Urteil des BGH vom 23.08.2010

BGH (antragsteller, gesetzliche vermutung, beschwerde, vermögensverfall, sparkasse, zulassung, forderung, vermutung, verfügung, aufhebung)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
AnwZ (B) 18/09
vom
23. August 2010
in dem Verfahren
wegen Widerrufs der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft
- 2 -
Der Bundesgerichtshof, Senat für Anwaltssachen, hat durch den Vorsitzenden
Richter Dr. Ganter, die Richterinnen Roggenbuck und Lohmann, die Rechts-
anwältin Kappelhoff und den Rechtsanwalt Prof. Dr. Quaas nach mündlicher
Verhandlung am 22. März 2010
am 23. August 2010
beschlossen:
Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers werden der Be-
schluss des 2. Senats des Niedersächsischen Anwaltsgerichtshofs
vom 12. Januar 2009 und die Verfügung der Antragsgegnerin vom
29. Februar 2008 aufgehoben.
Gerichtliche Gebühren und Auslagen werden nicht erhoben.
Der Antragsteller hat die notwendigen außergerichtlichen Ausla-
gen der Antragsgegnerin zu tragen.
Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf
50.000 € festgesetzt.
- 3 -
Gründe:
I.
Der am 21. Juli 1966 geborene Antragsteller wurde am 22. Februar 1998
im Bezirk der Antragsgegnerin zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Mit Be-
scheid vom 29. Februar 2008 widerrief die Antragsgegnerin die Zulassung we-
gen Vermögensverfalls. Der Anwaltsgerichtshof hat den hiergegen gerichteten
Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen. Mit seiner sofortigen Be-
schwerde will der Antragsteller weiterhin die Aufhebung des Widerrufsbeschei-
des erreichen.
1
II.
Die sofortige Beschwerde ist statthaft und auch im Übrigen zulässig (§ 42
Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 BRAO a.F., § 215 Abs. 3 BRAO). Sie führt zur Aufhebung
der angefochtenen Entscheidung des Anwaltsgerichtshofs und der Verfügung
der Antragsgegnerin.
2
1. Gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ist die Zulassung zur Anwaltschaft zu
widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei
denn, dass dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind.
Ein Vermögensverfall liegt vor, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete,
schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht
ordnen kann, und außer Stande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen.
Beweisanzeichen hierfür sind insbesondere die Erwirkung von Schuldtiteln und
Vollstreckungsmaßnahmen gegen ihn (st. Rspr.; vgl. z.B. Senatsbeschluss vom
14. April 2007 - AnwZ (B) 6/06, Rn. 5 m.w.N.). Der Vermögensverfall wird ver-
3
- 4 -
mutet, wenn der Rechtsanwalt in das vom Insolvenzgericht oder vom Vollstre-
ckungsgericht zu führende Verzeichnis (§ 26 Abs. 2 InsO, § 915 ZPO) eingetra-
gen worden ist (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 Halbs. 2 BRAO).
2. Im Zeitpunkt der Widerrufsentscheidung, am 29. Februar 2008, waren
diese Voraussetzungen erfüllt. Am 25. Januar 2008 ist gegen den Antragsteller
ein Haftbefehl gemäß § 901 ZPO erlassen worden (AG R.
- 2 ; Gläubigerin: Sparkasse S. ), der in das Schuldnerverzeichnis
eingetragen worden ist. Umstände, welche die aus der Eintragung folgende ge-
setzliche Vermutung des Vermögensverfalls erschüttern könnten, hat der An-
tragsteller nicht dargetan. Der Vermögensverfall führt insbesondere im Hinblick
auf den Umgang des Rechtsanwalts mit Fremdgeld und dem möglichen Zugriff
seiner Gläubiger hierauf regelmäßig zu einer Gefährdung der Rechtsuchenden.
Anhaltspunkte dafür, dass dies im vorliegenden Fall anders war, gab es nicht.
4
3. Der Widerrufsgrund ist jedoch, was bei der Entscheidung über die so-
fortige Beschwerde zu berücksichtigen ist (BGHZ 75, 356, 357; 84, 149, 150),
nachträglich entfallen.
5
a) Die Vermutung des Vermögensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 Halbs. 2
BRAO) besteht nach wie vor. Der Antragsteller ist mit vier Haftanordnungen im
Schuldnerverzeichnis eingetragen, wie sich aus der von der Antragsgegnerin
als Anlage zum Schriftsatz vom 30. Juni 2010 eingereichten Auskunft des
Amtsgerichts R. vom 28. Juni 2010 ergibt. Er hat jedoch
dargelegt, dass er die den Haftbefehlen zugrundeliegenden Forderungen getilgt
hat oder in einer Weise zu erfüllen vermag, die seine Einkommens- und Ver-
mögensverhältnisse wieder als geordnet erscheinen lässt (vgl. dazu BGH,
6
- 5 -
Beschl. v. 6. November 1998 - AnwZ (B) 25/98, BRAK-Mitt. 1999, 36). Im Ein-
zelnen gilt:
• Die Forderung der Sparkasse R. von jetzt noch
8.021,02 € (Stand: 7. Juli 2010) wird in monatlichen Raten von 350 € ab-
bezahlt. Der Antragsteller hat durch Vorlage von Kopien der entspre-
chenden Kontoauszüge belegt, die Rate für die Monate April, Mai und
Juni 2010 überwiesen zu haben. Er hat außerdem die Kopie eines
Schreibens der Gläubigerin vom 20 Mai 2010 eingereicht, in welchem
diese sich mit den monatlichen Raten von 350 € einverstanden erklärt
hat.
• Die Forderung des Gläubigers W. ist bezahlt. Der An-
tragsteller hat durch Vorlage von Kopien zweier Kontoauszüge belegt,
dass er die Hauptforderung von 932,50 € sowie die Kosten von 350 €
überwiesen hat.
• Mit dem Prozessbevollmächtigten der Sparkasse S. hat der An-
tragsteller am 27. März 2008 Ratenzahlungen von 500 € im Monat ver-
einbart, fällig jeweils zum 15. des Monats. Am 21. Juni 2010 hat der An-
tragsteller die Raten für die Monate Mai und Juni 2010 überwiesen.
b) Die übrigen im Verlauf des Beschwerdeverfahrens bekannt geworde-
nen Forderungen sind beglichen. Insbesondere hat der Antragsteller die gegen
ihn verhängte Geldbuße von 1.000 € sowie die Kosten von 257 € gezahlt. Der
Antragsteller hat ferner dargelegt, dass sein derzeitiges Einkommen ihn in Ver-
bindung mit Zahlungen seines Vaters in die Lage versetzt, den verbleibenden
Verpflichtungen ordnungsgemäß nachzukommen. Das rechtfertigt es, nunmehr
von einem Wegfall des Widerrufsgrundes auszugehen.
7
- 6 -
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 201 Abs. 2 BRAO a.F. Da der
Widerrufsgrund erst im laufenden Beschwerdeverfahren entfallen ist, entspricht
die Anordnung einer Auslagenerstattung der Billigkeit (§ 42 Abs. 6 BRAO a.F.
i.V.m. § 13a Abs. 1 Satz 1 FGG a.F.).
8
Ganter Roggenbuck Lohmann
Kappelhoff Quaas
Vorinstanz:
AGH Celle, Entscheidung vom 12.01.2009 - AGH 8/08 -