Urteil des BGH vom 03.07.2003

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 230/03
Verkündet am:
17. September 2004
K a n i k,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
ja
BGHR:
ja
BGB §§ 906, 1004
BNatSchG § 29 Rodung
Hat der Grundstückseigentümer eine Gefahrenlage geschaffen, an deren Beseiti-
gung er durch Rechtsvorschriften (hier: Naturschutz) gehindert ist, kann er, wenn
sich die Gefahr in einem Schaden des Nachbarn verwirklicht, diesem zum Ausgleich
entsprechend § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB verpflichtet sein (Abgrenzung zu Senat
BGHZ 120, 239).
BGH, Urt. v. 17. September 2004 - V ZR 230/03 - OLG Frankfurt am Main
LG Darmstadt
- 2 -
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 17. September 2004 durch den Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes
Dr. Wenzel, die Richter Tropf, Dr. Lemke, Dr. Schmidt-Räntsch und die Richte-
rin Dr. Stresemann
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 12. Zivilsenats
in Darmstadt des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom
3. Juli 2003 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsge-
richt zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Parteien sind Nachbarn. Das Fällen von als Landschaftsbestandteil
geschützten Bäumen auf dem Grundstück der Beklagten ist grundsätzlich ver-
boten. Im Zuge einer Baugenehmigung war der Beklagten das Roden eines
Teiles des Baumbestandes gestattet worden. Nach Abschluß der Arbeiten wie-
sen die Landschaftsarchitekten der Beklagten die Naturschutzbehörde auf die
Gefahr hin, daß die verbliebenen Bäume durch die Rodung ihren Windschutz
und ihre Standsicherheit verloren hätten. Die Naturschutzbehörde hielt als Er-
gebnis einer Begehung vom 24. März 1999 fest, sieben Eichen wiesen eine
- 3 -
abnehmende Vitalität auf, gegen ihre Beseitigung sei nichts einzuwenden. Für
diese Bäume erwirkte die Beklagte eine Fällgenehmigung, von der sie am
27. April 1999 Gebrauch machte. Am 2. Juni 1999 stürzten zwei weitere Bäume
(Stieleiche und Rotbuche), gegen deren Vitalität bei der Begehung keine Be-
denken aufgetreten waren, während eines Gewittersturmes auf das Grundstück
der Kläger. Sie beschädigten dort eine Garage und die Gartenanlage. Die Be-
klagte hat eine Ausgleichszahlung (u.a.) mit der Begründung abgelehnt, sie sei
für den Schaden nicht verantwortlich, da sie durch den Naturschutz an der Be-
seitigung der schädigenden Bäume gehindert gewesen sei.
Landgericht und Oberlandesgericht haben dem Antrag der Kläger auf
Zahlung von 88.250 DM nebst Zinsen dem Grunde nach stattgegeben. Mit der
vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Kla-
geabweisung weiter.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht bejaht einen nachbarrechtlichen Ausgleichsan-
spruch. Die Beeinträchtigung des Eigentums der Kläger gehe wenigstens mit-
telbar auf den Willen der Beklagten zurück. Daß ein Naturereignis (Gewitter-
sturm) alleinige Ursache des Niederbrechens der Bäume gewesen sei, sei aus-
zuschließen. Im Hinblick auf den Umstand, daß die Bäume über Jahrzehnte
den Naturgewalten widerstanden hätten, spreche ein erster Anschein dafür,
daß die von der Beklagten veranlaßten Maßnahmen, Rodung und Bebauung,
zum Sturz geführt hatten. Grundlage des Anscheinsbeweises sei die von den
Privatgutachtern der Parteien übereinstimmend getroffene Feststellung, daß
- 4 -
das Wurzelwerk der beiden Bäume in erster Linie auf eine Versorgung mit
Wasser und Nährstoffen aus tieferen Regionen, nicht aber auf seitliche Stabili-
tät ausgelegt und im Hinblick auf Höhe und Größe der Bäume zu schwach ge-
wesen sei. Da die Beklagte mit ihrer Baumaßnahme diesen Zustand herbeige-
führt habe, könne sie nicht einwenden, die Vorgaben der Naturschutzbehörde
hätten eine Beseitigung der schadensstiftenden Bäume verhindert.
Dies hält der sachlich-rechtlichen Überprüfung, nicht aber der Verfah-
rensrüge der Revision stand.
II.
