Urteil des BGH vom 21.02.2013

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IX ZR 52/10
Verkündet am:
21. Februar 2013
Preuß
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
InsO § 133 Abs. 1; BGB § 826 Gg; GmbHG aF §§ 32a, 32b, 30f analog
Zu den anfechtungs- und gesellschaftsrechtlichen Ansprüchen des Insolvenzverwal-
ters einer schuldnerischen Gesellschaft aus dem Verkauf ihrer Vermögensgegen-
stände an eine, dem Gesellschafter gleichgestellte Person.
BGH, Urteil vom 21. Februar 2013 - IX ZR 52/10 - OLG Jena
LG Gera
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Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 21. Februar 2013 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kayser, die
Richter Raebel, Prof. Dr. Gehrlein, Grupp und die Richterin Möhring
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 6. Zivilsenats des
Thüringer Oberlandesgerichts in Jena vom 17. Februar 2010 auf-
gehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsge-
richt zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger macht als Insolvenzverwalter über das Vermögen der D.
GmbH (im Folgenden: Schuldnerin) Ansprüche unter den rechtli-
chen Gesichtspunkten der Insolvenzanfechtung, des existenzvernichtenden
Eingriffs sowie des Verstoßes gegen eigenkapitalersatzrechtliche Bindung gel-
tend. Die Schuldnerin befasste sich mit der Entwicklung, der Herstellung und
dem Vertrieb von Replikationsanlagen zur Herstellung optischer Datenträger.
Einen Bestandteil dieser Anlagen bildete jeweils eine Spritzgussmaschine, wel-
che die Schuldnerin von einem japanischen Hersteller zukaufte. Die Beklagte
zu 1 ist eine Beteiligungsgesellschaft. Sie gehörte seit dem Jahr 1997 zur Un-
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ternehmensgruppe der Beklagten zu 2, welche eine Mehrheit von 96,81 v.H.
der Aktien der Beklagten zu 1 erworben hatte. Die Beklagte zu 1 erwarb ihrer-
seits ab Juli 1998 Anteile an der Schuldnerin. Ab Mai 1999 hielt sie Geschäfts-
anteile an der Schuldnerin im Nennbetrag von 411.500 DM bei einem Stamm-
kapital in Höhe von 500.000 DM.
Am 13. Juli 1999 vereinbarte die Beklagte zu 2 mit der Schuldnerin deren
Übernahme in ihr Cash-Management. Ausweislich der auf unbestimmte Zeit
geschlossenen und binnen Wochenfrist kündbaren Vereinbarung wurde das
Bankkonto der Schuldnerin zu Gunsten oder zu Lasten des Kontos der Beklag-
ten zu 2 täglich durch einen automatischen Kontoübertrag auf Null gestellt. Die
Umsätze wurden bei der Beklagten zu 2 als täglich fälliges Guthaben bezie-
hungsweise Darlehen der Schuldnerin verwaltet.
Am 23. Februar und am 30. März 2000 verzichtete die Beklagte zu 1 ge-
genüber der Schuldnerin auf Forderungen aus dem Cash-Management in Höhe
von 3.000.000 DM und 3.500.000 DM. Mit Wirkung zum 1. April 2000 trat die
Beklagte zu 1, die am 27. April 2000 Alleingesellschafterin der Schuldnerin
wurde, an Stelle der Beklagten zu 2 in das Cash-Management-Verhältnis ein.
Unter dem 22. Juni/ 5. Juli 2000 bezifferten die Beklagte zu 1 und die Schuldne-
rin in einer Rangrücktrittsvereinbarung die Forderungen der Beklagten zu 1 ge-
gen die Schuldnerin aus dem Cash-Management mit 35.786.000 DM. Überein-
stimmend stellten sie die Überschuldung der Schuldnerin fest und vereinbarten,
dass die Beklagte zu 1 aus dem vorgenannten Betrag mit einer Forderung von
10.000.000 DM unwiderruflich hinter sämtliche Forderungen derzeitiger und
künftiger Gläubiger solange und soweit zurücktritt, als die Schuldnerin über-
schuldet ist. Am 31. Juli 2000 verzichtete die Beklagte zu 1 gegenüber der
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Schuldnerin auf einen weiteren Teil-Rückzahlungsanspruch aus dem Cash-
Management in Höhe von 6.255.000 DM.
