Urteil des BGH vom 15.11.2005
BGH (vollmacht, bank, feststellungsklage, zwangsvollstreckung, vertretungsmacht, abschluss, ausfertigung, duldungsvollmacht, zpo, wirksamkeit)
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XI ZR 83/05 Verkündet
am:
15. November 2005
Herrwerth,
Justizangestellte
als
Urkundsbeamtin
der
Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
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Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Ver-
handlung vom 15. November 2005 durch den Vorsitzenden Richter
Nobbe, die Richter Dr. Müller, Dr. Joeres, Dr. Wassermann und die Rich-
terin Mayen
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des
1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Braunschweig
vom 3. Februar 2005 im Kostenpunkt und insoweit
aufgehoben, als der Feststellungsklage der Kläger
stattgegeben worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen
Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten
des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zu-
rückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Kläger wenden sich gegen die drohende Zwangsvollstreckung
aus einer notariellen Urkunde und begehren Feststellung, dass der be-
klagten Sparkasse aus zwei Darlehensverträgen keine Ansprüche zuste-
hen. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
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Die Kläger, ein damals 42 Jahre alter Elektroniker und seine Ehe-
frau, eine damals ebenfalls 42 Jahre alte Buchhalterin, wurden im Jahre
1993 von einem Vermittler geworben, zwecks Steuerersparnis ohne Ei-
genkapital eine Eigentumswohnung in G. zu erwerben. Am
31. Januar 1993 unterbreiteten sie der C. Steuerberatungsgesellschaft
mbH (im Folgenden: Geschäftsbesorgerin) ein notarielles Angebot auf
Abschluss eines Geschäftsbesorgungsvertrages zum Erwerb der Eigen-
tumswohnung. Zugleich erteilten sie der Geschäftsbesorgerin, die über
eine Erlaubnis nach dem Rechtsberatungsgesetz nicht verfügte, eine um-
fassende Vollmacht, sie bei der Vorbereitung, Durchführung und gege-
benenfalls Rückabwicklung des Erwerbs zu vertreten. Unter anderem
sollte die Geschäftsbesorgerin den Kaufvertrag und die Darlehensverträ-
ge abschließen. Zudem war sie zur Bestellung der dinglichen und per-
sönlichen Sicherheiten befugt. Der kalkulierte Gesamtaufwand für das
Kaufobjekt war mit 140.529 DM ausgewiesen.
Die
Geschäftsbesorgerin
nahm
das Angebot an und vertrat die
Kläger bei der Beurkundung des notariellen Kauf- und Werklieferungs-
vertrags am 24. Mai 1993. Mit diesem erwarben sie die Eigentumswoh-
nung zum Preis von 107.968 DM und übernahmen aus einer zu Gunsten
der Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden: Beklagte) noch
einzutragenden Grundschuld einen Teilbetrag in Höhe von 140.529 DM
sowie die persönliche Haftung für einen Betrag in dieser Höhe nebst 15%
Jahreszinsen; wegen der Zahlungsverpflichtung unterwarfen sie sich der
sofortigen Zwangsvollstreckung in ihr gesamtes Vermögen.
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Am 29. Dezember 1993 schloss die Geschäftsbesorgerin in ihrem
Namen mit der Beklagten zur Finanzierung des Kaufpreises und der Er-
werbsnebenkosten zwei Realkreditverträge über 20.565
DM und
119.964 DM. Diese sahen vor, dass die Darlehen erst in Anspruch ge-
nommen werden durften, wenn die vereinbarten Sicherheiten bestellt wa-
ren. In der Anlage zu den jeweiligen Verträgen ist insoweit ein Hinweis
auf die Grundschuld, nicht aber auf die Übernahme der persönlichen
Haftung enthalten. Die Darlehensbeträge wurden abzüglich des verein-
barten Disagios auf Anweisung der Geschäftsbesorgerin ausgezahlt und
zur Finanzierung des Erwerbs verwendet. Nachdem die Kläger ihre Zins-
und Tilgungsleistungen eingestellt hatten, beabsichtigt die Beklagte, die
Kredite aus wichtigem Grund zu kündigen und die Zwangsvollstreckung
zu betreiben.
