntnis des
Schuldners von der älteren Abtretung nicht in Frage.
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III.
Das Berufungsurteil hält der rechtlichen Prüfung im Ergebnis stand. Die
Beklagte hat in entsprechender Anwendung von § 408 Abs. 2, § 407 BGB mit
Befolgung der strafprozessualen Auszahlungsanordnung gegenüber der Kläge-
rin befreiend geleistet, selbst wenn diese mit Wirksamkeit gegenüber der ge-
schädigten Konkursmasse das abgetretene Festgeldguthaben erworben hatte.
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1. Das Berufungsgericht ist ohne Erörterung davon ausgegangen, dass
die Anordnung des erweiterten Verfalls gegen den Ehemann der Klägerin in
dem verkündeten Strafurteil bei Absetzung der Entscheidung wirksam in die
Auskehrung des beschlagnahmten Betrages an die geschädigte Konkursmasse
berichtigt werden konnte. Dies wäre zweifelhaft, wenn die Große Strafkammer
ursprünglich übersehen haben sollte, dass der angewendete Straftatbestand,
Untreue gemäß § 266 StGB, nicht auf den erweiterten Verfall des § 73d StGB
verweist. Das ist allerdings nach der Urteilsberichtigung auszuschließen, weil
diese sich auch darauf stützt, dass in der Hauptverhandlung Staatsanwalt, Ver-
teidiger und Angeklagter sich darüber einig waren, den Gegenstand der be-
schlagnahmten Forderung an die geschädigte Konkursmasse auszukehren. Mit
dieser Zielrichtung kam ein Verfall der Forderung zugunsten des Staates (§ 73e
Abs. 1 StGB) nicht in Betracht, sondern es war von vornherein eine als "erwei-
terter Verfall" nur falsch bezeichnete Rückgewinnungshilfe für die geschädigte
Konkursmasse gemeint.
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2. Die Große Strafkammer hat auch nicht verkannt, dass die gemäß
§ 111c Abs. 3 StPO durch Pfändung beschlagnahmte Forderung gegen die Be-
klagte keine bewegliche Sache (vgl. § 111c Abs. 1 StPO) war, deren Heraus-
gabe an den Verletzten nach § 111k StPO angeordnet werden konnte. Die
Kammer wollte aber diese Vorschrift entsprechend anwenden. Das mag im An-
satz denkbar sein, weil es sich nicht um einen Strafausspruch handelt, dessen
Grundlage außerhalb des Gesetzes weder geschaffen noch verschärft werden
darf (BVerfGE 25, 269, 285; BVerfG NJW 1986, 1671, 1672), sondern nach der
gesetzlichen Regelung nur um die einstweilige hoheitliche Ordnung rechts-
widriger Besitzverhältnisse.
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Allerdings fehlt es für die von der Großen Strafkammer vertretene analo-
ge Anwendung von § 111k StPO auf die Empfangszuständigkeit des Verletzten
für Forderungen, die der Verurteilte aus der Straftat erlangt hat, an der notwen-
digen Lücke im Gesetz. In § 111i StPO ist bestimmt, dass bei Ansprüchen des
Verletzten, die dem Verfall nach § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB entgegenstehen,
auch die Beschlagnahme von Forderungen im Strafurteil nur für höchstens drei
Monate aufrechterhalten werden darf, sofern die sofortige Aufhebung gegen-
über dem Verletzten unbillig wäre. Wenn danach schon eine Vollstreckungssi-
cherung zugunsten des Verletzten nur befristet möglich ist, so lässt dies eindeu-
tig erkennen, dass eine Anordnung an den Betroffenen, in Vorwegnahme einer
Zwangsvollstreckung die Auszahlung an den Verletzten zu dulden, dem Gesetz
widerspricht.
