Urteil des BGH vom 06.07.2004
BGH (höhe, auszahlung, darlehen, widerklage, konto, geschäftsführer, verfügung, verrechnung, bank, zpo)
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
XI ZR 250/02
Verkündet am:
6. Juli 2004
Herrwerth,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
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Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Ver-
handlung vom 6. Juli 2004 durch den Vorsitzenden Richter Nobbe, die
Richter Dr. Müller, Dr. Joeres, Dr. Wassermann und die Richterin Mayen
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des
2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Naumburg vom
30. Mai 2002 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben,
als der Widerklage stattgegeben worden ist.
Im Umfang der Aufhebung werden die Berufung der Be-
klagten gegen das Urteil der Kammer für Handelssa-
chen des Landgerichts Stendal vom 15. Mai 2001 zu-
rückgewiesen und die im Berufungsrechtszug erweiterte
Widerklage abgewiesen, und zwar mit der Maßgabe,
daß die Widerklage hinsichtlich ihres Antrags zu 2.2 als
unzulässig abgewiesen wird.
Die Revision der Beklagten wird zurückgewiesen.
Die Kosten erster Instanz werden gegeneinander auf-
gehoben. Die Kosten zweiter Instanz tragen die Kläge-
rin zu 2/5 und die Beklagte zu 3/5. Die Kosten des Re-
visionsverfahrens trägt die Beklagte.
Von Rechts wegen
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Tatbestand:
Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz noch über Scha-
densersatzansprüche der Beklagten gegen die Klägerin, eine Sparkasse,
aus der Nichterfüllung eines Darlehensvertrages und der Sperrung eines
Kontoguthabens. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Rechtsvorgängerin der Klägerin und nachfolgend diese selbst
gewährten drei Gesellschaften der N.-Gruppe, und zwar der S.-
GmbH , der N.-
GmbH
und der N.-Baugesellschaft
Kontokorrentkredite und langfristige Darlehen. Im Jahre
1996 gerieten die N.-GmbH und die N.-Baugesellschaft in wirtschaft-
liche Schwierigkeiten. Am 21. November 1996 fand deshalb bei der IHK
M. ein Sanierungsgespräch statt, an dem unter anderem Vertre-
ter der Klägerin, der D.bank sowie der IHK M.
teilnahmen. Ein hieran ebenfalls beteiligter Unternehmensberater
erstellte daraufhin einen Beratungsbericht, der unter anderem die Ver-
schmelzung der S.-GmbH, der N.-GmbH und - allerdings erst nach
Abschluß eines offenen Vergleichs mit ihren Gläubigern - auch der N.-
Baugesellschaft auf die erst im August 1996 gegründete Beklagte vor-
sah. Zusätzliche Liquidität in Höhe von insgesamt etwa 6 Millionen DM
sollte durch öffentlich geförderte Darlehen und einen Hausbankkredit der
Klägerin bereitgestellt werden.
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Nach dem Gespräch vom 21. November 1996 ließ die Klägerin auf
den Geschäftskonten der S.-GmbH, der N.-GmbH und der N.-
Baugesellschaft eine erhebliche Ausweitung der Überziehung zu. Mit
Verträgen vom 17. Dezember 1996 gewährte sie dem damaligen Ge-
schäftsführer der Beklagten ein Eigenkapitalhilfedarlehen (im folgenden:
EKH-Darlehen) in Höhe von 700.000 DM und der Beklagten selbst ein
Eigenkapitalergänzungsdarlehen (im folgenden: EKE-Darlehen) in Höhe
von 2.580.000 DM. Beide Darlehen wurden von der D.bank
refinanziert und von der Klägerin auf einem Konto der Be-
klagten bereitgestellt. Nachdem die Gläubiger der N.-Baugesellschaft
ohne Erfolg aufgefordert worden waren, im Wege eines Vergleichs auf
einen Großteil ihrer Forderungen zu verzichten, wurde auf Antrag ihres
Geschäftsführers vom 5. Februar 1997 am 28. Februar 1997 das Ge-
samtvollstreckungsverfahren über das Vermögen der N.-Baugesellschaft
eröffnet.