Am 1. Oktober 2000 gründete die Beklagte zu 1 als deren Alleingesell-
schafterin die Beklagte zu 3. Am 15. November 2000 verzichtete sie gegenüber
der Schuldnerin auf eine weitere Forderung aus dem Cash-Management in Hö-
he von 4.000.000 DM. Durch Kaufvertrag vom 16. November 2000 übernahm
die Beklagte zu 3 von der Schuldnerin alle Aktiva und Passiva, welche sich auf
die Spritzgussmaschinen bezogen. Als Gegenleistung hatte die Beklagte zu 3
an die Schuldnerin einen Betrag in Höhe von 9.567.600,72 DM (4.891.836,57
€)
dadurch zu erbringen, dass sie betragsgleich Verbindlichkeiten der Schuldnerin
gegenüber der Beklagten zu 1 mit befreiender Wirkung übernahm. Die Beklagte
zu 1 stimmte dieser Vereinbarung zu.
Bis zum 9. Oktober 2001 erweiterte die Beklagte zu 1 den Rangrücktritt
vom 22. Juni/5. Juli 2000 auf insgesamt 30.000.000 DM. Am 28. Mai 2002 ver-
äußerte sie 24,9 v.H. ihrer Geschäftsanteile an der Schuldnerin. Durch Verein-
barung vom 12. Juni 2002 legte sie gemeinsam mit der Schuldnerin deren Ver-
bindlichkeiten ihr gegenüber
auf 1.270.000 € zuzüglich Zinsen fest und verzich-
tete auf darüber hinausgehende Ansprüche. Unter Aufhebung der bestehenden
Rangrücktritte vereinbarte sie mit der Schuldnerin, dass sie mit der genannten
Forderung hinter sämtliche Forderungen derzeitiger und künftiger Gläubiger
solange und soweit zurücktrete, wie die Schuldnerin bilanziell überschuldet sei.
Auf Antrag der Schuldnerin vom 12. Februar 2004 wurde am 1. Mai 2004 das
Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt.
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Der Kläger verlangt von den Beklagten als Gesamtschuldnern die Zah-
lung des in dem Kaufvertrag vom 16. November 2000 vereinbarten Betrags von
4.891.836,57
€ nebst Zinsen zur Insolvenzmasse. Die Klage hat in den Tatsa-
cheninstanzen keinen Erfolg gehabt. Mit der vom Senat zugelassenen Revision
verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen
Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Das Berufungsgericht hat einen Anspruch des Klägers aus § 143 Abs. 1,
§ 133 Abs. 1 InsO mit der Begründung verneint, die Schuldnerin habe bei Ab-
schluss des Vertrages vom 16. November 2000 und damit auch bei der darin
enthaltenen Verrechnungsabrede nicht den Vorsatz gehabt, ihre Gläubiger zu
benachteiligen. Der Benachteiligungsvorsatz könne nicht vermutet werden, weil
die Schuldnerin nach dem erstinstanzlichen Beweisergebnis zwar ihre drohen-
de Zahlungsunfähigkeit gekannt habe, aber aufgrund konkreter Umstände mit
einer baldigen Überwindung der Krise habe rechnen können und auch gerech-
net habe. Denn es sei ein schlüssiges Sanierungskonzept erstellt und durch
den Kaufvertrag vom 16. November 2000 umgesetzt worden. Dabei sei die
Zahlungsfähigkeit der Schuldnerin zwar von einer Fortsetzung der finanziellen
Unterstützung durch die Beklagte zu 1 und insbesondere einer weiteren Einbe-
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ziehung in das Cash-Management abhängig gewesen. Die Schuldnerin habe
mit einer Fortsetzung der finanziellen Unterstützung der Beklagten zu 1 jedoch
sicher rechnen dürfen, nachdem diese bereits auf Forderungen verzichtet und
Rangrücktritte erklärt habe. Soweit die Schuldnerin der Beklagten zu 1 in der
Krise eine inkongruente Deckung gewährt habe, könne wegen der Einbindung
in einen ernsthaften, wenn auch letztlich fehlgeschlagenen Sanierungsversuch
hieraus nicht auf einen Vorsatz geschlossen werden, die Gläubiger zu benach-
teiligen. Ein Anspruch aus § 826 BGB scheide ebenfalls aus. Die Beklagten zu
1 und 3 hätten der Schuldnerin nicht planmäßig den Gläubigern haftendes
Vermögen entzogen, sondern eine finanzielle Entlastung der Schuldnerin er-
strebt. Dies folge aus den durch die Beklagte zu 1 erklärten Rangrücktritten und
Forderungsverzichten sowie dem unter Beteiligung der Beklagten zu 1 und 3
erstellten Sanierungskonzept. Ansprüche aus § 31 GmbHG aF beziehungswei-
se analog § 31 GmbHG aF seien verjährt, weil aus den vorgenannten Gründen
eine bösliche Handlungsweise im Sinne des § 31 Abs. 5 Satz 2 GmbHG aF
nicht festzustellen sei.