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Hiergegen
wenden
sich die Kläger mit ihrer Klage. Ferner begeh-
ren sie die Feststellung, dass die Beklagte aus den Darlehensverträgen
keine Zahlungen mehr von ihnen verlangen kann. Sie haben geltend ge-
macht, die Unterwerfung unter die sofortige Zwangsvollstreckung sei als
Vollstreckungstitel unwirksam, da der Geschäftsbesorgungsvertrag und
die in ihm enthaltene Vollmacht wegen Verstoßes gegen das Rechtsbe-
ratungsgesetz nichtig seien. Auch die Darlehensverträge seien mangels
Vollmacht nicht wirksam zustande gekommen. Die Beklagte hält dem
entgegen, die Abschlussvollmacht sei aus Rechtsscheingesichtspunkten
ihr gegenüber als wirksam zu behandeln.
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Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die hiergegen gerich-
tete Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Mit der - vom Be-
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rufungsgericht zugelassenen - Revision verfolgt die Beklagte nur ihren
Antrag auf Abweisung der Feststellungsklage weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist begründet. Sie führt hinsichtlich der Feststellungs-
klage zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverwei-
sung der Sache an das Berufungsgericht.
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I.
Das Berufungsgericht hat - soweit noch von Interesse - im Wesent-
lichen ausgeführt:
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Die gegen die Wirksamkeit des Vollstreckungstitels gerichtete ti-
telgestaltende Klage entsprechend § 767 ZPO und die Feststellungskla-
ge seien begründet. Die Darlehensverträge seien mangels gültiger Voll-
macht der Geschäftsbesorgerin nicht wirksam zustande gekommen. Der
Geschäftsbesorgungsvertrag und die damit verbundene Vollmacht ver-
stießen gegen Art. 1 § 1 RBerG. Der Annahme einer Rechtsscheinvoll-
macht nach §§ 172 ff. BGB stehe jedenfalls § 173 BGB entgegen. Die
Beklagte habe entgegen der Rechtsprechung des erkennenden und des
V. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs den Verstoß gegen das Rechtsbe-
ratungsgesetz angesichts der damaligen Rechtsprechung zur Grenze
zulässiger Rechtsbesorgung und -beratung durch Steuerberater erken-
nen können und müssen. Der Verstoß habe sich zudem auch aufdrängen
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müssen, da die Vollmacht auch eine Vertretung gegenüber den Gerich-
ten umfasst habe. Auf eine Duldungsvollmacht könne sich die Beklagte
ebenfalls nicht mit Erfolg berufen. Ein Bereicherungsanspruch stehe ihr
nicht zu.
II.
Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht in allen
Punkten stand.
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1. Rechtsfehlerfrei - und von der Revision zu Recht nicht in Zweifel
gezogen - ist allerdings die Ansicht des Berufungsgerichts, die der Ge-
schäftsbesorgerin erteilte Vollmacht zum Abschluss der Darlehensver-
träge sei wegen Verstoßes gegen Art. 1 § 1 RBerG unwirksam. Nach der
neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bedarf derjenige, der
ausschließlich oder hauptsächlich die rechtliche Abwicklung eines
Grundstückserwerbs oder Fondsbeitritts im Rahmen eines Steuerspar-
modells für den Erwerber besorgt, der Erlaubnis nach Art. 1 § 1 RBerG.
Ein ohne diese Erlaubnis abgeschlossener Geschäftsbesorgungsvertrag,
der so umfassende Befugnisse wie hier enthält, ist nichtig (st.Rspr., sie-
he etwa Senatsurteile vom 11. Januar 2005 - XI ZR 272/03, WM 2005,
327, 328 und vom 15. März 2005 - XI ZR 135/04, WM 2005, 828, 830
m.w.Nachw. sowie BGH, Urteile vom 8. Oktober 2004 - V ZR 18/04,
WM 2004, 2349, 2352 und vom 17. Juni 2005 - V ZR 220/04, WM 2005,
1598).
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2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts sind nach dem
für die Revision zugrunde zu legenden Sachverhalt aber die Vorausset-
zungen für eine Rechtsscheinvollmacht der Geschäftsbesorgerin gege-
ben und die Darlehensverträge daher wirksam zustande gekommen.