1. Die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe dem Anspruch auf
nachbarrechtlichen Ausgleich stattgegeben, ohne zuvor einen Schadenser-
satzanspruch aus unerlaubter Handlung zu prüfen, berührt den Bestand des
Berufungsurteils nicht. Allerdings hat es das Berufungsgericht im Anschluß an
die Vorinstanz offengelassen, ob die Beklagte aus Delikt haftet und sich nur mit
dem Ausgleichsanspruch befaßt. Der Senat hat demgegenüber, worauf sich die
Revision stützt, darauf abgehoben, daß der Ausgleichsanspruch gegenüber
dem Anspruch auf Schadensersatz in dem Sinne subsidiär sei, daß aus seiner
Bejahung die Verneinung des Schadensersatzes folge (BGHZ 120, 239, 249 -
Froschlärm; die Entscheidung des Senats vom 18. November 1994, V ZR
98/93, NJW 1995, 714 f, auf die sich das Berufungsurteil stützt, weicht hiervon
nicht ab). Ob dies, wovon der Senat ausgegangen ist, aus der Rechtsprechung
des III. Zivilsenats (BGHZ 72, 289, 295; Urt. v. 8. März 1990, III ZR 141/88,
NJW 1990, 1979; ferner für das Verhältnis des enteignungsgleichen Eingriffs
zur Haftung des Grundstücksbesitzers nach § 836 BGB: BGHZ 125, 19, 21 i.
Anschl. an BGHZ 55, 229) herzuleiten ist, mag zweifelhaft sein. Auch hat der
Senat in seiner neueren Rechtsprechung dem nachbarrechtlichen Ausgleichs-
- 5 -
anspruch eigenständige Bedeutung gegenüber anderen Haftungsgrundlagen
(Anlagenhaftung nach § 2 HaftPflG, BGHZ 155, 99, 107) beigemessen und ihn
nur für den Fall als subsidiär angesehen, in dem eine andere gesetzliche Be-
stimmung den konkreten Tatbestand abschließend regelt (BGHZ 142, 227,
236 - Öltankanlage). Die Rüge scheitert jedenfalls aber daran, daß revisions-
rechtlich von einem deliktischen Verhalten der Beklagten nicht ausgegangen
werden kann.
Für eine Haftung der Beklagten nach § 831 BGB oder, soweit daneben
Raum bleibt, nach § 823 Abs. 1 BGB, jeweils, soweit erforderlich, in Verbin-
dung mit § 31 BGB, fehlt es an einem hinreichenden Vortrag der Kläger.
Keine Haftung der Beklagten kann es begründen, daß sie es unterlas-
sen hat, die schadensstiftenden Bäume zu fällen. Dies war ihr, solange sie
hierfür keine Ausnahmegenehmigung (§ 29 Abs. 2 Satz 2 BNatSchG) erhalten
hatte, nach § 29 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG verboten. Eine Genehmigung zum
Fällen der beiden Bäume wurde nicht erteilt. Das Unterlassen der Beklagten
war damit rechtmäßig.
Revisionsrechtlich kann auch davon ausgegangen werden, daß die Be-
klagte wegen der Rodung des weiteren Waldbestandes, der nach Auffassung
des Berufungsgerichts ursächlich für das Niederstürzen der geschützten Ex-
emplare war, nicht gemäß § 831 BGB haftete. Daß die Beklagte bei der Aus-
wahl der Landschaftsarchitekten, die die Rodungsarbeiten leiteten, die erfor-
derliche Sorgfalt ausgeübt hat, wurde von dieser behauptet und von den Klä-
gern nicht in Abrede gestellt. Anhaltspunkte für ein Defizit bei der Überwa-
chung der Verrichtungsgehilfen treten nicht hervor. Die Entscheidung, wie weit
die Rodung gehen durfte, gehörte in die fachliche Kompetenz der umfassend
beauftragten Architekten, deren sich die Beklagte haftungsbefreiend bediente.
- 6 -
Außerhalb der Verantwortlichkeit der Beklagten lag mithin auch die Frage, ob
und inwieweit eine Teilrodung die Standsicherheit des Restes gefährdete.