II.
Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung in wesentlichen Punkten
nicht stand.
1. Ein Rückgewähranspruch unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der
Vorsatzanfechtung nach § 143 Abs. 1, § 133 Abs. 1 InsO kann nicht mit der
vom Berufungsgericht gegebenen Begründung verneint werden, aufgrund des
im Kaufvertrag vom 16. November 2000 umgesetzten Sanierungskonzeptes
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könne eine vorsätzliche Benachteiligung der Gläubiger ausgeschlossen wer-
den. Ein möglicher Anspruch wegen Insolvenzanfechtung ist jedoch verjährt.
a) Sowohl der Gesichtspunkt der drohenden Zahlungsunfähigkeit als
auch derjenige der Inkongruenz können ihre Bedeutung als Beweisanzeichen
für den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners verlieren, wenn die angefoch-
tene Rechtshandlung Bestandteil eines ernsthaften, letztlich aber fehlgeschla-
genen Sanierungsversuchs ist (BGH, Urteil vom 12. November 1992 - IX ZR
236/91, WM 1993, 270, 273; vom 1. April 2004 - IX ZR 305/00, WM 2004, 1037,
1039; vom 16. Oktober 2008 - IX ZR 183/06, WM 2009, 117 Rn. 52; vom
5. März 2009 - IX ZR 85/07, BGHZ 180, 98 Rn. 17; vom 8. Dezember 2011
- IX ZR 156/09, WM 2012, 146 Rn. 11 und 18; vgl. auch Gehrlein, WM 2011,
577, 578 ff). Denn in diesem Fall ist die Rechtshandlung von einem anderen,
anfechtungsrechtlich unbedenklichen Willen geleitet, und das Bewusstsein der
Benachteiligung anderer Gläubiger tritt infolgedessen in den Hintergrund (BGH,
Urteil vom 8. Dezember 2011, aaO Rn. 11). Voraussetzung ist, dass zu der Zeit
der angefochtenen Handlung ein schlüssiges, von den tatsächlichen Gegeben-
heiten ausgehendes Sanierungskonzept vorliegt, das mindestens in den Anfän-
gen schon in die Tat umgesetzt worden ist und beim Schuldner die ernsthafte
und begründete Aussicht auf Erfolg rechtfertigt (BGH, Urteil vom 16. Oktober
2008, aaO; vom 8. Dezember 2011, aaO; jeweils mwN).
Ein solches schlüssiges Sanierungskonzept, das zum Zeitpunkt der an-
gefochtenen Handlung begründete Aussicht auf Erfolg bot, hat das Berufungs-
gericht jedoch nicht festgestellt.
Die Feststellungen lassen kein geschlossenes Konzept zur Bereinigung
sämtlicher Verbindlichkeiten der Schuldnerin erkennen. Es ist nicht erkennbar,
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ob die Ausgliederung des Geschäfts mit den Spritzgussmaschinen auf die Be-
klagte zu 3 geeignet war, die wirtschaftliche Lage der Schuldnerin dauerhaft zu
stabilisieren, oder ob lediglich eine entsprechende Hoffnung bestand. Darüber
hinaus ging die Schuldnerin selbst trotz Umsetzung des Sanierungskonzepts
von einem fortdauernden Finanzbedarf ausDie bloße Aussicht, der jeweilige
Finanzbedarf werde von der Beklagten zu 1 im Rahmen des Cash-Manage-
ments gedeckt, rechtfertigte schon deshalb nicht die Annahme, die drohende
Zahlungsunfähigkeit abwenden und alle Gläubiger befriedigen zu können, weil
die dem Cash-Management zugrunde liegende Vereinbarung binnen Wochen-
frist kündbar war.
b) Ein Rückgewähranspruch wegen Vorsatzanfechtung ist allerdings ver-
jährt. Alle Beklagten haben die Einrede der Verjährung erhoben.
aa) Die Verjährung richtet sich im Streitfall nach der bis zum 14. Dezem-
ber 2004 geltenden Fassung des § 146 Abs. 1 InsO. Danach verjährt der An-
fechtungsanspruch in zwei Jahren seit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens.
