Urteil des BGH vom 18.07.2003

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
V ZR 431/02
Verkündet am:
18. Juli 2003
K a n i k,
Justizamtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR: ja
BeurkG § 13a Abs. 1
a) Wird in der Niederschrift auf eine andere notarielle Niederschrift verwiesen, die
nach den Vorschriften über die Beurkundung von Willenserklärungen errichtet
worden ist, so liegt, wenn diese Niederschrift nicht verlesen worden ist, eine wirk-
same Beurkundung nur vor, wenn die Beteiligten erklärt haben, daß ihnen der In-
halt der anderen Niederschrift bekannt ist und daß sie auf das Verlesen verzich-
ten. Fehlt entgegen § 13a Abs. 1 Satz 2 BeurkG in der Niederschrift die Feststel-
lung, daß diese Erklärungen abgegeben wurden, so steht dies der Wirksamkeit
nicht entgegen.
b) Fehlt in der Niederschrift die Feststellung nach § 13a Abs. 1 Satz 2 BeurkG, so
hat dies auf die allgemeinen Grundsätze über die Darlegungs- und Beweislast in
einem Rechtsstreit zwischen den beteiligten Vertragsparteien keinen Einfluß.
BGH, Urt. v. 18. Juli 2003 - V ZR 431/02 - OLG Stuttgart
LG Ulm
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Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung
vom 18. Juli 2003 durch den Vizepräsidenten des Bundesgerichtshofes
Dr. Wenzel und die Richter Prof. Dr. Krüger, Dr. Klein, Dr. Gaier und
Dr. Schmidt- Räntsch
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Streithelfers der Beklagten wird das Urteil
des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom
2. Dezember 2002 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsge-
richt zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Mit Vertrag vom 18. August 1999, der von dem Streithelfer der Beklagten
beurkundet wurde, kauften die Klägerin und ihr Ehemann von der Beklagten
eine Teileigentumseinheit in einem Geschäftshaus in U. zum Preis von
575.000 DM. Das Geschäftshaus bedurfte zunächst der Sanierung und teilwei-
sen Neuerrichtung. Die Beklagte verpflichtete sich, die dazu erforderlichen Ar-
beiten gemäß einer von dem Streithelfer zuvor anderweit beurkundeten Bau-
beschreibung zu erstellen. Die Begründung von Wohn- und Teileigentum sollte
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auf der Grundlage einer ebenfalls bereits beurkundeten Teilungserklärung
nebst Nachträgen erfolgen.
In dem Kaufvertrag heißt es u.a.:
"Auf Baubeschreibung und Teilungserklärung samt Nachträgen
hierzu wird unter Verzicht auf nochmaliges Vorlesen und Beifügen
zur heutigen Niederschrift verwiesen. Diese Urkunden werden al-
so zum Inhalt der heutigen Niederschrift gemacht."
Die Klägerin, die sich etwaige Ansprüche ihres Ehemannes hat abtreten
lassen, verlangt die Rückabwicklung des Kaufvertrages. Sie hat dazu u.a. be-
hauptet, daß sie und ihr Mann bei der Beurkundung nicht erklärt hätten, daß
ihnen der Inhalt der in Bezug genommenen notariellen Urkunden über die
Baubeschreibung und die Teilungserklärungen bekannt seien. Infolgedessen
fehle es an einer wirksamen Beurkundung. Ferner hat sie Mängel des Kaufge-
genstands geltend gemacht. Ihrer auf Rückzahlung des Teilkaufpreises von
512.047,41 DM nebst Zinsen, Zug um Zug gegen Erteilung von Löschungsbe-
willigungen hinsichtlich Auflassungsvormerkung und eingetragener Grund-
schuld, gerichteten Klage haben Land- und Oberlandesgericht stattgegeben.
Mit der - zugelassenen - Revision erstrebt der Streithelfer der Beklagten wei-
terhin die Klageabweisung. Die Klägerin beantragt die Zurückweisung des
Rechtsmittels.
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Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht hält den notariellen Vertrag für formunwirksam, da
er nicht entsprechend den Vorschriften des Beurkundungsgesetzes beurkundet
worden sei. Die schlichte Bezugnahme auf die Baubeschreibung und die Tei-
lungserklärung genügten nicht den Anforderungen des § 13a Abs. 1 BeurkG.