Am 18. Februar 1997 unterzeichnete der damalige Geschäftsführer
der Beklagten in deren Namen einen Vertrag mit der Klägerin über die
Gewährung eines Darlehens in Höhe von 2.295.000 DM (im folgenden
auch: Hausbankdarlehen). Dieses sollte erst in Anspruch genommen
werden können, wenn die vereinbarten Sicherheiten bestellt waren. Zu
diesen gehörte auch eine unbeschränkte selbstschuldnerische Bürg-
schaft des damaligen Geschäftsführers der Beklagten. Bei einer weiteren
Besprechung am 17. März 1997 erklärten die Vertreter der Klägerin, daß
diese das Hausbankdarlehen nicht an die Beklagte auszahlen, sondern
den Betrag von 2.295.000 DM mit den Kontoüberziehungen der N.-
Baugesellschaft verrechnen werde. Mit Schreiben vom 14. April 1997
machte sie die Verrechnung des Hausbankdarlehens, das durch die seit
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dem 21. November 1996 zugelassene weitere Überziehung der Kreditli-
nie bereits in vollem Umfang vorfinanziert worden sei, von der Beibrin-
gung der Bürgschaft des damaligen Geschäftsführers der Beklagten ab-
hängig und verweigerte außerdem Verfügungen über das restliche Gut-
haben der Beklagten aus dem EKH-Darlehen. Die Beklagte bot daraufhin
am 25. April 1997 die Beibringung der Bürgschaft ihres damaligen Ge-
schäftsführers Zug um Zug gegen Auszahlung der Valuta des Hausbank-
darlehens an.
Zur Stellung der Bürgschaft kam es nicht. Die Klägerin überwies
das restliche Guthaben der Beklagten aus dem EKH-Darlehen in Höhe
von 333.772,45 DM an die D.bank zurück. Die Beklag-
te stellte ihre Geschäftstätigkeit ein; über das Vermögen der S.-GmbH,
der N.-Baugesellschaft und der N.-GmbH wurde jeweils das Ge-
samtvollstreckungsverfahren eröffnet.
Mit der Widerklage, über die allein noch zu entscheiden ist, be-
gehrt die Beklagte die Feststellung, daß die Klägerin ihr zum Ersatz allen
Schadens verpflichtet sei, der ihr dadurch entstanden sei und künftig
entstehe, daß die Klägerin die Erfüllung des Darlehensvertrages über
2.295.000 DM vom 18. Februar 1997 verweigert (Widerklageantrag zu
2.1) und über das auf ihrem Geschäftskonto vorhandene Guthaben von
333.772,45 DM seit dem 14. April 1997 keine Verfügung mehr zugelas-
sen habe (Widerklageantrag zu 2.2). Sie macht geltend, daß sie ihre Ge-
schäftstätigkeit erfolgreich hätte fortführen und das Sanierungskonzept
für die Unternehmensgruppe erfolgreich hätte abgeschlossen werden
können, wenn ihr die beiden Beträge zur Verfügung gestanden hätten.
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Die Klägerin ist der Auffassung, daß sie zur Auszahlung des
Hausbankdarlehens über 2.295.000 DM an die Beklagte nicht mehr ver-
pflichtet gewesen sei, da sie zur Vorfinanzierung dieses Darlehens ver-
einbarungsgemäß in einem erheblichen Umfang die weitere Überziehung
der Geschäftskonten der Gesellschaften der Unternehmensgruppe zuge-
lassen habe. Außerdem habe die Beklagte die als Sicherheit vereinbarte
Bürgschaft ihres Geschäftsführers nicht gestellt.
Die Widerklage ist vor dem Landgericht ohne Erfolg geblieben.
Das Oberlandesgericht hat dem Widerklageantrag zu 2.2 stattgegeben,
die Berufung der Beklagten im übrigen zurückgewiesen und den erwei-
terten Widerklageantrag zu 2.1 abgewiesen. Mit der - vom Berufungsge-
richt zugelassenen - Revision verfolgen die Parteien ihre Anträge weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision der Klägerin ist begründet; sie führt zur Abweisung
des Widerklageantrags zu 2.2 als unzulässig. Die Revision der Beklagten
ist unbegründet.
I.