Die Neufassung dieser Vorschrift durch Art. 5 Nr. 3 des Gesetzes zur Anpas-
sung von Verjährungsvorschriften an das Gesetz zur Modernisierung des
Schuldrechts vom 9. Dezember 2004 (BGBl. I, S. 3214) wirkt sich nach den
maßgeblichen Übergangsvorschriften nicht aus, weil die Verjährungsfrist des
neuen Rechts länger ist als diejenige des alten Rechts (Art. 229 § 12 Abs. 1
Satz 1 Nr. 4 und Satz 2, Art. 229 § 6 Abs. 1 und 3 EGBGB). Die Verjährungs-
frist von zwei Jahren wurde durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 1.
Mai 2004 in Gang gesetzt. Sie wurde durch die Einreichung des Prozesskos-
tenhilfeantrags
für eine auf Zahlung von 6.891.836,57 € gerichtete und aus-
drücklich auch auf eine Vorsatzanfechtung gestützte Klage, dessen Bekanntga-
be vom Gericht demnächst veranlasst wurde, am 28. April 2006 gehemmt
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(§ 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB). Die Hemmung endete am 9. August 2007, sechs
Monate nach Zustellung des Beschlusses des Thüringer Oberlandesgerichts
vom 23. Januar 2007 an den Kläger, durch den dessen sofortige Beschwerde
gegen die ablehnende Entscheidung des Landgerichts über den Prozesskos-
tenhilfeantrag zurückgewiesen wurde (§ 204 Abs. 2 Satz 1 BGB). Verjährung
trat sonach mit Ablauf des 13. August 2007 ein (§ 209 BGB).
bb) Die Verjährung des Anfechtungsanspruchs wurde nicht vor ihrem
Eintritt durch die Einreichung der Klage am 6. August 2007 erneut gehemmt.
Der Umfang der durch Erhebung einer Klage bewirkten Hemmung (§ 204
Abs. 1 Nr. 1 BGB) wird durch den Streitgegenstand der Klage bestimmt (BGH,
Urteil vom 4. Mai 2005 - VIII ZR 93/04, NJW 2005, 2004, 2005 mwN; vom
8. Mai 2007 - XI ZR 278/06, NJW 2007, 2560 Rn. 15). Gegenstand des Rechts-
streits ist der als Rechtsschutzbegehren oder Rechtsfolgebehauptung aufge-
fasste eigenständige prozessuale Anspruch. Dieser wird bestimmt durch den
Klageantrag, in dem sich die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge
konkretisiert, und den Lebenssachverhalt (Anspruchsgrund), aus dem der Klä-
ger die begehrte Rechtsfolge herleitet (BGH, Urteil vom 19. Dezember 1991
- IX ZR 96/91, BGHZ 117, 1, 5 f; vom 28. September 2006 - IX ZR 136/05,
BGHZ 169, 158 Rn. 8; st. Rspr.).
Der Anspruch aus Insolvenzanfechtung gehörte danach nicht zum Streit-
gegenstand der am 6. August 2007 eingereichten Klage. Der Klageantrag war
- anders als in dem Klageentwurf, der dem Antrag auf Prozesskostenhilfe bei-
gefügt gewesen war - nun auf die Feststellung gerichtet, dass die Beklagten
verpflichtet sind,
„dem Kläger sämtliche durch die Insolvenz der Firma D.
GmbH entstandenen Schäden unter Abzug einer etwaigen vor-
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handenen Insolvenzmasse, die zur Gläubigerbefriedigung erforderlich sind, zu
ersetzen.