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3. Die strafprozessuale Anordnung, die mit dem Ertrag einer Straftat be-
gründete Forderung des Verurteilten durch Zahlung an den Verletzten zu erfül-
len, ist trotz ihrer Unzulässigkeit wirksam. Die entsprechende Anwendung von
§ 836 Abs. 2 ZPO zugunsten der Beklagten ist deshalb gegenüber dem Ehe-
mann der Klägerin nicht ausgeschlossen.
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Die demgegenüber von der Revision gezogene Parallele zum nichtigen
Überweisungsbeschluss nach Erlass eines Arrestbefehls (BGHZ 121, 98,
101 ff) trifft in einem wesentlichen Punkt nicht zu. Das Gesetz lässt einen
Überweisungsbeschluss aufgrund Arrestbefehls, welcher nur der Sicherung,
nicht der Befriedigung dient, in keinem denkbaren Fall zu. Diese Ermächtigung
des Vollstreckungsgerichts ist dem Gesetz im Verfahren der Arrestvollziehung
vollständig fremd. Ähnlich dem dinglichen Arrest dient zwar auch die Rückge-
winnungshilfe der §§ 111b ff StPO grundsätzlich nur der Sicherung des Verletz-
ten, wie insbesondere § 111b Abs. 5, § 111g Abs. 1 und 3 sowie § 111i StPO
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erkennen lassen. Doch werden durch die angeordnete und vollzogene Heraus-
gabe beschlagnahmter beweglicher Sachen an den Verletzten gemäß § 111k
StPO ausnahmsweise bereits seine Ansprüche auf Herausgabe des Besitzes
befriedigt, ohne dass es eines Titels oder einer Zwangsvollstreckung nach den
§§ 883, 884 ZPO gegen den Verurteilten bedürfte. Dies wird zwar in vielen Fäl-
len dadurch erleichtert, dass die Sache bereits nach § 111c Abs. 1 StPO in
staatlichen Gewahrsam genommen worden ist. Unabdingbare Voraussetzung
für eine zulässige Herausgabeanordnung nach § 111k StPO ist dies jedoch
nicht (Schäfer in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 111k Rn. 20).
Die Große Strafkammer hat daher hier mit ihrer Anordnung in dem Ver-
fahren gegen den Ehemann der Klägerin nur die Grenzen einer gesetzlichen
Ermächtigung überschritten, nicht sich eine gesetzesfremde Befugnis ange-
maßt. Der erstgenannte Rechtsfehler führt zur Anfechtbarkeit, letzteres kann
bei offenkundiger Rechtslage Nichtigkeit bewirken. Hier durfte die Beklagte
nach dem Berichtigungsbeschluss der Großen Strafkammer vom 28. November
2002 sogar von einem Rechtsmittelverzicht des Ehemannes der Klägerin aus-
gehen. Umso mehr musste sie, wie das Berufungsgericht insoweit zutreffend
angenommen hat, in ihrem Vertrauen auf die Rechtsbeständigkeit der strafpro-
zessualen Auszahlungsanordnung gegenüber dem Ehemann der Klägerin ent-
sprechend § 836 Abs. 2 ZPO geschützt sein. Denn auf einen etwaigen Anfech-
tungsgrund des Verurteilten gegen die ergangene Auszahlungsanordnung kam
es nach seinem erteilten Einverständnis nicht einmal an. Die strafprozessuale
Auszahlungsanordnung ersetzte den Vollstreckungstitel und den eine Befriedi-
gung ermöglichenden Überweisungsbeschluss zur Einziehung nach § 835
Abs. 1 ZPO. Für den notwendigen Schutz des Drittschuldners vor der Gefahr,
durch die Befolgung gerichtlicher Anordnungen ungerechtfertigte Nachteile zu
erleiden, und das dagegen abzuwägende Interesse des Verurteilten, wie ein
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Vollstreckungsschuldner durch rechtswidrige Anordnung des Gerichts keine
Vermögenseinbußen hinnehmen zu müssen (vgl. BGHZ 127, 146, 155), ergibt
sich aus den unterschiedlichen Formen der vollstreckungs- und strafgerichtli-
chen Anordnungen kein Unterschied. Es kann auch weder bei der Rechts- oder
Forderungspfändung noch bei einer strafprozessualen Rückgabe- oder Rück-
zahlungsanordnung dem Zweck des Gesetzes entsprechen, wenn Drittschuld-
ner aus Sorge, von ihrer Verbindlichkeit nicht frei zu werden, die geschuldete
Leistung vermehrt hinterlegen müssten (vgl. BGHZ aaO).