Das Berufungsgericht, dessen Urteil in gekürzter Form in OLGRe-
port Brandenburg/Dresden/Jena/Naumburg/Rostock 2003, 113 veröffent-
licht ist, hat seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet:
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Die Widerklageanträge seien zulässig. Das erforderliche Feststel-
lungsinteresse sei jeweils gegeben, da der Beklagten die Erhebung einer
Leistungsklage nicht zumutbar sei. Sie könne den Schaden, der auf der
Stornierung der übernommenen Bauverträge und dem Scheitern der be-
absichtigten Verschmelzung beruhe, teilweise noch nicht und im übrigen
nur nach einer aufwendigen Begutachtung beziffern.
Der Widerklageantrag zu 2.2 sei begründet. Der Beklagten stehe
gegen die Klägerin ein Schadensersatzanspruch aus positiver Vertrags-
verletzung zu. Das EKH-Darlehen und das EKE-Darlehen seien durch
Gutschrift auf dem Geschäftskonto der Beklagten ausgezahlt worden.
Aufgrund des Girovertrages sei die Klägerin verpflichtet gewesen, Verfü-
gungen über das Guthaben auf diesem Konto zuzulassen. Zu einer
Rückbuchung des auf dem Konto noch vorhandenen Betrages von
333.772,45 DM sei die Klägerin nicht berechtigt gewesen. Die Darle-
hensbedingungen hätten dies der Klägerin nicht gestattet. Eine Kündi-
gung des EKE-Darlehens habe die Klägerin weder erklärt noch hätten die
Voraussetzungen für eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem
Grund vorgelegen. Die Klägerin habe auch schuldhaft gehandelt. Es sei
zudem überwiegend wahrscheinlich, daß der Beklagten durch die Pflicht-
verletzung der Klägerin ein Schaden entstanden sei. Die Beklagte habe
nach ihrem unwidersprochenen Vortrag mangels finanzieller Mittel Ver-
träge mit Subunternehmern stornieren und die weitere Durchführung von
Bauvorhaben abbrechen müssen.
Der Widerklageantrag zu 2.1 sei unbegründet. Daß die Klägerin
die Auszahlung des Hausbankdarlehens verweigert habe, begründe kei-
nen Schadensersatzanspruch der Beklagten aus § 326 Abs. 1 BGB. Die
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Auszahlungsvoraussetzungen hätten zu keinem Zeitpunkt vorgelegen.
Die Beklagte habe die in dem Darlehensvertrag als Sicherheit vereinbar-
te Bürgschaft ihres Geschäftsführers nicht gestellt, obwohl sie insoweit
vorleistungspflichtig gewesen sei. Eine Vorleistungspflicht entfalle aller-
dings dann, wenn der andere Teil erkläre, er könne oder wolle nicht er-
füllen. Die Klägerin habe zwar jegliche Auszahlung verweigert, indem sie
mehrfach gegenüber der Beklagten zum Ausdruck gebracht habe, daß
eine Verrechnung der Darlehensvaluta mit den der N.-Baugesellschaft
gewährten Kontokorrentkrediten stattfinden solle. Das Erfordernis einer
Bürgschaftsbeibringung als Voraussetzung für den Auszahlungsanspruch
sei damit aber nicht entfallen, weil sich auch die Beklagte nicht ver-
tragstreu verhalten habe. Sie habe die Stellung der Bürgschaft bereits ab
Vertragsschluß von der Auszahlung des gesamten Darlehensbetrages an
sie abhängig gemacht. Die Klägerin sei hingegen zu der von ihr ange-
kündigten Verrechnung jedenfalls in erheblicher Höhe befugt gewesen.
Es sei vereinbart worden, daß die weitere Überziehung der Kontokorrent-
linien der an der Sanierung beteiligten Unternehmen als Vorfinanzierung
auf den zu gewährenden Hausbankkredit anzurechnen sei. Soweit eine
Anrechnung habe erfolgen sollen, habe die Klägerin deshalb keine fri-
schen Kreditmittel auszureichen brauchen. Etwas anderes ergebe sich
auch nicht daraus, daß die N.-Baugesellschaft nach dem Sanierungs-
konzept erst nach Abschluß eines offenen Vergleichs auf die Beklagte
habe verschmolzen werden sollen. Der der S.-GmbH, der N.-GmbH
und der N.-Baugesellschaft gewährte Kontokorrentkredit sei zwischen
dem 21. November 1996, dem vereinbarten Stichtag für die Anrechnung
neu gewährter Kontokorrentkredite, und dem 18. Februar 1997 um ins-
gesamt 842.386,40 DM ausgeweitet worden. In Höhe dieses Betrages
habe die Klägerin den Hausbankkredit nicht mehr auszahlen müssen.