“ Ferner sollte festgestellt werden, dass die Beklagten zum Ersatz der
Kosten des Insolvenzverfahrens verpflichtet sind. Im Rubrum der Klage war der
Gegenstand der Klage mit "Konzernhaftung/Existenzvernichtungshaftung,
§§ 826 BGB" bezeichnet. Die Ausführungen zur Rechtslage befassten sich
ausschließlich mit Ansprüchen nach § 826 BGB und § 823 Abs. 2 BGB in Ver-
bindung mit § 266 StGB. Zwar war der vorgetragene Sachverhalt teilweise auch
für die Voraussetzungen eines Anspruchs aus § 143 Abs. 1, § 133 Abs. 1 InsO
von Bedeutung. Der Anfechtungsanspruch ist aber auf Rückgewähr desjenigen
gerichtet, was anfechtbar aus dem Vermögen des Schuldners weggegeben und
dadurch dem Zugriff der Gläubiger entzogen wurde. Die Verpflichtung zum Er-
satz des mit der Klage geltend gemachten Insolvenzschadens kann nicht
Rechtsfolge einer Insolvenzanfechtung sein. Mit der offenbar bewusst abwei-
chend vom Prozesskostenhilfeantrag vorgenommenen Festlegung auf das ge-
wählte Klageziel hat der Kläger deshalb die insolvenzrechtliche Anfechtung des
Kaufvertrags vom 16. November 2000 aus dem Streitgegenstand seiner Klage
ausgenommen. Sie wurde erst Gegenstand der Klage, als der Kläger mit
Schriftsatz vom 19. Mai 2008 den Hilfsantrag ankündigte, die Beklagten auf
Zahlung des im Kaufvertrag vereinbarten Gegenwerts der Kaufgegenstände in
Höhe von 4.891.836,57
€ nebst Zinsen zu verurteilen, nachdem er zuvor erst-
mals mit seinem Schriftsatz vom 31. März 2008 die Klage auch auf eine Vor-
satzanfechtung gestützt hatte. Die Verjährung des Anfechtungsanspruchs konn-
te zu beiden Zeitpunkten nicht mehr gehemmt werden, weil sie bereits eingetre-
ten war.
2. Auch die Begründung, mit welcher das Berufungsgericht einen gegen
die Beklagten gerichteten Anspruch auf Schadensersatz wegen existenzver-
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nichtenden Eingriffs ausgeschlossen hat, hält einer rechtlichen Überprüfung
nicht stand.
a) Die Haftung wegen Existenzvernichtung begründet einen originären
Anspruch der GmbH gegen einen Gesellschafter, der seine Grundlage in § 826
BGB findet (BGH, Urteil vom 16. Juli 2007 - II ZR 3/04, BGHZ 173, 246
Rn. 17 ff; vom 13. Dezember 2007 - IX ZR 116/06, WM 2008, 449 Rn. 10). Eine
Existenzvernichtung liegt vor, wenn der Gesellschafter auf die Zweckbindung
des Gesellschaftsvermögens keine angemessene Rücksicht nimmt, indem er
der Gesellschaft durch offene oder verdeckte Entnahmen ohne angemessenen
Ausgleich Vermögenswerte entzieht, die sie zur Erfüllung ihrer Verbindlichkei-
ten benötigt, und sie dadurch in die Insolvenz führt oder eine bereits bestehen-
de Insolvenz vertieft (BGH, Urteil vom 13. Dezember 2004 - II ZR 256/02, WM
2005, 332, 333 f; vom 16. Juli 2007, aaO Rn. 18; vom 13. Dezember 2007,
aaO; vom 23. April 2012 - II ZR 252/10, WM 2012, 1034 Rn. 13). Der existenz-
vernichtende Eingriff ist sittenwidrig, weil die Gesellschaft dadurch um Vermö-
gen gebracht wird, das sie zur vorrangigen Befriedigung ihrer Gläubiger benö-
tigt (BGH, Urteil vom 16. Juli 2007, aaO Rn. 30; vom 13. Dezember 2007, aaO
Rn. 10). Als Haftende kommen neben dem unmittelbaren Gesellschafter der
GmbH auch mittelbare Gesellschafter (Gesellschafter-Gesellschafter, vgl. BGH,
Urteil vom 16. Juli 2007, aaO Rn. 44) sowie Mittäter, Anstifter und Gehilfen
(§ 830 BGB; BGH, Urteil vom 16. Juli 2007, aaO Rn. 46; vom 24. Juli 2012
- II ZR 177/11, WM 2012, 1779 Rn. 14) in Betracht, im Streitfall somit grund-
sätzlich sämtliche Beklagte.
b) Die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagten haben der
Schuldnerin nicht planvoll Vermögen entzogen, das Gegenteil sei der Fall, be-
ruht auf einem Rechtsfehler. Sie unterliegt als Ergebnis tatrichterlicher Würdi-
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gung im Sinne des § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO zwar nur der eingeschränkten
Überprüfung durch das Revisionsgericht. Dieses kann lediglich prüfen, ob der
Tatrichter von zutreffenden Rechtsbegriffen ausgegangen ist und ob er den
Streitstoff umfassend, widerspruchsfrei und ohne Verstoß gegen Denk- oder
Erfahrungsgesetze gewürdigt hat (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 23. April 2012
- II ZR 252/10, WM 2012, 1034 Rn. 13; Hk-ZPO/Saenger, 5. Aufl., § 286
Rn. 37). Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil aber nicht gerecht.
