Urteil des BGH vom 08.11.2013

BGH: kaufvertrag, rückabwicklung, eigentumswohnung, geschäftsbedingung, widerruf, unbefristet, schweigen, erfüllung, kaufpreis, vergleich

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
VERSÄUMNISURTEIL
V ZR 145/12
Verkündet am:
8. November 2013
Langendörfer-Kunz
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
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Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 8. November 2013 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Stresemann, den
Richter Dr. Roth, die Richterinnen Dr. Brückner und Weinland und den Richter
Dr. Kazele
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 14. Zivilsenats des
Oberlandesgerichts Dresden vom 8. Mai 2012 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsge-
richt zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Mit notarieller Erklärung vom 18. Mai 2007 machten die Kläger der Be-
klagten das Angebot zum Kauf einer Eigentumswohnung. In dem Angebot heißt
es u.a.:
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„An dieses Angebot hält sich der Käufer auf die Dauer von 4 Wochen
von heute an gebunden.
Nach Ablauf dieser Frist erlischt nicht das Angebot, sondern nur die Bin-
dung hieran. Die Annahme des Angebotes kann solange erklärt werden,
solange dem beurkundenden Notar gegenüber das Angebot nicht schrift-
lich widerrufen worden ist, der zur Entgegennahme der entsprechenden
Erklärungen hiermit bevollmächtigt wird.“
Vier Wochen und drei Tage später erklärte die Beklagte mit notarieller
Urkunde vom 18. Juni 2007 die Annahme des Angebots. Nach Zahlung des
Kaufpreises von 81.040 € wurden die Kläger als Eigentümer in das Grundbuch
eingetragen.
Die Kläger verlangen die Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug ge-
gen lastenfreie Rückübertragung der Wohnung, Herausgabe der der Beklagten
aus der Kapitalnutzung erwachsenen Vorteile sowie die Feststellung des An-
nahmeverzugs der Beklagten. Sie sind der Meinung, ihr Kaufangebot sei im
Zeitpunkt der Annahmeerklärung bereits erloschen gewesen, so dass ein Kauf-
vertrag nicht zustande gekommen sei. Das Landgericht hat die Klage abgewie-
sen. Die Berufung der Kläger hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Mit
der von dem Senat zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihre Anträge
weiter.
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Entscheidungsgründe:
I.
Nach Ansicht des Berufungsgerichts steht den Klägern ein bereiche-
rungsrechtlicher Anspruch auf Rückabwicklung nicht zu, da zwischen den Par-
teien ein Kaufvertrag zustande gekommen sei. Dem stehe nicht entgegen, dass
die Beklagte das Kaufangebot der Kläger erst nach Ablauf der Bindungsfrist
angenommen habe. Aufgrund der vereinbarten Angebotsfortgeltungsklausel
habe dieses über die Bindungsfrist von vier Wochen hinaus fortbestanden. Die
als Allgemeine Geschäftsbedingung der Beklagten verwendete Klausel sei we-
der gemäß § 308 Nr. 1 BGB noch gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.
II.
Die Revision hat Erfolg.
1. Das Berufungsgericht verneint zu Unrecht einen Anspruch der Kläger
gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB auf Rückabwicklung des Erwerbsge-
schäfts. Zwischen den Parteien ist kein Kaufvertrag zustande gekommen.
a) Bei der Angebotsannahme durch die Beklagte waren sowohl die Zeit-
spanne, innerhalb deren der Antragende auf sein Angebot zum Kauf einer Ei-
gentumswohnung den Eingang der Antwort des Empfängers unter regelmäßi-
gen Umständen erwarten darf (§ 147 Abs. 2 BGB), als auch die im Kaufange-
bot bestimmte Bindungsfrist, die sich regelmäßig mit der dem Empfänger für
die Annahme des Angebots eingeräumten Frist (§ 148 BGB) deckt, verstrichen
(vgl. dazu Senat, Urteil vom 11. Juni 2010 - V ZR 85/09, NJW 2010, 2873,
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2874); denn die Beklagte hat das Angebot der Kläger erst nach Ablauf von vier
Wochen angenommen. Zu diesem Zeitpunkt war deren Angebot gemäß § 146
BGB erloschen. Zwar enthält das Angebot der Kläger die Erklärung, dass nach
Ablauf der Bindungsfrist von vier Wochen nur die Bindung an das Angebot,
nicht aber das Angebot selbst erlöschen solle. Diese Fortgeltungsklausel, die
nach den Feststellungen des Berufungsgerichts von der Beklagten als Allge-
meine Geschäftsbedingung gestellt worden ist und die daher der AGB-
rechtlichen Inhaltskontrolle unterliegt, ist aber unwirksam. Der Senat hat
- allerdings erst nach dem Erlass des angegriffenen Urteils - entschieden, dass
Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, nach denen das Angebot des
anderen Teils unbefristet fortbesteht und von dem Verwender jederzeit ange-
nommen werden kann, auch dann mit § 308 Nr. 1 Halbs. 1 BGB unvereinbar
sind, wenn sich der andere Teil durch einen Widerruf von seinem Angebot lö-
sen kann (Senat, Urteil vom 7. Juni 2013 - V ZR 10/12, MDR 2013, 958, 959).
b) Anhaltspunkte dafür, dass die Kläger die verspätete Annahmeerklä-
rung der Beklagten, die gemäß § 150 Abs. 1 BGB als neues Angebot gilt, an-
genommen haben, sind nicht ersichtlich. Eine Annahme durch Schweigen
kommt bei beurkundungsbedürftigen Grundstücksgeschäften nicht in Betracht.
Die von dem anderen Teil zur Erfüllung vorgenommenen Handlungen wie etwa
die Kaufpreiszahlung sind grundsätzlich nicht als schlüssige Annahmeerklärung
auszulegen (Senat, Urteil vom 11. Juni 2010 - V ZR 85/09, NJW 2010, 2873,
2874 f.).
2. Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif und deshalb zur neuen
Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen
(§ 563 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 ZPO). Die bereicherungsrechtliche Rückabwick-
lung ist nach den Grundsätzen der Saldotheorie vorzunehmen, indem durch
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Vergleich der durch den Bereicherungsvorgang hervorgerufenen Aktiv- und
Passivposten zu ermitteln ist, ob und in welcher Höhe sich für die Kläger ein
Überschuss ergibt (Senat, Urteil vom 14. Juli 2000 - V ZR 82/99, BGHZ 145,
52, 54 f.). Hierzu hat das Berufungsgericht - aus seiner Sicht folgerichtig - keine
Feststellungen getroffen, insbesondere verhält es sich nicht dazu, ob und in
welchem Umfang die Beklagte aus dem empfangenen Kaufpreis Nutzungen
gezogen hat und welche Vorteile die Kläger aus der Eigentumswohnung gezo-
gen haben.
Stresemann
Roth
Brückner
Weinland
Kazele
Vorinstanzen:
LG Dresden, Entscheidung vom 10.11.2011 - 4 O 3165/10 -
OLG Dresden, Entscheidung vom 08.05.2012 - 14 U 1918/11 -