Eine, im konkreten Fall unterbliebene, Verlesung dieser früheren notariellen
Urkunden sei nur entbehrlich gewesen, wenn die Beteiligten erklärt hätten, daß
ihnen deren Inhalt bekannt sei und sie auf das Vorlesen verzichteten. Ob eine
solche Erklärung abgegeben worden sei, sei nicht festzustellen. Dies gehe zu
Lasten der Beklagten. Zwar müsse an sich die Klägerin die Tatbestandsvor-
aussetzungen für den bereicherungsrechtlichen Rückforderungsanspruch, mit-
hin auch das Fehlen des Rechtsgrundes, darlegen und beweisen. Bei einem
hier vorliegenden Verstoß gegen die Sollvorschrift des § 13a Abs. 1 Satz 2
BeurkG komme der Klägerin aber eine Beweislastumkehr zugute. Wegen der
Schutzfunktion des Beurkundungsverfahrens könne aus dem Schweigen der
Niederschrift darüber, ob die Parteien erklärt haben, den Inhalt der in Bezug
genommenen notariellen Urkunden zu kennen, darauf geschlossen werden,
daß solche Erklärungen auch nicht abgegeben worden seien. Das Gegenteil
müsse der beweisen, der behaupte, die Erklärungen seien gleichwohl erfolgt.
II.
Dies hält einer rechtlichen Prüfung nicht stand.
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Der auf § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB gestützte Rückzahlungsanspruch ist
nicht begründet, da die Klägerin nicht den ihr obliegenden Beweis dafür er-
bracht hat, daß der Zahlung auf den Kaufpreis der Rechtsgrund fehlt, weil der
Vertrag vom 18. August 1999 formunwirksam und damit nichtig ist.
1. Bei Grundstücksgeschäften wie hier unterliegen dem Beurkundungs-
erfordernis nach § 313 Satz 1 BGB a.F. alle Vereinbarungen, aus denen sich
nach dem Willen der Vertragsparteien das schuldrechtliche Veräußerungsge-
schäft zusammensetzt (Senat, BGHZ 63, 359; BGH, Urt. v. 12. Februar 1981,
VII ZR 230/80, WM 1981, 491; st. Rspr.). Da die Parteien im vorliegenden Fall
die Baubeschreibung und die Teilungserklärungen zum Inhalt ihrer vertragli-
chen Vereinbarungen gemacht haben, ist das Berufungsgericht daher zu Recht
davon ausgegangen, daß diese Bestandteile des Rechtsgeschäfts mitzubeur-
kunden waren.
2. Zutreffend ist auch die Annahme des Berufungsgerichts, daß von ei-
ner wirksamen Beurkundung dieser Vertragsbestandteile nur ausgegangen
werden kann, wenn die Voraussetzungen des § 13a Abs. 1 Satz 1 BeurkG er-
füllt sind, wenn also die bereits vorher beurkundeten Erklärungen, nämlich die
Baubeschreibung und die Teilungserklärung mit Nachträgen, zwar nicht vor-
gelesen worden sind, die Beteiligten aber erklärt haben, daß ihnen der Inhalt
der anderen Niederschriften bekannt sei und daß sie auf das Vorlesen ver-
zichteten. Daß die Urkunde entgegen § 13a Abs. 1 Satz 2 BeurkG keine Fest-
stellungen hinsichtlich der nach Satz 1 der Norm erforderlichen Erklärungen
enthält, stünde einer wirksamen Beurkundung nicht entgegen. Es handelt sich
insoweit um eine Sollvorschrift. Entscheidend ist, ob die Parteien die Erklärun-
gen abgegeben haben (Winkler, BeurkG, 15. Aufl., § 13a Rdn. 48, 75 m.w.N.).
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Haben sie dies nicht, so ist die Beurkundung unwirksam, und der Vertrag man-
gelt der vorgeschriebenen Form mit der Nichtigkeitsfolge des § 125 BGB (BGH,
Beschl. v. 29. Januar 1992, VIII ZR 95/91, WM 1992, 670).