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a) Im Ergebnis nicht zu beanstanden sind allerdings die Ausfüh-
rungen des Berufungsgerichts zum Fehlen einer Duldungsvollmacht. Wie
der Senat mit Urteilen vom 20. April 2004 (XI ZR 164/03, WM 2004,
1227, 1229 und XI ZR 171/03, WM 2004, 1230, 1232) und vom 21. Juni
2005 (XI ZR 88/04, WM 2005, 1520, 1522) entschieden und im Einzelnen
begründet hat, vermag die Vorlage der vom Erwerber zur Vorbereitung
des eigentlichen Vertragsschlusses unterzeichneten Urkunden durch den
Geschäftsbesorger eine Duldungsvollmacht zum Abschluss von Darle-
hensverträgen nicht zu begründen.
b) Demgegenüber lässt sich, wie der Senat bereits in einem Paral-
lelverfahren mit Urteil vom 15. März 2005 (XI ZR 135/04, WM 2005, 828,
831 f.) entschieden hat, ein gemäß §§ 171, 172 BGB an die Vorlage der
Vollmachtsausfertigung anknüpfender Rechtsschein nicht mit der vom
Berufungsgericht in beiden Verfahren übereinstimmend gegebenen Be-
gründung verneinen.
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aa) Wie auch das Berufungsgericht nicht verkennt, sind die §§ 171
und 172 BGB nach mittlerweile gefestigter Rechtsprechung des Bundes-
gerichtshofs auf die einem Geschäftsbesorger erteilte Abschlussvoll-
macht auch dann anwendbar, wenn dessen umfassende Bevollmächti-
gung - wie hier - unmittelbar gegen Art. 1 § 1 RBerG verstößt und nach
§ 134 BGB nichtig ist (siehe etwa BGH, Urteile vom 22. Oktober 2003
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- IV ZR 33/03, WM 2003, 2375, 2379, vom 10. März 2004 - IV ZR 143/03,
WM 2004, 922, 924, vom 8. Oktober 2004 - V ZR 18/04, WM 2004, 2349,
2352, vom 17. Juni 2005 - V ZR 78/04, WM 2005, 1764, 1765 f. sowie
Senatsurteile vom 23. März 2004 - XI ZR 194/02, WM 2004, 1221,
1223 f., vom 15. März 2005 - XI ZR 135/04, WM 2005, 828, 831 und vom
21. Juni 2005 - XI ZR 88/04, WM 2005, 1520, 1523, jew. m.w.Nachw.).
An dieser Rechtsprechung hält der Senat - wie er mit Urteilen vom
26. Oktober 2004 (XI ZR 255/03, WM 2005, 127, 130 f., zur Veröffentli-
chung in BGHZ vorgesehen) und vom 9. November 2004 (XI ZR 315/03,
WM 2005, 72, 73 ff.) im Einzelnen ausgeführt hat - auch unter Berück-
sichtigung der Entscheidungen des II. Zivilsenats vom 14. Juni 2004 und
zwar auch unter Berücksichtigung der dort erörterten Frage der Schutz-
würdigkeit der finanzierenden Banken (II ZR 393/02, WM 2004, 1529,
1531 und II ZR 407/02, WM 2004, 1536, 1538) fest (vgl. auch Senatsur-
teil vom 15. März 2005 - XI ZR 135/04, WM 2005, 828, 831; ebenso
BGH, Urteil vom 17. Juni 2005 - V ZR 78/04, WM 2005, 1764, 1766).
Auch die Entscheidung des II. Zivilsenats vom 21. März 2005 (II ZR
411/02, WM 2005, 843, 844) gibt dem Senat keinen Anlass, seine Recht-
sprechung zu ändern.
bb) Die Auffassung des Berufungsgerichts, ein gemäß §§ 171, 172
BGB an die Vorlage einer Vollmachtsausfertigung anknüpfender Rechts-
schein scheide mit Rücksicht auf § 173 BGB aus, da der Beklagten der
Verstoß der Vollmacht gegen das Rechtsberatungsgesetz bei Anwen-
dung pflichtgemäßer Sorgfalt hätte bekannt sein müssen, hält rechtlicher
Prüfung nicht stand.