Nach Abschluß der Rodung war eine fehlende Standfestigkeit der beiden
schädigenden Bäume nicht einmal der sachkundigen Naturschutzbehörde auf-
gefallen. Eine bessere Erkenntnis konnte von der Beklagten selbst nicht ver-
langt werden. Aus den gleichen Gründen scheidet auch deren Haftung unmit-
telbar nach § 823 Abs. 1 BGB (Organisationsmängel) aus. Die von den Klägern
behaupteten ungeordneten Verhältnisse (versehentliches Fällen geschützter
Bäume, Unzulänglichkeiten bei Erdarbeiten) liegen auf einem anderen Gebiet.
2. Die sachlich rechtlichen Voraussetzungen des Ausgleichsanspruchs
im übrigen hat das Berufungsgericht nicht verkannt.
Der nachbarrechtliche Ausgleichsanspruch entsprechend § 906 Abs. 2
Satz 2 BGB ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
gegeben, wenn von einem Grundstück im Rahmen privatwirtschaftlicher Benut-
zung Einwirkungen auf ein anderes Grundstück ausgehen, die das zumutbare
Maß einer entschädigungslos hinzunehmenden Beeinträchtigung übersteigen,
sofern der betroffene Eigentümer aus besonderen (tatsächlichen oder rechtli-
chen) Gründen gehindert war, die Einwirkungen gemäß § 1004 Abs. 1 BGB zu
unterbinden (Senat BGHZ 142, 66 - Brandschaden; 144, 200, 208 - Drogenhil-
fezentrum; 147, 45, 49 - Besitzstörung). Der Anspruch ist nicht, wie § 906
Abs. 2 Satz 2 BGB selbst, auf feinstoffliche Einwirkungen beschränkt, erfaßt
vielmehr auch Grobimmissionen, wie sie hier zur Folge des Niederbrechens
der beiden Bäume vorlagen (Senat BGHZ 155, 99 - Leitungswasser).
a) Auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellun-
gen stand dem (seinerzeitigen) Eigentümer des beeinträchtigten Grundstücks
ein Abwehranspruch zu, der auf eine Einschränkung der erlaubten Rodungs-
- 7 -
maßnahmen auf das Maß gerichtet war, das für die Standsicherheit der ge-
schützten Bäume ungefährlich blieb. Der Unterlassungsanspruch aus § 1004
Abs. 1 Satz 2 BGB, auf den sich der Eigentümer stützen konnte, ist über den
Wortlaut des Gesetzes hinaus auch dann gegeben, wenn die Gefahr einer
erstmaligen Beeinträchtigung, wie hier, in Frage kommt (vorbeugender Ab-
wehranspruch: BGHZ 2, 394; BGH, Urt. v. 10. April 1956, I ZR 165/54, LM BGB
§ 1004 Nr. 27; im übrigen statt aller Erman/Ebbing, BGB, 11. Aufl., § 1004
Rdn. 76). Die Beklagte war, unbeschadet des Umstandes, daß die letzte Ursa-
che der Schädigung ein natürliches Ereignis, der Gewittersturm, war, Störerin.
Die mittelbare, aber in adäquatem Zusammenhang mit der Störung (Senat,
BGHZ 144, 200, 203) stehende Ursache war eine Handlung der Beklagten, die
Rodung des Waldbestandes über das Maß hinaus, das für die Standsicherheit
der verbleibenden Bäume unschädlich war (allgemein zur Störerhaftung bei
Naturereignissen: Senat BGHZ 157, 33 - Kiefernnadeln; Urt. v. 28. November
2003, V ZR 99/03, NJW 2004, 603 - Betonplatte; v. 12. Dezember 2003, V ZR
98/03, NJW 2004, 1035 - Druckstempel).
Den Klägern steht aber ein Abwehranspruch dieses Inhalts nicht zu.
Denn sie haben, worauf die Revision zu Recht hinweist, das geschädigte
Grundstück erst nach Abschluß der Rodungsarbeiten, die unstreitig im wesent-
lichen im März 1998 stattgefunden hatten, erworben. Nach den Behauptungen
der Beklagten hat der Erwerb um die Jahreswende 1998/1999 stattgefunden.
Die Kläger sind diesem Vortrag nur mit Zweifeln an seiner rechtlichen Erheb-
lichkeit entgegengetreten und haben im übrigen behauptet, der Nutzungsüber-
gang sei auf den September 1998 anzusetzen. Der Abwehranspruch auf Be-
schränkung der Rodung war mithin erloschen, bevor die Kläger, sei es als Be-
sitzer (Senat, BGHZ 147, 45), sei es als Eigentümer, das Recht erlangten, Ab-
wehrbefugnisse gegen die Beklagte geltend zu machen.