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II.
Diese Ausführungen halten in einem wesentlichen Punkt rechtli-
cher Überprüfung nicht stand.
A. Revision der Beklagten
Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Ihr steht kein Scha-
densersatzanspruch im Zusammenhang damit zu, daß die Klägerin die
vollständige Valutierung des Hausbankdarlehens über 2.295.000 DM ver-
weigert hat. Die Klägerin ist insoweit weder in Verzug geraten noch der
Beklagten wegen endgültiger und ernsthafter Erfüllungsverweigerung
nach den Grundsätzen positiver Vertragsverletzung schadensersatz-
pflichtig, da die Beklagte ihrer Pflicht zur Beibringung einer Bürgschafts-
erklärung ihres Geschäftsführers nicht nachgekommen ist.
1. In Auslegung des am 7. Januar/18. Februar 1997 mit der Be-
klagten geschlossenen Darlehensvertrages ist das Berufungsgericht zu
dem Ergebnis gelangt, daß die Beklagte als Sicherheit unter anderem
eine unbeschränkte und selbstschuldnerische Bürgschaft ihres damali-
gen Geschäftsführers beizubringen hatte und daß sie insoweit vorlei-
stungspflichtig war. Diese Auslegung einer Individualvereinbarung läßt
einen Rechtsfehler nicht erkennen und wird von der Revision nicht ange-
griffen. Es steht zwischen den Parteien auch nicht im Streit, daß die Be-
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klagte eine Bürgschaftserklärung ihres Geschäftsführers zu keinem Zeit-
punkt beigebracht hat.
2. Die Vorleistungspflicht ist entgegen der Ansicht der Beklagten
nicht entfallen.
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, von der das
Berufungsgericht ausgegangen ist, entfällt eine Vorleistungspflicht des
Gläubigers allerdings dann, wenn der Schuldner die Erbringung der ihm
obliegenden Leistung endgültig und ernsthaft verweigert (vgl. BGH, Ur-
teile vom 27. April 1994 - VIII ZR 34/93, W M 1994, 1209, 1211 f. und
vom 31. Januar 1996 - VIII ZR 324/94, WM 1996, 822, 823). Der an sich
Vorleistungspflichtige kann aus der Vertragsverletzung des Gegners aber
keine Rechte herleiten, wenn er selbst nicht vertragstreu ist (vgl.
BGHZ 138, 195, 209; BGH, Urteile vom 1. Oktober 1986 - VIII ZR
132/85, W M 1986, 1496, 1498 und vom 15. Oktober 1993 - V ZR 141/92,
WM 1994, 215, 216).
b) So liegt der Fall hier.
aa) Die Klägerin hat die Auszahlung des Hausbankdarlehens end-
gültig und ernsthaft verweigert, indem sie gegenüber der Beklagten in
der Besprechung vom 17. März 1997 sowie in ihrem Schreiben vom
14. April 1997 zum Ausdruck gebracht hat, daß eine Verrechnung der
Darlehensvaluta mit den der N.-Baugesellschaft gewährten Kontokor-
rentkrediten stattfinden solle. Dies war - teilweise - unberechtigt. Nach
den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen war zwar verein-
bart, daß die seit dem 21. November 1996 erfolgte weitere Überziehung
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der Geschäftskonten der an der Sanierung beteiligten Gesellschaften in
Vorfinanzierung des zu gewährenden Hausbankkredits geschehen sollte.