3. Nach dem von dem Revisionsgericht zugrundezulegenden Beweiser-
gebnis steht weder fest, daß die Parteien die nach § 13a Abs. 1 Satz 1 BeurkG
erforderlichen Erklärungen abgegeben haben, noch daß sie sie nicht abgege-
ben haben. Soweit die Revisionserwiderung demgegenüber meint, es sei im
Laufe des Prozesses unstreitig geworden, daß jedenfalls die Klägerin im Beur-
kundungstermin nicht erklärt hat, die in Bezug genommenen Urkunden zu ken-
nen, stehen dem die für den Senat bindenden tatbestandlichen Feststellungen
des Berufungsgerichts entgegen (§§ 559 Abs. 1, 314 ZPO). Die Entscheidung
des Rechtsstreits hängt daher hinsichtlich des geltend gemachten Bereiche-
rungsanspruchs davon ab, wer die Beweislast für das Vorliegen bzw. Nichtvor-
liegen der Erklärungen trägt. Dies ist entgegen der Auffassung des Berufungs-
gerichts nicht die Beklagte, sondern die Klägerin.
a) Das Berufungsgericht verkennt an sich nicht, daß grundsätzlich der
Kläger, der eine Leistung unter dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Be-
reicherung zurückfordert, den Beweis dafür zu führen hat, daß der Rechtsgrund
fehlt (BGHZ 128, 167, 171; BGH, Urt. v. 9. Juni 1992, VI ZR 215/91, BGHR
BGB § 812 Abs. 1 Satz 1 Beweislast 3 m.w.N.). Danach obliegt vorliegend der
Klägerin der Beweis dafür, daß der Kaufvertrag der erforderlichen Form man-
gelt, weil er nicht ordnungsgemäß beurkundet worden ist.
An diesem Grundsatz sind - entgegen der Auffassung des Berufungsge-
richts - auch nicht deswegen Zweifel angebracht, weil diese Beweislastvertei-
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lung zu unterschiedlichen Ergebnissen führe, je nachdem, ob die eine er-
brachte Leistung zurückfordernde Partei die Unwirksamkeit des Vertrages gel-
tend mache oder die die Leistung fordernde Partei die Wirksamkeit. Denn dies
ist keine Besonderheit, die sich nur im Zusammenhang mit der Frage stellt, ob
eine Beurkundung den Anforderungen des § 13a Abs. 1 Satz 1 BeurkG genügt.
Vielmehr ergeben sich diese Unterschiede bei der Beweislast stets, wenn um
die Wirksamkeit eines Vertrages gestritten wird und die eine Seite eine bereits
erbrachte Leistung zurückfordert und die andere Seite den noch ausstehenden
Teil einklagt. Es ist unbestritten und sachlich auch gerechtfertigt, daß die Be-
reicherungsklage nur Erfolg hat, wenn der Kläger das Fehlen des Rechts-
grunds, also die Unwirksamkeit des Vertrags, beweist, und der Vertragserfül-
lungsklage nur stattgegeben werden kann, wenn das Bestehen des Vertrags
erwiesen ist.
b) Für die Klägerin streitet auch nicht die Vermutung der Vollständigkeit
und Richtigkeit einer über ein Rechtsgeschäft aufgenommenen notariellen Ur-
kunde. Diese Vermutung steht im Zusammenhang mit dem gesetzlichen Beur-
kundungserfordernis und dessen Reichweite (Senat, Urt. v. 1. Februar 1985,
V ZR 180/83, WM 1985, 699). Sie erstreckt sich auf alle Vereinbarungen, aus
denen sich nach dem Willen der Vertragspartner das schuldrechtliche Veräu-
ßerungsgeschäft zusammensetzt und die daher auch dem Beurkundungserfor-
dernis unterliegen. Sie erfaßt damit nicht solche Erklärungen der Parteien, die
nicht zu den Vereinbarungen zählen und folglich auch nicht der Beurkundung
bedürfen (Senat, aaO). So verhält es sich hier. Die Erklärung der Parteien, den
Inhalt in Bezug genommener Urkunden zu kennen und auf deren Vorlesung zu
verzichten, ist nicht Bestandteil der Einigung im Sinne des Veräußerungsge-
schäftes. Sie bedurfte daher nicht der Beurkundung nach § 313 Satz 1 BGB
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a.F. Auch das Beurkundungsgesetz hat den Vermerk über die Abgabe dieser
Erklärungen nicht zum Wirksamkeitserfordernis erhoben und die Aufnahme in
die Niederschrift nur als Sollvorschrift ausgestaltet (§ 13a Abs. 1 Satz 2
BeurkG).