Das Berufungsgericht verkennt die subjektiven Voraussetzungen der Haftung
wegen Existenzvernichtung. Es stützt sich maßgeblich darauf, dass das Sanie-
rungskonzept, an dem die Beklagten zu 1 und 3 beteiligt gewesen seien, nicht
darauf gerichtet gewesen sei, der Schuldnerin Vermögen zu entziehen oder sie
gar auszuplündern, sondern sie finanziell zu entlasten. Damit stellt das Beru-
fungsgericht die von den Beklagten vermeintlich verfolgten Ziele in den Mittel-
punkt. Eine besondere auf die Schädigung der Gesellschaft oder ihrer Gläubi-
ger gerichtete Absicht setzt die Haftung wegen Existenzvernichtung aber nicht
voraus. Die Sittenwidrigkeit folgt bereits aus der Erfüllung der objektiven Vo-
raussetzungen. In subjektiver Hinsicht genügt bedingter Vorsatz. Ein solcher
liegt vor, wenn dem handelnden Gesellschafter bewusst ist, dass durch von ihm
selbst oder mit seiner Zustimmung veranlasste Maßnahmen das Gesellschafts-
vermögen sittenwidrig geschädigt wird; dafür reicht es aus, dass ihm die Tatsa-
chen bewusst sind, die den Eingriff sittenwidrig machen, während ein Bewusst-
sein der Sittenwidrigkeit nicht erforderlich ist. Eine derartige Sittenwidrigkeit be-
trifft nicht nur die Fälle, in denen die Vermögensentziehung geschieht, um den
Zugriff der Gläubiger auf dieses Vermögen zu verhindern, sondern ist auch
dann anzunehmen, wenn die faktische dauerhafte Beeinträchtigung der Erfül-
lung der Verbindlichkeiten die voraussehbare Folge des Eingriffs ist und der
Gesellschafter diese Rechtsfolge in Erkenntnis ihres möglichen Eintritts billi-
gend in Kauf genommen hat (BGH, Urteil vom 16. Juli 2007, aaO Rn. 30).
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c) Ein Anspruch des Klägers wegen existenzvernichtenden Eingriffs kann
auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen nicht aus anderen Gründen
verneint werden.
aa) Die Übertragung von Vermögen der Schuldnerin auf eine von ihrem
Alleingesellschafter beherrschte Schwestergesellschaft kann zur Haftung des
Gesellschafters wegen Existenzvernichtung führen, wenn die Übertragung ohne
angemessenen Wertausgleich erfolgt (BGH, Urteil vom 24. Juni 2002 - II ZR
300/00, BGHZ 151, 181, 187; vom 20. September 2004 - II ZR 302/02, ZIP
2004, 2138, 2140; vom 23. April 2012 - II ZR 252/10, ZIP 2012, 1071 Rn. 17 f).
An einem solchen Wertausgleich kann es im Streitfall fehlen, falls die von der
Beklagten zu 3 übernommenen Verbindlichkeiten der Schuldnerin gegenüber
der Beklagten zu 1 Darlehen betrafen, die nach den damals geltenden Grund-
sätzen zum Eigenkapitalersatz rechtlich gebunden waren. Dann konnten sie
von der Beklagten zu 1 nicht zurückgefordert werden und waren im Insolvenz-
verfahren über das Vermögen der Schuldnerin nachrangig. Die Übernahme sol-
cher Verbindlichkeiten durch die Beklagte zu 3 konnte aus der Sicht der Gläubi-
ger der Schuldnerin den Verlust des übertragenen Vermögens nicht ausglei-
chen.
Ob die Darlehen der Beklagten zu 1 als Kapitalersatz gebunden waren,
lässt sich mangels ausreichender Feststellungen nicht abschließend beurteilen.