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Wie die Revision zu Recht geltend macht, war der Beklagten der
Mangel der Vertretungsmacht hier weder bekannt noch musste sie ihn
gemäß § 173 BGB kennen. Für die Frage, ob der Vertragspartner den
Mangel der Vertretungsmacht bei der Vornahme des Rechtsgeschäfts
gemäß § 173 BGB kennt oder kennen muss, kommt es nach dem eindeu-
tigen Wortlaut des Gesetzes nicht auf die Kenntnis oder das Kennen-
müssen der den Mangel der Vertretungsmacht begründenden Umstände
an, sondern auf die Kenntnis oder das Kennenmüssen des Mangels der
Vertretungsmacht selbst (Senatsurteile vom 3. Juni 2003 - XI ZR 289/02,
WM 2003, 1710, 1712, vom 2. Dezember 2003 - XI ZR 53/02, WM 2004,
417, 421, vom 16. März 2004 - XI ZR 60/03, WM 2004, 1127, 1128, vom
23. März 2004 - XI ZR 194/02, WM 2004, 1221, 1224 und vom 9. No-
vember 2004 - XI ZR 315/03, WM 2005, 72, 75).
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Daran fehlt es hier. Dass die Beklagte bei Vertragsschluss positive
Kenntnis von der Unwirksamkeit der Vollmacht hatte, ist nicht festge-
stellt. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts konnten damals
alle Beteiligten den Verstoß des Geschäftsbesorgungsvertrages und der
Vollmacht gegen das Rechtsberatungsgesetz auch nicht erkennen. Zwar
darf sich ein Vertragsgegner rechtlichen Bedenken, die sich gegen die
Wirksamkeit der Vollmacht ergeben, nicht verschließen. Dabei sind an
eine Bank, die über rechtlich versierte Fachkräfte verfügt, strengere
Sorgfaltsanforderungen zu stellen, als an einen juristisch nicht vorgebil-
deten Durchschnittsbürger (BGH, Urteile vom 8. November 1984 - III ZR
132/83, WM 1985, 10, 11 und vom 10. Januar 1985 - III ZR 146/83,
WM 1985, 596, 597). Allerdings dürfen auch im Rahmen des § 173 BGB
die Anforderungen an eine Bank nicht überspannt werden (BGH, Urteil
vom 8. November 1984 aaO). Der Vorwurf fahrlässigen Verhaltens kann
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der Bank danach nur gemacht werden, wenn sie aus den ihr vorgelegten
Unterlagen den rechtlichen Schluss ziehen musste, dass die Vollmacht
unwirksam war (BGH, Urteil vom 10. Januar 1985 - III ZR 146/83 aaO;
Senatsurteil vom 9. November 2004 - XI ZR 315/03, WM 2005, 72, 75).
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Davon kann - anders als das Berufungsgericht meint - im Jahr
1993 keine Rede sein, da der Geschäftsbesorgungsvertrag und die zu
seiner Durchführung erteilte Vollmacht einer damals weit verbreiteten
und seinerzeit nicht angezweifelten Praxis entsprachen (vgl. BGH, Urtei-
le vom 8. Oktober 2004 - V ZR 18/04, WM 2004, 2349, 2353 und vom
17. Juni 2005 - V ZR 78/04, WM 2005, 1764, 1767), die Vollmacht nota-
riell beurkundet war (BGH, Urteil vom 8. November 1984 - III ZR 132/83,
WM 1985, 10, 11) und 1994 nicht einmal ein Notar Bedenken gegen die
Wirksamkeit der Vollmacht haben musste (BGHZ 145, 265, 275 ff.). Den
vor dem Jahr 2000 ergangenen Entscheidungen des Bundesgerichtsho-
fes ließ sich nichts entnehmen, was für einen Verstoß eines umfassen-
den Treuhand- oder Geschäftsbesorgungsvertrages und der mit ihm ver-
bundenen Vollmacht des Treuhänders/Geschäftsbesorgers gegen Art. 1
§ 1 RBerG i.V. mit § 134 BGB gesprochen hätte (st.Rspr., vgl. etwa die
Nachweise in dem Senatsurteil vom 9. November 2004 - XI ZR 315/03,
WM 2005, 72, 75). Dies gilt entgegen der Auffassung des Berufungsge-
