Urteil des BGH vom 14.08.2007

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
VIII ZB 70/07
vom
11. März 2009
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
ZPO § 91a
Eine Kostenentscheidung nach § 91a Abs. 1 Satz 2 ZPO ist unzulässig, wenn der
Beklagte nicht auf die in § 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO geregelte Rechtsfolge hingewie-
sen worden ist, dass das Gericht - ebenso wie im Falle der übereinstimmenden Erle-
digungserklärung - über die Kosten des Rechtsstreits unter Berücksichtigung des
bisherigen Sach- und Streitstands nach billigem Ermessen durch Beschluss ent-
scheiden wird, falls der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht fristge-
recht widerspricht.
BGH, Beschluss vom 11. März 2009 - VIII ZB 70/07 - LG Duisburg
AG
Oberhausen
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Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. März 2009 durch den
Vorsitzenden Richter Ball, den Richter Dr. Wolst und die Richterinnen Her-
manns, Dr. Milger und Dr. Hessel
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der Kläger gegen den Beschluss der
13. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg vom 14. August 2007
wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Der Beschwerdewert beträgt bis zu 1.200 €.
Gründe:
I.
Die Parteien streiten darüber, ob das Amtsgericht über die Kosten des
Rechtsstreits durch Beschluss nach § 91a Abs. 1 Satz 2 ZPO entscheiden durf-
te.
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Die Kläger haben die Beklagten als ihre ehemaligen Mieter auf Zahlung
restlicher Heizkosten sowie rückständiger Miete in Anspruch genommen. Mit
Schriftsatz vom 18. April 2007 haben die Kläger den Rechtsstreit für erledigt
erklärt. Diesen Schriftsatz hat das Amtsgericht dem Prozessbevollmächtigten
der Beklagten am 30. April 2007 mit folgendem Hinweis zugestellt:
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"Wird der Rechtsstreit ebenfalls für erledigt erklärt? Wenn nicht binnen
einer Notfrist von zwei Wochen ab Zugang des Schriftsatzes widerspro-
chen wird, wird die Erledigung unterstellt."
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Die Beklagten haben mit am 4. Juni 2007 beim Amtsgericht eingegange-
nem Schriftsatz der Erledigungserklärung widersprochen. Das Amtsgericht hat
einen Beschluss nach § 91a ZPO erlassen und die Kosten des Rechtsstreits
gegeneinander aufgehoben. Die hiergegen von den Beklagten fristgerecht ein-
gelegte sofortige Beschwerde hat das Landgericht für begründet erachtet, den
erstinstanzlichen Beschluss gemäß § 91a ZPO aufgehoben und den Rechts-
streit zur Verfahrensfortführung an das Amtsgericht zurückverwiesen. Hierge-
gen richtet sich die vom Landgericht zugelassene Rechtsbeschwerde.
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II.
Die zulässig erhobene Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
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1. Das Beschwerdegericht hat die Auffassung vertreten, das Amtsgericht
habe nicht nach § 91a ZPO entscheiden dürfen. Übereinstimmende Erledi-
gungserklärungen lägen nicht vor. Die Beklagten hätten der Erledigung viel-
mehr widersprochen. Dieser Widerspruch sei auch nicht deshalb unbeachtlich,
weil er nicht innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung der Erledigungserklä-
rung der Kläger erfolgt sei. Denn der vom Amtsgericht beigefügte Zusatz genü-
ge nicht den an einen Hinweis nach § 91a Abs. 1 Satz 2 ZPO zu stellenden An-
forderungen.
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Ein wirksamer Hinweis nach § 91a Abs. 1 Satz 2 ZPO erfordere, dass
durch ihn klargestellt werde, dass das Gericht ohne fristgerechten Widerspruch
über die Kosten des Rechtsstreits nach billigem Ermessen unter Zugrundele-
gung des gegebenen Sach- und Streitstandes entscheiden werde. Dies ergebe
sich zwingend aus dem Wortlaut der Vorschrift. Die einzige Folge, die in § 91a
ZPO enthalten sei und auf die daher mit den Worten "diese Folge" Bezug ge-
nommen werden könne, sei die Entscheidung über die Kosten durch Beschluss.