Eine Qualifizierung als funktionales Eigenkapital kommt in Betracht, wenn die
Schuldnerin bei der Gewährung der Darlehen und bis zum Vertragsschluss vom
16. November 2000 nicht nur bilanziell, sondern im insolvenzrechtlichen Sinne
überschuldet
war. Rangrücktritte der Beklagten zu 1 sind bei dieser Beurteilung
zu berücksichtigen, sofern sie die Voraussetzungen eines so genannten qualifi-
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zierten Rücktritts erfüllen; in diesem Fall sind die betroffenen Darlehensverbind-
lichkeiten nicht zu passivieren (BGH, Urteil vom 8. Januar 2001 - II ZR 88/99,
BGHZ 146, 264, 271 f; vom 1. März 2010 - II ZR 13/09, ZIP 2010, 1078 Rn. 6).
bb) Von weiteren Feststellungen hängt auch ab, ob ein Anspruch wegen
Existenzvernichtung zum Zeitpunkt der Einreichung des Prozesskostenhilfege-
suchs (§ 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB) im Jahr 2006 bereits verjährt war. Weil sich
der Anspruch auf § 826 BGB stützt, richtet sich die Verjährung nicht nach den
Sondervorschriften des GmbH-Gesetzes, sondern nach den allgemeinen Re-
geln (BGH, Urteil vom 9. Februar 2009 - II ZR 292/07, BGHZ 179, 344 Rn. 33;
vom 24. Juli 2012 - II ZR 177/11, WM 2012, 1779 Rn. 14). Die Verjährung des
Anspruchs kann sich unter Berücksichtigung der Überleitungsvorschrift des
Art. 229 § 6 Abs. 1 und 4 EGBGB entweder aus § 852 BGB aF oder aus § 195,
§ 199 Abs. 1 BGB nF ergeben. Beide Normen knüpfen den Beginn der Verjäh-
rung an subjektive Voraussetzungen in der Person des Anspruchsinhabers. Da
dieser im Streitfall eine GmbH ist, kommt es auf die Kenntnisse ihrer Geschäfts-
führer als gesetzlicher Vertreter an. Eine Zurechnung scheidet allerdings aus,
soweit diese selbst als Schädiger anzusehen sind, weil sie am Abschluss der
vertraglichen Vereinbarung vom 16. November 2000 als schädigender Hand-
lung beteiligt waren (BGH, Urteil 12. Juni 1989 - II ZR 334/87, DB 1989, 1762,
1764; vom 9. Februar 2009, aaO Rn. 34). Zurechenbar sind hingegen Kennt-
nisse von gesetzlichen Vertretern, die an der schädigenden Handlung nicht be-
teiligt waren, gleichviel ob sie ihre Organstellung zu diesem Zeitpunkt bereits
innehatten oder erst später erworben haben. Es kommt daher für die Bestim-
mung des Verjährungsbeginns darauf an, ob die Schuldnerin neben den beiden
Geschäftsführern B. und R. , die den Kaufvertrag vom 16. No-
vember 2000 für die Schuldnerin unterzeichneten, damals noch weitere Ge-
schäftsführer hatte, die an der Übertragung der Assets nicht beteiligt waren,
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oder ob sie zu einem späteren Zeitpunkt einen oder mehrere neue Geschäfts-
führer erhielt, welche über die vorausgesetzten Kenntnisse verfügten.
3. Ansprüche unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des Eigenkapitaler-
satzes hat das Berufungsgericht als verjährt erachtet, weil den Beklagten keine
"bösliche Handlungsweise" zur Last falle. Die gegebene Begründung trägt diese
Beurteilung jedoch nicht.
a) Anzuwenden ist das Eigenkapitalersatzrecht in Gestalt der Novellen-
regeln (§§ 32b, 32a Abs. 2, 3 GmbHG aF) und der Rechtsprechungsregeln
(§ 30 Abs. 1, § 31 Abs. 1 GmbHG aF analog). Denn das Insolvenzverfahren ist
am 1. Mai 2004 und damit vor dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisie-
rung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) am
1. November 2008 eröffnet worden (BGH, Urteil vom 26. Januar 2009 - II ZR
260/07, BGHZ 179, 249 Rn. 15 ff; vom 28. Februar 2012 - II ZR 115/11, WM
2012, 843 Rn. 14).
