Urteil des BGH vom 15.07.2014

BGH: treu und glauben, anpassung, versorgung, tod, ausschluss, rente

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
I V Z R 2 6 1 / 1 4
(vormals IV ZR 150/12)
vom
15. Juli 2014
in dem Rechtsstreit
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Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende
Richterin Mayen, den Richter Felsch, die Richterin Harsdorf-Gebhardt,
den Richter Dr. Karczewski und die Richterin Dr. Brockmöller
am 15. Juli 2014
beschlossen:
Der Aussetzungsbeschluss vom 17. Juli 2013 wird aufge-
hoben.
Der Senat beabsichtigt, die Revision des Klägers gegen
das Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts
Karlsruhe vom 3. Mai 2012 durch Beschluss nach § 552a
ZPO zurückzuweisen.
Die Parteien erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme bi n-
nen
vier Wochen
Gründe:
I. Der am 30. September 1945 geborene und bei der Zusatzverso r-
gung der Beklagten pflichtversicherte Kläger begehrt den Wegfall der in-
folge Versorgungsausgleichs vorgenommenen Kürzung seiner Rente bei
der Beklagten nach dem Tod seiner geschiedenen Ehefrau. Durch Urteil
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des Amtsgerichts - Familiengerichts - vom 23. März 2005 wurde der Klä-
ger von seiner Ehefrau geschieden. In dem Urteil wurden zu Lasten se i-
ner Versorgung bei der Beklagten auf dem Versicherungskonto seiner
Ehefrau bei der gesetzlichen Rentenversicherung Anwartschaften in H ö-
he von 99,01
€ pro Monat begründet. Mit Schreiben vom 31. März 2006
teilte die Beklagte dem Kläger mit, seine zukünftige Betriebsrente sei
von Beginn an um 150,43
€ zu kürzen. Ferner wies sie ihn darauf hin,
unter welchen Voraussetzungen eine Kürzung nach § 4 des Gesetzes
zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich (VAHRG) nicht in Be-
tracht komme. Die geschiedene Ehefrau bezog für den Zeitraum vom
1. Januar 2008 bis 31. Januar 2010 Rentenleistungen. Am 18. Januar
2010 verstarb sie. Der Kläger erhält seit 1. Oktober 2010 aus der gesetz-
lichen Rentenversicherung eine Regelaltersrente in Höhe von 1.033,90
brutto monatlich und von der Beklagten eine Betriebsrente von 200,09
brutto monatlich. Diese ist wegen des Versorgungsausgleichs um
150,43
€ brutto monatlich gekürzt und würde ohne diese Kürzung
350,52
€ brutto monatlich betragen.
Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn ab
1. Oktober 2010 eine ungekürzte Betriebsrente in Höhe von monatlich
350,52
€ brutto unter Abzug der bisherigen monatlichen Nettozahlungen
ab 1. Oktober 2010 von 166,38
€ zu zahlen, hilfsweise festzustellen,
dass die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger ab 1. Oktober 2010 eine
Betriebsrente zu zahlen, die nicht um den vom Familiengericht festg e-
stellten Versorgungsausgleich von 150,43
€ zugunsten der geschiedenen
Ehefrau gekürzt wird. Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos gebli e-
ben. Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers.
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II. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision i.S. von
§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO liegen nicht mehr vor und das Rechtsmittel hat
auch keine Aussicht auf Erfolg (§ 552a Satz 1 ZPO).
1. Der Senat hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 17. Juli 2013
zunächst bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in dem
bei ihm anhängigen Verfahren 1 BvR 1820/13 ausgesetzt, wei l es für
seine Entscheidung auf die Verfassungsmäßigkeit von § 32 VersAusglG
ankommt. Nach § 37 Abs. 1 VersAusglG wird, wenn die ausgleichsbe-
rechtigte Person verstorben ist, ein Anrecht der ausgleichspflichtigen
Person auf Antrag nicht länger aufgrund des Versorgungsausgleichs ge-
kürzt. Die Anpassung findet nur statt, wenn die ausgleichsberechtigte
Person die Versorgung aus dem im Versorgungsausgleich erworbenen
Anrecht nicht länger als 36 Monate bezogen hat (§ 37 Abs. 2
VersAusglG). Gemäß § 32 VersAusglG gelten die §§ 33 bis 38
VersAusglG nur für die gesetzliche Rentenversicherung sowie die weit e-
ren dort genannten Regelsicherungssysteme. Im Bereich der ergänze n-
den Altersvorsorge - wie hier derjenigen der Beklagten - findet § 32
i.V.m. § 37 VersAusglG demgegenüber keine Anwendung. Die Revision
macht geltend, dass dieser Ausschluss der Zusatzversorgung der B e-
klagten gegen Art. 3 Abs. 1 und Art. 14 GG verstößt.