4. Die Beklagte kann sich entsprechend § 408 Abs. 2, § 407 BGB auch
gegenüber der Klägerin darauf berufen, von der behaupteten Abtretung des
Festgeldguthabens keine Kenntnis gehabt und mit seiner Auszahlung an die
geschädigte Konkursmasse befreiend geleistet zu haben.
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a) Die Revision nimmt hin, dass das Berufungsgericht zugunsten der
Klägerin nicht feststellen konnte, ihr sei das Festgeldguthaben ihres Eheman-
nes bei der Beklagten bereits vor dem Zeitpunkt abgetreten worden, als die Be-
schlagnahme gemäß § 111k StPO, § 829 Abs. 3 ZPO durch Zustellung des Be-
schlusses an die Beklagte wirksam wurde.
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b) Die Vorschriften der § 408 Abs. 2, § 407 BGB sind für den Schutz des
Drittschuldners gegenüber demjenigen, der durch Abtretung von Seiten des
ursprünglichen Gläubigers ein besseres Recht als der Pfändungsgläubiger er-
worben hat, das dem Drittschuldner zur Zeit seiner Leistung unbekannt war,
einschlägig (BGHZ 66, 394, 396). Sie beruhen darauf, dass sich die Wirkung
einer Pfändung, die stets nur das angebliche Recht des Vollstreckungsschuld-
ners erfasst, auf seine materielle Berechtigung nicht erstreckt (BGHZ 127, 146,
154 oben). Hat der Vollstreckungsschuldner die Forderung bereits vor der
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Pfändung an einen Dritten abgetreten, so geht die Pfändung ins Leere, die
Überweisung gewährt dem Vollstreckungsgläubiger keine Rechte (BGHZ 56,
339 f; 100, 36, 42; 151, 127, 131; BGH, Urt. v. 21. September 2006 - IX ZR
23/05, ZIP 2007, 146). Der Drittschuldner wird durch Zahlung an den Vollstre-
ckungsgläubiger grundsätzlich nicht frei (BGH, Urt. v. 26. Mai 1987 - IX ZR
201/86, NJW 1988, 495 f). Hier greift zugunsten des Drittschuldners, welcher
von der Abtretung keine Kenntnis hat, der materielle Leistungsschutz der § 408
Abs. 2, § 407 BGB ein (vgl. BGH, Urt. v. 12. Dezember 2001 - IV ZR 47/01,
NJW 2002, 755, 757).
c) Die Vorschriften der § 408 Abs. 2, § 407 BGB sind entsprechend an-
zuwenden, wenn das Gericht im Strafprozess gemäß § 73 StGB den Verfall
einer Forderung anordnet, die der Verurteilte aus der Straftat direkt oder mittel-
bar erworben hat, obwohl sie nach zwischenzeitlicher Abtretung einem anderen
zusteht, oder wenn es die Herausgabe einer beweglichen Sache an den Ver-
letzten anordnet, obwohl sie einem Dritten gehört.