c) Nicht weiterführend für den konkreten Fall sind auch die Überlegun-
gen, die das Berufungsgericht im Zusammenhang mit der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs zu Beweiserleichterungen bei unvollständiger ärztlicher
Dokumentation angestellt hat. Es mag sein, daß die hinter dieser Rechtspre-
chung stehenden Erwägungen in gleicher Weise für einen Prozeß gegen einen
Notar gelten, der wegen nicht wirksamer Beurkundung (Fehlen der Erklärungen
nach § 13a Abs. 1 BeurkG) in Anspruch genommen wird. Macht der Notar
demgegenüber geltend, die Erklärungen seien abgegeben worden, er habe
dies nur entgegen § 13a Abs. 1 Satz 2 BeurkG nicht in die Niederschrift aufge-
nommen, so kann es gerechtfertigt sein, ihm im Hinblick auf die ihm als Amts-
pflicht obliegende (Winkler, aaO, § 13a Rdn. 75; Senat, Urt. v. 25. Mai 1984,
V ZR 13/83, NJW 1985, 2077), von ihm aber unterlassene Dokumentation die
Beweislast für das Vorliegen der beurkundungsrechtlichen Wirksamkeitsvor-
aussetzungen aufzuerlegen (so im Ergebnis Winkler, aaO § 13a Rdn. 75).
Solche Erwägungen tragen aber entgegen der Auffassung des Beru-
fungsgerichts keine Umkehrung der Beweislast auch im Verhältnis zu der an
sich nicht beweisbelasteten Partei. Diese hat auf die Beachtung der Wirksam-
keitserfordernisse und deren Niederlegung in der Urkunde nicht mehr Einfluß
als die andere Vertragspartei. Es liegt daher fern, sie deswegen mit beweis-
rechtlichen Nachteilen zu belasten, weil der Notar Sollvorschriften verletzt hat,
bei deren Beachtung der Nachweis der Wirksamkeit oder Unwirksamkeit der
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Beurkundung ohne Schwierigkeiten möglich gewesen wäre. Etwas anderes
folgt auch nicht aus der von dem Berufungsgericht für seine Auffassung heran-
gezogenen Senatsentscheidung BGHZ 142, 84, die - worauf die Revision zu
Recht hinweist - zu dem vorliegenden Sachproblem keine Aussage enthält.
d) Soweit das Beurkundungsgesetz in § 13 Abs. 1 Satz 3 selbst eine
Vermutung aufstellt, wonach aus der eigenhändigen Unterschrift der Beteiligten
der Schluß darauf gerechtfertigt ist, daß die Niederschrift ordnungsgemäß vor-
gelesen, gegebenenfalls zur Durchsicht vorgelegt und genehmigt wurde, so
lassen sich daraus für den vorliegenden Fall ebenfalls keine Folgerungen her-
leiten. Die Norm ist auf ihren unmittelbaren Anwendungsbereich beschränkt
(zur erweiternden Auslegung vgl. Senat, Urt. v. 28. Januar 1994, V ZR 131/92,
NJW 1994, 1288) und scheidet als Grundlage für eine Vermutung dahin, daß
eine nicht vermerkte Erklärung nach § 13a Abs. 1 Satz 1 BeurkG auch nicht
abgegeben wurde, aus, läßt im übrigen auch nicht den gegenteiligen Schluß
zu, daß die Bezugsurkunde vorgelesen oder zur Durchsicht vorgelegt wurde
(Winkler, aaO § 13a Rdn. 51).
e) Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung rechtfertigt das
"Regel-Ausnahme-Prinzip" keine Umkehr der Beweislast.