Dass die Einwilligung des Beklagten in die Erledigungserklärung fingiert werde,
werde in der Vorschrift hingegen nicht ausdrücklich ausgeführt. Vielmehr erge-
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be sich dies allein aus der angeordneten Rechtsfolge. Insofern sei § 91a Abs. 1
Satz 2 ZPO anders formuliert als sein Regelungsvorbild § 269 Abs. 2 Satz 4
ZPO. Unerheblich sei, dass eine anwaltlich vertretene Partei in der Regel über
die Rechtswirkungen einer übereinstimmenden Erledigungserklärung Kenntnis
habe.
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2. Diese Beurteilung des Beschwerdegerichts ist rechtsfehlerfrei. Wie
das Landgericht zutreffend feststellt, hat das Amtsgericht zu Unrecht einen Be-
schluss über die Kosten gemäß § 91a ZPO erlassen. Die Notfrist von zwei Wo-
chen gemäß § 91a Abs. 1 Satz 2 ZPO ist durch die Zustellung des Schriftsatzes
der Kläger, mit dem sie den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt
haben, nicht in Gang gesetzt worden. Denn entgegen der Auffassung der
Rechtsbeschwerde genügt der vom Amtsgericht erteilte Hinweis, wonach "die
Erledigung unterstellt" werde, den Anforderungen des § 91a Abs. 1 Satz 2 ZPO
nicht.
a) Nach der vorgenannten Vorschrift entscheidet das Gericht über die
Kosten durch Beschluss, wenn der Beklagte der Erledigungserklärung des Klä-
gers nicht binnen einer Notfrist von zwei Wochen seit deren Zustellung wider-
spricht und er "zuvor auf diese Folge hingewiesen worden ist". Hinzuweisen ist
somit auf die in § 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO geregelte Rechtsfolge, dass das Ge-
richt – ebenso wie im Falle der übereinstimmenden Erledigungserklärung –
über die Kosten des Rechtsstreits unter Berücksichtigung des bisherigen Sach-
und Streitstands nach billigem Ermessen durch Beschluss entscheiden wird,
falls der Beklagte der Erledigungserklärung des Klägers nicht fristgerecht wi-
derspricht.
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Dem wird der Hinweis, den das Amtsgericht den Beklagten erteilt hat,
nicht gerecht. Danach soll die Fristversäumung zur Folge haben, dass "die Er-
ledigung unterstellt (wird)". Dieser sprachlich unklaren Formulierung lässt sich
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allenfalls der Hinweis entnehmen, dass bei nicht fristgerechtem Widerspruch
die Zustimmung der Beklagten zu der Erledigungserklärung der Kläger fingiert
("unterstellt") wird. Dies ist indessen nicht die in § 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO gere-
gelte und in Satz 2 der Vorschrift angesprochene Rechtsfolge, auf die hinzu-
weisen ist, sondern lediglich deren ungeschriebene Voraussetzung. Dass die
fingierte Zustimmung zu der Erledigungserklärung der Kläger zur Folge haben
soll, dass das Amtsgericht über die Kosten des Rechtsstreits unter Berücksich-
tigung des bisherigen Sach- und Streitstands nach billigem Ermessen durch
Beschluss entscheiden wird, kommt in dem Hinweis auch nicht ansatzweise
zum Ausdruck.
b) Der Hinweis auf diese Rechtsfolge war entgegen der Auffassung der
Rechtsbeschwerde nicht deswegen entbehrlich, weil die Beklagten anwaltlich
vertreten waren und ihrem Anwalt die Rechtsfolge eines nicht fristgerechten
Widerspruchs bekannt war. Das Gesetz macht die Rechtsfolgenbelehrung nicht
davon abhängig, ob die betroffene Partei anwaltlich vertreten oder beraten ist
(vgl. zu § 269 ZPO aF: BGHZ 88, 180, 184). Mit dem Gebot der Rechtsklarheit
wäre es unvereinbar, wenn die Wirksamkeit einer Fristsetzung davon abhängig
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wäre, ob und gegebenenfalls wann die Partei einen Rechtsanwalt beauftragt
(BGH, Urteil vom 11. Juli 1985 – I ZR 145/83, NJW 1986, 133, unter II 1 c).
Ball
Dr. Wolst
Hermanns
Dr. Milger
Dr. Hessel
Vorinstanzen:
AG Oberhausen, Entscheidung vom 11.06.2007 - 39 C 3558/05 -
LG Duisburg, Entscheidung vom 14.08.2007 - 13 T 103/07 -