Der der S.-GmbH, der N.-GmbH und der N.-Baugesellschaft ge-
währte Kontokorrentkredit ist aber nach den nicht angegriffenen Feststel-
lungen des Berufungsgerichts in der Zeit vom 21. November 1996 bis zur
Unterzeichnung des Darlehensvertrags am 18. Februar 1997 per Saldo
nur um 842.386,40 DM ausgeweitet worden. In Höhe des restlichen Be-
trags von mehr als 1,4 Millionen DM blieb die Klägerin danach zur Valu-
tierung des Hausbankdarlehens verpflichtet.
bb) Die Beklagte hat sich indessen ihrerseits nicht vertragstreu
verhalten und kann daher aus der - teilweise - unberechtigten Leistungs-
verweigerung der Klägerin keine Rechte herleiten. Sie hat ausweislich
des Schreibens vom 25. April 1997 nämlich die Beibringung der Bürg-
schaft, also die Erfüllung ihrer Vorleistungspflicht, von der Auszahlung
des gesamten Darlehensbetrags an sie abhängig gemacht. Hierauf hatte
sie nach den Feststellungen des Berufungsgerichts keinen Anspruch.
Macht der Gläubiger die Erfüllung einer ihm obliegenden Leistung von
vertraglich nicht vereinbarten oder nicht begründeten Forderungen ab-
hängig, so steht dies einer Verweigerung der eigenen Leistung gleich
(BGH, Urteile vom 15. Mai 1990 - X ZR 128/88, W M 1990, 1628, 1630
und vom 27. April 1994 - VIII ZR 34/93, WM 1994, 1209, 1212). Das Ver-
halten der Beklagten war nach Art und Tragweite auch geeignet, den
Vertragszweck zu gefährden oder zu vereiteln (vgl. zu dieser Vorausset-
zung: BGH, Urteil vom 15. Oktober 1993 - V ZR 141/92, W M 1994, 215,
216).
(1) Die Revision, die den dem Berufungsurteil zugrunde liegenden
rechtlichen Ausgangspunkt nicht in Abrede stellt, greift vor allem die vom
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Berufungsgericht getroffene Feststellung an, es sei vereinbart gewesen,
die seit dem 21. November 1996 erfolgten weiteren Überziehungen der
Geschäftskonten der an der Sanierung beteiligten Unternehmen als Vor-
finanzierung auf den zu gewährenden Hausbankkredit anzurechnen.
Damit hat sie keinen Erfolg.
Das Berufungsgericht hat es aufgrund der Aussagen der Zeugen
Mä., H. und Sc. als erwiesen angesehen, daß bei dem Sanie-
rungsgespräch vom 21. November 1996, über dessen Ergebnis der Ge-
schäftsführer der Beklagten unterrichtet worden sei, eine Kreditausweitung
und zur Beseitigung der akuten Liquiditätsschwierigkeiten der Gesellschaf-
ten der N.-Gruppe eine teilweise Vorfinanzierung der künftigen Kreditver-
träge durch eine weitere Erhöhung der bei der Klägerin bestehenden Kon-
tokorrentlinien der Gesellschaften mit der Folge vereinbart worden sei, daß
die Klägerin den vorfinanzierten Betrag auf das Hausbankdarlehen habe
anrechnen dürfen.
Diese Beweiswürdigung, die vom Senat lediglich daraufhin über-
prüft werden kann, ob sich das Berufungsgericht entsprechend dem Ge-
bot des § 286 ZPO mit dem Streitstoff und den Beweisergebnissen um-
fassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Beweiswürdi-
gung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkge-
setze oder Erfahrungssätze verstößt (st.Rspr., vgl. BGH, Urteile vom
11. Februar 1987 - IVb ZR 23/86, NJW 1987, 1557, 1558, vom
1. Oktober 1996 - VI ZR 10/96, NJW 1997, 796, 797 und vom 9. Juli
1999 - V ZR 12/98, WM 1999, 1889, 1890), läßt einen Rechtsfehler nicht
erkennen. Die Revision versucht insoweit vor allem - revisionsrechtlich
unbehelflich - die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts durch eine
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andere, der Beklagten günstigere zu ersetzen. Soweit die Revision be-
anstandet, die Anrechnung der von der Klägerin kurzfristig bereit gestell-
ten Mittel auf das Hausbankdarlehen sei nur zwischen dem Vertreter
Sc. der D.bank und dem Vorstandsvorsitzenden
der Klägerin vereinbart worden, steht das den vom Berufungsgericht ge-
troffenen Feststellungen und der Annahme des Zustandekommens einer
auch die Beklagte bindenden Verrechnungsvereinbarung nicht entgegen.