richts nicht nur nach der Rechtsprechung des erkennenden und des
V. Zivilsenats, sondern nach der Rechtsprechung aller damit befassten
Senate des Bundesgerichtshofs auch bei umfassenden Treuhandvoll-
machten, die - wie hier - einer Steuerberatungsgesellschaft erteilt wur-
den. Sowohl die vor Erlass des Berufungsurteils ergangenen Urteile des
Bundesgerichtshofs vom 18. September 2001 (XI ZR 321/00, WM 2001,
2113, 2115), vom 18. März 2003 (XI ZR 188/02, WM 2003, 918, 920),
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vom 2. Dezember 2003 (XI ZR 53/02, WM 2004, 417, 421 f.), vom
22. Oktober 2003 (IV ZR 33/03, WM 2003, 2375, 2379), vom 10. März
2004 (IV ZR 143/03, WM 2004, 922, 924), vom 8. Oktober 2004 (V ZR
18/04, WM 2004, 2349, 2352 f.), vom 26. Oktober 2004 (XI ZR 255/03,
WM 2005, 127, 132) und vom 9. November 2004 (XI ZR 315/03,
WM 2005, 72, 75) als auch die nach Erlass des Berufungsurteils veröf-
fentlichten Urteile vom 11. Januar 2005 (XI ZR 272/03, WM 2005, 327,
329) und vom 17. Juni 2005 (V ZR 78/04, WM 2005, 1764, 1765) betref-
fen umfassende Vollmachten für Steuerberatungsgesellschaften. Keiner
der Senate hat - zu Recht - auch nur in Erwägung gezogen, für die Gut-
gläubigkeit der kreditgebenden Bank könnten bei der Vorlage einer Aus-
fertigung einer einer Steuerberatungsgesellschaft erteilten umfassenden
notariellen Vollmacht besondere Anforderungen zu stellen sein. Die ab-
weichende Ansicht des Berufungsgerichts entbehrt jeder Grundlage. Die
in diesem Zusammenhang vom Berufungsgericht erörterte Rechtspre-
chung zur unerlaubten Rechtsberatung und Rechtsbesorgung durch
Steuerberater rechtfertigt keine andere Beurteilung. Sie befasst sich
nicht einmal mit der Frage, ob die im Rahmen von Steuersparmodellen
durch Steuerberater ausgeführte treuhänderische Geschäftsbesorgung
eine erlaubnispflichtige Rechtsbesorgung darstellt (vgl. Senatsurteil vom
15. März 2005 - XI ZR 135/04, WM 2005, 828, 832).
Anders als das Berufungsgericht meint, rechtfertigt die in der Voll-
macht enthaltene Ermächtigung zur Vertretung gegenüber Gerichten und
Behörden kein abweichendes Ergebnis (Senatsurteile vom 11. Januar
2005 - XI ZR 272/03, WM 2005, 327, 329, vom 21. Juni 2005 - XI ZR
88/04, WM 2005, 1520, 1523 und vom 27. September 2005 - XI ZR
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116/05, Umdruck S. 9 sowie BGH, Urteil vom 17. Juni 2005 - V ZR 78/04,
WM 2005, 1764, 1767 m.w.Nachw.).
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Die Beklagte war entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts
auch nicht etwa zu einer eingehenden Prüfung der Vereinbarkeit der
Vollmacht der Geschäftsbesorgerin mit dem Rechtsberatungsgesetz ver-
pflichtet. Da im Rahmen der §§ 172, 173 BGB keine allgemeine Überprü-
fungs- und Nachforschungspflicht besteht, musste die Beklagte nicht
nach bis dahin in Rechtsprechung und Literatur unentdeckten rechtlichen
Problemen suchen (Senatsurteile vom 9. November 2004 - XI ZR 315/03,
WM 2005, 72, 75 f. und vom 15. März 2005 aaO m.w.Nachw.). An dieser
Rechtsprechung hält der Senat auch unter Berücksichtigung der ergän-
zenden Ausführungen des Berufungsgerichts fest.
cc) Der danach anwendbare § 172 Abs. 1 BGB setzt voraus, dass
der Beklagten entweder spätestens bei Abschluss der Darlehensverträge
eine Ausfertigung der die Geschäftsbesorgerin als Vertreterin der Kläger
ausweisenden notariellen Vollmachtsurkunde vorlag (st.Rspr., vgl.