- 8 -
b) Grundlage des Ausgleichsanspruchs ist aber die Beeinträchtigung,
die nach Abschluß der Rodungsarbeiten von den beiden geschützten, nunmehr
ihrer Standfestigkeit beraubten Bäume ausging. Dies gilt unabhängig davon, ob
die rechtlichen Voraussetzungen zu deren Fällen durch eine Ausnahmege-
nehmigung nach § 29 Abs. 2 Satz 2 BNatSchG hätten geschaffen werden kön-
nen.
aa) Nach der Senatsrechtsprechung (BGHZ 120, 239, 254) stellt der Na-
turschutz (damals Schutz einer Froschpopulation) die Störereigenschaft jeden-
falls solange nicht in Frage, als der Eigentümer mit Erfolg eine Ausnahmege-
nehmigung (§ 31 BNatSchG) für die Beseitigung der Störquelle beantragen
kann. Seinerzeit hat der Senat, was die Bejahung der Ausnahmegenehmigung
angeht, eine Inzidententscheidung durch das Zivilgericht nur mit der Wirkung
zugelassen, daß eine Verurteilung des Störers zur Unterlassung unter den Vor-
behalt der Entscheidung der Naturschutzbehörde gestellt bleibt. Für den Aus-
gleichsanspruch, um den es hier geht, käme ein solcher Vorbehalt nicht in Fra-
ge. Eine der Naturschutzbehörde vorbehaltene Frage, ob die Bäume erhal-
tenswert sind, stellt sich nicht mehr. Der Inzidententscheidung des Zivilge-
richts, ob die Ausnahmegenehmigung hätte erlangt werden können, stünde
nichts im Wege. Wäre die Ausnahmegenehmigung zu erlangen gewesen,
könnte dem Ausgleichsbegehren der Kläger nicht entgegengehalten werden,
daß sie von der bestehenden Abwehrmöglichkeit keinen Gebrauch gemacht
haben. Denn sie wären hierzu aus tatsächlichen Gründen außerstande gewe-
sen. Entscheidend hierfür ist allerdings nicht der vom Berufungsgericht hervor-
gehobene Gesichtspunkt, nach dem Umsturz der Bäume sei ohnehin nichts
mehr zu machen gewesen. Hätten die Kläger vor diesem Zeitpunkt die drohen-
de Gefahr erkennen können, hätten sie von ihrem vorbeugenden Abwehrrecht
Gebrauch machen müssen. Auf der Grundlage des beiderseitigen Vortrags
kann hiervon aber nicht ausgegangen werden. Die unzureichende Ausbildung
- 9 -
des Wurzelwerks der beiden, zudem auf einem fremden Grundstück stehen-
den, Bäume war für die Kläger, die über keine forstwirtschaftlichen Erfahrungen
verfügten, nicht erkennbar gewesen. Am äußeren Zustand der Bäume war die
fehlende Standfestigkeit nicht abzulesen. Deren Vitalität stand selbst für die
fachkundige Naturschutzbehörde außer Zweifel. Daß den Klägern sonstige
Erkenntnismittel zur Verfügung gestanden hätten, ist nicht ersichtlich.
bb) Die Inzidentprüfung, ob eine Ausnahmegenehmigung hätte erlangt
werden können, erübrigt sich indessen unter den hier gegebenen Umständen.
Eine Fallgruppe des nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruchs ("zivilrechtlicher
Aufopferungsanspruch") ist nach der Rechtsprechung des Senats (BGHZ 144,
200, 208) dadurch gekennzeichnet, daß der Abwehranspruch (oder seine volle
Durchsetzung) an Vorgaben des öffentlichen Rechts oder Interesses scheitert.