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Wird der Verfall eines Gegenstandes angeordnet, geht das Eigentum an
der Sache oder das verfallene Recht nach § 73e Abs. 1 Satz 1 StGB mit
Rechtskraft der Entscheidung nur dann auf den Staat über, wenn es dem von
der Anordnung Betroffenen zu dieser Zeit zusteht. Der Verfall einer Forderung
ersetzt die sonst notwendige Pfändung und Überweisung gegenüber dem Ver-
urteilten und dem Drittschuldner (vgl. W. Schmidt, Gewinnabschöpfung im
Straf- und Bußgeldverfahren, 2006, Rn. 479). Wie diese Vollstreckungshand-
lungen bleibt der Verfall wirkungslos, wenn der Verurteilte schon vor der Be-
schlagnahme nach § 111c Abs. 3 StPO seine Forderung an einen Dritten abge-
treten hatte. Wird nach dieser Vorschrift eine Forderung beschlagnahmt, die
nicht (mehr) dem Betroffenen zusteht, so geht auch die Beschlagnahmepfän-
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dung ins Leere (W. Schmidt, aaO Rn. 684). Der im Strafverfahren ohne sein
Verschulden nicht beteiligte Dritte kann sein Recht gemäß § 442 Abs. 1, § 439
StPO im Nachverfahren geltend machen.
Für den Drittschuldner stellt sich hier wie bei einem möglicherweise wir-
kungslosen Überweisungsbeschluss gemäß § 835 Abs. 1 ZPO die Frage, ob er
ohne Gefahr ungerechtfertiger Nachteile an den Staat als Verfallberechtigten
leisten kann, wenn er mit dem besseren Recht eines Dritten rechnen muss.
Auch hier ergibt sich die interessengerechte Lösung aus der gesetzlichen Wer-
tung der § 408 Abs. 2, § 407 BGB: Der Drittschuldner ist geschützt, es sei denn,
dass er bei seiner Leistung von dem besseren Recht des Dritten Kenntnis hatte.
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d) Ordnet das Gericht im Strafprozess nach § 111k StPO die Herausga-
be einer beweglichen Sache an den Verletzten an, so ist gleichfalls Vorausset-
zung, dass Ansprüche Dritter nicht entgegenstehen. Die vorläufige Besitz-
standsregelung, die der Strafrichter trifft, hindert den Dritten nicht, sein besse-
res Recht gegen den Anordnungsbesitzer zu verfolgen, an den die beschlag-
nahmte Sache herausgegeben worden ist (Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO
49. Aufl. § 111k Rn. 1; Schäfer, aaO § 111k Rn. 23, jeweils m.w.N.; vgl. auch
KK-StPO/Nack, 5. Aufl. § 111k Rn. 6).
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Kommt es - wie im Streitfall - im Strafprozess zu der Anordnung, den Be-
trag einer beschlagnahmten Forderung an den Verletzten auszuzahlen, kann
dies keine weitergehenden Rechtswirkungen gegenüber einem besser berech-
tigten Dritten entfalten als die Herausgabe einer beschlagnahmten beweglichen
Sache an den Verletzten oder der angeordnete Verfall. Der Drittschuldner muss
damit rechnen, dass er trotz gerichtlich bestimmter Empfangszuständigkeit des
Verletzten seine Schuld durch Zahlung an diesen nicht erfüllt. Er bedarf folglich
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in gleicher Interessenlage auch hier des Gutglaubensschutzes, den § 408
Abs. 2, § 407 BGB dem Drittschuldner im Falle eines wirkungslosen gerichtli-
chen Überweisungsbeschlusses vermitteln.
5. Die bei entsprechender Anwendung von § 408 Abs. 2, § 407 BGB für
die Beklagte schädliche Kenntnis von dem Forderungsrecht der Klägerin auf
das ausgekehrte Festgeldguthaben ihres verurteilten Ehemannes hat die Be-
klagte trotz der erhaltenen Mitteilungen nicht gehabt. Die Beklagte hat nicht er-
kannt, dass die Forderungsabtretung zwischen den Eheleuten gegenüber dem
nach Anordnung der Strafkammer empfangsberechtigten Verletzten wirksam
war.