Zweifelhaft ist schon, ob die Vorlesungspflicht nach § 13 Abs. 1 Satz 1
BeurkG inhaltlich die Regel und das Absehen hiervon unter den Voraussetzun-
gen des § 13a Abs. 1 Satz 1 BeurkG die Ausnahme darstellt (so allerdings
Eylmann/Vaasen/Limmer, BNotO/BeurkG, § 13a BeurkG Rdn. 1). Zwar ist es
grundsätzlich so, daß die Niederschrift über das Vereinbarte zu verlesen ist
und daß dies - bis zu der Einfügung des § 13a BeurkG durch das Beurkun-
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dungs-Änderungsgesetz vom 20. Februar 1980 (BGBl. I S. 157) - nach der sei-
nerzeit geänderten Rechtsprechung des Senats auch für in Bezug genommene
notarielle Urkunden galt (Urt. v. 23. Februar 1979, V ZR 99/77, NJW 1979,
1495; Urt. v. 27. April 1979, V ZR 175/77, NJW 1979, 1498). Daher könnte
§ 13a Abs. 1 Satz 1 BeurkG als Ausnahme von diesem Grundsatz begriffen
werden. Andererseits kann die Vorschrift auch als eigenständige Regelung
aufgefaßt werden, die den Besonderheiten des typisierten Grundstücksver-
kehrs mit seinen aufeinander aufbauenden Vertragswerken (Bauträgerverträge,
WEG-Teilungserklärungen, Hausverwalterverträge u.a.) Rechnung trägt und
eine Verweisung auf andere notarielle Urkunden unter bestimmten Vorausset-
zungen gerade auch im Interesse der Vertragsparteien zuläßt, die durch eine
ansonsten die Grenzen der Aufnahmefähigkeit überschreitende und vom We-
sentlichen ablenkende langandauernde Verlesung überfordert werden könnten
(vgl. Huhn/von Schuckmann, BeurkG, 3. Aufl., § 13a Rdn. 2).
Jedenfalls kann aber von einem die Beweislast verteilenden Regel-
Ausnahme-Verhältnis nur ausgegangen werden, wenn dies im Gesetz, aus-
drücklich oder durch Auslegung gewonnen (vgl. Rosenberg/Schwab/Gottwald,
Zivilprozeßrecht, 15. Aufl., S. 671), zum Ausdruck gekommen ist, wenn - wie
zum Teil auch formuliert wird - die beiden Tatbestände als Norm und Gegen-
norm erscheinen (vgl. Rosenberg, Die Beweislast, 5. Aufl., S. 119 ff., 124 ff.;
Leipold, Beweislastregeln und gesetzliche Vermutungen, 1966, S. 53 ff.;
MünchKomm-ZPO/Prütting, 2. Aufl., § 286 Rdn. 112, 113). Daran fehlt es im
vorliegenden Fall. Die sprachliche Fassung des § 13a Abs. 1 Satz 1 BeurkG
läßt nicht erkennen, daß der Gesetzgeber diese Regelung als Ausnahme von
der in § 13 Abs. 1 BeurkG statuierten Vorlesungspflicht verstanden wissen
wollte. Es fehlen die hierfür typischen Wendungen wie "dies gilt nicht", "die
Vorschrift ist nicht anzuwenden, wenn", "es sei denn" oder ähnl. (vgl. Münch-
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Komm-ZPO/Prütting, aaO Rdn. 112). Ein solches Verständnis drängt sich auch
nicht aus Sachgründen auf. Die Norm regelt, wie zu verfahren ist, wenn auf
notarielle Urkunden verwiesen wird und deren Verlesung erspart werden soll.
Dabei gibt es keine Sachgründe, unabhängig von Anspruchsnormen, bei denen
es auf die Wirksamkeit der Beurkundung ankommt, die Beweislast zu verteilen.
Weder spricht die Wahrscheinlichkeit als Grundlage für ein Regel-Ausnahme-
Verhältnis (vgl. Leipold aaO S. 56) dafür, daß alles zu verlesen ist, die Bezug-
nahme demgegenüber der Ausnahmefall ist, noch steht einer der Beteiligten
der zu beweisenden Tatsache näher. Daß der Notar die Förmlichkeiten be-
achtet hat, ist für beide Vertragspartner gleich wahrscheinlich oder zufällig und
von dem einen nicht eher beeinflußbar als von dem anderen.