Der Geschäftsführer der Beklagten hat die Gespräche über die Sanie-
rung der Unternehmensgruppe durch seine Tischvorlage veranlaßt. Er
hat sie dann - zum Teil auch durch seinen Rechtsanwalt - begleitet und
sich ihr Ergebnis - im wesentlichen auf der Grundlage des Sanierungsbe-
richts des Unternehmensberaters - für die Beklagte zu eigen gemacht
und in der Folgezeit auch stets auf ihre Umsetzung gedrängt. Daß das
Berufungsgericht zu der Feststellung gelangt ist, daß der Geschäftsfüh-
rer der Beklagten über das Gesprächsergebnis informiert worden ist, läßt
revisionsrechtlich beachtliche Fehler gleichfalls nicht erkennen. Im übri-
gen konnte der Geschäftsführer der Beklagten vernünftigerweise nicht
davon ausgehen, die Klägerin wolle den Gesellschaften, die sich in er-
heblichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten befanden, ohne zusätzliche
Sicherheiten Kredite über das im Beratungsbericht des Unternehmensbe-
raters E. vorgesehene Volumen von insgesamt 6 Millionen DM hinaus
zur Verfügung stellen.
Ohne Erfolg macht die Revision geltend, nach den Programmricht-
linien des Bundesministeriums für Wirtschaft hätten die Eigenkapitalhilfe-
und Eigenkapitalergänzungsdarlehen nicht zur Rückführung von Krediten
verwendet werden dürfen, die vor der - Anfang Dezember 1996 erfolg-
ten - Stellung der Anträge auf Auszahlung dieser Darlehen gewährt wor-
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den seien. Dem steht bereits entgegen, daß nach der Aussage des Mit-
arbeiters Sc. der D.bank als insoweit maßgebli-
cher Zeitpunkt der Antragstellung derjenige anzusehen ist, in dem das
erste aktenkundige Gespräch der Hausbank mit dem Antragsteller ge-
führt wird. Der Zeuge Sc. hat auch bestätigt, daß es hier deshalb
nicht schädlich gewesen wäre, wenn bereits einen Tag nach dem
21. November 1996 mit dem zu finanzierenden Vorhaben begonnen wor-
den wäre. Es ist danach auch nicht zu beanstanden, daß das Berufungs-
gericht auf den 21. November 1996 als Stichtag für die Anrechnung von
weiteren Kontoüberziehungen auf das Hausbankdarlehen abgestellt hat.
Die desweiteren von der Revision erhobenen Verfahrensrügen hat
der Senat geprüft, aber nicht für durchgreifend erachtet (§ 564 ZPO).