Nach § 31 Abs. 5 Satz 1 GmbHG in der bis zum 14. Dezember 2004 gel-
tenden Fassung in Verbindung mit Art. 229 § 12 Abs. 1 Nr. 10, § 6 Abs. 3 EG-
BGB unterliegen die von dem Kläger geltend gemachten Ansprüche aus § 30
Abs. 1, § 31 Abs. 1 GmbHG aF im Grundsatz der fünfjährigen Verjährung ab
Zahlung mit der Folge, dass Ansprüche bereits bei Einreichung des Prozess-
kostenhilfegesuchs im Jahr 2006 - dem frühesten in Betracht kommenden
Hemmungstatbestand - verjährt waren. Bei böslicher Handlungsweise des Ver-
pflichteten gilt hingegen eine Verjährungsfrist von zehn Jahren, beginnend mit
Ablauf des Tages, an welchem die Zahlung, deren Erstattung beansprucht wird,
geleistet wurde (§ 31 Abs. 5 Satz 1 GmbHG nF iVm Art. 229 § 12 Abs. 1 Nr. 10,
Abs. 2 Satz 1 EGBGB). In diesem Fall wäre ein Anspruch wegen einer im Jahr
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2000 erbrachten Zahlung noch nicht verjährt, weil die Verjährung vor ihrem Ein-
tritt im November 2010 gehemmt wurde, spätestens als der Kläger mit seinem
Schriftsatz vom 19. Mai 2008 den Hilfsantrag auf Verurteilung der Beklagten zur
Zahlung von 4.891.836,57 € ankündigte und ihn (auch) mit einer Verletzung der
kapitalersatzrechtlichen Bindung begründete (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB).
b) Eine bösliche Handlungsweise der Beklagten kann derzeit nicht aus-
geschlossen werden. Es ist bereits nicht erkennbar, ob das Berufungsgericht
den richtigen Prüfungsmaßstab angelegt hat. Eine bösliche Handlungsweise im
Sinne von § 31 Abs. 5 Satz 2 GmbHG aF liegt vor, wenn der Gesellschafter die
Zahlung der Gesellschaft in Kenntnis ihrer Unzulässigkeit entgegennimmt. Dies
setzt bei der Rückzahlung eines Gesellschafterdarlehens voraus, dass der Ge-
sellschafter die Tatsachen kennt, aus denen sich die Qualifizierung des Darle-
hens als funktionales Eigenkapital ergibt. Darüber hinaus muss er wissen, dass
bereits eine Überschuldung oder eine Unterbilanz besteht oder dass infolge der
Auszahlung das zur Deckung des Stammkapitals erforderliche Vermögen nun-
mehr angegriffen wird (BGH, Urteil vom 23. Juni 1997 - II ZR 220/95, BGHZ
136, 125, 131 mwN; vom 29. September 2008 - II ZR 234/07, WM 2008, 2215
Rn. 23). Das Berufungsgericht verweist demgegenüber lediglich auf die Be-
gründung des Landgerichts, eine bösliche Handlungsweise falle den Beklagten
im Hinblick auf die Ausführungen zu den subjektiven Merkmalen von Ansprü-
chen insbesondere aus § 143 Abs. 1, § 133 Abs. 1 InsO, § 826 BGB nicht zur
Last. Diese subjektiven Merkmale unterscheiden sich von den Voraussetzun-
gen einer böslichen Handlungsweise. Darüber hinaus sind die Feststellungen
des Berufungsgerichts zu den subjektiven Merkmalen der vorgenannten An-
sprüche nicht ohne Rechtsfehler (vgl. oben II. 1. a und II. 2. b). Auch deshalb
vermögen sie nicht die Auffassung zu tragen, eine böswillige Handlungsweise
liege nicht vor.
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III.
Die Sache ist nach dem festgestellten Sachverhältnis nicht zur Endent-
scheidung reif. Das Berufungsgericht hat zu den Voraussetzungen der Haftung
wegen existenzvernichtenden Eingriffs (§ 826 BGB) und eines Verstoßes gegen
die kapitalersatzrechtliche Bindung (§ 30 Abs. 1, § 31 Abs. 1 GmbHG aF direkt
oder analog) keine ausreichenden Feststellungen getroffen. Das Gleiche gilt für
die Voraussetzungen der Verjährung dieser Ansprüche. Das Berufungsurteil ist
deshalb aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sache an das Berufungsge-
richt zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 und 3 ZPO).
Kayser
Raebel
Gehrlein
Grupp
Möhring
Vorinstanzen:
LG Gera, Entscheidung vom 29.05.2009 - 3 O 652/06 -
OLG Jena, Entscheidung vom 17.02.2010 - 6 U 555/09 -
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