Urteil des BGH vom 12.01.2006
Leitsatzentscheidung
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VII ZR 73/04 Verkündet
am:
12. Januar 2006
Seelinger-Schardt,
Justizangestellte
als
Urkundsbeamtin
der
Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
ZPO §§ 525, 264 Nr. 3
Passt der im ersten Rechtszug erfolgreiche Kläger in der Berufungsinstanz sei-
nen Antrag dahin an, dass er statt des ursprünglich geforderten Kostenvor-
schusses nunmehr Kostenerstattung geltend macht, ist dies jedenfalls dann
ohne Anschlussberufung zulässig, sofern der geltend gemachte Anspruch auf
Kostenerstattung den im angefochtenen Urteil zuerkannten Betrag nicht über-
steigt.
BGH, Urteil vom 12. Januar 2006 - VII ZR 73/04 - OLG Düsseldorf
LG Duisburg
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Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 12. Januar 2006 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Dressler und die
Richter Dr.
Haß, Hausmann, Prof. Dr. Kniffka
und
die
Richterin
Safari Chabestari
für Recht erkannt:
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 21. Zivilsenats
des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 2. März 2004 wird auf ih-
re Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin macht Mängelbeseitigungskosten wegen mangelhaft verleg-
ter Betonwerksteinplatten (Terrazzoplatten) geltend.
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Sie hat zunächst unter Anrechnung eines von der Beklagten gezahlten
Betrags von 29.868,25 € einen Kostenvorschuss von 219.101,83 € gefordert.
Das Landgericht hat der Klage bis auf einen Teil des Zinsanspruchs stattgege-
ben. Nachdem die Beklagte Berufung eingelegt und mit dem der Klägerin am
10. April 2003 zugestellten Schriftsatz begründet hatte, ließ die Klägerin die
Mängel durch Drittfirmen beseitigen. Mit Schriftsatz vom 2. Dezember 2003 hat
die Klägerin Erstattung der ihr durch die Beseitigung der Mängel entstandenen
Kosten in Höhe von 226.924,28 € und nach teilweiser Zurücknahme der Klage
noch in Höhe von 165.470,81 € verlangt. Das Berufungsgericht hat dem geän-
derten Klageantrag in Höhe eines Betrages von 165.168,70 € stattgegeben.
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Mit der vom Senat zugelassenen Revision möchte die Beklagte die Ab-
weisung der Klage erreichen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Revision der Beklagten hat keinen Erfolg.
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Auf das Schuldverhältnis finden die bis zum 31. Dezember 2001 gelten-
den Gesetze Anwendung (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB).
I.
Das Berufungsgericht führt aus, der Klägerin stehe nach § 13 Nr. 5
Abs. 2 VOB/B ein Anspruch auf Erstattung der für die Erneuerung des Fußbo-
dens angefallenen Kosten in Höhe eines Betrages von 165.168,70 € zu. Die
Umstellung des Klageantrags von einem Kostenvorschuss auf einen Kostener-
stattungsanspruch sei gemäß §§ 525, 264 Nr. 3 ZPO nicht als Klageänderung
im Sinne des § 533 ZPO anzusehen. Der Zulassung des geänderten Klagebe-
gehrens stehe nicht entgegen, dass die Klägerin keine Anschlussberufung ein-
gelegt habe und innerhalb der Monatsfrist des § 524 Abs. 2 Satz 2 ZPO auch
nicht habe einlegen können, da bis dahin die Schlussrechnungen der Firmen,
die mit der Beseitigung der Mängel beauftragt gewesen seien, noch nicht vorge-
legen hätten. Antragsänderungen nach § 264 Nr. 3 ZPO seien auch ohne An-
schlussberufung analog § 302 Abs. 4 Satz 4 ZPO im anhängigen Berufungsver-
fahren zuzulassen. Unter prozessökonomischen Gesichtspunkten sei es nicht
sinnvoll, die Klägerin auf eine neue Klage zu verweisen.
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II.