(2) Ohne Erfolg wendet sich die Revision auch gegen die vom Beru-
fungsgericht vorgenommene Auslegung des Darlehensvertrages vom
7. Januar/18. Februar 1997, in dem als Konto für die Gutschrift der Valuta
aus dem Hausbankdarlehen neben dem Konto der Beklagten auch das Ge-
schäftskonto der N.-Baugesellschaft angegeben ist, auf dem die Klägerin
nach dem 21. November 1996 in erheblichem Umfang weitere Kreditmittel
zur Verfügung gestellt hatte. Wenn das Berufungsgericht daraus entnom-
men hat, daß die Klägerin zur Verrechnung dieser Kreditmittel mit dem
Hausbankdarlehen berechtigt war, so ist dies nicht zu beanstanden. Die
Angabe der Gutschriftkonten im Darlehensvertrag gab der Klägerin das
Recht, die Valuta aus dem Hausbankdarlehen auf diese Konten zu über-
weisen und dadurch den dort durch weitere Überziehung seit dem
21. November 1996 entstandenen Debetsaldo zurückzuführen.
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cc) Entgegen der Ansicht der Revision wäre die Vorleistungspflicht
der Beklagten auch dann nicht entfallen, wenn die Beklagte sich Zug um
Zug gegen Auszahlung des von der Klägerin noch nicht durch Überzie-
hungen seit dem 21. November 1996 vorfinanzierten Teils des Haus-
bankdarlehens zur Beibringung einer Bürgschaft ihres Geschäftsführers
in Höhe dieses Teilbetrages bereit erklärt hätte. Da die Klägerin das
Hausbankdarlehen nach den Feststellungen des Berufungsgerichts in
Höhe von 842.386,40 DM mit den weiteren Überziehungen seit dem
21. November 1996 verrechnen durfte, mußte die vorleistungspflichtige
Beklagte vor Auszahlung des Restbetrags eine Bürgschaft ihres Ge-
schäftsführers in Höhe der vollen Darlehenssumme beibringen.
B. Revision der Klägerin
Die Revision der Klägerin ist begründet. Der Widerklageantrag zu
2.2 ist, wie die Revision mit Recht rügt, unzulässig. Die Beklagte hat kein
rechtliches Interesse im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO an der begehrten
Feststellung. Sie hat nicht dargelegt, daß ihr aufgrund des Umstands,
daß die Klägerin eine Verfügung über das auf einem Konto der Beklag-
ten vorhandene Guthaben von 333.772,45 DM nicht zugelassen hat,
wahrscheinlich ein Schaden entstanden ist.
Das Berufungsgericht hat die Wahrscheinlichkeit eines Scha-
denseintritts nur im Rahmen der Begründetheit, nicht aber der Zulässig-
keit der Feststellungsklage geprüft. Dies wäre nur dann zutreffend, wenn
es um die Verletzung eines absoluten Rechts gehen würde. Bei reinen
Vermögensschäden - wie sie Gegenstand des Widerklageantrags zu 2)
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sind - hängt dagegen im Interesse des Anspruchsgegners bereits die Zu-
lässigkeit der Feststellungsklage von der Wahrscheinlichkeit eines auf
die Verletzungshandlung zurückzuführenden Schadenseintritts ab (BGH,
Urteile vom 14. Dezember 1995 - IX ZR 242/94, W M 1996, 548, 549
m.w.Nachw., vom 2. Dezember 1999 - IX ZR 415/98, W M 2000, 199,
202, vom 22. Februar 2001 - IX ZR 293/99, W M 2001, 741, 742 und vom
25. Oktober 2001 - IX ZR 427/98, W M 2002, 29, 32). Andernfalls würde
dem möglichen Schädiger ein Rechtsstreit über gedachte Fragen aufge-
zwungen, von denen ungewiß wäre, ob sie jemals praktische Bedeutung
erlangen können (BGH, Urteil vom 15. Oktober 1992 - IX ZR 43/92,
WM 1993, 251, 260).
Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Ausweislich des Tat-
bestandes des Berufungsurteils hat die Beklagte insoweit vorgetragen,
bei Auszahlung der Kreditmittel in Höhe von 2.295.000 DM und der zur
Verfügung stehenden Betriebsmittel von 333.772,45 DM hätten die vor-
handenen lukrativen Aufträge von über 25 Millionen DM abgearbeitet
werden können. Daß der Beklagten eine Fortführung ihrer Geschäftstä-
tigkeit allein mit der Verfügungsmöglichkeit über den letztgenannten Be-
trag möglich gewesen wäre, hat die Beklagte nicht ausreichend substan-
tiiert dargelegt und hat bei einer notwendigen zusätzlichen Liquidität der
Unternehmensgruppe von etwa 6 Millionen DM als gänzlich unwahr-
scheinlich außer Betracht zu bleiben.
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III.
Auf die Revision der Klägerin war das Berufungsurteil im Kosten-
punkt und insoweit aufzuheben, als das Berufungsgericht dem Widerkla-
geantrag zu 2.2 stattgegeben hat (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da weitere Fest-
stellungen nicht zu treffen sind, konnte der Senat in der Sache selbst
entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO), im Umfang der Aufhebung die Berufung
der Beklagten zurückweisen und ihre erweiterte Widerklage abweisen,
und zwar mit der Maßgabe, daß die Widerklage hinsichtlich des Antrags
zu 2.2 als unzulässig abgewiesen wird. Die Revision der Beklagten war
zurückzuweisen.
Nobbe Müller Joeres
Wassermann Mayen