BGHZ 102, 60, 63; Senatsurteile vom 26. Oktober 2004 - XI ZR 255/03,
WM 2005, 127, 131, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen, und vom
9. November 2004 - XI ZR 315/03, WM 2005, 72, 75, jew. m.w.Nachw.)
oder dass die Vollmacht dem Notar bei der Beurkundung des notariellen
Kauf- und Werklieferungsvertrags vorlag, dieser das Vorliegen der Voll-
macht ausdrücklich in seine Verhandlungsniederschrift aufgenommen
und deren Ausfertigung zusammen mit einer Abschrift der Vollmacht der
Beklagten zugeleitet hat (vgl. BGHZ 102, 60, 65). Hierzu hat das Beru-
fungsgericht - von seinem Standpunkt aus konsequent - bisher keine
Feststellungen getroffen. Dies gilt auch für die von der Revisionserwide-
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rung unter Bezugnahme auf das Senatsurteil vom 9. November 2004
(XI ZR 315/03, WM 2005, 72, 74) angesprochene Frage kollusiver Ab-
sprachen zwischen der Bank und anderen Beteiligten zum Nachteil des
Erwerbers.
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3. Nach dem für die Revision zugrunde zu legenden Sachverhalt
erweist sich auch die weitere Ansicht des Berufungsgerichts als rechts-
fehlerhaft, die Kläger hafteten nicht aus ungerechtfertigter Bereicherung
auf Rückzahlung der Darlehensvaluta, da sie durch die Auszahlung zum
Zwecke der Kaufpreiszahlung von keiner Verbindlichkeit frei geworden
seien. Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass das Berufungsge-
richt angesichts der erhobenen Klage, festzustellen, dass die Beklagte
aus den Darlehensverträgen keine Zahlungen verlangen kann, über Be-
reicherungsansprüche der Beklagten nicht zu entscheiden hatte. Abge-
sehen davon sind die Ausführungen des Berufungsgerichts inhaltlich un-
richtig. Ein Darlehen gilt als empfangen, wenn der Kreditgeber es ver-
einbarungsgemäß an einen Dritten ausgezahlt hat (Senat BGHZ 152,
331, 336 f.). Sofern die der Geschäftsbesorgerin erteilte Vollmacht der
Beklagten gegenüber als gültig zu behandeln ist, haben die Kläger daher
die Darlehenssumme empfangen, da die Darlehensvaluta in diesem Fall
auf ihre Weisung ausgezahlt worden ist. War die Abschlussvollmacht
unwirksam, scheidet ein Anspruch der Beklagten gegen die Kläger aus
ungerechtfertigter Bereicherung von vornherein aus. Die Darlehenssum-
me ist in diesem Fall aufgrund der - unwirksamen - Anweisungen der
Geschäftsbesorgerin nicht an die Kläger, sondern letztlich an andere Be-
teiligte ausgezahlt worden. Nur diese Zuwendungsempfänger kann die
Beklagte auf Rückerstattung der Darlehensvaluta in Anspruch nehmen
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(vgl. Senatsurteil vom 15. März 2005 - XI ZR 135/04, WM 2005, 828,
832 f. m.w.Nachw.).
III.
Das angefochtene Urteil war nach alledem aufzuheben, soweit es
die Feststellungsklage betrifft (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Sache nicht
zur Endentscheidung reif ist, war sie insoweit zur weiteren Sachaufklä-
rung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1
ZPO).
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Nobbe Müller Joeres
Wassermann Mayen
Vorinstanzen:
LG Göttingen, Entscheidung vom 23.09.2004 - 2 O 293/04 -
OLG Braunschweig, Entscheidung vom 03.02.2005 - 1 U 84/04 -