Soweit das Berufungsgericht auf ein Regel-Ausnahme-Verhältnis hin-
sichtlich der Beachtung der Sollvorschrift des § 13a Abs. 1 Satz 2 BeurkG
durch den Notar abstellt, verkennt es, daß der Gesetzgeber hier kein Verhält-
nis von Regel und Ausnahme begründet hat, sondern lediglich dem Notar auf-
gegeben hat, in jedem Fall in der Niederschrift festzuhalten, daß die Parteien
die Erklärungen nach Abs. 1 Satz 1 der Norm abgegeben haben. Was dem
Berufungsgericht möglicherweise vorgeschwebt hat und worauf auch die Revi-
sionserwiderung die Entscheidung stützen möchte, ist die Überlegung, daß der
Notar im Regelfall die Sollvorschrift beachten wird, so daß bei einem Fehlen
des Vermerks angenommen werden könne, die Parteien hätten auch nichts
erklärt. Dieser Schluß ist aber ebenfalls nicht gerechtfertigt. Da der Gesichts-
punkt der Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit der Urkunde nicht trägt
(s.o.), ließe er sich nur auf einen Lebenserfahrungssatz stützen, daß nämlich
Notare im allgemeinen die ihnen auferlegten Pflichten beachten. Abgesehen
davon, daß dies nicht zu einer Umkehr der Beweislast, sondern nur zu einem
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im Rahmen der Beweiswürdigung zu berücksichtigenden Anscheinsbeweis
führte (vgl. nur MünchKomm-ZPO/Prütting aaO Rdn. 51 ff.), gibt es aber auch
keinen Erfahrungssatz dieses Inhalts, wie wiederum das Berufungsgericht
selbst nicht verkannt hat. Es ist wahrscheinlicher, daß ein Notar das Gesetz
beachtet, als daß er dagegen verstößt. Es besteht aber nicht ein solcher Grad
der Wahrscheinlichkeit, daß hierauf eine richterliche Überzeugung gegründet
werden könnte.
f) Schließlich lassen sich entgegen der Auffassung des Berufungsge-
richts auch aus der Schutzfunktion des Beurkundungsverfahrens keine Gründe
für eine Beweislastumkehr herleiten. Die Sollvorschrift des § 13a Abs. 1 Satz 2
BeurkG bezweckt den Schutz aller am Beurkundungsverfahren Beteiligten. Aus
dem Schweigen der Niederschrift über eine Abgabe der Erklärungen nach
Abs. 1 Satz 1 der Vorschrift können vor dem Hintergrund des Schutzgedankens
keine Schlußfolgerungen für die Beweislast gezogen werden. Es ist nicht ge-
rechtfertigt, wegen des Schutzzwecks, den Beteiligten die Bedeutung der Be-
zugnahme vor Augen zu führen, demjenigen eine Umkehr der Beweislast zu-
gute kommen zu lassen, der sich auf das Fehlen der nach § 13a Abs. 1 Satz 1
BeurkG erforderlichen Erklärung beruft. Er ist nicht schutzwürdiger als sein
Vertragspartner, der behauptet, die Erklärung sei abgegeben worden. Eine an-
gemessene Beweislastverteilung ist nur unter Berücksichtigung des jeweils
geltend gemachten Anspruchs oder Gegenrechts möglich. Nur als Tatbe-
standsvoraussetzung für den Anspruch oder den ihm entgegengesetzten Ein-
wand gewinnt die Behauptung, das Wirksamkeitserfordernis für die Inbezu-
gnahme einer fremden notariellen Urkunde fehle, Konturen, an denen sich Be-
weislastregeln orientieren können. Danach trägt die Klägerin als diejenige, die
das Fehlen des Rechtsgrundes für die erbrachte Leistung zu beweisen hat, die
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Nachteile des non liquet im Hinblick auf die Frage, ob der Vertrag ordnungs-
gemäß beurkundet worden ist oder nicht.
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III.
Der Rechtsstreit ist nicht zur Entscheidung reif, da sich das Berufungs-
gericht mit dem von der Klägerin im übrigen vorgebrachten Klagegrund der
Rückabwicklung des Kaufvertrages unter dem Gesichtspunkt der Mängelhaf-
tung oder des Rücktritts nicht auseinandergesetzt und dazu keine Feststellun-
gen getroffen hat. Die Sache ist daher an das Berufungsgericht zurückzuver-
weisen (§ 563 ZPO).
Wenzel Krüger Klein
Gaier Schmidt-Räntsch