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Dies hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
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1. Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Auffassung des Beru-
fungsgerichts, die Klägerin sei ohne Einlegung einer Anschlussberufung be-
rechtigt gewesen, statt des ursprünglich geforderten Kostenvorschusses Ersatz
der Mängelbeseitigungskosten gemäß § 13 Nr. 5 Abs. 2 VOB/B zu verlangen,
nachdem sie in der Berufungsinstanz die Mängel durch Drittfirmen hatte besei-
tigen lassen.
a) Einer Anschlussberufung bedarf es nicht, sofern der Berufungsbeklag-
te mit dem geänderten Klageantrag nicht mehr als die Zurückweisung der Beru-
fung erreichen will (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 25. April 1991 - I ZR 134/90,
NJW 1991, 3029; BGH, Urteil vom 2. Oktober 1987 - V ZR 42/86, NJW-RR
1988, 185 m. Nachw.). Gleiches gilt, wenn in der Berufungsinstanz ohne Ände-
rung des Klagegrunds statt des ursprünglich geforderten Gegenstandes wegen
einer später eingetretenen Veränderung ein anderer Gegenstand gefordert wird
(§ 264 Nr. 3 ZPO). Denn dann geht das Begehren des in erster Instanz erfolg-
reichen Klägers über den Antrag, die Berufung des Beklagten zurückzuweisen,
nicht hinaus. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der nunmehr verfolgte Anspruch
den im angefochtenen Urteil zuerkannten Betrag nicht übersteigt.
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Eine solche Änderung des Klagebegehrens hat nicht zum Ziel, eine Ab-
änderung des erstinstanzlichen Urteils zugunsten des Klägers herbeizuführen.
Durch die Vorschrift des § 264 Nr. 3 ZPO wird dem Kläger lediglich die Mög-
lichkeit gegeben, den Klageantrag im Rahmen des geltend gemachten Klage-
grundes anzupassen, wenn sich während des Rechtsstreits die zugrunde lie-
genden tatsächlichen Verhältnisse ändern. Die Berufung des Beklagten richtet
sich in diesem Fall ohne weiteres gegen den angepassten Klageantrag.
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b) Das auf Erstattung der Mängelbeseitigungskosten gerichtete geänder-
te Klageziel der Klägerin stellt sich entgegen der Ansicht der Revision gegen-
über dem bis dahin verfolgten Rechtsschutzbegehren, das die Zahlung eines
Vorschusses zum Gegenstand hatte, nicht deswegen als ein "Mehr" dar, weil
die Klägerin anders als beim Vorschuss den als Kostenerstattung verlangten
Betrag in jedem Fall endgültig behalten darf. Mit dem Erstattungsanspruch nach
§ 13 Nr. 5 Abs. 2 VOB/B kann der Auftraggeber vom Auftragnehmer lediglich
diejenigen Kosten erstattet verlangen, die ihm im Rahmen der Mängelbeseiti-
gung tatsächlich entstanden sind. Diese Kosten entsprechen der Höhe nach
dem Betrag, den der Auftraggeber auch nach Abrechnung eines geforderten
und gezahlten Vorschusses behalten dürfte. Denn der vom Auftraggeber zu
beanspruchende Vorschuss stellt sich lediglich als vorweggenommener und
abzurechnender Aufwendungsersatz für die zur Beseitigung der Mängel erfor-
derlichen Kosten dar (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteile vom 1. Februar 1990 - VII ZR
330, 334 mit Nachw.).
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c) Die Klägerin hat mit dem Übergang von einem Vorschussanspruch auf
einen Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Nr. 5 Abs. 2 VOB/B aufgrund einer
nachträglichen Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse unter Aufrechterhal-
tung des Klagegrunds gemäß § 264 Nr. 3 ZPO an Stelle des ursprünglichen
Gegenstands einen anderen Gegenstand gefordert. Die Voraussetzungen für
den auf Zahlung eines Kostenvorschusses gerichteten Anspruch sind entfallen,
nachdem die Mängel der verlegten Bodenplatten in der Berufungsinstanz im
Auftrag der Klägerin durch Drittfirmen beseitigt worden sind. Sie hat zuletzt ei-
nen Antrag gestellt, der hinter dem erstinstanzlichen Urteilsausspruch zurück-
blieb und nicht mehr darauf gerichtet war, eine Abänderung des erstinstanzli-
chen Urteils zu ihren Gunsten zu erreichen.
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2. Rechtsfehlerfrei geht das Berufungsgericht im Übrigen davon aus,
dass der Klägerin wegen der fehlerhaften Verlegung von Terrazzoplatten ein
Anspruch auf Ersatz von Mängelbeseitigungskosten in Höhe von 165.168,70 €
gegen die Beklagte zusteht. Dies greift die Revision nicht an.
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III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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Dressler Haß Hausmann
Kniffka Safari Chabestari
Vorinstanzen:
LG Duisburg, Entscheidung vom 19.12.2002 - 21 O 157/02 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 02.03.2004 - 1/21 U 33/03 -