Das Bundesverfassungsgericht hat nunmehr mit Beschluss vom
6. Mai 2014 entschieden, dass § 32 VersAusglG, sofern danach bei An-
rechten aus einer Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes eine A n-
passung nach § 33 und nach § 37 VersAusglG unterbleibt, mit dem
Grundgesetz vereinbar ist (1 BvL 9/12 und 1 BvR 1145/13, juris). Insb e-
sondere verstoße § 32 VersAusglG weder gegen Art. 14 GG (aaO
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Rn. 37-68) noch gegen Art. 3 Abs. 1 GG (aaO Rn. 69-77). Die maßgebli-
che Rechtsfrage ist mithin geklärt.
2. Das Rechtsmittel des Klägers hat auch keine Aussicht auf E r-
folg. Auf der Grundlage der Anwendung von §§ 32, 37 VersAusglG steht
dem Kläger kein Anspruch auf Zahlung einer ungekürzten Betriebsrente
zu.
Ohne Erfolg beruft sich der Kläger ferner auf den Gesichtspunkt
des Vertrauensschutzes im Zusammenhang mit dem Schreiben der B e-
klagten vom 31. März 2006. In diesem hat sie ihm lediglich die seinerzeit
gültige Rechtslage mitgeteilt. Der dort genannte § 4 VAHRG ist indessen
mit Wirkung zum 31. August 2009 außer Kraft getreten. Seit dem 1. Sep-
tember 2009 gelten die hier maßgeblichen Vorschriften des Versor-
gungsausgleichsgesetzes. Hinzu kommt, dass der Kläger auch nach § 4
VAHRG keinen Anspruch auf Wegfall der Kürzung der Betriebsrente g e-
habt hätte, da gemäß § 4 Abs. 2 VAHRG die Härteregelung nur eingreift,
wenn der Berechtigte Leistungen in Höhe von nicht mehr als zwei Ja h-
resbeträgen erhalten hat. Hier hat die Beklagte indessen für 25 Monate
Leistungen an die verstorbene Ehefrau des Klägers erbracht.
Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht schließlich angenom-
men, dass die Rückübertragung aus Härtefallgesichtspunkten auch nicht
gemäß § 242 BGB nach Treu und Glauben erforderlich ist. Nach ständ i-
ger Rechtsprechung des Senats rechtfertigt allein die Höhe der Einbußen
eine korrigierende Einzelfallentscheidung gemäß § 242 BGB nicht (Urteil
vom 2. Dezember 2009 - IV ZR 279/07, juris Rn. 21; Beschlüsse vom
25. November 2010 - IV ZR 106/10, juris; vom 10. März 2010 - IV ZR
333/07, NVwZ-RR 2010, 572 Rn. 16). Der Kläger erhält Leistungen aus
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der gesetzlichen Rentenversicherung und der Zusatzversorgung der B e-
klagten in Höhe von insgesamt 1.233,99
€ monatlich brutto. Bei dieser
Sachlage ist ohne Hinzutreten weiterer Umstände nicht ersichtlich, dass
die Kürzung um 150,43
€ den Kläger entgegen den Geboten von Treu
und Glauben nach § 242 BGB unzumutbar beeinträchtigen würde.
Mayen Felsch Harsdorf -Gebhardt
Dr. Karczewski Dr. Brockmöller
Hinweis:
Das Revisionsverfahren wurde durch Zurückweisung der
Revision beendet.
Vorinstanzen:
LG Karlsruhe, Entscheidung vom 23.12.2011 - 6 O 382/10 -
OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 03.05.2012 - 12 U 9/12 -