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Eine Abtretung nach dem Wirksamwerden der Beschlagnahme war ge-
mäß § 111c Abs. 5 StPO, § 136 BGB gegenüber dem verfallberechtigten Staat
relativ unwirksam (BGH, Urt. v. heutigen Tage - IX ZR 41/05, z.V.b.). Sie war
nach § 111g Abs. 3 Satz 1 StPO auch gegenüber dem Verwalter der geschä-
digte Konkursmasse unwirksam, wenn er während der Dauer der Beschlag-
nahme mit Zulassung des Richters gemäß § 111g Abs. 2 StPO in die abgetre-
tene Forderung vollstreckt oder den Arrest vollzogen hätte. Dies ist allerdings,
wie die Beklagte wusste, unterblieben. Die Große Strafkammer hat auch keine
Beschlagnahmeverlängerung gemäß § 111i StPO ausgesprochen, die dem
Konkursverwalter nach Urteilsverkündung gegen den Angeklagten noch solche
Schritte erlaubt hätte. Gleichwohl musste die Beschlagnahme nicht, wie die Re-
vision in Anlehnung an den gesetzeskonformen Regelfall vertritt, mit der
Rechtskraft des Strafurteils ohne weiteres entfallen (vgl. dazu etwa Schäfer,
aaO § 111e Rn. 19), was bedeutet hätte, dass die Abtretung an die Klägerin der
Verletzten gegenüber wirksam gewesen und dem Staat gegenüber nachträglich
wirksam geworden wäre. Vielmehr konnte mit der verfallähnlichen Anordnung
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der Strafkammer die Beschlagnahme entsprechend § 111g Abs. 5 StPO bis zur
Auszahlung des Guthabens an die empfangszuständige Konkursmasse fort-
dauern, die hier an die Stelle des nach § 73e Abs. 1 Satz 1 StGB für die Ver-
fallswirkung maßgebenden Zeitpunkts der Rechtskraft zu treten hätte. Diese
Beschlagnahme hätte auch, weil sie mit der getroffenen Auszahlungsanordnung
zugunsten der Verletzten Schutzwirkung für diese entfalten musste, einen For-
derungserwerb der Klägerin vom 2. Februar 2002 gegenüber der Verletzten
unwirksam machen können. Aus Sicht der Beklagten musste für eine solche
Rechtslage weiterhin die im Berichtigungsbeschluss der Strafkammer vom
28. November 2002 festgehaltene Zustimmung des Ehemannes der Klägerin zu
der angeordneten Auszahlung sprechen; denn sie deutete auf seine (fortdau-
ernde) Verfügungsmacht als Gläubiger, die sich auch aufgrund der Beschlag-
nahmewirkungen ergeben konnte.
Der Senat braucht im gegebenen Zusammenhang nicht abschließend zu
entscheiden, ob die - wie vorstehend ausgeführt - möglichen Rechtswirkungen
von der anfechtbaren Auszahlungsanordnung der Großen Strafkammer tat-
sächlich ausgegangen sind. Ist die Wirksamkeit einer Forderungsabtretung
- wie hier von der Beklagten - für den Schuldner auch aus Rechtsgründen nicht
zu übersehen, so kann ihm nicht zugemutet werden, zur Klärung dieser Frage
ein Rechtsgutachten einzuholen oder sich auf den Weg der Hinterlegung ver-
weisen zu lassen. Er hat bei objektiver Ungewissheit über die Wirksamkeit einer
Abtretung von dieser Verfügung keine genügende Kenntnis im Sinne von
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§ 407 Abs. 1 BGB (vgl. BGH, Urt. v. 18. März 2004 - IX ZR 177/03, WM 2004,
981, 985 unter II. 4.).
Fischer Raebel Vill
Cierniak Lohmann
Vorinstanzen:
LG München I, Entscheidung vom 30.09.2003 - 28 O 14667/03 -
OLG München, Entscheidung vom 18.03.2004 - 19 U 5296/03 -