Der Ausgleichsanspruch ist in diesen Fällen Teil eines rechtlichen Gefüges,
das sich aus der Versagung des Abwehrrechts, etwa verbleibenden residualen
Abwehrbefugnissen und der Kompensation der Abwehrlücke durch Geldaus-
gleich zusammensetzt. Diese Kombination läge im Ausgangspunkt vor, wenn
zur Beseitigung der Bäume die Ausnahmegenehmigung nach § 29 Abs. 2
Satz 2 BNatSchG nicht zu erlangen gewesen wäre. Allerdings unterscheidet
sich der hier vorliegende Sachverhalt vom Betrieb des Drogenzentrums da-
durch, daß es der Beklagten, anders als seinerzeit dem Betreiber, nicht mög-
lich wäre, der Störung abzuhelfen. Der Schutz des § 29 BNatSchG ginge zu
ihren wie zu Lasten der klagenden Nachbarn. Dies entspricht der rechtlichen
Situation, in der sich der Störer in dem der in BGHZ 120, 239 (252) veröffent-
lichten Entscheidung zugrunde liegenden Falle befinden konnte. Dort hat der
Senat erwogen, ob der auf Ausgleich in Anspruch Genommene deshalb zur
Zahlung verpflichtet sei, weil er den Gartenteich, in den die geschützten Frö-
sche migriert waren, angelegt hatte. Er hat dies mit der Begründung abgelehnt,
- 10 -
mit der Anlage des Teiches habe der Störer nur den Zielsetzungen des Natur-
schutzes (§ 2 Abs. 1 Nr. 6 und Nr. 10 Satz 2 BNatSchG, damaliger Fassung)
entsprochen. Ob hieran festzuhalten wäre, oder ob die Eröffnung der Möglich-
keit, Naturschutz auf Kosten des Nachbarn zu betreiben, ein dem Verhältnis
des Eigentümers zum Störer fremdes Element darstellt, bedarf hier keiner Ent-
scheidung. Die der Anlage des Gartenteiches entsprechende ursprüngliche
Störung, die Beseitigung des Windschutzes durch Rodung, lag außerhalb der
Zwecke des Naturschutzes, hier des Schutzes eines Landschaftsbestandteils.
Die hierin liegende Störung konnte zwar von den Klägern nicht abgewendet
werden (oben zu a), sie setzt sich aber in der Störung durch die schadensstif-
tenden Bäume fort. Die Beklagte hätte durch ihr Handeln eine Gefahrenlage
geschaffen, die sich später verwirklicht hätte (vgl. Senat, BGHZ 90, 255, 266 -
Unkrautvernichtungsmittel). Dem folgte die Pflicht, Ausgleich in Geld zu leisten.
III.
Die Sache ist jedoch an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, da
die Revision zu Recht eine Verletzung des § 286 ZPO rügt. Nicht zu beanstan-
den ist allerdings der Anscheinsbeweis, von dem das Berufungsurteil ausgeht.
Der Umstand, daß die beiden Bäume vor der Rodung über Jahrzehnte Wind
und Wetter standgehalten hatten und daß ihr Wurzelwerk für eine exponierte
Lage zu schwach ausgeprägt war, läßt nach der Lebenserfahrung den Schluß
zu, daß das Niederstürzen im Gewittersturm auf die Rodung zurückzuführen
ist. Der Beklagten durfte indessen der Gegenbeweis gegen den ersten An-
schein nicht verschlossen werden (BGH, Urt. v. 17. Juni 1997, X ZR 119/94,
NJW 1998, 79, 81). Sie hat behauptet, das Niederstürzen der Bäume sei aus-
schließlich auf ein Naturereignis (Gewittersturm) zurückzuführen gewesen, der
- 11 -
Schadensfall wäre auch eingetreten, wenn der die Windeinwirkungen abmil-
dernde Baumbestand noch vorhanden gewesen wäre. Hierzu hat sie sich auf
ein Sachverständigengutachten berufen. Als substanzlos konnte dieser Vortrag
nicht unbeachtet bleiben, denn nach dem von den Klägern selbst vorgelegten
meteorologischen Gutachten erreichte der Gewittersturm vom 2. September
1999 im Bereich des geschützten Landschaftsbestandteils sehr wahrscheinlich
Windstärke 9 Bft, örtlich sogar Windstärke 10 Bft, wobei ein Spitzenwert von 12
Bft während besonders heftiger Böen nicht auszuschließen ist. Wieweit diese
Werte Bestand haben und welche Auswirkungen sie auf das Standverhalten
der Bäume auch in geschützter Lage haben konnten, muß sachverständiger
Begutachtung überlassen bleiben. Die auf den Hinweis der Beklagten, andere
isoliert stehende Bäume seien nicht niedergebrochen, angestellte Überlegung
des Berufungsgerichts, dann müßten diese eben über stärker ausgeprägtes
Wurzelwerk verfügt haben, nimmt die Beweisaufnahme unzulässig vorweg.
Wenzel Tropf Lemke
Schmidt-Räntsch Stresemann